(www.conservo.wordpress.com)
Von Adrian F. Lauber *)
Drohende Selbstzerstörung Deutschlands
Diese Frage drängt sich mir auf, während ich das suizidale Europa betrachte.
Was hat dieser Kontinent, was hat unser Land nicht mehr, das vitalen Zivilisationen zueigen ist?
Diesen Themenkomplex auf einen einzigen Nenner zu bringen, wird mir wohl kaum gelingen, aber ich kann wenigstens versuchen, mich einer Antwort anzunähern.
Um eines vorweg zu nehmen: Wirtschaftlichen Erfolg zähle ich in diesem Beitrag mit voller Absicht nicht zu den Dingen, die eine Zivilisation zum Überleben braucht.
Denn Deutschland ist zwar unbestritten immer noch eines der materiell reichsten Länder der Welt, aber dieser Umstand vermag seine Selbstzerstörung offensichtlich nicht zu verhindern.
Ich behaupte sogar, dass der wirtschaftliche Erfolg unserem Land heute in einer Hinsicht zum Verhängnis werden könnte: dieses Land hat offenbar so viel Geld übrig, dass es eine ungebremste Masseneinwanderung finanziell ziemlich gut verkraften kann. Zur Not türmen wir neue Schuldenberge auf, die von heute noch nicht einmal gezeugten Generationen abgetragen werden müssen. (Immer nach dem Motto: Kinder haften für ihre Eltern.)
Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Juni 2010 hat Deutschland bis zum Jahr 2007 für Migranten, die mehr aus den Sozialsystemen entnehmen als einzahlen, zwar bereits eine Billion (!) Euro Sonderschulden gemacht1, aber irgendwie geht es immer weiter. Das Problem dabei ist, dass Deutschland sich so viel leisten kann, dass es die Folgen einstweilen noch nicht mit voller Härte zu spüren bekommen wird. So kann es mehr und mehr Einwanderer aus der islamischen Welt finanzieren und wenn es eines Tages feststellt, dass die Sozialsysteme die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht haben, ist es möglicher Weise zu spät, den kulturellen und demographischen Zerstörungsprozess noch rückgängig zu machen.
So, nach dieser Vorbemerkung nun zum eigentlichen Thema:
- Freiheit und Verantwortung
Mir scheint, ein verfehlter Begriff von Freiheit steht im Zentrum der deutschen und europäischen Selbstzerstörung.
Im Grunde ist die Freiheit des einzelnen Menschen eine der wichtigsten Errungenschaften des Westens, die in anderen Kulturkreisen ja keineswegs selbstverständlich ist – und auch bei uns war sie es die längste Zeit nicht.
Die Aufklärung und die Idee naturgegebener, unveräußerlicher Rechte des Einzelnen haben eine Revolution im Denken und schlussendlich im Zusammenleben bewirkt. Man sollte nicht unterschätzen, wie besonders und wie wertvoll dieses Fundament westlicher Zivilisation ist. Dass der einzelne Mensch, unabhängig von Herkunft, Vermögen, sozialem Rang, persönlichem Glauben, was auch immer, angeborene Rechte hat, die ihm niemand streitig machen darf, ist fundamental für einen freiheitlichen Rechtsstaat. Würde man diese Prämisse abschaffen, wären einer diktatorischen Willkürherrschaft Tür und Tor geöffnet. Was dabei herauskommt, wenn Menschenrechte nicht zählen, sehen wir im Iran, in Saudi-Arabien, in Nordkorea und vielen anderen Despotien.
Die Idee der individuellen Freiheit ist für unsere Zivilisation zentral. Mit Recht hat Max Horkheimer – trotz der finsteren Diktaturen, die Europa im Laufe der jüngeren Vergangenheit auch erlebt hat – den Westen als „Insel der Freiheit in einem Ozean der Gewaltherrschaft“ bezeichnet.2
Aber die alten Griechen wussten schon: nichts im Übermaß. (μηδὲν ἄγαν) Alles, aber auch wirklich alles – selbst etwas so Großartiges und Wichtiges wie die Freiheit – kann durch Exzess ins Schlechte verkehrt werden.
Freiheit ohne Verantwortung, Freiheit ohne Rücksicht auf die Freiheiten und Bedürfnisse der Mitmenschen führt in eine Gesellschaft, die gekennzeichnet ist durch Kälte, Gleichgültigkeit, Egoismus und gar nicht mehr vorhandene oder nur noch oberflächliche menschliche Bindungen.
