Mauerbau 13. August – Tag der innerdeutschen Scham

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Von Peter Helmes

 Kein Anlaß zum Feiern

 „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten…“   (Walter Ulbrichts Lüge 15. Juni 1961)

Es war im Sommer 1961. Wie immer verbrachte ich die großen Ferien bei meiner Patentante Gretel und ihrem Mann, Onkel Hans – von ihr stets „Hänschen“ genannt (ein Zweimeter-Mann!) – in Berlin-Schmargendorf. Er arbeitete bei der Post und war einer der Verantwortlichen für den „Postverkehr Ost“. Onkel Hänschen war ein waschechter Berliner (Köpenick), wohnte aber seit seiner Heirat in Schmargendorf.

In einer „politischen“ Familie aufgewachsen – meine Eltern waren Mitbegründer der CDU und vor dem Krieg in der Zentrumspartei aktiv – wurde ich schon früh antikommunistisch erzogen und engagierte ich mich ab meinem 15. Lebensjahr in der Jungen Union. Im Jahr des Mauerbaus übernahm ich den Kreisvorsitz der JU.

Immer, wenn ich in Berlin weilte, wußte Onkel Hänschen etwas von den Kommunisten zu berichten. Er erzählte von der Postüberwachung und der Kontrolle der Telefonate, als seien solche Dinge selbstverständlich gewesen. Er wußte auch zu berichten, daß die Bürger im „anderen Teil Deutschlands“, insbesondere in Ostberlin, zumindest eine grobe Ahnung vom Leben in Westdeutschland hatten. Auch, daß es die Stasi gab und was sie an Grauenhaftem angerichtet hat. Man wußte dies in der DDR ebenso wie in der „verhaßten BRD“ – vor allem transportiert durch Flüchtlinge oder freigekaufte DDR-Bürger.Und heute? Heute habe ich oftmals den Eindruck, daß die Erinnerung an die „SBZ“ – die „Sozialistisch Besetzte Zone“, wie die DDR genannt wurde – gerade bei uns im westlichen Teil Deutschlands fast folkloristische Züge annimmt, was bis zur Verherrlichung gewisser „Errungenschaften“ des SED-Regimes reicht, befeuert von den SED-Erben in der Linkspartei. „Es war ja nicht alles schlecht in der DDR“, lautet das geflügelte Wort unserer heutigen Salonsozialisten.

„Feind“ war, wer anders dachte

Sie – und wir – scheinen wichtige Dinge verdrängt zu haben. Dazu gehörten z. B. die Erinnerungen an…

* ein System, das nur scheinbar die in Ruhe ließ, die klaglos mitmachten

* ein System, das rücksichtslos gegen den leisesten Widerspruch vorging

* ein System, das klare Züge von Paranoia bzw. Verfolgungswahn zeigte (Mielke)

* ein System, das seinen eigenen Bürgern zutiefst mißtraute

* ein System, das den Begriff „Demokratische…“ wie zum Hohn im Staatsnamen führte

* ein System, dem scharenweise die Bürger wegliefen, zuletzt Hunderttausende

* ein System, das sich schließlich gezwungen sah, einen „antikapitalistischen Schutzwall“ zu errichten – und damit die eigenen Bürger in Kollektivhaft nahm

usw.

Der Tag des Mauerbaus

Und dann das: Über Nacht (vom 12. zum 13. August 1961) begann die Ostberliner Regierung, Mitteldeutschland von Westdeutschland abzutrennen. Wir hörten am Morgen des 13. August im Radio die Nachrichten und fuhren spontan Richtung Bernauer Straße. Hier ein Zeitzeugen-Bericht des RBB:

„Die Bernauer Straße, Brennpunkt der Teilung Berlins. Ursula B. wohnte am 13. August 1961 hier im 5. Stock eines Mietshauses. Zu hoch, um sich aus dem Fenster abzuseilen. Einigen Nachbarn gelang die Flucht; ihre Familie blieb, bis auch die letzten Fenster zugemauert wurden. Siehe auch: http://www.berliner-mauer-gedenkstaette.de 2011 hat der rbb Berlinerinnen und Berliner zum 50. Jahrestag des Mauerbaus gefragt, was die Teilung der Stadt für ihr Leben bedeutete. Denn für alle stellte die Mauer einen tiefen Einschnitt in ihre bisherigen Gewohnheiten dar, egal, auf welcher Seite sie wohnten. Menschen waren über Nacht abgeschnitten von Freunden und Verwandten, vom Arbeitsplatz, von der Schule oder ihren bevorzugten Freizeiteinrichtungen. Die Teilung der Stadt zerriss Familien, zerstörte Lebensläufe, tötete Menschen…“ (aus einem Bericht des RBB)

Überall Fassungslosigkeit, Entsetzen! Mein Onkel Hänschen faßte mich bei der Hand und weinte bitterlich, ich auch. Haß gegen das Regime stieg in mir hoch. Ich habe diese Gefühle nicht bekämpft. Wenn ich sah, wie alte Leute sich mühten, noch schnell ihre Häuser zu verlassen und wie sie dann von Vopos zurückgetrieben wurden, wie Menschen aus den Fenstern sprangen, sich verletzten, weiterliefen wie gejagte Hasen – wenn man das sah, hatte man keine Kraft mehr, den Haß zu unterdrücken.

