(www.conservo.wordpress.com)
Von Peter Helmes
Na bitte, die SPD kann´s doch noch ganz gut: Fünf Parteitage der Sozialdemokraten innerhalb von nur 13 Monaten, ungezählte Parteivorsitzende in einem Jahrzehnt, Bundestagswahl verloren mit 20 % und jetzt in den Umfragen bei 17 %. Statt „Agenda 2010“ jetzt wohl eher „Agenda 0“, also besser kein Programm als „so was“. Nun denn, liebe SPD, da geht doch noch was!?!
Jetzt sollte also das Heil aus der Eifel kommen. Mit einem Ergebnis von rd. 75 % bei der Vorsitzendenwahl hatten die Parteigranden vorher spekuliert. Ein bescheidenes Ziel nach den 100 % des Erlösers aus Würselen! Und die Hofpresse, z. B. der Phoenix-Kanal, meinte noch kurz vor der Wahl: “Nahles ist in der SPD keine geliebte Generalsekretärin, aber alles unter 70 Prozent wäre ein Dämpfer. Zumal auch die letzten Umfragen für die SPD mau waren – unter 20 Prozent …“ Deutlicher ausgedrückt: Die Delegierten haben der frisch gewählten SPD-Parteivorsitzenden den Neustart gründlich verhagelt.
Zu Recht! Nahles trägt einen Großteil der Verantwortung für das miese Bild der SPD. Sie hatte Schulz gehätschelt, aber Sigmar Gabriel gestürzt. Karrieregeil, wie sie immer war, hatte sie nach dem Rücktritt von Schulz als Parteivorsitzender als erste die Finger gehoben und sich als Retterin angekündigt – in völliger Verkennung der Stimmung in der SPD. Dafür gab es gestern die Quittung.Das Loch im Osten
66 Prozent! Das war wohl der von Nahles vor einiger Zeit angekündigte „Schlag in die Fresse“ – aber in die eigene. Die einzige positive Meldung zum Parteitag lautet denn auch: „Zum ersten Mal wird die SPD von einer Frau geführt…“ Das war´s dann aber auch. Zumal das heute angesichts einer Dauerfraumerkel keine Schlagzeile mehr wert ist. Und wenn man sich die Führung der SPD anschaut, kommt wenig Hoffnung auf Besserung auf. Ich will ja nicht provozieren, aber Stegner, Özoguz, Chebli z. B. haben zwar ein großes Mundwerk, aber ansonsten wenig Anerkennung an der Basis (und im Volk). Erschwerend kommt „das Loch im Osten“ hinzu:
In den Neuen Bundesländern ist die Partei marginalisiert, die Basis ist fast ganz weggebrochen, die Wahlerfolge fehlen – und damit Mandate in den so wichtigen Kommunalparlamenten und in den Landtagen. In der Mitte Deutschlands, da, wo die SPD herkommt, wird sie heute eher unter „Sonstige“ registriert.
Es war gestern partout nicht zu erkennen, daß Nahles dieses Problem bewußt ist: Für die Eifelerin hört (gefühlt) ihr Deutschland-Verständnis an der alten Zonengrenze auf. Sie blieb in ihrer Rede in Wiesbaden auf die besonderen Herausforderungen im Osten jede Antwort schuldig. Sensibilität für diese Region hätte anders ausgesehen.
Schwacher Start
Wenn das die „Erneuerung“ sein soll, die Nahles vollmundig versprochen hat, brauchen sich die gegnerischen Parteien nicht zu fürchten – zumal zu erwarten steht, daß die SPD bei den Landtagswahlen in Bayern (am 14. Oktober) froh sein kann, zehn Prozent der abgegebenen Wählerstimmen zu erreichen. Die neue Parteivorsitzende hat jedenfalls einen schwachen Start ins neue Amt erwischt. Das wird kein Honigschlecken! Das gleicht eher einem Himmelfahrtskommando zur Rettung der Sozialdemokratie – ohne Rückkehr-Garantie.
Wie will die Frontfrau, die mehr als 30 Jahre für Parteikungelei steht, glaubwürdig einen Neuaufbruch versprechen? Zudem läuft sie mit einem Mühlstein um den Hals in die nächsten Jahre: Sie müßte den schwierigen Spagat zwischen Erneuerung und Regierungsarbeit hinkriegen. Daran sind aber schon andere SPD-Kaliber gescheitert. Denn in der SPD tobt immer mehr und mit zunehmender Härte ein Streit zwischen den Teilen der Partei, die eine strikte Erneuerung fordern, und denen, die trotzdem regierungsfähig bleiben wollen. Bisher stand Nahles eher nicht für Erneuerung, sondern für Bewahren und Klammern an Pfründen. Eine Zukunft als Volkspartei ist derzeit nicht in Sicht.
Hinzu kommt eine weitere Belastung zum Neuanfang: Gerade von der SPD, der „Mutter der Agenda 2010“, wird eine Reform bei der Grundsicherung und bei den Abläufen in der Bundesagentur für Arbeit erwartet. Es sind Anpassungen und Verbesserungen erforderlich. Und die neue Parteivorsitzende steht vor der kaum lösbaren Aufgabe, den Riß zwischen Fundis und Realos in ihrer Partei zu überbrücken.
SPD-Basis hat die Nase voll
Nahles ist schon seit Jahrzehnten im Geschäft; sie steht auch für die Regierungspolitik, mit der die Sozialdemokraten bei den letzten Bundestagswahlen nicht punkten konnten. Und letztlich steht Nahles auch für einen selbstherrlichen Führungsstil, der nicht mehr in die Zeit paßt. Und von dem auch die SPD-Delegierten die Nase voll haben.
In ihrer Parteitagsrede verkündete Nahles, was jeder Genosse von ihr erwartete: Parolen, Worthülsen, Aufmunterung usw. – aber mitnichten eine Neuorientierung. „Allen wohl und niemand weh“ – das ist Balsam für die Seele, aber nix für den Verstand. Das Hirn der SPD bleibt leer.
Das Image der früheren JUSO-Vorsitzenden ist längst verblaßt. Geblieben ist eine verbissen um Postenwahrung kämpfende Frau, die nicht einmal die Stärke hat, ihrer innerparteilichen Kontrahentin die Hand zu reichen. Sie hat sich selbst nun wirklich keinen Gefallen damit getan, ihre Herausforderin, Simone Lange, völlig zu ignorieren. Das hat keine Größe, sondern schürt das Mißtrauen im Parteivolk, Nahles sei der Basis längst entrückt und zähle zur Funktionärsclique.
Auch das ist die Botschaft der 66 Prozent: Von einer starken Beziehung zwischen Parteivolk und Vorsitzenden kann kaum die Rede sein.