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Von Dieter Farwick, BrigGen a.D.
„Das Ende der Gerechtigkeit – ein Richter schlägt Alarm“
analysiert Jens Gnisa in klarer Sprache die Gründe für den Niedergang des deutschen Justizwesens und kommt zu eindringlichen Schlussfolgerungen, wie das Ende der Gerechtigkeit noch verhindert werden kann.
Einer der wesentlichen Gründe ist das Regierungsversagen in Bund und Ländern.
Dort bestimmen Justizminister und Innenminister, welche finanziellen Mittel dem Justizapparat zur Verfügung gestellt werden. Das hat vielfältige Konsequenzen: Kleinere Amtsgerichte werden „wegrationalisiert“, was der Forderung nach Bürgernähe widerspricht. „Die Justiz verliert vor Ort ihr Gesicht“. Stellen für Richter und Angestellte werden reduziert mit dem Ergebnis, dass heute 2000 Richter und Staatsanwälte fehlen, was sich auf die Qualität und Dauer der Urteilsfindung negativ auswirkt.
„Finanziell ist die Justiz abhängig von der Exekutive, der Justizminister stellt zwar den Haushalt auf, muss ihn sich dann aber vom Finanzminister absegnen lassen“….“ Sie – die Justiz – hat längst ihr Vertrauen in die Politik verloren.“
„An der Spitze der Justiz hat kein Justizminister zu stehen, sondern ein vom Parlament aus der Richterschaft gewählter Präsident. Dieser steht einem Gremium vor, das die Justiz verwaltet.“Die Zeit, die ein Richter vom Beginn des Verfahrens bis zur Urteilsverkündung zur Verfügung hat, ist auf die Minute festgelegt. Gnisa spricht von „Minuten-Richtern“, die aus Zeitgründen Verfahren einstellen (müssen) und eine schriftliche Urteilsbegründung oft nicht nachreichen. Zudem wird das Urteil nicht mehr in der Hauptverhandlung ausgesprochen, sondern lediglich schriftlich mitgeteilt.
Es kommt zunehmend zu Haftaufhebungen, weil die Ermittlungsverfahren das Zeitlimit überschreiten. „Diese sind das Fieberthermometer der Justiz. Das zeigt deutlich überhöhte Temperaturen, denn in 14 Bundesländern mussten in den Jahren 2015 und 2016 deshalb 85 Häftlinge aus der U-Haft entlassen werden, die meisten (13) in Berlin“.
Neben diesen materiellen Gründen gibt es schwerwiegende ideelle und kulturelle Erschwernisse.
In der Politik fehlt häufig die Vorbildfunktion. Für Gnisa ist ein Rechtsstaat, in dem die jeweilige politische Regierung Gesetz und Recht achtet. Für ihn dürfen Moral und vorübergehender Zeitgeist bei der Urteilsfindung keine Rolle spielen – für ihn zählt nur das Recht, das durch die Politik zu häufig ausgehöhlt wird:
„Das Recht ist unbequem, oft sperrig und häufig langsam. Doch wie es aussieht, haben das Recht und seine sorgsame Pflege außerhalb der Justiz nur noch wenige Fürsprecher. Aber in einer Demokratie ist es eben auch vor allem eines: unentbehrlich“.
Da gibt auch die Bundeskanzlerin kein gutes Beispiel: Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Maastricht-Vertrag seine Stabilitätsklausel verloren hat – die sog.“No-bail-out“ Klausel. Ein klarer Rechtsbruch.
Sie hat auch das „Deutsche Volk“ geschädigt, indem sie mit ihrer überzogenen „ Willkommens-kultur“ den Asylbewerbern und Flüchtlingen von Beginn an die gleichen Rechte wie den deutschen Staatsbürgern eingeräumt hat – ohne Probezeit. Das Wort „Deutscher“ fällt ihr schwer. Sie unterscheidet zwischen den Menschen, die schon länger hier leben und denen, die erst kürzer hier leben. Das ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz, das dem „Deutschen Volk“ Privilegien einräumt.
Nebenbei: Ihre bisherigen Amtseide hat sie dem „Deutschen Volk“ geleistet. Noch heißt es am „Deutschen Reichstag“ auf dem Portal „ Dem deutschen Volke“.
„Die Kanzlerin hat demgegenüber am 26. Februar 2017 in einer Rede in Mecklenburg-Vorpommern gesagt: „Die Zeit der deutschen Einheit, die Zeit, als der „Eiserne Vorhang“ fiel, die Zeit, als Europa zusammengewachsen ist, war eine wunderbare Zeit. Und deshalb gibt es auch keinerlei Rechtfertigung, dass sich kleine Gruppen in unserer Gesellschaft anmaßen zu definieren, wer das deutsche Volk ist. Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt. Und das lassen wir uns nicht nehmen“.
Diese „Anmaßung“ kommt vom Grundgesetz, Frau Kanzlerin!
In Deutschland ist die Justiz von der politischen Führung abhängig. So hat der Justizminister Weisungsbefugnisse gegenüber der Staatsanwaltschaft. Er kann den Generalbundesanwalt im Extremfall entlassen – wie im Falle Maas und Range geschehen.
