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Von Peter Helmes
Gut gemeint – das Gegenteil von gut gemacht
Mit unschuldigem Augenaufschlag präsentierte am Wochenende Andrea Nahles, die Mutti der SPD, ihren wohl aus der Hüfte geschossenen Vorschlag, der wirtschaftlich und finanziell gebeutelten Türkei deutsche Finanzhilfe zukommen zu lassen. Die brave, gute, fürsorgliche Mutter Andrea von der Eifel!
Ihr Vorschlag, so wie sie ihn ausgebreitet hat, läßt nicht nur mangelnden wirtschaftlichen Sachverstand erkennen. Man darf auch füglich an ihrer Eignung zweifeln, dieses Land (Deutschland) jemals verantwortlich führen zu können; denn ihr fehlt der Weitblick. Ihr Plan ist einfach blauäugig; denn er packt das türkische Problem nicht an der Wurzel.
Wer mit dem Gedanken spielt, der Türkei von außen Finanzhilfen zu spendieren, sollte sich erst vor Augen halten, wer am Bosporus das Sagen hat – und somit verantwortlich für die galoppierende Krise ist. Diese Krise trägt einen Namen: Erdogan – und nicht eine von ihm lautstark beschworene „internationale Verschwörung“ und auch nicht internationale Spekulanten, die sein Land an den Abgrund getrieben hätten. Nein, nein, verantwortlich sind allein der Verlust an Realitätssinn und der enorm gewachsene Größenwahn des türkischen Präsidenten.Immer tiefer in die Wirtschafts- und Währungs-Krise
Dabei schliddert die türkische Wirtschaft immer tiefer in die Krise. Es zeugt von der Borniertheit Erdogans, derweil von einem „Wirtschaftskrieg“ zu faseln, den er gewinnen werde. Hier spielt sich kein Krieg ab, sondern es handelt sich um eine klassische Wirtschafts- und Währungskrise. Viele der derzeitigen türkischen Probleme sind hausgemacht.
Erdogan hat mit seiner auf kurzfristige Wachstumserfolge ausgerichteten Wirtschaftspolitik gerade in den Jahren des billigen Geldes zu wenige (bis keine) strukturellen Reformen (vor allem im industriellen Bereich) versucht, und jetzt kehren ausgerechnet die so wichtigen Investoren ihm eiskalt den Rücken zu, wobei der Sultan obendrein mit enorm steigenden Zinsen regelrecht gewürgt wird.
Der weitere Absturz der Währung wird den Druck auf die Türkei – und damit auf Erdogan – erhöhen. Unsicherheit bei den Wirtschaftspartnern macht sich breit: Wichtig für die Attraktivität der Türkei als Investitionsstandort und Exportmarkt sind nämlich vor allem Rechtssicherheit, die Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank sowie eine stabile Zahlungsbilanz. Potentielle Investoren setzen bezüglich der Türkei in diesen Fragen zu Recht sehr große Fragezeichen.
Zudem hat sich Erdogan immer mehr von der EU und deren Regeln entfernt, was die Investorensuche zusätzlich schwierig macht. Und Erdogans offene Einflußnahme auf die Entscheidungen der Zentralbank verbunden mit der schwachen Vorstellung seines Schwiegersohnes und Finanzministers Albayrak tun ein Übriges, Investoren abzuschrecken. Erdogans jüngste „Bekenntnisse“ zu EU-Europa und (hört, hört!) auch zu Deutschland klingen da eher wie leere Worthülsen; man merkt die Absicht und ist verstimmt.
Sieht Mutti Nahles das nicht?
Dem Präsidenten Erdogan müßte endlich klargemacht werden, daß sein Land ohne Europa wirtschaftlich nicht überleben kann. Die EU sollte daher jeden Beistand an strenge Bedingungen knüpfen, damit möglicherweise Milliarden-Kredite nicht in ein Faß ohne Boden gekippt werden. Erdogan will nämlich offensichtlich ein Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds unter allen Umständen vermeiden, da solche Programme i.d.R. an strenge Bedingungen – und Kontrollen – geknüpft sind.
Die EU ist der mit Abstand größte Handelspartner der Türkei – und auch immer noch der größte Investor. Aus den kleinen Niederlanden z. B. kamen mehr Direktinvestitionen in die Türkei als aus allen arabischen Ländern zusammen. Ohne Europa würde in der Türkei so gut wie nichts produziert. Natürlich haben auch Deutschland und Europa wirtschaftliche Interessen in der Türkei. (Mehr als 6.500 Unternehmen aus Deutschland sind in der Türkei vertreten. Sie beschäftigen dort mehr 120.000 Menschen.) Das aber rechtfertigt keinen „lockeren“ Umgang miteinander.
Nach Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) haben Banken weltweit rund 224 Milliarden Dollar an Geschäftspartner in der Türkei verliehen, umgerechnet knapp 200 Milliarden Euro. Die Forderungen von Banken in Deutschland gegenüber Geschäftspartnern in der Türkei belaufen sich auf rund 21 Milliarden Euro (Stand Juni 2018). Grund genug, auf stabile Verhältnisse in der Türkei zu bestehen.
Nicht ohne grundsätzliche Kurskorrektur
Wenn der unsägliche Kurs, den Erdogan eingeschlagen hat, nicht von Grund auf korrigiert wird, ist jede Hilfe ein Füllen löchriger Fässer. Der „stolze Mann vom Bosporus“ gerät zunehmend zur Karikatur. Auf Hilfe kann er allenfalls hoffen, wenn er endlich nach marktwirtschaftlichen Regeln spielt und sich Europa wieder öffnet. Und diese Hilfe müßte unter der Aufsicht internationaler Wirtschafts- und Finanzfachleute erfolgen. Das aber wird mit dem stolzen, hochfahrenden aber kranken Mann am Bosporus, Recep Tayyip Erdogan, kaum möglich sein.
Mutti Nahles sollte die Zeit, die Erdogan noch bleibt, nutzen, ihren Vorschlag etwas genauer zu prüfen. Sonst bewahrheitet sich wieder die alte Erkenntnis, daß Sozialisten nicht mit Geld umgehen können.