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„Kleine Titten sind wie Flüchtlinge: Sie sind nun mal da, aber eigentlich will man sie nicht.“ (Sophia Thomalla auf FB, 30.9.2016). Heute titelt die BILD-Zeitung „Merkel holt Thomalla. Wahlkampf-Hammer!“ Ganz nüchtern betrachtet: die Summe der Argumente, die Stimme am 24. September einer Kanzlerin zu geben, die Deutschland und Europa in 12 Jahren an den Rand eines Abgrunds regiert und manövriert hat, tendiert gegen Null.
Altersarmut, marode Infrastruktur, Zensur, Bankenrettung, moralischer Imperialismus, Energiekrise, Flüchtlingskrise, Verkehrskrise, infantil-irrationale Entscheidungen, Konzeptlosigkeit, rhetorische Blässe, mangelnde Eloquenz, Esprit-Defizite – das ist eine verheerende Bilanz, die nach 12 Jahren auf Bewährung weder gesellschaftlich noch persönlich eine Werbung für eine Wiederwahl sein kann.
Mangels Argumenten aus eigener Kraft mobilisiert die Kanzlerin der Buh-Rufe nunas letzte Aufgebot: alles, was stramme Wadeln, Netzwerke, Sexappeal und Silikon in die Waagschale werfen kann.Als ultimative Wunderwaffe zaubern BILD und Merkel in irritierender Eintracht Sophia Thomalla (27) aus dem Zylinder. Zugegeben: niemand hat die Absicht, die Tochter von Simone Thomalla von der Bettkante zu stoßen.
Aber es wirft kein gutes Licht auf die Kanzlerin, in Ermangelung eigener Kompetenzen und Qualitäten die Terrakottaarmee der 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland auszubuddeln, anzubaggern und vor die eigene Klapperkiste eines nicht in die Gänge kommenden Wahlkampfs spannen zu wollen.
„Kleine Titten sind wie Flüchtlinge. Sie sind nun mal da, aber eigentlich will man sie nicht.“ Nach einem shitstorm ruderte Sophia Thomalla zurück und konterte:
Funktionaler Analphabetismus. Die „Elite“ von Merkel, CDU und BILD blamiert sich mit einer Sprachkompetenz, die Zweifel am deutschen Bildungssystem aufkommen lassen. Wer der „Gesellschaft“ mit hemmungslosem Selbstbewußtsein „mal bewusst den Spiegel“ vorhalten will, wäre gut beraten, der Verkrüppelung des Wörtchens „dass“ Einhalt zu gebieten.
Sophia Thomalla, bekennende Feministin und seit fünf Jahren CDU-Mitglied, erklärt Unwissenden und Unentschlossenen, warum sie Angela Merkel ihre Stimme geben sollen:
„Ich finde, daß sie sich gerade in der Flüchtlingspolitik moralisch absolut richtig verhalten hat und deswegen wähle ich sie auch jetzt wieder. Angela Merkel bietet so eine gewisse Sicherheit. Da würden niemals emotionale Ausbrüche kommen. Es würde von ihr nie Stinkefinger-Fotos geben wie damals von Peer Steinbrück. Sie ist absolut skandalfrei.“ (Zitat Sophia Thomalla)
„Skandalfrei?“ Manche sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Oder ist das die Absolution eines fleischgewordenen Skandals aus der Uckermark?
„Skandalfrei“ klingt wie keimfrei. In der Tat. Merkel wirkt steril, stoisch, stromlinienförmig-korrekt, wohltemperiert, komplexitätsreduzierend. Man könnte fast glauben: nie übergriffig. Aber das ist ein Trugschluß. Als Helmut Kohl oder Papst Benedikt in der Bredouille waren, mutierte Merkel zur eiskalten Killerin und ließ ihre Maske fallen.
„Skandalfrei“ – ein Slogan wie ein TV-Spot aus der Waschmittelreklame der 1970er Jahre. Im Sinne von „blütenweiß“ oder „weißer als weiß“. Werbe-Ikone „Klementine“ sorgte für Furore mit Sprüchen wir „Ariel – nicht nur sauber, sondern rein“. Klementine wurde zum Kult. Sprüche wie „wir schaffen das!“ lassen sich in die Köpfe einhämmern wie Waschmittelreklame. Bis es die Leute auswendig nachträllern: „Wir kaufen nur noch Omo, nur noch Omo, nur noch Omo“ So oft dudelte die Melodie im Fernsehern rauf und runter, daß Kinder anfingen, sie nachzusingen. „Omo mit dem modernen Schaum“.
So muttiviert das Starlett Thomalla die Wähler, bis sie ihr auf den Leim gehen, und das Stimmvieh auf Mutti eingeschworen ist, und die Slogans nachblökt.
Zusammen mit 12 Jahren Machtsonne ergibt sich daraus Prestige. Das zählt in der Massenpsychologie. Auch Seehofer hat das erkannt. Die Kehrseite ist, daß Merkel aus Fehlern nicht lernt, und daß diese Fehler eine horrende Schadensbilanz ergeben. Doch das zählt nur indirekt. Die Konkurrenten haben nicht genug Prestige, um damit punkten zu können.
Dass sich eine Wahlempfehlung auf nicht existente Stinkefinger-Fotos stützt, ist ein fürwahr umwerfendes Argument. Aber in der Massenpsychologie zählen Banalitäten mehr als scharfsinnige Analysen und Materialsammlungen.
Politiker umgeben sich in der Regel gerne mit Blendern. Sie zelebrieren die Piaffen im Stall der Botox-Schickeria. Und wissen genau, wie man mit opportunistischen Promis und Kickern punkten kann.
Die Dekadenz der Buntblödel infiltriert alle Gesellschaftsschichten. Bahnhofsklatscher bejubeln Flüchtlingsströme wie Astronauten nach einer Mondlandung. Margot Käßmann begegnet Terroristen „mit Liebe“. Til Schweiger steigert seinen pathologischen Altruismus geradezu in eine exhibitionistisch-aggressive Naivität. Roland Kaiser vermarktet sich zum gegenseitigen Nutzen und zieht für die SPD in den Kampf. Die sinnstiftende Wirkung von Kanonenfutter und Prostitution ist für manche unwiderstehlich.
Das Rückgrat, sich mit der Botox-Schickeria nicht gemein zu machen, und seinen eigenen Weg zu gehen, zeigen nur wenige unbeugsame Charaktere. John Lennon fordert das Publikum samt Aristokratie mit beißendem Spott auf, auf den billigeren Plätzen einfach (mit den Händen) zu klatschen, und der Rest möge bei Gefallen mit den Juwelen rasseln:
Dagegen zeigt Reinhard Mey eine eher unaggressiv-weise Differenziertheit der Sprache und des Denkens. Reinhard Mey imponiert durch Sensibilität, Tiefgang und Esprit. Er mischt sich nicht lautstark in den politischen Diskurs ein. Aber der Text zwischen den Zeilen charakterisiert das außerordentliche Talent und den scharfen Intellekt von Reinhard Mey.
(Sendung „3 nach 9“, 16. April 2016)
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