„Bürgerrechtler“ – wie Gauck und Merkel?

Vergessen? Vorbei? Nie! Etwas von diesem Haß bekommt neue Nahrung, wenn ich heute erlebe, wie solche „Gedenktage“ von unseren Politikern gefeiert werden. „Bürgerrechtler“ wie Merkel und Gauck halten schwülstige Reden und feiern sich am liebsten selbst, hängen sich gegenseitig Orden um den Hals und verdrängen, was sich wirklich abgespielt hat. „Es war ja nicht alles schlecht in der untergegangenen DDR“ – dieser Satz reißt auch heute noch Wunden auf.

Karl Marx, in dessen Namen all das Unheil geschah, lebt, lebt immer noch – gerade vor wenigen Wochen zum 200. Geburtstag wie ein großer Staatsmann abgefeiert. Straßen und Plätze sind und bleiben nach ihm benannt, überall stehen Denkmäler, SED-Linke pilgern Jahr für Jahr zum Grab der Rosa Luxemburg, und alte Kader feiern das untergegangene Regime bei „Kameraden-Treffen“. Den Kritikern des menschenverachtenden Regimes wurde in Deutschland kein einziges Denkmal errichtet, kein Platz benannt.

„Demokratische“ Fassade

Der Publizist und Kommunismusexperte Wolfgang Leonhardt berichtete, wie die DDR inklusive ihrer Parteien schon drei Jahre vor Kriegsende in der Kominternschule von Kuschnarenkowo bei UFAS gegründet wurde, also ihre Wurzeln in Moskau hat. Seit 1985 wußte die Stasi, daß DDR und Mauer bald fallen würden – und bereiteten „die Wende“ vor, so wie es Walter Ulbricht schon damals beschrieb: „Es muß demokratisch aussehen. Aber wir müssen alles in der Hand haben.“

Darüber gibt´s natürlich keine „Gauck-Akten“. Stattdessen erleben wir immense Geschichtsfälschungen, in kleinen Dosen versteht sich, die für den Bürger kaum erkennbar sind. Dahinter stehen Profis, die so ganz nebenbei dafür sorgen, daß alles „rechtsfaschistisch“ oder „rechtslastig“ genannt wird, was die Erhaltung Deutschlands, einen gesunden Patriotismus, Verantwortung gegenüber unserem (ungeteilten) Volk, der Erhaltung unserer tradierten Wertmuster, unserer ethnischen Identität einfordert und fördert. Deutschland wickelt sich ab.

In den Westen geflohen – zur „Belohnung“ Rente gekürzt

In mehreren Artikeln habe ich schon darüber berichtet, daß durch einen Akt staatlicher Willkür die „Ostzonenflüchtlinge“ eine erhebliche Kürzung ihrer Rentenansprüche hinnehmen mußten, ohne daß sie darüber informiert wurden. Gundhardt Lässig klagte durch alle Instanzen und wartet nun (seit zwei Jahren) auf einen endgültigen Richterspruch aus Karlsruhe. (siehe auch https://www.conservo.blog/2013/01/31/der-unterdruckte-rentenskandal-abgestrafte-ddr-fluchtlinge/)

Geflohen, um in Freiheit zu leben – von uns bestraft, weil sie nicht „drüben“ blieben

Die Geflohenen, die Freigekauften und die Abgeschobenen verloren wie Parias alles – Hab und Gut, Familie, Freunde, Erspartes, Rentenansprüche usw. Dieses Schicksal betraf etwa

320.000 „Republikflüchtlinge“, Ausgewiesene, Abgeschobene oder Freigekaufte. Um es klar zu sagen – weil´s heute offensichtlich vergessen wird:

Das sind die Menschen, die alles verloren haben und beim „Rübermachen“ ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten und obendrein auch noch in Kauf nehmen mußten, daß zurückgebliebene Familienmitglieder nach allen Regeln kommunistischer Brutalität schikaniert wurden.

