(www.conservo.wordpress.com)
Von Adrian F. Lauber *)
(Nachtrag zu meinem Artikel „Saudis gegen Ayatollahs: Der Machtkampf der Erzrivalen“: https://www.conservo.blog/?s=saudis+gegen+ayatollahs).
- Quo vadis Libanon?
Am 4. November gab Sa’ad Hariri, der Premierminister des Libanon, als Gast Saudi-Arabiens auf dem saudischen Fernsehsender Al Arabiya seinen Rücktritt bekannt und ließ durchblicken, dass sein Leben in Gefahr sei. Sein Land befindet sich, wie der Premier zugab, mittlerweile auf allen Ebenen unter der Kontrolle der schiitischen Terrororganisation Hisbollah, die nichts anderes ist als der verlängerte Arm des Mullah-Staates Iran.
Der Präsident des Libanon, Michel Aoun, ein Verbündeter der Hisbollah, erklärte daraufhin, dass er diesen Rücktritt nicht anerkenne, es sei denn, Hariri würde nach Beirut zurückkehren und seinen Rücktritt persönlich erklären.
Nun ist Hariri tatsächlich wieder in seiner Heimat. Damit hat so mancher Beobachter nicht gerechnet, auch ich nicht. Ich vermutete zunächst, er würde in Saudi-Arabien bleiben, wenn er Grund hat, sich in seiner Heimat seines Lebens nicht mehr sicher zu wähnen. Ich habe nicht daran geglaubt, dass er so schnell zurückkehren würde. Die in manchen Medien und vom deutschen Außenminister Gabriel geäußerte Behauptung, dass Hariri in Saudi-Arabien festgehalten wird, stimmte offensichtlich nicht.Der Libanon droht zu einem weiteren Schauplatz des Machtkampfes zu werden, den die Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien im Orient austragen. Das iranische Mullah-Regime befindet sich auf dem Vormarsch und verwirklicht heute, was gemäß seiner Staatsideologie von Anfang an vorgesehen war: den Export seiner Islamischen Revolution und den Griff nach der Hegemonie über die Region.Unter der Führung des ehrgeizigen Kronprinzen Mohammad, der im Juni von König Salman zum Thronfolger eingesetzt wurde, macht Saudi-Arabien Front gegen Teheran. Der Prinz gilt in Bezug auf den Iran als Hardliner, der den Einfluss der Mullahs machtvoll zurückdrängen will.
Dazu gehört die Positionierung gegen Irans Schützling Hisbollah im Libanon. Saudi-Arabien hat kürzlich erklärt, dass der Libanon dem Königreich offen den Krieg erklärt habe und seine Staatsbürger aufgefordert, den Libanon zu verlassen. Der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir erklärte am 17. November auf einer Pressekonferenz in Riad, dass das politische System des Libanon von der Hisbollah „gekidnappt“ worden sei und dass Maßnahmen ergriffen würden, die Organisation aus der libanesischen Regierung zu entfernen.1
2. Libanon befindet sich in einer handfesten Staatskrise. Die Stabilität des politischen Systems ist bedroht, zudem wetzt die Hisbollah ihre Messer und befindet sich in erhöhter Alarmbereitschaft.2
Sa’ad Hariri ist indessen von Saudi-Arabien zunächst nach Frankreich geflogen, wie die DPA meldete. Paris hatte sich in die Libanon-Krise eingeschaltet und diverse diplomatische Hebel in Bewegung gesetzt, um die Libanon-Krise zu lösen. Schließlich war der französische Präsident Emmanuel Macron nach Riad gereist und hatte Hariri eingeladen, nach Paris zu kommen.3
Das tat er dann auch. Am 18. November, einem Samstag, traf sich Hariri in Paris mit Macron zum Krisengespräch. Am selben Tag kündigte er an, bis zum folgenden Mittwoch in den Libanon zurückzukehren, berichtete die Agence France-Presse.
