Weg in die Eurokratur?

(www.conservo.wordpress.com)

Von Adrian F. Lauber *)

Hans Magnus Enzensberger schrieb vor nicht langer Zeit über den „Eintritt in ein postdemokratisches Zeitalter“1

Der Mann scheint wachsamer zu sein als viele Zeitgenossen.

Heute sehen wir es wahr werden, wenn nichts dagegen unternommen wird. Feinde der Freiheit sitzen in unserer eigenen Regierung. Merkel hat im Lauf der Zeit deutlich genug gezeigt, wie wenig sie von Demokratie hält.2 Ihr Bundesgesinnungsprüfungs-, äh, ich meine Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) führt den Kampf gegen die Meinungsfreiheit mit bemerkenswerter Offenheit und dafür wurde die Bundesregierung im Sommer des vergangenen Jahres sogar von David Kaye, dem UN-Sonderbeauftragten für Meinungsfreiheit, gerügt. Kaye pflegt sich normaler Weise nicht an westliche Demokratien, sondern an autoritäre Regiems zu wenden.3

Dass er sich nun mit Bezug auf Deutschland zu Wort gemeldet hat, zeigt, wohin die Reise geht.

Vorwärts immer, rückwärts nimmer, Genossen!

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Artikel aus der Schweizer Zeitung „Finanz und Wirtschaft“ von Rahim Taghizadegan empfehlen, einem bemerkenswerten freiheitlichen Denker unserer Zeit.4 (Österreichische Schule der Nationalökonomie)

Es geht darin nicht um Angela Merkel, aber um einen Bruder im globalistischen Geiste, Frankreichs Präsidenten Macron.

Auszüge:

„Die Vorstellungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron von einer europäischen Zentralisierung zeugen von Selbstüberschätzung und widersprechen dem, was den Kontinent ausmacht. (…)

Der französische Präsident stellt aus dem Elysée-Palast in aller Grandeur den Führungsanspruch, um Vertrauen durch konsequentes Umsetzen der vermeintlich europäischen Vision zu gewinnen.

Seine Ziele sind naheliegende Konsequenzen des Zentralisierungsprozesses, der gerne als Einigungsprozess verkauft wird. Steuervereinheitlichung, grösseres Budget, gemeinsame Armee, Minister, Abgeordnete und Universitäten – allesamt Wegmarken der Staatswerdung.

Gewiss steigert Zentralisierung kurzfristig die Entschlossenheit. Doch das Durchdrücken einer Vereinheitlichung ohne hinreichende Homogenität oder Kompetenz ist langfristig dem Vertrauen abträglich und wohl die eigentliche Ursache der Vertrauenskrise.

(…)

Gerade Frankreich hat eine lange Tradition eines Hofstaats von Ökonomen. Hier zeigt die historische Erfahrung eine negative Selektion, die Hybris befördert: Die Staatsmacht sieht die eigene Kompetenz durch die vermeintliche Wissenschaftlichkeit der Ratgeber gesteigert, während sich die angezogenen Ökonomen durch die Machtnähe ebenfalls höherer Kompetenz wähnen.

Leider ist das Wort der Kompetenz im Französischen wie im Deutschen allzu zweideutig: Das Dürfen wird leicht mit dem Können verwechselt, die Zuständigkeit mit der Fähigkeit.

Die in diesem Hofstaate entstehenden und sich gegenseitig bestärkenden Visionen haben dann wenig mit seherischer Qualität zu tun, sondern mehr mit Selbstüberschätzung. Den heterogensten Erdteil mit einheitlichen Parametern zentral steuern zu wollen, ist Hinweis auf Hybris, auf die sehr europäische Verlockung mit sehr uneuropäischen Konsequenzen, die den Kontinent seit jeher in Spannung hält.

Die mangelnde Homogenität, die Vielfalt von Sprachen und Kulturen, von Mentalitäten und Geschichtsdeutungen, von Identitäten und Ideologien ist das, was Europa ausmacht. Seine historische Rolle war stets, verdichtetes Zukunftslabor ergebnisoffener Wagnisse von Wissenschaftlern, Künstlern, Unternehmern, Ingenieuren und Entdeckern zu sein.

In der Enge und der Härte gedieh die Kompetenz und mit ihr der Machbarkeitswahn, der so lange Positives hervorbrachte, bis er scheitern musste an der gegensätzlichen Hybris der Nachbarn und der Ohnmacht, niemals alle Kräfte des Kontinents einem Zweck unterordnen zu können.