Viele werden sich doch noch an die Bilder aus düsteren DDR-Zeiten erinnern: Peter Fechter, Soldat der Volksarmee, wird bei dem Versuch erschossen, die Sperrmauer in Berlin zu überwinden. Vielen anderen ging es ähnlich, die versuchten, dem Unrechtsstaat zu entkommen. Das Ende des SED-Regimes war aber eingeläutet, als schließlich Hunderttausende flohen.

Sie wurden zwar „bei uns“, also im Westteil Deutschlands, stürmisch begrüßt. Empfänge, Pressekonferenzen, Funk- und Fernsehberichte – alle bejubelten den Mut und die Opferbereitschaft der ehemaligen DDR-Bürger, die nun Bundesbürger geworden waren, mit allen Rechten und Pflichten. Doch dann folgte ein jähes Erwachen.

Geschichte kann zynisch sein. Durch die Wiedervereinigung – zu der ja letztlich diese Menschen einen besonderen Beitrag leisteten – verloren sie einen erheblichen Teil ihrer Rentenansprüche. Heute leben viele der „Ostzonen-Flüchtlinge“ – so werden sie auch heute noch amtlich genannt – auf Hartz IV-Niveau und/oder mußten Rentenkürzungen von bis zu 500 Euro im Monat hinnehmen. Wie konnte es dazu kommen?

Täter belohnt – Opfer bestraft

Ursprünglich wurden diese Flüchtlinge in Deutschland-West genauso behandelt (und behördlich eingruppiert) wie jeder andere Bundesbürger, so auch in die Deutsche Rentenversicherung.

Plötzlich jedoch wurden die ehemaligen DDR- und jetzigen Bundesbürger rückwirkend (!) so gestellt, als ob sie in der DDR verblieben wären. Ihre Rentenanwartschaften, die sie nach der Einbürgerung in die Bundesrepublik in einem ordentlichen Aufnahmeverfahren erhalten hatten, wurden still und heimlich liquidiert. Ein unfaßbarer Vorgang, der im Gesetzgebungsverfahren so versteckt untergebracht wurde, daß er praktisch niemandem auffallen konnte (oder sollte?)!

Besonders zynisch ist, daß viele ehemaligen Unterdrücker – SED-Funktionäre, Staats- und Stasi-Mitarbeiter etc. – weit bessere Renten erreichen als die Flüchtlinge. Dank einer starken Lobby ehemaliger „Genossen“ wurden die Täter von einst also belohnt, die Opfer der DDR-Diktatur jedoch bestraft. Täterschutz geht offenbar vor Opferschutz! Diese Täter von einst, die in der DDR die eigene Bevölkerung geschunden hatten, erfreuen sich heute ohne eigene Beitragszahlung einer auskömmlichen Rente, während die Flüchtlinge diskriminiert und mit Kleinstrenten abgespeist werden.

„Beamte“ der untergangenen DDR-Renten- und Sozialbehörden wurden bei uns z. B. in den Apparat des Bundes-Sozialministeriums oder der (westdeutschen) Rentenversicherung aufgenommen und durften dort – welch ein Zynismus! – u. a. über die Rentenansprüche der ehemaligen Ostzonenflüchtlinge entscheiden. Ein Husarenstück!

Vieles an der Angelegenheit ist merkwürdig, angefangen von der „heimlichen“ Rentenanspruchs-Änderung bis hin zu den einzelnen Reaktionen aus Politik und Medien. Es ist nochmals zynisch, daß ausgerechnet der DDR-Anwalt Gregor Gysi der einzige ist, der den Flüchtlingen eine substantiierte Antwort und Auskunft hat zukommen lassen und versprach, sich weiter für sie einzusetzen.

Siehe auch den Artikel auf „conservo“, der die furchtbaren Folgen für jene Menschen schildert: https://www.conservo.blog/2015/08/10/verborgene-wunden-der-ostzonen-fluechtlinge/

Ostzonenflüchtlinge – Bürger minderen Wertes?

Der Wunsch, Verfolgung zu entgehen, Reise- und Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen zu können, die Familie wiederzusehen oder den Wunsch nach einem besseren Leben Wirklichkeit werden zu lassen – die Motive der Menschen zur Flucht waren in der DDR vielfältig, trotz lebensbedrohlicher Gefahren. Angekommen in der Bundesrepublik stellten sich den Flüchtlingen neue Herausforderungen:

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich die „Ostzonenflüchtlinge“ inzwischen dafür entschuldigen müssen, daß sie weiland vor Stasi-Schikanen, Gefängnis, Folter und Mauerbau „rübergemacht“ haben. „Ihr“ freies Deutschland hatten sie sich gewiß anders vorgestellt.

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Geschrieben am 12.August 2018, am Vorabend des „Mauerbau-Gedenktages“.

Kein Grund zum Feiern!

www.conservo.wordpress.com  12.08.2018
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