Aber Hariri und seine Frau waren sich offensichtlich der Gefahr bewusst, die eine Rückkehr nach Beirut bedeuten würde, denn ihre minderjährigen Kinder haben sie laut AFP in Riad belassen und dort werden sie vorerst auch bleiben. Nur der älteste, bereits erwachsene Sohn begleitete seine Eltern nach Paris.4
Ebenfalls noch am Samstag telefonierte Emmanuel Macron mit US-Präsident Donald Trump, um darüber zu sprechen, wie man gemeinsam mit Verbündeten den Einfluss des Iran und der Hisbollah zurückdrängen könne5 – ein Problem, das Washington seit langem beschäftigt und mit Trump sitzt nun seit Januar ein Mann im Weißen Haus, der die vom Iran ausgehende Bedrohung – im Gegensatz zu Obama – offenbar richtig verstanden hat. Ob er daraus die richtigen Schlüsse zieht und ob es ihm gelingen wird, den Iran aufzuhalten, muss sich noch zeigen. Die Trump-Administration versucht zum Beispiel, eine Achse aus Saudis und gegen den Iran eingestellten Irakern zustande zu bringen, um die Iraner, die heute de facto die Vorherrschaft über das Zweistromland ausüben, gen Osten zu verdrängen.
Am Sonntag, den 19. November, fand auf Ersuchen Saudi-Arabiens ein außerordentliches Treffen der Arabischen Liga in Kairo statt. Riad wollte einen Austausch auf ministerieller Ebene, um die vom Iran und den von ihm finanzierten Milizen ausgehende Bedrohung zu diskutieren. Aus aktuellem Anlass ging es natürlich auch um den Libanon und die Hisbollah, die im Jahr 2016 von der Arabischen Liga als Terrororganisation eingestuft worden ist.6 In einer gemeinsamen Resolution klagten die arabischen Staaten den Iran der Aggression an.
Am folgenden Tag kanzelte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums, Bahram Ghassemi, die Resolution als „wertlos“ ab. Die Probleme der Region könnten nur dann gelöst werden, wenn man aufhöre, sich nach der Politik des „zionistischen Regimes“ zu richten, das danach strebe, Zwietracht zu säen, zitierte ihn die iranische Nachrichtenagentur ISNA.7
Natürlich – wer sollte es auch sonst sein? Wir kennen es aus unserer eigenen Geschichte und Gegenwart. Der liebste Sündenbock von allen ist und bleibt der Jude – bzw. der „kollektive Jude“ Israel, der nach der Sprachregelung des Iran aber selten bei seinem richtigen Namen, sondern meist nur „das zionistische Regime“ genannt wird. Und dieses ist natürlich an allen Übeln der Region schuld. Diese antisemitische Legende wird von Führern der islamischen Welt seit Jahrzehnten immer wieder bemüht. Man hat sich daran gewöhnt, das eigene Versagen und die eigenen Vergehen zu verschleiern, indem man schon reflexartig Israel die Schuld an so ziemlich allem zuschreibt, was Muslimen an schlechten Dingen widerfährt. Ganz besonders trifft das auf den Iran zu, dessen erklärtes Ziel es ist, Israel auszulöschen.
In diesen Tagen meldete sich auch der unvermeidliche Sigmar Gabriel (SPD) zu Wort, der offenbar keine Gelegenheit auszulassen wünscht, sich zu blamieren. Der Noch-Außenminister Deutschlands bezichtigte Saudi-Arabien des politischen Abenteuertums. Nach dem Jemen-Krieg und der Auseinandersetzung mit Katar sei mit der Art und Weise, wie man mit dem Libanon umgehe, nun eine neue Spitze erreicht, monierte Gabriel.
