(www.conservo.wordpress.com)
Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist *)
Nach dem für CDU/CSU niederschmetterndem Ergebnis und der Aussicht auf eine Vier-Parteien-Koalition nach der Bundestagswahl 2017 haben die ersten Sondierungsgespräche der vier Parteien begonnen. Man ist sich einig, dass vor den Landtagswahlen in Niedersachsen am 15.Oktober keine Koalitionsgespräche stattfinden werden, um die Wählerschaft der Landesparteien nicht zu verunsichern.
Hinter den Kulissen wird bereits auch über Personalentscheidungen nachgedacht und diskutiert.
Wer kann was werden? Im Mittelpunkt stehen die vier klassischen Ressorts: Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium, Innenministerium und Finanzministerium.
Die Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel hat bereits eine geschickte Entscheidung getroffen: Sie hat Wolfgang Schäuble offensichtlich überreden können, auf den Stuhl des Parlamentspräsidenten zu wechseln – eine protokollarisch herausgehobene Position als zweiter Mann im Staate.
Damit können alle vier Parteien mit einem „ klassischen Ressort“ bedient werden.Proporz geht vor Qualität.
In einem zweiten Schritt wurde Merkels „Allzweckwaffe“ Peter Altmaier zum vorläufigen Finanzminister bestimmt – bis ein neues Kabinett steht. Das kann dauern – vielleicht bis Anfang 2018.
Es besteht demnach kein Zeitdruck. Man kann in Ruhe aussuchen. Auch für das Verteidigungsministerium, um das sich die Parteien und ehrgeizige, hoffnungsvolle Politiker und -innen nicht reißen werden. Vier überforderte Verteidigungsminister in Folge mahnen zur Vorsicht, auf den Schleuderstuhl zu klettern, zumal sich die Bundeswehr in einer tiefen Krise befindet.
Es gibt nur eine Politikerin, die sich für den Posten bewirbt:
Ursula von der Leyen. Aber sie sollte es auf keinen Fall werden. Sie hat es in vier Jahren nicht geschafft, konzeptionell zu denken und die Soldaten zu verstehen.
Ihre Vorschläge waren taktischer Natur und kurzlebig. Mit den Medien hat sie als Selbstdarstellerin geschickt gespielt. Sie hat in der Truppe das anfänglich vorhandene Vertrauen aufgebraucht. Die militärische Führung hat für sie eine untergeordnete Rolle gespielt. Ihre „ Mannschaft“ bestand aus einer Laienspielschar aus früheren gemeinsamen Zeiten, für die die Bundeswehr ein Buch mit sieben Siegeln geblieben ist.
Kein Kandidat darf Karl-Theodor zu Guttenberg sein, der im Wahlkampf in Bayern ein politisches Comeback gefeiert hat. Er hat ohne Not und ohne Gesamtkonzept die Wehrpflicht de facto abgeschafft und damit die sich abzeichnende katastrophale Entwicklung verschärft.
Sonst bietet sich in den Parteien für den Verfasser kein überzeugender Kandidat oder Kandidatin an.
Das wird deutlich, wenn man sich das Anforderungsprofil für diese schwierige Aufgabe anschaut:
Der Verteidigungsminister (oder –ministerin) ist zugleich der Inhaber der Befehls-und Kommandogewalt im Frieden (IBUK). Er ist damit in persona „Oberbefehlshaber“, der auch in der Öffentlichkeit und in der NATO entsprechend auftreten muss. Er muss die vitalen deutschen Interessen geschickt vertreten. Er muss eine gute Zusammenarbeit mit der Kanzlerin und dem Finanzminister sowie dem Parlament – insbesondere mit dem Verteidigungs- und Haushaltsausschuss – anstreben. Er ist in erster Linie dafür verantwortlich, dass die Bundeswehr die notwendigen Ressourcen für das gesamte Spektrum unterschiedlicher Aufgaben erhält. Dazu gehört auch die schrittweise Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben ohne „kreative“ Buchführung auf die NATO „benchmark“ von 2 % des Bruttosozialproduktes.
Er muss eine Vision entwickeln, was die deutschen Streitkräfte in 10-15 Jahren im Rahmen der NATO leisten können müssen.
Dazu braucht er kompetente Berater, die das Feld der Sicherheits- und Außenpolitik beherrschen sowie die Bundeswehr und ihre Streitkräfte kennen und verstehen.
Für diese Aufgaben hat Helmut Schmidt als Verteidigungsminister Ende der 60er Jahren den Planungsstab geschaffen. Ein Erfolgsmodell. Leider haben die drei CDU/CSU-Minister und Frau von der Leyen auf diesem Klavier nicht spielen können. Die Folgen sind bekannt.
Auch der schwierige Bereich der Rüstung muss für den IBUK eine hohe Priorität haben. Dazu bedarf er auch der externen Beratung durch Fachleute oder auch des Beispiels anderer Staaten, die die Beschaffung wichtiger Güter, Fahrzeuge und Luftfahrzeuge sowie deren Betrieb besser organisieren.
Der IBUK muss mit den Medien eine konstruktive Zusammenarbeit entwickeln, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein muss.
Er muss in der ersten Hälfte seiner Amtszeit ein „Weißbuch“ schreiben (lassen), das interessierten Öffentlichkeit und den Streitkräften in klarer Sprache den Weg in die Zukunft weist.
Er muss die Spitzenpositionen in der Bundeswehr neu besetzen, denn auch hier hat es Vertrauensverluste gegeben.
Der Kreis möglicher Kandidaten für eine „short list“ sollte über den Bundestag hinaus erweitert werden. Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland hat es 48 Minister und –ministerinnen gegeben, die nicht Mitglied im Bundestag waren.
Für einen Neubeginn der Bundeswehr ist eine Sicht von außen nicht schlecht. Den notwendigen Sachverstand wird ein kompetenter Planungsstab liefern.