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Von Peter Helmes
Österreichs Kurz, W. Steinmeier, S. Gabriel: „Härtere Gangart“ gegenüber der Türkei
Österreichs Außenminister Kurz hat die EU dazu aufgefordert, mehr Entschlossenheit im Umgang mit der Türkei zu zeigen. Er werde sich weiterhin für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen einsetzen, sagte der ÖVP-Politiker der „Welt am Sonntag“. Er begrüße es, daß der deutsche Außenminister Gabriel seine Beurteilung der Lage und den Umgang mit der Türkei endlich überdacht habe.
Die willkürliche Verhaftung der Menschenrechtsaktivisten Steudtner und Eser sowie des Journalisten Yücel bestätige die Einschätzung, daß sich die Türkei immer weiter von Europa wegbewege, so Kurz. Bundespräsident Steinmeier betonte in einem ZDF-Interview, er halte die von Gabriel angekündigte Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik für richtig. Deutschland könne es nicht hinnehmen, daß so viele Menschen verfolgt, ins Gefängnis gesteckt und mundtot gemacht würden. (Quelle: http://www.deutschlandfunk.de/streit-mit-tuerkei-oesterreichs-aussenminister-begruesst.1939.de.html?drn:news_id=771688)Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik
Sigmar Gabriel hatte schon am 20. Juli in Berlin ausführlich zu Protokoll gegeben, daß er eine Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik anstrebe, und vor laufenden Kameras eine härtere Gangart gegenüber Ankara in Aussicht gestellt: All das, so der Außenminister, sei nicht gegen das türkische Volk gerichtet und nicht gegen türkische Mitbürger, die hier leben, sondern es richte sich allein gegen einen Präsidenten, der in seinem Größenwahn Menschenrechte mit Füßen tritt. Gabriel ergänzte, er tue zwar alles, um die Kluft zwischen Deutschen und Türken nicht weiter zu vertiefen, aber er wolle den Menschen vor Augen führen, daß Erdogan sein Land ruiniert.
Gülen-Anhänger, Oppositionelle, Kurden usw. – sie alle müssen mittlerweile auch in Deutschland Angst vor Erdogan und dem Arm seines Geheimdienstes haben. Und leider finden sich auch bei uns allzu willfährige Gesinnungsgenossen. Dagegen vorzugehen, auch das muß Bestandteil einer neuen Türkei-Politik sein. (Doch darüber sagt Gabriel nichts.)
Der Streit mit Deutschland greift auch allmählich in die Wirtschaft. Berlin warnt alle Türkei-Reisenden vor Risiken und setzt auch bei der Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik ein Fragezeichen. Das sind ernste Worte. Sollte all das so kommen, dürfte es in der Türkei Probleme geben. Eines kann man ganz klar sagen: Niemand in der westlichen Welt gibt der Türkei in diesem Streit Recht. Jeden Tag gibt es Berichte über undemokratischen Zustände im Land. Das führt dazu, daß sich die Türkei immer mehr selbst isoliert. Sollten die Spannungen weiter zunehmen, wird es unweigerlich zu Auswirkungen in der türkischen Innenpolitik kommen. Eine Lösung wäre nur eine schnelle Rückkehr zur Demokratie – aber ohne Erdogan.
SPD-Disharmonie
Was sich so „flüssig“ liest, legt allerdings einen Seitenaspekt offen, der den Handelnden nicht gleichgültig sein dürfte: Gabriel, Gabriel – wo man hinschaut, Gabriel. Der Tausendsassa läßt den kleinen Schulze arg verblassen. Ersterer – wie jeder Außenminister – reist um die Welt und repräsentiert unser Land. Letzterer, der aussichtslose Kandidat, reist wie ein Dorf-Schulze (Anmerkung: Ein Dorfschulze war früher ein „Verwalter der Dorfobliegenheiten“.) von Dorf zu Dorf und repräsentiert – ja wen denn eigentlich? Nicht mal seine eigene Partei; denn in dieser tönt es aus jeder Ecke anders: Disharmonie statt Philharmonie. Neben Gabriels Dominanz wirkt Kanzlerkandidat Martin Schulz hilflos.
In „normalen“ Zeiten wäre das Auftreten des Außenministers gut und richtig, doch diese Zeiten sind nicht normal: Wir befinden uns zwei Monate vor der Bundestagswahl, und da wirkt es fatal, daß der Ex-SPD-Chef immer wieder einem Mann die Schau stiehlt, den er als seinen Freund bezeichnet, dem Nachfolger im Parteiamt, dem Kanzlerkandidaten, dem langjährigen EU-Parlamentspräsidenten: Martin Schulz, der doch eigentlich als Retter und Heilsbringer der SPD gedacht war.
Gabriels derzeitige Dominanz zeigt, daß er als amtierender Vizekanzler durchaus neben Merkel bestehen kann. Die jedenfalls hält sich raus aus dem Türkei-Streit. Und der kleine Schulze droht dabei unterzugehen. Zumindest wirkt es hilflos, wenn er demonstrativ eine öffentliche Umarmung Gabriels im Auswärtigen Amt sucht, bevor dieser die neue Türkei-Politik der Bundesregierung verkündet. Während die Beliebtheitswerte des Außenministers in nicht für möglich gehaltene Höhen wachsen, rutschen die des Kanzlerkandidaten in den Keller.
Sein Besuch bei Frankreichs Präsident Emanuel Macron war ebenfalls ein hilfloser Versuch, sich bei Europas neuem Hoffnungsträger Rückendeckung zu verschaffen. Doch auch er ging unter, weil Sigmar Gabriel gerade die Türkei-Politik auf den Kopf stellte. Dieses politische Alphatier kann seinem Kandidaten kaum dienen, er funkt dazwischen, wie er es vor vier Jahren mit Peer Steinbrück getan hat, bis der schließlich den damaligen Parteichef genervt öffentlich in die Schranken wies. Aber Schulz ist nicht Steinbrück – und der Parteiboden unter seinen Füßen ist sehr dünn und wacklig.
Fazit: Armer Martin Schulz, so wird das nichts, so wird man nur Ex-Kandidat. Das war´s dann.