Ohne damit das furchtbare saudische Regime in irgendeiner Weise schönreden zu wollen, muss man sich doch ernsthaft fragen, ob Gabriel eigentlich weiß, wovon er spricht. Ich behaupte: er weiß es nicht, also business as usual.8 Es ist zwar richtig, das Vorgehen der Saudis im Jemen zu kritisieren, welches auch von verschiedenen Medien und Menschenrechtsorganisationen angeprangert worden ist.9 Aber was an Gabriels Statement auffällt, ist, dass er die vom Iran ausgehende Bedrohung ausblendet. Sie kommt in seiner Wahrnehmung offenbar nicht vor, obwohl der Iran für die Krisen im Libanon und im Jemen verantwortlich ist. Mit Recht fragt sich der Historiker Michael Wolffsohn in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“, ob sich das Gabriel’sche Außenministerium noch auf dem Boden der Tatsachen befindet, ob die deutsche Außenpolitik überhaupt noch seriös ist.10
Oder empfiehlt sich Gabriel etwa schon mal als zukünftiger Lobbyist für Teheran, wie Wolffsohn argwöhnt? Überraschend wäre das nicht. Gabriel (zu der Zeit noch Wirtschaftsminister) war in der ersten Reihe derjenigen dabei, die das Mullah-Regime gleich nach dem desaströsen Atomdeal im Juli 2015 besuchten, um lukrative Geschäfte anzubahnen. Der angeblich so geschichtsbewusste Mann hat scheinbar keine Probleme damit, ein totalitäres, antisemitisches Regime zu hofieren.11 Vielleicht wird er das auch tun, wenn er nicht mehr Minister ist? Möglich ist es … Das deutsche Geschichtsbewusstsein richtet sich nämlich viel lieber auf tote Juden als auf lebendige.
Doch nun wieder zu Sa’ad Hariri. Wie in Paris angekündigt, ist er am Dienstag, den 21. November, – nach einem Zwischenstopp in Zypern – am Abend nach Beirut zurückgekehrt. Allerdings allein, seine Frau ist Berichten zufolge nach Saudi-Arabien zu ihren Kindern zurückgekehrt. Er besuchte das Grab seines Vaters, des früheren libanesischen Premierministers Rafiq Hariri, sprach dort ein Gebet und kehrte zu seinem Domizil in der Beiruter Innenstadt zurück. Er sprach denjenigen Landsleuten seinen Dank aus, die ihn unterstützt hatten. Als die Nachricht von Hariris Rückkehr die Runde machte, gingen seine Anhänger jubelnd und mit Hariri-Fotos auf die Straße.
Am nächsten Tag wohnte Hariri einer Militärparade anlässlich des libanesischen Unabhängigkeitstages bei.12 Es kam auch zu einer Aussprache mit Präsident Michel Aoun. Danach ließ Hariri Reporter wissen, dass der Präsident ihn gebeten habe, sein Rücktrittsgesuch zurückzustellen und er, Hariri, habe eingewilligt. Seinen Unterstützern verkündete Hariri: „Ich bleibe an Eurer Seite. Wir werden weiterhin die vorderste Verteidigungslinie des Libanon und seiner Stabilität sein.“13
Die Lage bleibt höchst angespannt. Die libanesische Armee hat im Norden des Landes nahe der Grenze zu Syrien Manöver durchgeführt und ihr Kommandant, General Joseph Aoun, hat erklärt, auf Drohungen und Verletzungen seitens des „israelischen Feindes“ mit militärischer Gewalt zu reagieren. Kurz zuvor hatte der libanesische Außenminister Gebran Bassil in einem Interview mit dem russischen Sender RT eine Warnung (bzw. Drohung) an Israel ausgesprochen, den Libanon ja nicht anzugreifen. Denn einen Krieg werde Israel verlieren.14
Kurz zuvor hatte Israel im Norden seines Staatsgebiets – nahe der Grenze zum Libanon – ebenfalls Manöver durchgeführt. Schon seit einer ganzen Weile bereitet sich der jüdische Staat auf die drohende Konfrontation mit Irans Schützlingen vor.15 Im September hielten die Israel Defense Forces (IDF) ihre größte Übung seit neunzehn Jahren ab, um für den Fall eines Zusammenstoßes mit der Hisbollah bereit zu sein.