Auch Europa sah den Massenwahn der Aufopferung für falsche und dumme Zwecke, doch im globalen Vergleich überwiegt das Mehr an positiver Energie den Schaden – eben dank der Heterogenität und des letztlichen Scheiterns aller bisherigen Zentralisierungsprojekte.

(…)

Der Gegensatz des forschen Vorandrängens einer tatkräftigen Union und der Reaktion nationalistischer Identitäten täuscht darüber hinweg, dass Macrons Vision in der Tradition des Nationalismus steht, sie konsequent fortführt, nicht negiert.

Die großen Einigungsprojekte der europäischen Nationalismen, allen voran das französische, hatten durchaus positive Seiten und Folgen – wenngleich heute ausgerechnet die Zentralisierungsbefürworter einig sind, dass das Negative überwog. Das «souveräne, demokratische, vereinheitlichte Europa», das Macron prophezeit, wäre ein gesamteuropäischer Nationalstaat französischer Prägung.

(…)

Doch der Preis ist zu hoch, das Wagnis riskiert das Ende Europas, nicht durch Spaltung, sondern Vernichten der Spaltungsmöglichkeit, Reduktion des institutionellen Wettbewerbs und Überhandnehmen schlechter Anreize.

Eine Durchsetzung von Mindeststeuern verwandelt ganz Europa in eine Steuerwüste, in der Regionen mit geringerer Produktivität und geringerem institutionellen Vertrauen ökonomisch verdursten. Die vermeintliche Steuerharmonisierung harmonisiert also nicht, sondern trennt und ist Keim neuer Konflikte.

Das ist stets die Folge von Vereinheitlichung aus Hybris, die blind für das unberechenbare Reagieren der Menschen ist: An die Stelle wettbewerblicher, harmonischer Spaltung von Versuch und Irrtum tritt die künstliche, politisch verschärfte Spaltung entlang der Bruchlinien kollektiver Irrtümer.

Schon das Projekt Euro ist dieser Hybris zuzurechnen, der Wahnidee, ein politisches Ziel über Währungsschaffung und -steuerung zu erreichen und damit den Informationsträger eines gewichtigen Teils des globalen Wirtschaftskreislaufs von Kompetenz und Prognosen eines einzigen «Experten»-Hofstaats abhängig zu machen.

Besonders deutlich wird die Hybris in Macrons Vorschlag, eine «europäische Innovationsbehörde» zu schaffen. Ohne Wettbewerb keine Innovation, denn Genie und Wahnsinn lassen sich im Vorhinein nicht unterscheiden. Neue Behörden bedeuten stets neue Stellen für den Hofstaat, für die Nutznießer der Macht, die Feinde jeder wirklichen, weil unbequemen und ungewissen Innovation.

(…)

Dem EU-Nationalismus droht, ausgerüstet mit eigener Armee, das Schicksal jedes Zentralisierungsprojekts, das die inneren Spaltungen und Verschiedenheiten überwindet – es stößt an die äußeren und nährt sich an ihnen, erkauft innere Einheit durch äußere Aggressivität.

Die Forderung nach einem gesamteuropäischen «procureur commercial», einem EU-Staatsanwalt für Handelsfragen, der andere Nationen auf eine fiktive Anklagebank rufen und dann auch gleich Sanktionen verhängen kann für Fehlverhalten «en matière sociale, environnementale ou fiscale», zeichnet den Weg für künftige Handelskriege, die leicht zu blutigeren Einsätzen der geforderten «drones européens» führen können. Die aufgezählten schwammigen Bereiche erlauben dafür Motive der Ideologie oder der politischen Profilierung.

Wenn das die Visionen sind, für die sich europäische Eliten beglückwünschen, ist dringend frischer Wind nötig durch institutionellen Wettbewerb – das bedeutet heilende Spaltung. Die Chancen für europäische Standorte steigen, die sich der Vereinheitlichung und der Steuerhybris entziehen, ohne die positiven Wagnisse und Offenheiten auszuschließen, die Europa ausmachen.

Leider wird durch die ideengeschichtliche Fehldeutung der Zentralisten der Nationalismus, mit seinen protektionistischen, etatistischen und symbolpolitischen Aspekten, als Gegenentwurf missverstanden. Der tatsächliche Gegenentwurf zur EU-Hybris sind weltoffene Kleinräumigkeit und ergebnisoffener Wettbewerb. Doch mit solchen Visionen wäre eben kein Staat zu machen, der einen wachsenden Hofstaat nähren kann.“5

Der Autor ist Fachmann für Wirtschaft. Kein Wunder, dass er dort seinen Schwerpunkt setzt.

