Inge Steinmetz, ihre 90 J. alte Tante und die You-too-Debatte

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Von Inge Steinmetz

Hallo Frau geschäftsführende, alles tuende, um im Amt zu bleibende Bundeskanzlerin, ich bin blond und habe wieder eine Frage. YOU TOO???

Kaum ein Tag vergeht ohne neue Vorwürfe wegen sexueller Belästigung. Hollywood steht seit Monaten Kopf und auch hierzulande erreicht die Me-Too-Debatte immer mehr Frauen, die all ihren Mut zusammenfassen und sich an die Öffentlichkeit wenden. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch im eigenen Bekannten- und Verwandtenkreis Frauen outen.

Letztens, bei einer Familienfeier, hat meine 90 Jahre alte Tante also ausgepackt. Sie erzählte, dass ihre Schwiegermutter von einem Mitglied des deutschen Kaiserhauses sexuell bedrängt wurde. Die damals junge Frau war Kammerdienerin im Schloss und der Neffe des Kaisers hat sich ihr in der Besenkammer genähert. Die Besenkammer muss irgendeine erotische Ausstrahlung gehabt haben, sie kamen dann dort häufiger zusammen, der Fürst brachte ihr immer ein kleines Geschenk mit. Außer einer netten Abfindung – von der noch Generationen später gut leben konnten – erhielt die junge Frau auch ein kleines Schlösschen, in dem sie den kleinen Friedrich Wilhelm, der sich bald ankündigte, dann standesgemäß großziehen konnte.

Der Schwiegervater war allerdings überrascht, dass die Schwiegermutter, die sich bis dahin so zierte, ihn so schnell heiraten wollte und der kleine Sohn – ein „Fünfmonatskind“ – so quietschfidel und propper war wie jedes normal ausgetragene Kind. Erst Jahrzehntespäter – der Schwiegervater lag schon unter der Erde – konnte die arme Frau über die Ereignisse von damals sprechen, die ihr ganzes Leben so schrecklich beeinflusst hatten.

Und dann berichtete meine Tante über das eigene traumatische Erlebnis, also wie ihr 1945 von einem Mitglied der damaligen SPD ans Knie gegriffen wurde!!! Mitten im Kino, bei einem Film mit Zarah Leander! Sie waren da noch gar nicht richtig verlobt gewesen, sie wüsste noch genau welches Knie es war und welche Stelle. Und wenn der alte Kinobesitzer von damals heute noch leben würde, dann könne der das alles bezeugen, denn er habe ihr Lachen vernommen und sie beide gebeten, ihr Spiel doch in einer Seitenloge weiterzuführen, was sie dann auch taten. Noch heute erinnert jeder Kinobesuch meine Tante an dieses schreckliche Erlebnis und sie meidet den Kinosaal, bestellt immer Karten für die Loge und bekommt dort einen leicht hysterischen Kicheranfall! Nun erwartet sie, dass diese beiden Vorfälle genauso aufgearbeitet werden wie die sexuellen Übergriffe von Regisseuren in Hollywood, München oder Berlin. Sie ist auch bereit – gegen ein gewisses Honorar – in einer Talkrunde im Fernsehen diese Ereignisse aufzuarbeiten.

Natürlich konnte ich nach der turbulenten Familienfeier die ganze Nacht nicht schlafen, diese schrecklichen Frauenschicksale gingen mir die ganze Zeit durch den Kopf. Und irgendwann musste ich dann auch an Frauen in politischen Führungspositionen denken. Die sexuellen Übergriffe finden ja nicht nur im Filmgeschäft und in Königshäusern sondern auch in der Politik statt. Man kann sich das genau vorstellen, wie das dann so läuft. Da möchte eine junge Frau in der Politik gerne Karriere machen, ist umgeben von berühmten und mächtigen Männern, und diese Schelme nutzen die Abhängigkeit der armen schutzlosen Frau aus, fassen ihr ans Knie oder sogar an beide und bumms ist es passiert. So schnell kann das gehen. Es gibt ihn eben doch, den kleinen Unterschied, wie ein Mann oder eine Frau hochkommt – also in der Politik!

www.conservo.wordpress.com  21.01.2018
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