Das Absterben der Familie sehe ich in genau diesem Zusammenhang. Dieses Thema ist hier von Belang, weil ein entscheidender Faktor für das Überleben einer Zivilisation nun einmal die Demographie ist – und in Europa wie auch in Nordamerika sind die Geburtenraten seit Jahrzehnten zu niedrig, als dass sich eine Alterung und Schrumpfung dieser Gesellschaften nach aufhalten ließen.
In Deutschland verharrt die Geburtenrate seit langem auf einem Tief von durchschnittlich 1,3 Geburten pro Frau. (2,1 wären nötig, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten) In unseren Nachbarländern sieht es ähnlich aus.
Diese Entwicklung wäre nicht unbedingt automatisch existenziell bedrohlich, denn so schlimm wäre das nun auch wieder nicht, wenn unser Land und unser Europa etwas weniger dicht besiedelt wären. Außerdem sinkt durch die Steigerung der Produktivität der Bedarf an Arbeitskräften. Irgendwie würden wir es schon schaffen. Nun haben wir aber nicht nur eine unvermeidliche Schrumpfung unserer eigenen Bevölkerung zu verzeichnen, sondern parallel eine Masseneinwanderung aus dem islamischen Kulturkreis, in dem die Bevölkerungszahlen rasant wachsen, womit also der demographische Druck in Richtung Europa erhalten bleibt. Wenn das so weitergeht, läuft es auf einen schleichenden Bevölkerungsaustausch hinaus.
Es gibt sogar Indizien dafür, dass genau das bezweckt wird. Immerhin wurde sogar schon bei der UNO über das Konzept der „replacement migration“ nachgedacht – von der Fragestellung ausgehend, ob eine solche Migration das Problem der Überalterung und der Schrumpfung bestimmter Populationen lösen könnte.3 Der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos hat Ende 2015 behauptet, Europa benötige binnen 20 Jahren rund 70 Millionen Einwanderer.4 Europa würde nach einer solchen Überflutung nicht mehr als Kontinent mit eigener zivilisatorischer Identität existieren, wie der Politikwissenschaftler und Islamologe Bassam Tibi mit Recht festgestellt hat.5
Dass sich durch Masseneinwanderung aus einem fremden Kulturkreis die demographischen Probleme nicht lösen lassen, wusste schon Altkanzler Helmut Schmidt.6 Die Forschungen Herwig Birgs haben dies bestätigt.7
Damit eine Kultur weiterleben kann, müssen auch Menschen da sein, die sie weitertragen. Wenn also die Familie abstirbt und diese Entwicklung nicht mehr umgekehrt wird, dann stirbt auch die Kultur. Masseneinwanderung aus einer völlig fremden Kultur hält dies nicht auf, sondern beschleunigt den Zerstörungsprozess. Bei der EU scheint das nicht zu zählen. Die Kultur und die Identität dieses Kontinents sind ihr gleichgültig. Sie behandelt Europa wie einen leeren Raum, den man einfach beliebig mit neuen Menschen füllen kann, Hauptsache, es lebt eine bestimmte Zahl von Menschen dort. Wie beneide ich die Schweizer darum, dass sie der EU fern geblieben sind …
Ich bitte um Entschuldigung für die Abschweifung. Nun weiter im Text:
Ich lasse mir nicht erzählen, dass es in einem der reichsten Länder der Erde nur am Geldmangel liegen soll, dass so viele Menschen von Familie nichts wissen wollen und keine Kinder mehr in die Welt setzen. Es mag in vielen Fällen so sein, dass Menschen gerne eine Familie gründen würden, sich das aber nicht leisten können, aber das ist bestimmt nicht flächendeckend der Fall.
Nein, ich glaube vielmehr, dass sehr viele Menschen in diesem Land und auf diesem Kontinent für ihr Leben die Prioritäten ganz klar gesetzt haben. Zuerst kommt das Ich, dann das Ich, dann das Ich, dann eine Weile gar nichts und danach kann man vielleicht an so einen lästigen Störfaktor wie die Familie denken.
