Angela Merkel, der Schulz-„Zukunftsplan“ und die Ohnmacht der SPD

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Begriffe prägen – das haben die Linken zu allen Zeiten gut gekonnt. Die Begriffe aber auch mit Leben zu füllen und in eine marktwirtschaftliche Ordnung einzufügen – da versagen sie meist.

„Ich möchte ein Kanzler sein, der Probleme anpackt“, sagte Schulz selbstbewußt, und legte gleich seine Kernsprüche vor:

„Mindestdrehzahl bei Investitionen“, „Innovationsallianz“, „Deutschlandportal“, „Bildungsoffensive“, „solidarische Flüchtlingspolitik“ oder „digitales Deutschlandportal“.

So viele schöne Wortschöpfungen waren noch nie. Die Frage, wie das alles genauer ausgestaltet und finanziert werden soll, überfliegt Schulz allerdings geflissentlich.

Und er schweigt zu der Schätzung etlicher Fachleute, daß die Umsetzung seines Programmes so um die 250-300 MILLIARDEN Euro kosten würde.

Mit seinem Zukunftsplan will SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz endlich mehr bei den Wählern punkten. Doch seine Ergänzung zum SPD-Wahlprogramm erregt mehr Kritik als (vereinzelte) Zustimmung. Und Wirtschaftsexperten sehen die wahren Probleme ganz woanders.

Unüberseh- und unüberhörbar; Die Genossen haben Frust. Beim Reizwort „Merkel“ beißen sie in die Tischplatte, nagen den Teppich im Willy-Brandt-Haus an und versuchen alles, die Kanzlerin in die Enge zu treiben. Doch es scheint der SPD wie 2009 und 2013 zu ergehen: Die Sozis strampeln sich ab, während Angela Merkel – wenn überhaupt – Kuschelwahlkampf macht, nicht mit stolzem Gehabe, sondern still und unauffällig. Zum Beispiel hält sie sich trotz ihrer Gastgeberrolle weitgehend aus der Aufarbeitung der Hamburger G20-Krawalle heraus, während sich die SPD eine Woche lang inbrünstig an dem Vorwurf abarbeitet, sie hege Sympathie für steinewerfende Extremisten, die nebenbei Kleinwagen anzünden.

Die Sozis benehmen sich wie der Kampfstier in der Arena: vollkommen fixiert auf das rote Tuch Angela.

Also legte er (der SPD-Kandidat) heftig los:

„Wir werden der bildungspolitischen Kleinstaaterei ein Ende machen“, betonte Schulz, vergaß aber zu erwähnen, daß die SPD seit Jahrzehnten in einem Großteil der 16 Bundesländer, die für die Bildungspolitik verantwortlich sind, regiert bzw. mitregiert. Schulz kündigte an, falls er Kanzler werde, wolle er in den ersten 50 Tagen eine „Bildungsallianz“ schmieden. Über Ländergrenzen hinweg? Über den Bundesrat hinaus? „Bildungspolitik auf Bundesebene? (Verfassungsgrundsatz: Bildungspolitik ist Ländersache!) Tja, der Teufel steckt im Detail. Und wir sind hier nicht in Brüssel, wo man mit Verordnungen regieren kann.

„Abitur für alle!“

Ein Kanzler könne zwar keine Bildungspolitik diktieren, aber Deutschland müsse sich höhere Ziele setzen als bisher. Klingt gut, Bruder Martin; denn das riecht sehr nach Senkung der Anforderungen – nach der Devise: „Herunter mit dem Bildungsniveau – Abitur für alle!“ Das wär´ doch ´mal was, das auch braven Gemütern wie Schulz guttäte! Und – er selbst könnte es auch für sich brauchen (wenn er nicht doch schon zu alt wäre). Dann wäre wenigsten ein Makel weg.

Was Schulz nicht sagt, ist, daß die SPD seit Jahrzehnten in vielen Ländern insbesondere die Kultusminister stellt. Mehr Geld vom Bund ist ihnen stets willkommen, aber Befugnisse abgeben? Nein, danke. Das skandalöse Absacken des Bildungsniveaus in deutschen Schulen trägt einen eindeutigen Namen: SPD.