Ein Verstoß gegen das Recht ist auch die vom Bundestag in nie gekannter Geschwindigkeit beschlossene „Ehe für alle“. Familie und Ehe – gemeint „Frau und Mann“ – stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. Die Parteivorsitzende Angela Merkel hat sich einmal mehr dem Zeitgeist unterworfen. Es wird sich zeigen, wie die endgültige verfassungsrechtliche Bewertung ausfällt. Ein Lackmustest für die Justiz.
Die alltägliche Arbeit in den Gerichten wird nach Jens Gnisa wesentlich deutlich erschwert, weil der „Verfolgung“ von Ordnungswidrigkeiten eine zu große Bedeutung beigemessen wird – auch weil die Kommunen durch die Geldbußen eine sprudelnde Einnahmequelle haben. Zu schnelles Fahren oder Falschparken werden härter verfolgt als „ kleinere Straftaten“ und binden hunderte Richter, die wichtigere Aufgaben vernachlässigen müssen.
In der Summe des Versagens von Politik und überforderter, gegängelter Justiz stellt Jens Gnisa ein schwindendes Vertrauen der deutschen Bevölkerung in den Rechtsstaat fest:
Eine unabhängige Justiz und stabile Rechtssicherheit sind die Garanten des Rechtsstaates – die einzige Staatsform, die in Zeiten multiethnischer, -kultureller und -religiöser Globalisierung längerfristig Bestand haben kann.
Die „Politikverdrossenheit“ darf nicht verstärkt werden durch eine „Justizverdrossenheit“, deren Anwachsen Jens Gnisa befürchtet.
Es ist bezeichnend, dass Fragen des Rechtsstaates im Wahlkampf 2017 nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, obwohl sie jeden deutschen Staatsbürger und jede Staatsbürgerin angehen.
Was muss geschehen, um das Vertrauen in das Justizsystems zurückzugewinnen?
Jens Gnisa’s Forderungskatalog
In seinem Schlusskapitel „Rettet den Rechtsstaat“ macht Jens Gnisa konstruktive, machbare Vorschläge, von denen einige hier herausgestellt werden:
# „Die Judikative muss wirklich Dritte Staatsgewalt werden.
Sie muss unabhängig von der Politik werden. Internationaler Standard wäre eine sebstverwaltete Justiz. So sollte z.B. der von einem Richterrat gewählte Generalstaatsanwalt zwar vom Parlament bestätigt werden, aber keiner Weisung unterliegen.
# „Die Politik hat sich selbst an das Recht zu halten“.
# „Ausländerrecht: Anerkennen oder Abschieben“.
# „Zuwanderung: Klare Ziele und bessere Kontrolle“….
Die Politik muss Zuwanderung und Aysl klar voneinander trennen“
# „Das Recht muss entfrachtet werden“.
# „Einfachere Verfahren, kürzere Prozesse“.
# „Schluss mit Länder-Eigensinn und Partikularismus“.
# „Gleiche Chancen für alle in der Justiz“.
# „Mehr professionelle Modernisierung“.
# „Eine Qualitätsoffensive für die Justiz“.
# „Mehr Gerichte in der Fläche“.
# „Anpassung an die reale Welt“.
# „Die Justiz braucht mehr Geld“…..
„All das fordert Mittel – Geld, das der Justiz bisher fehlt. Sie benötigt, um ihre Arbeit gut zu machen, moderne Technik, eine bürgernahe Gerichtsstruktur, angemessene Besoldung, ausreichende Personalausstattung und gute Mitarbeiter.“
# „Der Staatsdienst muss für Juristen wieder attraktiver werden“.
Er richtet jedoch auch Forderungen an die Justiz:
# „Mehr Selbstbewusstsein und Präsenz in der Öffentlichkeit“
# „Laienverständlich argumentieren“.
# „Raus aus der Anonymität“.
# „Verfahren beschleunigen!“
# „Informationsaustausch zwischen Gerichten“.
Seine Forderungen an uns – die Staatsbürger und Staatsbürgerinnen:
# „Das Recht wertschätzen“,
# „Vertrauen in den Rechtsstaat“
Politik, Justiz und Staatsbürger werden angesprochen und in die Pflicht genommen: „Ergreifen wir also jetzt die Chance zur Reform unseres Rechtsstaates. Sie ist da“.
Es bleibt zu hoffen, dass seine Forderungen auf offene Ohren treffen und zeitnah umgesetzt werden.
Wichtig wäre für das Vertrauen in die Justiz, wenn Berufskollgen von Jens Gnisa seinem Beispiel folgen würden, um in klaren Worten den Zustand der deutschen Justiz zu analysieren und zu umsetzbaren Forderungen zu gelangen. Ein solches Sachbuch parallel zu einem fordernden Beruf zu schreiben, zeigt das Verantwortungsbewusstsein und die Selbstdisziplin des Autoren.
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* Jens Gnisa „ Das Ende der Gerechtigkeit. Ein Richter schlägt Alarm“. Herder-Verlag, Freiburg 2017, 288 Seiten.