Die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse kommt an erster Stelle und so ist es nur folgerichtig, dass man die Option Familie heutzutage vor allem danach bewertet, ob sie der freien Entfaltung oder der Karriere Hindernisse in den Weg legen könnte. Da sie das natürlich tut, verzichtet man lieber gleich darauf oder wenn man doch eine gründet, beschränkt man sie lieber auf ein Kind und dieses lästige Balg wird bitte frühstmöglich in Fremdbetreuung gegeben.
Was mir an familienpolitischen Debatten schon seit Jahren auffällt, ist, dass hauptsächlich darüber diskutiert wird, wie man den Eltern das Leben leichter machen kann, wie man ihnen es ermöglichen kann, trotz Familie eine möglichst steile Karriere hinzulegen. Aber was ist eigentlich mit den Bedürfnissen der Kinder? Warum redet man nicht öfter über die Erkenntnisse von Fachleuten wie die des verstorbenen Familientherapeuten Wolfgang Bergmann, der darauf hingewiesen hat, wie fatal es ist, Kinder zu früh fremd betreuen zu lassen? Kinder brauchen die Geborgenheit des Elternhauses, um sich zu mehr oder weniger stabilen Persönlichkeiten zu entwickeln. Sie brauchen die Gewissheit „Mama und Papa sind ja da“, bis sie dann lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.
Genau diese Sicherheit erlangen viele nie, wenn man sie zu früh abschiebt, sie als Nebensache behandelt. Was dabei herauskommt, sind oft psychisch labile, bindungsunfähige Menschen, die ihrerseits keine stabile Familie schaffen können.
Mit solchen Feststellungen manövriert man sich heutzutage leicht ins politische und gesellschaftliche Aus. Wenn man für die Familie ist, wird man mancherorts behandelt, als hätte man sich einer Dame unsittlich genähert. Da werden Nasen gerümpft und Beschimpfungen ausgesprochen. Wer für die traditionelle Familie ist, wird schnell der Frauenfeindlichkeit, der Homophobie, einer patriarchalischen Gesinnung und was weiß ich nicht alles bezichtigt.
Ich finde es zum Lachen, wenn Gegner der Familie noch so tun, als würden sie besonders alternative, rebellische Positionen vertreten. Die Ablehnung der Familie ist doch längst Teil des Mainstreams!
Natürlich weiß ich, dass der Satz „Früher war alles besser“ nicht stimmt. Gewisse Zustände vergangener Zeiten sollten wir uns definitiv nicht zurück wünschen. Wenn ich da an meine Urgroßmutter denke … meine Urgroßeltern hatten sage und schreibe sieben Kinder und meine Urgroßmutter war im Grunde allein dafür verantwortlich, den Nachwuchs zu versorgen, zu füttern, sich ums Haus und die dazu gehörige Landwirtschaft zu kümmern, denn mein Urgroßvater war fast unentwegt außer Haus, um auf Baustellen und in Bergwerken zu schuften, um seine Familie durchzubringen. Freizeit? Hätte man meine Urgroßeltern auf dieses Wort angesprochen, hätten sie vermutlich geantwortet: Was soll denn das sein? Natürlich wurde Urgroßmutter nicht alt. Sie starb mit gerade mal 54 Jahren. Mein Urgroßvater wurde zwar immerhin 72, lebte dafür aber zuletzt mit gründlich ramponierter Gesundheit.
Aber: Auch wenn früher nicht alles besser war, sage ich als Konservativer: Es gibt Sachen, die waren früher gut, und sie wären es auch heute noch, wenn man nicht ohne Sinn und Verstand daran herumgepfuscht hätte.
Gut war, dass es noch so etwas wie familiären Zusammenhalt und bei allen Schwierigkeiten eine gewisse Geborgenheit gab, die sehr vielen heute fehlt. Es muss doch irgendwie möglich sein, einen gesunden Mittelweg zwischen persönlicher Freiheit und dem Dasein für andere zu finden.
Es geht ja nicht nur um die Frage, ob unser Volk und seine Kultur weiterleben werden. Es geht vor allem um Lebensqualität. Was für eine Gesellschaft wäre das, in der Geborgenheit, Verlässlichkeit und Zusammenhalt Mangelware sind und in der Kälte, Gleichgültigkeit und Vereinsamung vorherrschen? Wäre in einer solchen Gesellschaft das Leben noch lebenswert?