Ich möchte noch hinzufügen, dass die Ambitionen der Eurokraten die nationalstaatlichen Demokratien bedrohen.

Schon heute weist die Europäische Union äußerst bedenkliche autoritäre Tendenzen auf, etwa das Initiativmonopol auf Gesetzgebungsakte, das die Europäische Kommission innehat, die weitgehende Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Parlaments usw.

Selbst Martin Schulz (SPD), selbst europäischer Parlamentspräsident, hat zugegeben, dass, wenn die EU ein Staat wäre, der Aufnahme in die EU beantragen würde, dieser Antrag abgelehnt werden würde – aus Mangel an demokratischer Substanz.6

Derselbe Martin Schulz fordert mit allem Nachdruck die Vereinigten Staaten von Europa.

Merkel (Links-Grüne Union Deutschlands, auch noch unter dem alten Namen CDU bekannt) dürfte mit all dem höchst einverstanden sein. Die Abschaffung des deutschen Staatsvolkes hat sie sogar schon verbal vorweggenommen, als sie behauptete, „jeder, der in diesem Land lebt“ sei das Volk.7

Ich weiß, Merkel ist studierte Physikerin, hat also von Haus aus mit Politik nichts zu tun. Aber egal, was ein Politiker ursprünglich mal gelernt oder studiert haben mag: ich verlange, dass er sich mit dem Grundgesetz auskennt, sich diesen Stoff gefälligst aneignet, der nun wahrlich nicht so schwer zu verstehen ist wie andere Rechtsgebiete. Wer die Deutschen sind, ist in diesem Grundgesetz nämlich deutlich definiert. (Artikel 116 GG)

Emmanuel Macron, der begeisterte Eurokrat, hat von seinem eigenen Land behauptet, eine französische Kultur gäbe es gar nicht.8

Er ist wohl von gleichem Schlag wie die Person, die unglücklicherweise im Bundeskanzleramt sitzt.

Ein Staatschef, der dem eigenen Volk die Kultur abspricht – wie tief ist die ehemalige „Grande Nation“ bloß gesunken?

Nihilismus und Relativismus treiben Europa in die Selbstzerstörung, wenn es so weitergeht.

Führende Politiker dieses Kontinents haben offenbar den Ehrgeiz, die bestehenden nationalen Demokratien und die verschiedenen Nationen in einem supranationalen Utopie aufzulösen.

Mir stehen bei dem Gedanken die Haare zu berge, denn dieser wahnwitzige, größenwahnsinnige Zentralismus könnte in einem autoritären Regime enden, das das zerstört, was Europa ausmacht.

Übrigens auch hinsichtlich Migration: Geht es nach dem EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, braucht die EU in den nächsten 20 Jahren 70 Millionen (!!!) Einwanderer.9 Diesen Ansturm würden wir zivilisatorisch nicht überstehen, wie Bassam Tibi mit Recht geschrieben hat.10

Europa ist die Gesamtheit seiner Vielfalt. Vielfalt und Wettbewerb haben diesen Kontinent mal stark gemacht. Was ich mir seit langem wünsche, ist ein Europa der Vaterländer, wie es Charles de Gaulle vorschwebte. Nationale Identitäten und die Staatenvielfalt müssen doch keineswegs ausschließen, dass die Europäer die Probleme zusammen lösen, die der Einzelne allein nicht lösen kann. Ich bedaure es zum Beispiel, dass 1953/54 die von Bundeskanzler Adenauer angestrebte Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) nicht zustande gekommen ist. In Zeiten, da Deutschland nicht mal mehr verteidigungsfähig ist, könnte man eine solche für den Notfall gut gebrauchen – und vielleicht könnte eine solche auch so etwas wie effektiven Grenzschutz auf die Beine stellen.

Doch die „Eliten“ haben etwas anderes im Sinn. Sie leben in ihrer ganz eigenen Welt und haben sich vom einfachen Urnenpöbel wie uns längst verabschiedet.

Großen transnationalen Konzernen kann es recht sein. Ein EU-Megastaat, der den ganzen Kontinent mit seinen Verordnungen und Richtlinien gestaltet, bedeutet eine Schaltzentrale, die man mit Lobbyisten infiltrieren muss, um Märkte unter sich aufzuteilen.

Konzerne werden (regelmäßig erfolgreich) versuchen, die Politik in ihrem Sinne zu lenken und von ihr Regulierungen verabschieden lassen, die kleinere Konkurrenten abwürgen oder vom Markt fegen, damit sie den leckeren Kuchen ganz unter sich aufteilen können.

Korporatismus ist das Zauberwort.