Hass auf Israel und die Juden ist im Libanon, wie auch im Großteil der islamischen Welt, alltäglich. Wie die meisten arabischen Nachbarn hat der Libanon außerdem nie Frieden mit Israel geschlossen. Erschwerend hinzu kommt, dass sich der Iran – mittels seines Schützlings Hisbollah – die weitgehende Kontrolle über das Land gesichert hat. Und die Hisbollah hat sich – genau wie ihre iranischen Herren und Förderer – die Zerstörung Israels zum Ziel gesetzt. Diese explosive Mischung aus Israel- bzw. Judenhass und Irans Großmachtstreben, das den Aufbau eines Landkorridors von Teheran über den Irak bis nach Beirut beinhaltet, könnten in einen weiteren Krieg münden.16
In Teheran werden schon die verbalen Kriegstrommeln geschlagen. Am Donnerstag, den 23. November, kündigte Generalmajor Mohammad Ali Dschafari, der Kommandant der mächtigen Islamischen Revolutionsgarden, vor Reportern in der iranischen Hauptstadt an, dass ein neuer Krieg in der Region mit der „Ausrottung des zionistischen Regimes“ enden werde. Das berichtete die halbstaatliche iranische Nachrichtenagentur Fars. Israels erstes Angriffsziel werde der Libanon sein, dafür müsse die Hisbollah gewappnet sein. Die gesamte libanesische Nation – außer einer kleinen Gruppe von „Marionetten“ – stehe hinter der Hisbollah, behauptete der General.17
Dschafari gilt als treuer Gefolgsmann des obersten Führers des Iran, des Ayatollahs Ali Khamenei, dem die Revolutionsgarden persönlich unterstellt sind. Khamenei erklärte am selben Tag, dass der Iran im Kampf gegen die Vereinigten Staaten und Israel helfen werde, wo immer Hilfe benötigt werde. „Die Feinde des Islam haben es geschafft, die Welt der Muslime zu verwirren, indem sie Kriege angezettelt und Zwietracht gesät haben (…) In Westasien gedeiht das zionistische Regime, während die Muslime gegeneinander ausgespielt werden.“, sagte der Ayatollah laut der iranischen Nachrichtenagentur Mehr. „Heute ist die Angelegenheit Palästina das vordringliche Problem der muslimischen Welt, denn es ist ein islamisches Land gewesen, das usurpiert und in ein Werkzeug verwandelt wurde, das die Sicherheit diverser Länder in der Region sabotiert. Dieses Krebsgeschwür [Israel] muss bekämpft werden.“18
Da haben wir’s wieder: an allem sind die Juden schuld. So einfach ist die Welt, wenn nur das Feindbild stimmt!
Israel wird nicht untätig bleiben, sondern sich und seine Bürger nötigenfalls auch präventiv verteidigen. In Jerusalem macht man sich keine Illusionen darüber, dass Iran und die von ihm unterstützten Dschihadisten es mit ihren Drohungen todernst meinen. Schon seit Khomeinis Islamischer Revolution haben die Mullahs nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie Israels Vernichtung wollen.
3. Neuordnung unter Moskauer Regie?
Damit weiter zu Syrien:
Am Montag, den 20. November, hat dessen Präsident Baschar al-Assad seinen vielleicht wichtigsten Protektor und Verbündeten, Russlands Präsidenten Wladimir Putin, in Sotschi aufgesucht und ihm für seine Hilfe im Krieg gedankt.
Moskaus Syrien-Politik ist ein gutes Beispiel dafür, wie fatal es ist, dass viele alternative Medien völlig unkritisch über Russland berichten. So berechtigt viel von der Kritik am Westen ist, die bei den Alternativen geäußert wird, so fatal und irreführend ist es, so zu tun, als wären Männer wie Putin deswegen die „Guten.“ Alternative Medien prangern regelmäßig an, dass der Mainstream westliche Schandtaten verschweigt – doch sie tun oftmals genau dasselbe, wenn es um nicht-westliche Mächte geht.