Ob die europäischen Völker ihre demographische Krise überwinden können, liegt allein bei ihnen. Bei aller Kritik am Islam muss ich die Muslime an dieser Stelle in Schutz nehmen. Sie können überhaupt nichts dafür, dass die indigenen Europäer Gefahr laufen, eine Art demographischen Selbstmord zu begehen. Sie tragen keinerlei Schuld daran, dass so vielen Europäern Flachbildfernseher und Neuwagen wichtiger sind als Kinder und Familie. Die Europäer täten gut daran, in dieser Sache nicht auf muslimische Migranten zu zeigen, sondern mal über sich selbst nachzudenken.
- Der Glaube verleiht Lebenskraft
Es sieht so aus, als ob eine Zivilisation, die keinen Glauben an etwas hat, das größer ist als sie selbst, im Falle des Zusammenstoßes mit einer anderen Zivilisation, die eben dies noch hat, nicht bestehen kann.
Scheinbar brauchen die Menschen den Glauben an ein höheres Wesen oder an etwas, das größer ist als sie selbst, was ihnen Sinn und Antrieb verleiht. Europa hat das nicht mehr. Religion als Sinnstifterin bedeutet in diesen Breiten nicht mehr viel. Das Christentum ist für die meisten bestenfalls noch Folklore – einmal im Jahr zum Weihnachtsgottesdienst, das war’s. Wenn überhaupt. (Vielfach sind ja nicht einmal mehr grundlegende Kenntnisse über die Bedeutung tradierter Feste vorhanden. Dann kommen solche Schwachsinnsvokabeln wie „Weihnukka“ zustande – als ob Weihnachten und Chanukka mehr oder weniger dasselbe wären. Dabei geht es an Chanukka nun wirklich um etwas ganz anderes als an Weihnachten. An Weihnachten feiern die Christen die Geburt Jesu, an Chanukka gedenken die Juden der Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahre 164 v. Chr. nach dem erfolgreichen Makkabäeraufstand gegen die seleukidische Fremdherrschaft.)
Ich rechne dem Christentum zumindest in Europa keine hohen Überlebenschancen aus, in Amerika schon eher.
Ich selbst bin ein wandelndes Beispiel für das Absterben der Religiosität. Ich bin zwar evangelisch getauft, aber nicht religiös, und mit Kirchen will ich aus mehreren Gründen nichts mehr zu tun haben. Ich sage das nicht ohne Bedauern, da ich erstens aus einem durchaus kirchenfreundlichen Elternhaus stamme und zweitens die kulturgeschichtliche Bedeutung des Christentums für unsere Zivilisation zu würdigen weiß. Aber erstens kann ich mir selbst nicht vorschwindeln oder einreden, gläubig zu sein, wenn ich es in Wahrheit doch nicht bin, und zweitens missbillige ich, wie die Kirchen sich zu Handlangern der links-grün ideologisierten Politik des Globalismus, der Abschaffung von Grenzen und der zivilisatorischen Selbstaufgabe haben machen lassen.8 Meinen endgültigen Bruch mit der Kirche kann ich auf den Tag genau datieren: es war der 25. Dezember 2015. Meine Distanzierung von der Kirche hatte zu dieser Zeit schon jahrelang angedauert, als ich auf Wunsch von Familienmitgliedern einen Weihnachtsgottesdienst in einer evangelischen Kirche in Berlin-Friedenau besuchte. Doch das war weniger ein Gottesdienst als eine Propagandaveranstaltung für Angela Merkels Migrationspolitik, ungetrübt von jeglicher Sachkenntnis. Danach fasste ich einen Entschluss: wenn ich jemals wieder eine Kirche betreten sollte, dann aus Interesse am Bauwerk, aber nicht zur Teilnahme an einem Gottesdienst.
Ob es einen Gott gibt oder nicht, weiß ich nicht. Ich weiß nicht einmal, ob es einen höheren Sinn des Lebens gibt oder nicht. Ich bin für die Möglichkeit offen, halte es aber genauso für möglich, dass unsere Existenz gar keine tiefere Bedeutung hat, dass es nur einen Sinn gibt, den der Mensch sich selbst suggeriert – zumal eines noch sehr fernen Tages die menschliche Zivilisation sowieso für immer ausgelöscht werden und in ewiger Vergessenheit begraben sein wird. Spätestens dann, wenn die Lebenszeit unserer Sonne abgelaufen ist, sie sich zum Roten Riesen aufbläht, schließlich explodiert und die Planeten mit in den Untergang reißt. Das allerdings braucht uns im Moment noch nicht zu bedrücken, denn es wird erst in vier bis fünf Milliarden Jahren soweit sein.