Dirigismus und Gießkannenprinzip

Doch der Kandidat beibt mutig, aber dumm: Wie blind stürzt er sich auf ein Feld, in dem weder die SPD zuhause ist noch er zuhause scheint – und die CDU einen uneinholbaren Kompetenzvorsprung hat: „Investitionsverpflichtung“ und „Innovationsallianz für die deutsche Industrie“! – was ist das denn? Fragen wir lieber mal gleich vorweg: Was macht der fürsorgliche Staat, wenn die Innovationen (der Wirtschaft) nicht mit der Planung (des Staates) schritthalten? Drohen dann Sanktionen, oder hilft sanfter Zuspruch oder kommt die gesamte Wirtschaft in die sozialistische Gehirnwäscheanstalt?

Im Falle einer Regierungsübernahme im Herbst will die SPD zudem eine „aktive Industriepolitik“ betreiben und eine Investitionsverpflichtung des Staates einführen. Klingt schon wieder nach Dirigismus. Dieser „Plan“ sieht eine Investitionsverpflichtung für den Staat vor. Diese solle durch Einnahmeüberschüsse finanziert werden, sagte Schulz. Bund, Länder und Gemeinden hätten zusammen 56 Milliarden Euro Überschüsse. (Aber was passiert, wenn die Überschüsse weniger werden oder gar ausfallen, sagt der Kandidat natürlich nicht.)

„Mindestdrehzahl für Investitionen“ – Den Kapitalismus überwinden

Was so harmlos frech daher kommt, ist nichts anderes als eine „staatliche Verordnung“ nach dem Modell einer medizinischen: „Wir weisen an“, sagt Herr Dr. med. soz. Schulz, und die Kasse (der Steuerbürger) soll zahlen. Im Grundgesetz sei zwar eine Schuldenbremse verankert als Obergrenze für Haushaltsdefizite, aber keine Vorgabe für Ausgaben. Daher will die SPD als Ergänzung zur Schuldenbremse eine „Mindestdrehzahl“ für Investitionen in der mittelfristigen Finanzplanung verankern. „Der Staat – und das ist richtig – darf keine unzulässigen Defizite machen“, sagte Schulz. „Dann muß er aber auch, wenn wir das festschreiben, sein Geld nach einer verbindlichen Vorgabe für die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur einsetzen.“ Aha, Herr Schulz, habe verstanden: „Hasde Geld, dann raus damit!“

Da ist er wieder, der alte Spruch über das Verhältnis der Sozis zum Geld:

„Schenk´ Sozis eine Wüste, und nach vier Jahren gibt´s keinen Sand mehr.“

Schulz´ Zehn-Punkte-Plan ist das Abziehbild alter linker, also sozialistischer Politik. Dahinter steckt der Wille, die Menschen in Deutschland gleich, arm und vor allen Dingen gleicharm zu machen. Ein rückwärtsgewandtes Programm, das die abgegriffene Urforderung der Genossen widergibt: „Wir wollen den Kapitalismus überwinden!“

Die Reaktion der „Herausgeforderten“, der CDU-Vorsitzenden Bundeskanzlerin Angela Merkel, folgte wenige Stunden später: Sie bezweifelte im ARD-Sommerinterview generell die Notwendigkeit einer solchen Investitionsverpflichtung. Das Hauptproblem sei nicht fehlendes Geld, sondern zu langsame Planung. „Wir können zurzeit das Geld, das wir haben, nicht ausgeben“, erklärte sie – womit sie, horcht man unvoreingenommen den Fachleuten zu, rechthaben dürfte. Deshalb setze die Union darauf, die Planungsverfahren zu beschleunigen und für vorrangige Projekte die Zahl der Klageinstanzen zu verringern.

Zum Arbeitsmarkt: Im Frühjahr, kurz nach seiner Nominierung, landete Schulz seinen bislang einzigen großen Hit im Wahlvolk. Korrekturen an den Hartz-IV-Arbeitsmarktreformen und ein längeres Arbeitslosengeld. Nun ergänzt er das um ein „Chancenkonto“. Jedermann soll bis zu 20.000 Euro vom Staat bekommen, um sich weiterzubilden. Hört sich spannend an – aber kein Wort des Kandidaten zu Kosten und Finanzierung. Und damit hat das „Chancenkonto“ keine Chancen – außer als hitverdächtige Wortschöpfung in die Annalen der Parteiwahlprosa einzugehen.