Putin hat Assad offenbar ohne jegliche Skrupel protegiert, egal welche schlimmen Enthüllungen über Kriegsverbrechen an der syrischen Bevölkerung die Weltöffentlichkeit wieder erreichen. So manch alternatives Medium wird dies wahrscheinlich als „NATO-Propaganda“ oder ähnliches abtun, aber es gibt zu viele Quellen für systematische Folter in Syriens Gefängnissen, für das Aushungern von Menschen, für den Einsatz von Fassbomben und Giftgas, für gezielte Vertreibungen, als dass die Behauptung noch glaubwürdig wäre, das alles hätte man nur erfunden.19
Selbst wenn von dem, was Assad zur Last gelegt wird, nur die Hälfte stimmen sollte, wäre auch das schon Grund genug, ihn vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Ich musste meine Meinung über diesen Mann sehr gründlich überdenken, nachdem ich einige Zeit davon ausgegangen war, dass es für Syrien wahrscheinlich das Beste wäre, wenn er an der Macht bliebe – einfach weil die Alternativen schlimmer wären. Heute kann ich das nicht mehr reinen Gewissens behaupten.
Hinzu kommt noch, dass die syrische Flüchtlingskrise möglicher Weise nicht gelöst werden kann, wenn der Diktator an der Macht bleibt. Es spricht einiges dafür, dass das Assad-Regime innerhalb Syriens massive Vertreibungen hat durchführen lassen, um die Zusammensetzung der Population zu Gunsten Assads und seiner alawitischen Gefolgsleute zu verändern. Auch hat ein Top-General des Regimes im September den syrischen Flüchtlingen im Ausland gedroht: „Kehrt nicht zurück! Wir werden Euch niemals verzeihen.“20
Wenn es so ist, dass das Assad-Regime Menschen gezielt vertrieben hat und sie nun nicht mehr ins Land lassen will, dann sind wir von seiner verbrecherischen Politik mitbetroffen, denn die dauerhafte Aufnahme von Millionen Flüchtlingen wird zur Bedrohung für das zivilisatorische Gleichgewicht im schrumpfenden, alternden Europa. Flüchtlinge bzw. Asylanten sind per Definition normaler Weise nur Gäste auf Zeit. An Leib und Leben bedrohten Menschen wird Schutz gewährt, weil sie zu Hause nicht sicher wären, aber das mittel- bis langfristige Ziel muss es sein, ihnen ihre Heimat zurückzugeben und beim Wiederaufbau zu helfen.
Wenn Assad diesem Ziel im Weg steht, ist das neben seinen anderen Verbrechen ein weiterer Grund dafür, dass ich inzwischen der Meinung bin, dass der Mann entmachtet werden muss.
Die Reaktionen des Kreml auf Vorwürfe gegen Assad sind vorhersehbar: Einfach alles abstreiten. Aber wenn da nichts Unrechtes geschehen ist, warum hat Russland dann vor wenigen Tagen durch ein Veto im UN-Sicherheitsrat verhindert, dass die bei den Vereinten Nationen zuständigen Personen die Einsätze von Giftgas im Syrien-Krieg weiter untersuchen können?21 Wer nichts zu verbergen hat, sollte doch damit kein Problem haben, oder?
Putin protegiert nicht nur Assad, sondern macht offenbar ohne irgendwelche moralische Bedenken gemeinsame Sache mit dem Mullah-Regime des Iran. Da Moskau zugleich enge Beziehungen zu Israel pflegt, gerät diese Politik für den Kreml zum Spagat. Jerusalem ist es nicht entgangen, dass die Russen zweigleisig fahren. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat Putin in den letzten Monaten mehrfach deutlich gesagt, dass Israel eine iranische Präsenz vor seiner Haustüre nicht dulden wird.
Die iranischen Revolutionsgarden, die Hisbollah und weitere Iran-gelenkte Milizen helfen in Syrien dabei, Assad an der Macht zu halten und haben dabei die Kontrolle über einen Großteil des Landes übernommen.