Wenn aber am Ende sowieso alles untergehen und von unserer Spezies und allem, was sie geschaffen hat, nichts übrig bleiben wird, war’s dann überhaupt zu etwas gut? Diese Frage stellt sich mir hin und wieder. Zu einer Antwort bin ich noch nicht gekommen.
Aber offenbar brauchen Zivilisationen den Glauben an einen höheren Sinn und Zweck – an etwas, das größer ist als sie selbst – unabhängig davon, ob sich das, woran sie glauben, verifizieren lässt oder nicht. Der Glaube verleiht Überlebenskraft und Kampfesmut.
Und eine ganz besondere Kraft verleiht offenbar der Glaube an einen Gott, denn welche höhere Autorität könnte es geben als einen allmächtigen Schöpfer des Universums? Wenn es einen solchen gibt, dann ist er doch wohl derjenige, der uns sagen kann, wozu es uns gibt und wie wir leben sollten. Ob es einen solchen Schöpfer wirklich gibt und ob er auch nur ansatzweise so ist wie Menschen ihn sich vorstellen, ist vollkommen irrelevant. Der Glaube daran reicht aus, um Sinn und Lebenskraft zu verleihen.
Heute frage ich mich: kann eine Zivilisation auch ohne den Glauben an einen Gott dauerhaft überleben? Kann sie ohne eine (zumindest eingebildete) göttliche Autorität Halt, Sinn und Richtung finden? Geht es nicht ohne göttliche Autorität oder reichen edle Werte aus? Ich muss die Fragen offen lassen.
Aber mir kommt ständig der Vergleich zwischen Europa und den Vereinigten Staaten in den Sinn. In den USA ist der Glaube an die „one nation under god“ noch von beachtlicher Stärke und Amerika ist sichtbar vitaler und selbstbewusster als das schlaffe, lebensmüde Europa.
Europa hat sehr viel zu verlieren. Eine so großartige Zivilisation wie wir sie haben, gibt es nicht alle Tage. Selbst wenn wir von der Prämisse ausgehen, dass es keinen Gott gibt, der uns zu sagen hat, wo’s langgeht, hat Europa seine freiheitlichen Werte und seine Kultur, an die es glauben könnte, aus denen es Sinn und Verteidigungswillen schöpfen könnte.
Europa hat das aus den Augen verloren. Es sieht nichts, wofür es sich einzustehen lohnt. Stattdessen breitet sich eine Gleichgültigkeit aus, die man mit den Worten zusammenfassen kann: Alles kann, nichts muss.
Natan Scharanski, der Direktor der Jewish Agency for Israel, brauchte es mit den Worten auf den Punkt: „Heute sehen wir ein postnationales und postliberales Europa, das keinen seiner Grundwerte verteidigt, sondern Frieden um jeden Preis erringen will. Im Gegensatz dazu ist Israel ein Nationalstaat, der seine Interessen verteidigt. Das verstehen immer weniger Menschen, weil sie gar nicht akzeptieren wollen, dass es überhaupt noch nationale Interessen gibt.“9
Und das verteidigungsunwillige alles-kann-nichts-muss-Europa prallt heute mit einer vitalen, selbstbewussten Kultur zusammen, die vom festen Glauben an einen allmächtigen Gott und seine Gebote angetrieben ist.
Dass der islamische Kulturkreis in vielerlei Hinsicht rückständig, nicht freiheitlich, nicht innovativ, nicht erfolgreich ist, ist eine andere Frage. Die islamische Welt ist von religiösen und ethnischen Konflikten zerrissen (die wir uns hierher importieren) und ein Ende dieser Krisen ist nicht abzusehen. Dennoch kann ich Hamed Abdel-Samads These vom bevorstehenden Untergang der islamischen Welt nicht teilen, so spannend und lesenswert sein gleichnamiges Buch auch ist.
Ein nahendes Ende des Islam kann ich nicht erkennen.
