Geldmenge und kapitalistischer Sozialismus

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dr. Wolfgang Caspart

Solange Geld wertmäßig gedeckt ist, wächst es nicht ins Unermessliche. Von Anfang an beruhte das Geld auf dem Umfang von Edelmetallen, sprich Gold und Silber. Dadurch war die Geldmenge auf natürliche Weise beschränkt. Als Großbritannien den Goldstandard aufgab, sank der Wert des Pfunds. Seit die Vereinigten Staaten unter dem Druck der Kosten des Vietnamkrieges unter Präsident Nixon am 15. August 1971 die Golddeckung des Dollars, immerhin der Weltleitwährung, aufgaben,[i] vermehrt sich die Geldmenge exponentiell. Seitdem wird die amerikanische Weltpolitik samt ihren zahlreichen Kriegen und den hierfür nötigen Rüstungen durch ungedeckte Dollars betrieben.

GELDMENGENVERMEHRUNG

In Süd- und Westeuropa hatte es Tradition, dass die dortigen Zentralbanken die Politik und vor allem die Sozialpolitik ihrer Regierungen und Staaten mit der inflationären „Druckerpresse“ finanzieren. In Mitteleuropa hat die von der Politik weitgehend unabhängige Deutsche Bundesbank ursprünglich die Geldmenge des DM-Bocks nicht überhand nehmen lassen. Die ihr folgende Europäische Zentralbank (EZB) hätte danach die Politik der Deutschen Bundesbank fortführen sollen, wozu auch die Konvergenzkriterien des EURO gehören.[ii] Doch wurden diese unter dem Druck der inflationsgewohnten und nicht bloß der süd- und westeuropäischen Staaten schon bald sanktionslos aufgegeben. Spätestens die Rettung der Griechenland kreditierenden europäischen Banken durch die EZB, fälschlich „Griechenland-Rettung“ genannt, hat auch die Geldmenge der Gemeinschaftswährung ins Uferlose steigen lassen.[iii]

SOZIALPOLITIK

Abgesehen davon, dass für traditionelle Amerikaner eine mit Europa vergleichbare Sozialpolitik einen Horror darstellt, wären auch die Kosten dafür nur zulasten des amerikanischen Weltengagement aufzubringen. Im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ ist jeder für sein eigenes Glück verantwortlich, und wer nichts dafür tut, ist selber Schuld und hat kaum Anspruch auf Gemeinschaftsleistungen, dafür aber das Recht und die Freiheit, verrecken zu dürfen. Ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung teilt diese von klein auf verinnerlichte Haltung, muss fleißig arbeiten und ist ein Leben lang damit beschäftigt, Dollars zu verdienen. Dies deckt sich auch mit den ausgreifenden Ambitionen der kleinen, aber äußerst effizienten amerikanischen Oberschicht und gibt ihr die Möglichkeit, sich unbelastet auf das Großgeschäft konzentrieren zu können und dabei nicht gestört zu werden.

In Europa ist man kaum diesen Weg gegangen. Im Zuge der mühsamen, aber letztlich erfolgreichen Beseitigung der „sozialen Frage“ alten Stils hat die Sozialpolitik zu Gunsten der unteren Schichten völlig die politische Priorität übernommen. Alles nur irgendwie Mögliche wird unternommen, um den „kleinen Mann“ zufriedenzustellen. Vor allem steht die Geldmengenvermehrung unter dem Diktat des immer frecher werdenden Anspruchsdenkens des verwöhnten Massenpublikums. Die Mittel dazu werden durch eine enorme Staatsverschuldung zulasten der kommenden Generation aufgebracht. Darüber hinaus werden die Sozialkassen durch den Massenimport von kaum oder nicht qualifizierten Unterschichten aus unterentwickelten Ländern heillos überfordert. Der „alte Kontinent“ hat sich eine neue soziale Frage aufgebürdet und damit aller Ressourcen einer weltpolitischen Einflussnahme beraubt.

FINANZHERRSCHAFT

Das Feder al Reserve System hat das weltweite Finanzierungswesen mittlerweile zur Perfektion ausgebaut. Befeuert wird es durch jene Banken, die selbst Mitglied der „Feder al Reserve“ (FED) sind, die Bemerke Bank der 12 regionalen Feder al Reserve Bank. Diese regionalen Feder al Reserve Banken bestreiten ihr Finanzkapital aus dem Finanzkapital ihrer privaten Mitgliedsbanken. Diese privaten Mitgliedsbanken bedienen mit ihrem Giralgeld die FED bzw. eine ihrer regionalen Feder al Reserve Banken, sobald sie Geldbedarf haben.[iv] Für die Privatbanken eine wunderbare Gelderzeugungsmaschine, mit der sich Rüstung sowie Kriege finanzieren und die Rohstoffe der Welt aufkaufen lassen! Die Dollardeckung wird alleine durch das Machtpotential der Vereinigten Staaten besorgt. Auf diese Weise kontrolliert die kartellierte amerikanische Finanzwirtschaft die Medien, Konzerne und Regierungen.

Die europäischen Staaten haben auf internationalem Druck ihre einzelstaatlichen Notenbaken zum Vorteil der FED entmachtet und ihre entscheidenden Kompetenzen an die EZB abgetreten. Nun muss die FED nicht mehr mit dutzenden von Einzelstaaten bzw. Notenbaken mühevoll verhandeln und hat eine einzige zentrale Anlaufstelle. Durch die diversen „Rettungsmaßnahmen“ sind die europäischen Nationalstaaten finanziell überbeansprucht und gänzlich von der EZB abhängig geworden. Da ihr EURO jedoch Dollar-hinterlegt ist, wurde die amerikanische Finanzwirtschaft zur eigentlichen Herrscherin der Europäischen Union (EU). Nicht zufällig besetzen in den USA geschulte und sozialisierte Finanzmanager die entscheidenden Positionen in der EZB und teilweise sogar in den europäischen Einzelstaaten.