Putin hat Netanjahu zwar versprochen, dass Israel aus Syrien nicht bedroht werden werde, aber Jerusalem täte gut daran, sich auf diese Zusagen besser nicht zu verlassen. In diesen Tagen beteuerte der russische Botschafter in Israel, Alexander Shein, der Iran sei doch nur zwecks Terrorismus-Bekämpfung in Syrien. Aber Moskau respektiere Israels Sorge um seine Sicherheit.22 Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte kurz zuvor die iranische Präsenz in Syrien als legitim beurteilt.23
Es ist damit zu rechnen, dass Moskau dem Iran eine Menge Handlungsspielraum in Syrien lassen wird …
Am 22. November haben Russland, der Iran und die Türkei neue Friedensgespräche für Syrien angekündigt. Demnach soll ein syrischer Nationalkongress einberufen werden, an dem Vertreter der Regierung Assad und der Opposition teilnehmen sollen.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Erdogan und dem iranischen Präsidenten Rohani erklärte Wladimir Putin, der geplante Kongress werde den Rahmen für eine neue staatliche Ordnung in Syrien ausarbeiten, eine neue Verfassung verabschieden und auf deren Basis unter Aufsicht der Vereinten Nationen Wahlen abhalten.24
Das klingt – theoretisch – beeindruckend offen und fair.
Aber soll man ernsthaft glauben, dass nicht irgendwo ein Haken an der Sache ist? Assad kämpft nun bald sieben Jahre mit großer Zähigkeit darum, an der Macht zu bleiben. Angenommen, man würde ihn abwählen, würde dieser Mann plötzlich freiwillig abtreten?
Und werden diktatorische Regime – und das sind Syrien, der Iran, Russland und die Türkei nun einmal – wirklich zulassen, dass Assad und die Opposition einander auf Augenhöhe begegnen und miteinander von gleich zu gleich über die Zukunft Syriens verhandeln können? Ich glaube es nicht. Man wird der Opposition vielleicht ein paar Kleinigkeiten konzedieren – der öffentlichen Wirkung halber -, aber irgendwelche tiefgreifenden Veränderungen zugestehen? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.
Und was ist mit der Flüchtlingskrise? Wie wird die Entscheidung des Nationalkongresses darüber ausfallen?
Was ist mit Irans hegemonialen Ambitionen und der Bedrohung für Israel?
Das sind entscheidende Fragen, die beantwortet werden müssen.
Der Westen darf sich nicht von schönen Ankündigungen Putins blenden lassen.
Quellen:
- The Tower, 17.11.2017: „Saudi Foreign Minister: Iran, Hezbollah Have “Kidnapped” Lebanon“ http://www.thetower.org/5644-saudi-foreign-minister-iran-hezbollah-have-kidnapped-lebanon/
- The Times of Israel, 18.11.2017: „Hezbollah raises alert status across Lebanon — report“
https://www.timesofisrael.com/hezbollah-raises-alert-status-across-lebanon-report/
- Merkur, 18.11.2017: „Nach Gabriel-Äußerungen: Riad ruft Botschafter aus Berlin zurück“
- The Times of Israel, 18.11.2017: „Hariri, in France, vows to return to Lebanon by Wednesday“ by Katy Lee, AFP https://www.timesofisrael.com/hariri-vows-to-return-to-lebanon-by-wednesday/
- The Times of Israel, 19.11.2017: „With Hariri in France, Trump and Macron discuss countering Iran, Hezbollah“ by AP and Times of Israel Staff https://www.timesofisrael.com/with-hariri-in-france-trump-and-macron-discuss-countering-iran-hezbollah/
- Tagesspiegel, 11.3.2016: „Arabische Liga erklärt Hisbollah zur Terrororganisation“ von Bodo Straub http://www.tagesspiegel.de/politik/libanesische-miliz-und-partei-arabische-liga-erklaert-hisbollah-zur-terrororganisation/13310810.html
- The Times of Israel, 20.11.2017: „Iran slams Saudi Arabia for ‘following Zionist policies’“ by agencies https://www.timesofisrael.com/iran-slams-saudi-arabia-for-following-zionist-policies/