Ifo-Institut: „überflüssig“

Auch der hochangesehene Präsident des Münchener ifo-Instituts, Clemens Fuest, hält den Schulz-Plan für überflüssig. „Oft sind wir schon an dem Punkt angelangt, daß das Geld nicht mehr ausgegeben werden kann, weil es an sinnvollen Projekten fehlt“, sagte der Wirtschaftsforscher dem „Handelsblatt“. Es helfe niemandem, „öffentliche Investitionen wie mit der Schrotflinte zu steigern“.

Zwischenergebnis des SPD-Wagnisses Schulz:

Der Kandidat war also wie versprochen „konkret“ geworden – allerdings ganz konkret unkonkret. Brav, Genosse Schulz, brav! Wir haben es geahnt: Irgendwann kommt der Messias, der Erlöser, der Heilsbringer, der uns die Frohbotschaft verkündet, daß er alles weiß. Schulz´ Heilsversprechen bedeuten letztlich Entmündigung – der Bürger und der Wirtschaft.

Aber Vorsicht, Bruder Martin, die Bürger sind nicht so unmündig, wie Sie wohl meinen. Darf ich Sie daran erinnern – wie oben schon erwähnt –, daß die SPD in den letzten 19 Jahren 15 davon (mit)regiert hat und in 11 Bundesländern in der Regierung sitzt? Die SPD hätte also all´ ihre Wünsche zumindest in großen Teilen erfüllen können. Niemand hätte sie daran hindern können. So aber bleibt ein fader Geschmack zurück. Worte, nichts als Worte…

Vorschläge nicht finanzierbar?

Das riecht ganz nach Großer Koalition:

Bei einem anderen Punkt von Schulz’ Zukunftsplan, der Einrichtung eines deutschlandweiten Verbunds der Internet-Portale aller Behörden innerhalb von fünf Jahren, verwies Merkel kurz nach Schulz´ Pressekonferenz auf die bereits bestehende Bund/Länder-Vereinbarung über einen Portalverbund. „Ist doch schön, wenn es sich deckt mit dem, was die SPD auch will“ (Merkel). Ansonsten hielt sie sich mit Kritik an Schulz zurück. Nachtigall, ick hör dir trapsen… oder: Den Verbündeten von morgen bekämpft man heute nicht als Feind.

Andere CDU-Politiker hatten Schulz schon am Sonntag vorgeworfen, nichts zur Finanzierung seines Maßnahmenpakets gesagt zu haben. Der FDP-Wirtschaftsexperte Michael Theurer bezifferte die Kosten des vorgeschlagenen staatlichen Guthabens für Bildung und berufliche Entwicklung jedes Bürgers auf mindestens 250 Milliarden Euro.

Die Linkspartei findet Schulz’ Vorschläge zwar gut – was denn sonst? Links liebt links! Aber immerhin, klagt die tiefrote Frontfrau Sahra Wagenknecht, der Schulzplan sei „nicht durchfinanziert“. Und verwies auf eine linke Todsünde: Die SPD lehnt eine Vermögensteuer ab. Die Linken bei der Linken und der SPD sind entsetzt!

Und noch jemand kräht mit heiserer Stimme – aber ihm hört niemand zu: Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir vermißt im Schulz-Plan Aussagen zum Klimaschutz. Ja, lieber Herr Schulzdemir, so wird das nichts mit einer rotgrünen Regierung. Und Klimaschutz ist derzeit nicht so richtig der wahre Hit.

Zurück zur grausamen Realität. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Das Wahlprogramm der SPD ist das alte und heißt: „Mehr Sozialdemokratie wagen (und mehr Geld dafür ausgeben).“

Kurz: Martin Schulz verspricht den Bürgern eine schöne Zukunft. Sein Wünsch­Dir­Was­Programm liest sich gut. Und er hat Glück: Er wird es wohl nicht umsetzen müssen.

Wäre ich Schulz, die SPD oder die Opposition, ich wäre bereits zahnlos – die Zähne an der Kanzlerin ausgebissen, während sie, extrem gelassen und virtuos, die angeblichen Bedürfnisse eines Großteils der Deutschen bedient – nach der Selbstverpflichtung, möglichst wenig möge sich bitteschön verändern. Das ist das Programm der Union, und Merkel geht den für sie richtigen Weg und ignoriert die Widerstände. Die Ohnmacht der SPD lag selten so deutlich offen.

www.conservo.wordpress.com   17.7.17
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