(www.conservo.wordpress.com)
Von Adrian F. Lauber *)
Der Großteil des Territoriums, das der Islamische Staat im Irak und Syrien (ISIS) beherrscht hat, wurde inzwischen befreit. Die wichtigsten Bastionen Mossul (Irak) und Raqqa (Syrien) sind gefallen. Aber die Gefahr ist noch nicht vorbei.
Kürzlich legte das Office of the Director of National Intelligence (ODNI) der USA dem Senat seinen alljährlichen Bericht über weltweite Bedrohungen vor.
Das ODNI warnt davor, dass der Islamische Staat versuchen könnte, sich im Irak und Syrien neu zu formieren, seine Präsenz global zu stärken, neue Terroranschläge zu planen und seine Mitglieder und Anhänger im Ausland dazu aufzurufen, Attentate zu begehen.Das vom IS ausgerufene Kalifat mag größtenteils zerschlagen sein, aber die Organisation ist nach Einschätzung der Nachrichtendienstler immer noch imstande, einen Guerillakrieg zu führen und ihr Endziel, ein neues islamisches Reich, weiterzuverfolgen.
Die Gefahr beschränkt sich nicht auf den Irak und Syrien. Ableger und Anhänger des IS haben sich längst in weitere Länder ausgebreitet.
Abu Bakr al-Baghdadi, Führer des Islamischen Staates
I. Dschihad auf dem Sinai
Auf der Sinai-Halbinsel hat die Miliz Ansar Bayt al-Maqdis im November 2014 dem Führer des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, die Treue geschworen und nannte sich fortan Wilayat Sinai, zu Deutsch: Provinz Sinai. (Gemeint ist eine Provinz des islamischen Kalifats)
Der Sinai-Ableger des IS bleibt eine Dauerbedrohung für den ägyptischen Staat und weitere Nachbarn. Wie gefährlich die Terrorgruppe ist, hat sie bereits unter Beweis gestellt. Im Oktober 2015 hat sie einen russischen Airliner gesprengt und alle 224 Menschen an Bord getötet. Auf dem Sinai hat sie eine Serie von Anschlägen auf Christen, aber auch auf Moscheen durchgeführt, Checkpoints des ägyptischen Militärs eingenommen und Attentate auf ägyptische Staatsdiener verübt.
Kairo wird mit den Dschihadisten nicht allein fertig. Ein Bericht der New York Times hat vor kurzem bestätigt, was ohnehin kein besonders gut gehütetes Geheimnis war. Seit 2015 arbeitet Israel mit Ägypten bei der Bekämpfung des Sinai-IS zusammen.
II. Reste des libyschen Ablegers
Kämpfer des selbst ernannten Kalifats befinden sich auch in Libyen. 2015 stand der Islamische Staat dort auf dem Höhepunkt seiner Macht und kontrollierte über ein Jahr lang die Stadt Sirte (die Heimatstadt des früheren Herrschers Muammar al-Gaddafi), die nach Mossul und Raqqa als drittwichtigste Bastion des Kalifats galt. Sirte wurde im Dezember 2016 von Verbündeten der Amerikaner eingenommen.
Heute kontrolliert der IS in Libyen kein signifikantes Territorium mehr. Nach dem Fall von Sirte haben sich Kämpfer der Organisation in die Wüste zurückgezogen, um sich neu zu formieren.
Das US-Außenministerium (State Department) schätzte die Zahl der IS-Kämpfer in Libyen im Frühjahr 2016 auf etwa 6.000. Bei den Kämpfen um Sirte, durch Luftschläge der Amerikaner und in Gefechten am Boden sind schätzungsweise 1.700 getötet worden.
Die Gefahr, dass IS-Kämpfer wieder versuchen werden, sich in Libyen auszubreiten, bleibt bestehen.
III. Baghdadis Anhänger in weiteren Ländern Afrikas
Mehrere in Afrika operierende Dschihad-Milizen und Terrorgruppen haben dem Kalifat die Treue geschworen. In Westafrika ist eine von einem ehemaligen Al-Qaida-Mitglied namens Adnan Abu Walid al-Sahraoui aktiv, die die Verantwortung für die Tötung vier amerikanischer und fünf nigerischer Soldaten im vergangenen Oktober beansprucht.
Der Führer der brutalen, in Nigeria marodierenden Organisation Boko Haram, Abubakar Shekau, hat im Jahr 2015 Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen.
Auch in Somalia kämpfen Fanatiker für das kommende Kalifat. Auch dort ist es ein ehemaliger Al-Qaida-Mann, Abdulqadir Mumin, der ein Kontingent des Islamischen Staates befehligt. Sie haben es bislang nicht geschafft, irgendwo Territorium auf Dauer unter Kontrolle zu nehmen, aber die Gefahr von Anschlägen besteht.