Mich wundert es nicht, dass diverse große Wirtschaftsmogule die Abschaffung von Nationalstaaten und den Aufbau einer neuen supranationalen Herrschaft fördern.11

Uns droht ein autoritäres, bürokratisches System und sollten Brüssel sich Politiker wie Merkel, Maas und Co. zum Vorbild nehmen, wird auch das Schicksal der Meinungsfreiheit kein glückliches sein.

Noch kann das alles verhindert werden. Eine Hoffnung liegt im rechtzeitigen Aufwachen. Eine andere darin, dass Macron und seine politischen Freunde an ihrer Hybris scheitern werden.

Quellen:

  1. Hans Magnus Enzensberger: „Sanftes Monster Brüssel oder Die Entmündigung Europas“, Suhrkamp-Verlag 2011 https://www.amazon.de/Sanftes-Monster-Br%C3%BCssel-Entm%C3%BCndigung-suhrkamp/dp/3518061720
  2. Basler Zeitung, 26.8.2016: „Die Tyrannei der Willkommenskultur“ von Bassam Tibi https://bazonline.ch/ausland/europa/die-tyrannei-der-willkommenskultur/story/31497298

The European, 9.5.2014: „Man kann zweifeln, ob Merkel eine Demokratin ist“ (Gespräch mit Thilo Sarrazin) http://www.theeuropean.de/sarrazin-thilo/8446-gespraech-debattenkultur-in-deutschland

Cicero Online: „Die Lage der Union ist prekär“

https://www.cicero.de/innenpolitik/die-lage-der-union-ist-prekaer/51631

Cicero Online, 3.1.2018: „Die Machtarroganz des Systems Merkel“ von Alexander Marguier https://www.cicero.de/innenpolitik/frustration-in-der-cdu-die-machtarroganz-des-systems-merkel

  1. Joachim Steinhöfel, 17.1.2018: „Schnelljustiz in der Löschkaserne“ https://www.steinhoefel.com/2018/01/schnelljustiz-in-der-loeschkaserne.html#more-5838
  2. Speaker’s Corner: „Rahim Taghizadegan: “Die belogene Generation” (Roland-Baader-Treffen 2016)“ https://www.youtube.com/watch?v=LtioUV8BI-o
  3. Finanz und Wirtschaft, 29.1.2018: „EU zwischen Hybris und Reaktion“ von Rahim Taghizadegan https://www.fuw.ch/article/eu-zwischen-hybris-und-reaktion/
  4. newsleak: „Die EU ist MIST! Die letzten Tage Europas – Henryk M. Broder“ https://www.youtube.com/watch?v=ZoJ8EHkmMgw
  5. Dr. Maximilian Krah, 27.2.2017: ‘„Jeder, der hier lebt“ – Angela Merkel und ihr Volk.‘ https://maximiliankrah.wordpress.com/2017/02/27/jeder-der-hier-lebt-angela-merkel-und-ihr-volk/

Welt Online, 26.2.2017: „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt“ https://www.welt.de/politik/deutschland/article162407512/Das-Volk-ist-jeder-der-in-diesem-Lande-lebt.html

  1. Focus Online, 21.5.2017: „Deutsche Leitkultur und islamische Lebensweise“ von Ralph Ghadban https://www.focus.de/politik/experten/ghadban/gastbeitrag-deutsche-leitkultur-und-islamische-lebensweise_id_7155265.html
  2. Salzburger Nachrichten, 3.12.2015: „EU-Kommissar: Brauchen über 70 Mio. Migranten in 20 Jahren“ https://www.sn.at/politik/weltpolitik/eu-kommissar-brauchen-ueber-70-mio-migranten-in-20-jahren-1917877

Gatestone Institute, 11.1.2018: „Why the EU’s Migration Commissioner Should Resign“ by Jan Wójcik https://www.gatestoneinstitute.org/11726/commissioner-avramopoulos-resign

Gatestone Institute, 8.1.2018: „Mass Migration: The European Commission’s New “Norm”“ by Alain Destexhe https://www.gatestoneinstitute.org/11698/mass-migration-european-commission

  1. Basler Zeitung, 9.1.2017: „Die grosse Völkerwanderung“ von Bassam Tibi https://bazonline.ch/ausland/europa/die-grosse-voelkerwanderung/story/23505365
  2. The Jerusalem Post, 22.8.2016: „Our World: Soros’s Campaign of Global Chaos“ by Caroline B. Glick http://www.jpost.com/Opinion/Our-World-Soross-campaign-of-global-chaos-464770

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*) Der bekannte Blogger Adrian F. Lauber ist seit November 2017 regelmäßig Autor auf conservo.

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