(www.conservo.wordpress.com)
Von Dieter Farwick, BrigGen a.D.*)
Reißleine ziehen!
Es kostet eine gewisse Überwindung, vor der Vereidigung des nächsten Verteidigungsministers- oder -ministerin noch einen Kommentar zur absehbaren Zukunft der Bundeswehr und ihrer Soldatinnen und Soldaten zu schreiben, aber jetzt gibt es für die Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende die letzte Chance, bei der Personalauswahl die Reißleine zu ziehen.
Wenn sie diese Chance verpasst, erwarten die Soldaten weitere vier magere Jahre unter Leitung von Ursula von der Leyen, deren Ansehen, Glaubwürdig und Vertrauen bei der überwiegenden Mehrzahl in der Truppe im Keller sind. Das gilt leider auch für die militärische Führung.
Auch in der eigenen Partei hat vdL keinen großen Rückhalt (mehr?).
Diese Stimmungslage kann der Kanzlerin und Parteivorsitzenden sowie ihrem Beraterkreis nicht entgangen sein.
Ein aufrüttelnder Kommentar eines Kenners
In einem aufrüttelnden Beitrag des – noch heute hoch angesehenen – ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Klaus Naumann, heißt es in der Überschrift der Süddeutschen Zeitung vom 29. Januar 2018:“Der Weg ins Versagen – was CDU, CSU und SPD bei den Sondierungen in der Verteidigungspolitik beschlossen haben, ist eine brandgefährliche Illusion“
Ein Blick in den sog. “Koalitionsvertrag“ mit seinen 177 Seiten untermauert die Bewertung des Vier-Sterne-Generals, der als ehemaliger Chef des „NATO Military Committees“ auch die Auswirkungen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie des Beitrages der Bundeswehr auf die Bündnispartner beurteilen kann.
Was steht im Koalitionsvertrag zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik?
In dem Vertrag gibt es das kleine Kapitel XII. „Deutschlands Verantwortung für Frieden, Freiheit“.
Dort heißt es zur Bundeswehr:
„Damit die Bundeswehr die ihr gestellten Aufträge in allen Dimensionen sachgerecht erfüllen kann, werden wir den Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung stellen – dies gilt insbesondere auch für den Bereich der persönlichen Ausstattung…
Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht, und nicht, was ihr angeboten wird……
Im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung ab 2018 bis 2021 wird die Koalition zusätzlich entstehende Handlungsspielräume (dazu gleich mehr) prioritär dazu nutzen, neben den Verteidigungsausgaben zugleich die Mittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit ausgehend von der Grundlage des 51. Finanzplans (dazu gleich mehr) angemessen zu erhöhen im Verhältnis von 1:1 beim Verteidigungshaushalt. Diese (welche ?) Erhöhungen dienen der Schließung der Fähigkeitslücken der europäischen Zusammenarbeit wie auch gleichermaßen der Stärkung der zivilen Instrumente der Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen einer gemeinsamen umfassenden Friedens- und Sicherheitspolitik. Deutschland wird verbindlich mit dieser Haushaltspolitik…“
Dies sind die schwülstigen, vagen Absichtserklärungen, die nach General Naumann zu der „brandgefährlichen Illusion“ führen, die er in seinem Beitrag beschrieben hat.
Diese Aussagen ohne Fakten und Zahlen dienen der arglistigen Täuschung der deutschen und ausländischen Öffentlichkeit.
Was sagen die Zahlen?
Blumig umschrieben, aber klares Nein zum 2-Prozent-Ziel
Die Beweisführung ist einfach:
- Wo sollen zusätzlich entstehende Handlungsspielräume herkommen? Finanzexperten der CDU beziffern den Finanzierungsbedarf für im Koalitionsvertrag versprochene Leistungen auf 100 Milliarden. Das ist das Doppelte dessen, was bisher als möglich eingestuft wurde. Für diese zusätzlichen Kosten gibt es bislang keine Gegenfinanzierung. Darüber hinaus gibt es große Fragezeichen, was der mögliche Brexit Deutschland zusätzlich kosten wird oder wie sich Inflation mit dann höheren Preisen auf die finanzielle Lage Deutschlands auswirken würde. Hinzukommen die steigenden Kosten für die Integration der Migranten. Spielräume erscheinen als Wunschträume.
- Was geben die Grundlagen des 51. Finanzplanes für den Zeitraum 2018 bis 2021 an klaren Fakten her?
Die Messlatte bilden der Anteil des Verteidigungshaushaltes von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt und der 20-prozentige Anteil von Rüstungsausgaben am Verteidigungshaushalt. Die zwei Prozent gelten als Benchmark der NATO-Mitgliedsstaaten bis 2024, während die 20 Prozent für Rüstungsausgaben schon längere Zeit gelten.
Für das Ziel von zwei Prozent macht der 51.Finanzplan folgende Angaben:
– 2018: 1,23 Prozent
– 2019: 1,23 Prozent
– 2020: 1,23 Prozent
– 2021: 1.23 Prozent
Mit diesen Zahlen verabschiedet sich Deutschland von dem Ziel von zwei Prozent bis 2024, denn woher soll die Regierung nach spätestens 2021 die Mittel für dann noch höhere Summen hernehmen?
Bei den Zahlen für die Rüstungsausgaben sind die im 51. Finanzrahmen ähnlich negativ:
– 2018: 16,4 Prozent
– 2019 :16,2 Prozent
– 2020 :15,9 Prozent
– 2021 :15,8 Prozent
Damit setzt sich die von der Regierung zugegebene Unterfinanzierung über Jahre fort. Ein Gegensatz zu den vollmundigen Worten der Verteidigungsministerin, die das Wort „Verantwortung“ erneut mehrfach im Februar 2018 in der Münchner Sicherheitskonferenz benutzt hat.
Wer glaubt noch an die Umsetzung dieser im Grunde richtigen Forderung nach mehr Verantwortung für die Sicherheitsvorsorge Deutschlands und Europas, wenn man diese Zahlen liest?
Es bleibt nur noch wenig Zeit für einen Paradigmenwechsel in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Noch kann die Kanzlerin ein Zeichen setzen mit einer schnellen Entscheidung für eine andere politische Leitung und eine andere konstruktiv-kritische militärische Führung. Beide haben ihre Chancen in vier Jahren nicht genutzt.
Weitere Berichte über Pleiten, Pech und Pannen in der Bundeswehr erscheinen unausweichlich verbunden zu sein mit weiteren negativen Folgen für das Ansehen der Bundeswehr und für die Werbung qualifizierten Nachwuchses, die bereits heute problematisch ist.
Ein grundsätzlicher Kommentar zum Schluss
- Welche Auswirkungen hat dieser „Vertrag“ von 177 Seiten auf unsere repräsentative Demokratie?
- Was bleibt für die 709 Bundestagsabgeordneten – die Volksvertreter – an politischen Entscheidungen übrig?
Bundestag als Abnick-Parlament
Sie können nur das ausführen, was der Rahmen des Vertrages unter den wachsamen Argusaugen des Koalitionsausschusses noch erlaubt.
Wozu braucht man noch 709 Bundestagsabgeordnete in einem aufgeblähten Parlament, wenn die Vorentscheidungen längst getroffen sind?
Ein teures Stempelkissen!
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