IV. Der IS auf der arabischen Halbinsel
Nach Angaben des U.S. Central Command sind Kämpfer für den IS auch im vom Bürgerkrieg zerrissenen Jemen im Einsatz, was das Chaos in diesem Land noch einen Grad komplexer macht. Im Jemen kämpfen die vom Iran unterstützten, schiitischen Houthi-Rebellen, die Al Qaida der arabischen Halbinsel und eben auch ein Ableger des Islamischen Staates. Die Amerikaner haben 2017 ihren Kampf gegen die Dschihadisten forciert und dabei hauptsächlich Al Qaida unter Beschuss genommen, aber auch IS-Kämpfer.
Laut Central Command hat der IS die Zahl seiner Kämpfer im Lauf des Jahres 2017 verdoppelt.
Da in weiten Teilen des Jemen faktisch keine staatliche Ordnung mehr existiert, können sich Terroristen dort ungestört breit machen, Anschläge auf Amerikaner und ihre Verbündeten vorbereiten, neue Kämpfer rekrutieren und trainieren, das Land als Transitroute für Soldaten und Waffen nutzen etc. pp.
V. Gefahr am Hindukusch
Auch in Afghanistan und Pakistan sind Loyalisten des Kalifats aktiv und kämpfen immer noch weiter. Im Osten Afghanistan haben die Anhänger des Islamischen Staates die Provinz Khorasan (eine weitere Provinz des Kalifats) ausgerufen. Die Amerikaner haben die Dschihadisten massiv zurückgedrängt, aber sie kämpfen weiter.
Baghdadis Anhänger haben auch mehrere Anschläge in Afghanistans Hauptstadt Kabul für sich in Anspruch genommen.
Mag sein, dass der sich immer weiter hin ziehende Afghanistan-Krieg sehr unpopulär ist.
Trotzdem hat US-Präsident Trump richtig gehandelt, als er sich entschied, die militärische Präsenz seines Landes in Afghanistan aufrecht zu erhalten.
Wäre er dem Beispiel Barack Obamas gefolgt und aus Afghanistan genauso übereilt abgezogen wie Obama aus dem Irak, hätten die Folgen ähnlich verheerend sein können. Der übereilte Abzug aus dem Irak machte den Weg frei für die Machtübernahme durch den hegemonialen Iran – und nicht zuletzt für den IS.
Nach heutiger Lage der Dinge ist an einen Abzug der Amerikaner aus Afghanistan nicht zu denken.
Die IS-Anhänger, die dort kämpfen, sind ja bei weitem nicht die einzige Gefahr.
Auch der Iran versucht, seinen Einflussbereich auszudehnen, er fördert afghanische Dschihadisten und hat tausende afghanische Söldner für den Syrien-Krieg rekrutiert.
Sich jetzt übereilt zurückzuziehen, wäre verantwortungslos. Das geht noch nicht.
Auch in andere Länder Asiens, so etwa Indonesien und Malaysia, hat der IS seine Fühler ausgestreckt. Dortigen Behörden ist es gelungen, geplante Terroranschläge zu vereiteln. Die Spuren der Drahtzieher führten in den Irak und nach Syrien.
Die Wurzel des Problems ist die dschihadistische Ideologie des Islam. Es hilft nichts, drum herum zu reden.
Wie ich bereits aufgezeigt habe, ist es leider ein Mythos, zu glauben, nur eine kleine Minderheit der Muslime sei radikalisiert. Dem ist nicht so.
Der IS z. B. wird zwar von einer Mehrheit der Muslime abgelehnt, aber die Zustimmung, die die Terrororganisation genießt, ist dennoch erschreckend.
Das Pew Research Center hat in zehn islamischen Ländern und in Israel Umfragen durchgeführt, um die Meinungen der Menschen zur Terrormiliz zu erforschen. Zwar sind in allen Ländern ausweislich dieser Umfrage absolute Mehrheiten gegen den IS, aber: in Pakistan gaben laut Pew 62 Prozent der Befragten „weiß nicht“ zur Antwort, als es galt, zum Thema IS Stellung zu beziehen. 9 Prozent der Befragten äußerten sich pro IS. Nur 28 Prozent positionierten sich klar gegen die Terroristen.
In Malaysia, Nigeria und Senegal finden wir höhere Bevölkerungsanteile, die sich gegen den IS aussprechen, aber auch höhere prozentuale Anteile für die Organisation. (Sie reichen von 11 bis 14 Prozent) Weitere aufgelistete Länder sind die Türkei, der Libanon, die Palästinensergebiete, Indonesien, Burkina Faso – und, als einziges nicht mehrheitlich muslimisches Land, Israel. Überall absolute Mehrheiten gegen den IS, aber auch beachtliche Unterstützung bzw. stillschweigendes Goutieren.