WEGE IN DIE KRISE

Eine vereinheitlichte Welt, jedenfalls diesseits und jenseits des Atlantik, benötigt gleichgeschaltete Strukturen. Eine materielle wie mentale Uniformierung führt zu einem ökonomischen Zentralismus und einer finanzpolitischen Zentralwirtschaft, deren Sitz nicht in Brüssel oder Frankfurt liegt, sondern an der Wall Street. Für NATO-geprägte Europäer stellt dieser sozialistische Kapitalismus kein Problem dar, denn in der Zeit des Kalten Krieges haben sich die Transatlantiker an die amerikanische Hegemonie gewöhnt, ja begeistern sich an ihr. Nicht mehr über Enteignungen, Verstaatlichungen, Staatswirtschaft und Fünfjahrespläne, sondern über eine künstliche Geldmengenvermehrung wird der heutige Sozialismus scheinbar „liberal“ herbeigeführt.

Stellt sich die Frage, ob das Regime der euro-amerikanischen Oligarchie wirklich „alternativlos“ ist. Eigentlich haben es die USA mit ihren Anti-Trust Maßnahmen seit 1890 erkannt und vorgemacht[v], doch bald wurden diese übergangen. Die Kartelle nahmen nur eine andere Gestalt an und neue wurden gebildet, wobei die Privatbanken der FED von der Zerschlagung der Trusts nie betroffen, sondern 1913, dem Gründungsjahr der Federal Reserve, noch sanktioniert und sogar institutionalisiert worden sind. Ist der behauptete „volkswirtschaftliche Nutzen“ groß genug, ziehen auch die europäischen Anti-Kartell-Bestimmungen nicht mehr. Der Trust der EZB hat sich von der EU sogar über alle Transparenz und immun über das Strafrecht stellen lassen.

WEGE AUS DER KRISE

Zunächst und vor allem müssten die Anti-Trust Maßnahmen wieder ernst genommen und rigoros umgesetzt werden. Damit käme es wieder zu einer echten Marktwirtschaft, an der freilich die weltweiten Kartelle keine Freude haben. Darauf können aber echte, nämlich moralische Sozialisten, die den Schutz der Schwachen betreiben möchten, eben sowenig Rücksicht nehmen wie jene Patrioten, die das Schicksal ihrer Nationen selbst in der Hand behalten wollen. Das perpetuum mobile (selbsttäiger Bewegungsmechanismus) einer kaum gehemmten oder überhaupt ungebremsten Geldmengenvermehrung ruiniert nicht nur die Weltwirtschaft, sondern auch die Nationalökonomien, indem sie langfristig über die Inflationierung den Wohlstand und die wirtschaftliche Existenz der breitesten Bevölkerungsschichten in der transatlantischen Großkrämerrepublik bedroht. Von den immateriellen und sozialpsychologischen Zerstörungen ganz zu schweigen.

In überschaubaren Größenordnungen sollten die Staaten die allgemeinen Rahmenbedingungen und Entwicklungsrichtlinien ihrer Volkswirtschaften ordnen und zugleich der breiten Masse einen Anteil des wirtschaftlichen Erfolges zukommen lassen. Soviel an „Sozialismus“ ist gesund, aber nicht mehr. Das operative Umsetzen der wirtschaftlichen Entwicklung müßte dann wirklich „liberal“ den einzelnen Unternehmen überlassen bleiben, die es besser als Kommissare können. Die Kunst einer richtigen Politik und damit auch Wirtschaftspolitik besteht demnach darin und führt zu den besten Nutzenergebnissen, die Rahmenbedingungen oder Kontrollparameter zu optimieren und die systemimmanenten Kräfte oder Ordnungsparameter sich selbsttätig entwickeln zu lassen.[vi] Zuerst das japanische MITI (Ministerium für internationalen Handel und Industrie)[vii] und dann das nachmaoistische China weisen grundsätzlich den richtigen wirtschaftspolitischen Weg. Ein geldmengenvermehrender kapitalistischer Sozialismus geht in die falsche Richtung.

(In: Zur Zeit, 31/2017, Wien August 2017, S. 38-39)

[i]Gerhard RÜBEL: Grundlagen der monetären Außenwirtschaft. Zuerst 2002. 3. Auflage, Oldenburg Verlag, München 2009.

[ii]http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=URISERV%3Aec0013 vom 2.12.2015.

[iii]http://www.wiwo.de/politik/ausland/schuldenkrise-wer-kassiert-unser-geld-der-griechenland-rettung-seite-5/5139888-5.html  vom 16.7.2017.

[iv]  http://Wegezeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_123c/INDEX.HTM vom 22.11.2004.

[v]Holm A. LEONHARDT: Kartelltheorie und Internationale Beziehungen. Theoriegeschichtliche

Studien. Mit einem Vorwort von Michael GEHLER. Olms, Hildesheim 2013.

[vi] Fredmund Malik: Strategie des Managements komplexer Systeme. Verlag Paul Haupt, Bern               1992 .

[vii]Chamers JOHNSON: MITI ans ehe Japansee Mirabelle: Thea Grotewohl oft Industrialisiert Police, 1925-1975. Stanford University Press, Stanford 1982.

www.conservo.wordpress.com      26.06.2018
Über conservo 7863 Artikel
Conservo-Redaktion