- Achse des Guten, 29.3.2017: „Sigmar Gabriel außer Rand und Band“ von Henryk M. Broder http://www.achgut.com/artikel/sigmar_gabriel_ausser_rand_und_band
Tapfer im Nirgendwo, 29.3.2017: „Ein paar Fragen an Sigmar Gabriel (SPD) zu seinem Freund“ von Gerd Buurmann https://tapferimnirgendwo.com/2017/03/29/ein-paar-fragen-an-sigmar-gabriel-spd-zu-seinem-freund/
- The Guardian, 16.9.2016: „What is happening in Yemen and how are Saudi Arabia’s airstrikes affecting civilians – explainer“ by Paul Torpey, Pablo Gutiérrez, Glenn Swann and Cath Levett https://www.theguardian.com/world/ng-interactive/2016/sep/16/how-saudi-arabias-airstrikes-have-hit-civilian-life-in-yemen
The Guardian, 16.9.2016: „One in three Saudi air raids on Yemen hit civilian sites, data shows“ by Ewen MacAskill and Paul Torpey https://www.theguardian.com/world/2016/sep/16/third-of-saudi-airstrikes-on-yemen-have-hit-civilian-sites-data-shows
- Handelsblatt, 20.11.2017: „Sigmar Gabriel empfiehlt sich als Lobbyist für den Iran“ von Michael Wolffsohn http://app.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastbeitrag-von-michael-wolffsohn-sigmar-gabriel-empfiehlt-sich-als-lobbyist-fuer-den-iran/20605890.html?share=fb
- Siehe meine Artikel „Das ekelhaft reine Gewissen“ und „Die Mullahs und die Bombe“ sowie die beigefügten Quellenverweise
- Haaretz, 22.11.2017: „Hariri Returns to Lebanon for First Time Since Surprise Resignation“ by The Associated Press and Reuters https://www.haaretz.com/middle-east-news/1.824256
- The Times of Israel, 22.11.2017: Live Blog (3:25 pm: „Lebanon’s Hariri tells supporters ‘I’m staying with you’“ by AFP) https://www.timesofisrael.com/liveblog-november-22-2017/
- The Independent, 21.11.2017: „Lebanese army in ‘full readiness’ to face the ‘Israeli enemy’“ by Craig Simpson http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/lebanon-israel-war-army-ready-face-hezbollah-idg-defence-force-a8067681.html
- Siehe meine Artikel „Baschar al-Assad – ich muss meine Meinung ändern“ und „Saudis gegen Ayatollahs“ plus die beigefügten Quellenverweise
- Jewish Policy Center, 21.11.2017: „Lebanon: Iranian Imperialism, Jew-Hatred Could Spark a New War“ by Eric Rozenman https://www.jewishpolicycenter.org/2017/11/21/lebanon-iranian-imperialism-jew-hatred-spark-new-war/
- Arutz Sheva – Israel National News, 24.11.2017: „Iranian general: War would lead to annihilation of Israel“ by Elad Benari https://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/238449
- ebd.
- Siehe meinen Artikel „Baschar al-Assad – ich muss meine Meinung ändern“ und die beigefügten Quellenverweise
- Spiegel Online, 11.9.2017: „Assads Top-General droht Flüchtlingen“
- Welt Online, 22.11.2017: „Putin, Assad und die neue Ordnung in Nahost“ von Richard Herzinger https://www.welt.de/debatte/kommentare/article170821585/Putin-Assad-und-die-neue-Ordnung-in-Nahost.html
- The Times of Israel, 20.11.2017: „Iran is only in Syria to fight ‘terror,’ says Russia’s Israel envoy“ by Raphael Ahren https://www.timesofisrael.com/iran-is-only-in-syria-to-fight-terror-says-russias-israel-envoy/
- Britain Israel Communications and Research Centre (BICOM), 15.11.2017: „Russia says Iranian presence in Syria “legitimate”“ http://www.bicom.org.uk/news/russia-says-iranian-presence-syria-legitimate/
- Britain Israel Communications and Research Centre (BICOM), 23.11.2017: „Russia, Iran and Turkey announce new Syria peace talks“ http://www.bicom.org.uk/news/russia-iran-turkey-announce-new-syria-peace-talks/