Denn obwohl die islamische Zivilisation so erfolglos, so zerrissen, durch Kriege so erschüttert ist, ist sie von einem ganz sicher nicht bedroht: vom Aussterben. Schon deswegen nicht, weil diese Zivilisation mehr als genug Kinder hervorbringt – sogar so viele, dass es für die weitere Ausbreitung des Islam reicht.
Zudem beobachten wir auch noch eine Revitalisierung dieser Religion. Während das Christentum ablebt, lebt der Islam auf. Das erkennt man schon im Straßenbild: liefen die Frauen in Algerien, dem Iran oder in Afghanistan vor vierzig Jahren ziemlich genau so herum wie im Westen, so sieht man heute Kopftücher, Tschadors und Burkas. Und bei uns im Westen diskutieren wir auf einmal über Dinge, über die wir uns vor zwanzig Jahren nicht einen einzigen Gedanken gemacht haben. Mal ehrlich: wer hätte im Jahr 1997 überhaupt gewusst, was ein Salafist ist?
Das Wiedererstarken des Islam wird für die betroffenen Länder kein Segen sein, so viel ist sicher. Freiheit und wirtschaftlichen Erfolg werden Mangelware sein, dafür werden Unterdrückung und Gewalt zunehmen. Aber auch solche Zivilisationen können ein langes Leben haben. Mit Bedacht habe ich zu Beginn angekündigt, dass ich wirtschaftlichen Erfolg als Faktor für das Überleben einer Zivilisation in diesem Beitrag außer Acht lasse.
III. Schlusswort
Kann Europa es wieder lernen, Freiheit und Verantwortung in einen gesunden Einklang zu bringen? Kann Europa seine Werte und seine Identität verteidigen, zur Not auch ohne den Glauben an eine göttliche Autorität? Diese Fragen können nur die Europäer selbst beantworten – und von den Antworten wird es abhängen, ob diese Zivilisation weiterleben oder verschwinden wird.
Fußnoten:
- Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.6.2010: „Deutschland verschläft den Kampf um Talente“ von Gunnar Heinsohn http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/integration/die-schrumpfvergreisung-der-deutschen-deutschland-verschlaeft-den-kampf-um-talente-1579548.html
- Konrad-Adenauer-Stiftung, 6.12.2016: „Einteilung in Gut und Böse“ von Jana Biesterfeldt
http://www.kas.de/wf/de/33.47314/
- United Nations / Department of Economic and Social Affairs: „Replacement Migration:
Is It a Solution to Declining and Ageing Populations?“ http://www.un.org/esa/population/publications/migration/migration.htm - Salzburger Nachrichten, 3.12.2015: „EU-Kommissar: Brauchen über 70 Mio. Migranten in 20 Jahren“ https://www.sn.at/politik/weltpolitik/eu-kommissar-brauchen-ueber-70-mio-migranten-in-20-jahren-1917877
- Basler Zeitung, 9.1.2017: „Die grosse Völkerwanderung“ von Bassam Tibi
https://bazonline.ch/ausland/europa/die-grosse-voelkerwanderung/story/23505365
- Focus Online, 11.6.2005: “Weitere Zuwanderung unterbinden”
http://www.focus.de/politik/deutschland/helmut-schmidt-ii_aid_95473.html
- Günter Ederer: „Träum weiter, Deutschland! Politisch korrekt gegen die Wand“, Eichborn-Verlag 2011 https://www.amazon.de/Tr%C3%A4um-weiter-Deutschland-Politisch-korrekt/dp/3821865407
- Paul Joseph Watson: „Pope Francis Shut the F**k Up“
https://www.youtube.com/watch?v=z0RVCUMaSHY
Achse des Guten, 17.11.2015: „Falsche Propheten: Die Kirchenführer in der Flüchtlingskrise“ von Oliver Zimski http://www.achgut.com/artikel/falsche_propheten_die_kirchenfuehrer_in_der_fluechtlingskrise
Achse des Guten, 26.9.2017: „Wie der Herr, so das Gescherr. Kardinal Woelki und seine Trolle“ von Thilo Thielke http://www.achgut.com/artikel/wie_der_herr_so_das_gescherr._kardinal_woelki_und_seine_trolle
Achse des Guten, 7.9.2016: „Das Neue Deutschland“ von Matthias Matussek
http://www.achgut.com/artikel/das_neue_deutschland
- Welt Online, 2.12.2014: „Es gibt keine Zukunft für Juden in Europa“ von Gil Yaron