Wenn wir die Einwohnerzahlen dieser Länder und den prozentualen Anteil der Unterstützung für den IS zugrunde legen, können wir die Umfragen als Fingerzeig werten, dass es ca. sechzig Millionen (!) Sympathisanten des IS gibt. 60.000.000 – das sind nicht wenige.
Diese Zahl ist vermutlich sogar noch zu gering angesetzt, denn die Umfrage hat z. B. nicht jene Länder erfasst, die zu den größten Brutstätten des sunnitischen Fundamentalismus und des Terrorismus zählen: Saudi-Arabien und die anderen Golfmonarchien.
Donald Trump hatte bei seinem Besuch in der saudischen Hauptstadt Riad im Mai des vergangenen Jahres eine richtige und wichtige Botschaft für die versammelten islamischen Staatsoberhäupter. Sie selbst sind dafür verantwortlich, den Extremismus auszumerzen. In ihrem eigenen Interesse müssen sie die Dschihadisten und ihre geistigen Wegbereiter bekämpfen, damit die islamischen Länder zu Ländern werden können, in denen es sich zu leben lohnt, die prosperieren und erfolgreich sind.
Leider ist noch unklar, ob diese Botschaft wirklich angekommen ist.
Solange man die Wurzeln des Problems nicht benennt und sich einer ehrlichen Auseinandersetzung verweigert, wird die dschihadistische Ideologie weiter bestehen und es werden sich Menschen finden, die ihr verfallen.
Elham Manea hat schon das Nötige dazu geschrieben:
„Fakt ist: Den schrecklichen Gräueltaten des IS ist der Weg ideologisch lange bereitet worden. In unseren Moscheen, die in ihren Freitagsgebeten die christlichen Kreuzritter, Juden und Ungläubigen verteufeln. Von religiösen Führern, die uns jeden Tag im TV begegnen und die beständig ihre Botschaft von Hass und Intoleranz gegen die «anderen» verbreiten. In Schulen lernen wir, dass die Abkehr vom Islam mit dem Tod bestraft wird. Dass Christen und Juden dafür bezahlen sollten, wenn sie in Ruhe leben wollen. Niemals wird in diesen Klassen gelehrt, dass jeder Mensch das Recht hat, seine Religion frei zu wählen. Niemals wird gelehrt, dass jeder Mensch die gleichen Rechte hat, ganz egal, an welchen Gott er glaubt. (…)
Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Es gibt kein Entkommen: Der IS ist ein Teil von uns. Wir haben ihn zu dem gemacht, was er ist. Wir haben seine verquere Ideologie in unseren Schulen, Moscheen und TV-Stationen mehrheitsfähig gemacht. Und trotzdem scheinen wir überrascht, dass der IS das, was gepredigt wurde, wörtlich genommen hat. Das kann nicht unser Ernst sein!“
Die Gefahr auch für Europa bleibt bestehen.
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*) Der bekannte Blogger Adrian F. Lauber ist seit November 2017 regelmäßig Autor auf conservo.
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Quellen:
The Weekly Standard, 16.2.2018: „Not So Fast“ by Thomas Joscelyn http://www.weeklystandard.com/not-so-fast/article/2011618
Pew Research Center, 17.11.2015: „Views of ISIS Overwhelmingly Negative“
http://www.pewresearch.org/fact-tank/2015/11/17/in-nations-with-significant-muslim-populations-much-disdain-for-isis/ft_15-11-17_isis_views/
The White House: „President Trump Participates in the Arab Islamic American Summit Riyadh“ (Veröffentlicht: 21.5.2017) https://www.youtube.com/watch?v=McRUrljoIn0
Blick, 14.8.2016: „Der IS ist ein Teil von uns“ von Elham Manea http://www.blick.ch/news/politik/islamexpertin-wirft-muslimischen-staaten-politisches-versagen-vor-der-is-ist-ein-teil-von-uns-id5376519.html
Zum Thema Islam siehe auch:
Gad Saad: „My Chat with Bill Warner on Political Islam (THE SAAD TRUTH_123)“ https://www.youtube.com/watch?v=EDmfUdQL8ho
Hazem Farraj: „I.S. Islam: Good Muslims or Hijackers of Islam?“ und https://www.youtube.com/watch?v=xpaeR9Ee308&list=PLkRn2BvPcO-1x17OAq3n6Oeq3XTR_HvsW
JihadWatchVideo: „The Basics of Islam 4: Robert Spencer on the Violent Verses in the Qur’an“ by Robert Spencer https://www.youtube.com/watch?v=knryaTzu9nM
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