Horn von Afrika – ein Hoffnungsstrahl am geopolitischen Brennpunkt

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist *)

Das „Horn von Afrika“ gehört seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Konfliktherden in Ostafrika – gegenüber dem Yemen auf der anderen Seite des „Golf von Aden“, dem Ein- und Ausgang des Suez-Kanals, der mit sechs Prozent des maritimen Welthandels von großer Bedeutung ist.

Viele europäische Reedereien meiden jedoch zunehmend den Suez-Kanal wegen der Piraterie im Golf von Aden, die im Wesentlichen von Somalia ausgeht – dem „failed state“, in dem seit Jahren verschiedene Milizen einen Krieg gegen die „Regierung“ führen. Dabei ragt die Terroristengruppierung Al Shabaab heraus, vor der hunderttausende Somalier bevorzugt nach Kenia geflohen sind.

Die Schiffe der Piraten kommen von Somalia. Etliche europäische Reedereien umgehen mittlerweile den Suez-Kanal und nehmen den Umweg um das „Kap der guten Hoffnung“ in Kauf, trotz der Verlängerung der Fahrtdauer um ca. 20 Tage und der Mehrkosten von knapp über zwei Millionen.

So erhalten deutsche Schiffe keinen Begleitschutz durch die deutsche Marine. Sie können ausländische Kriegsschiffe mieten. Andere Reedereien versuchen, die Übergriffe durch Selbstschutzmaßnahmen – z.B. Schallkanonen oder Hochdruckwasserschläuche – abzublocken.Dennoch bleiben die Sorgen um die Sicherheit der Besatzungsmitglieder, die nach Kaperung durch Piraten unter harten Bedingungen Wochen festgehalten werden, bis das geforderte Lösegeld von Hunderttausenden Euro bezahlt worden ist.

Insgesamt haben europäische Reedereien die Anzahl der Durchfahrten durch den Suez-Kanal deutlich reduziert, was zur Mindernutzung der mittlerweile beiden Fahrtrouten und damit der Nutzungsgebühren für Ägypten zur Folge hat.

Eine Weltneuheit ist die Fahrt eines chinesischen Schiffes, das die kürzere Route über die temporär eisfreie Arktis genutzt hat. Weitere chinesische Schiffe werden diesem Beispiel folgen.

Neben der Piraterie liefert das „Horn von Afrika“ überwiegend beunruhigende Nachrichten – vom Stellvertreterkrieg zwischen der vom sunnitischen Herrscherhaus Saudi-Arabiens unterstützten „Regierung“ und den Rebellen, die vom schiitischen Iran unterstützt werden.

Die unruhige Region wird besonders wegen der Piraterie und dem Krieg im Jemen von fremden Staaten – u.a. den USA, Frankreich, Deutschland, Japan und China – zum Aufbau und Nutzung von Militärbasen genutzt, besonders in Dschibuti wegen dessen herausragender Lage am Golf von Aden.

Die Welt hat sich mit der brisanten Situation am Golf „abgefunden“, aber jetzt könnten die Karten neu gemischt werden. Die treibende Kraft ist Äthiopien, das mit seinen 105 Millionen Einwohnern nach Nigeria der zweitgrößte Staat ist – weit vor Südafrika.

Die „Friedensinitiativen“ von Äthiopien und Eritrea

In seinem ausführlichen Bericht über Äthiopien „Das Wunder von Addis Abeba“ ( Der Spiegel 39/2018) beschreibt er die Fortschritte Äthiopiens in nahezu allen Politikfeldern – vom Wirtschaftsaufschwung, über die Fortschritte im Bildungswesen bis hin zur demographischen Entwicklung mit einem verbesserten Gesundheitssystem.

Leider geht der Bericht auf die sich abzeichnende sicherheitspolitische Entwicklung am „Horn von Afrika“ nicht ein, die der Verfasser für einen Hoffnungsstrahl hält – mehr noch nicht.

Nur wenige Wochen im Amt hat Präsident Abiy Achmed dem Erzfeind Eritrea im Sommer 2018 die Hand zur Versöhnung ausgestreckt – 18 Jahre nach Ende des Krieges, der mit einem Sieg des wesentlich kleineren Eitrea und dessen Unabhängigkeit endete. Äthiopien verlor den Zugang zum Golf von Aden und zum Suezkanal.

Die Folgen für Äthiopien

Der Verlust des Zugangs zum Golf und zum Kanal war ein herber Schlag für Äthiopiens Wirtschaft und Handel.

Es dauerte Jahre, bis Äthiopien diesen Schlag verdauen konnte, bis es die Entwicklung nehmen konnte, die der „Spiegel“ ausführlich beschreibt.

Es ist tatsächlich ein „kleines Wirtschaftswunder“, das Äthiopien auch einer starken finanziellen Unterstützung durch China zu verdanken hat, das sich auch am „Horn von Afrika“ Macht und Einfluss sichern will.

Ein Anschlag auf eine Versammlung des Präsidenten im Juni macht deutlich, dass die angestrebte Friedenspolitik mit Eritrea nicht ohne Widerstand zu erreichen ist.

Die Folgen für Eritrea

Trotz seines Sieges durchläuft Eritrea dramatische Phasen. Das System ist extrem diktatorisch – mit erheblicher Unterdrückung der Bevölkerung. Nur wenige Nachrichten drangen nach draußen.

Mit seiner Politik handelte sich Eritrea den Titel „Nordkorea Afrikas“ ein, was alles sagt.

Es waren vor allen Dingen junge Männer, die vor dem „Wehrdienst“ und einem von der Regierung bis zu zehn Jahren verlängerten „Nationalen Dienst“ flohen, der auch den Dienst in einem Bergwerk bedeuten konnte. So sollen nach unbestätigten Angaben 3.000- 5.000 junge Männer ins Ausland – besonders in die USA – geflohen sein. Der Verfasser war in den achtziger Jahren erstaunt über die große Zahl von eriträischen Taxifahrern in New York und Washington D.C. Heute fallen sie als Asylbewerber in Süddeutschland auf.

Zwischen Äthiopien und Eritrea herrschte Jahrzehnte Eiszeit

Im Sommer 2018 hat der eriträische Präsident Isayas Afewerki die Friedensofferte und eine gemeinsame Friedenserklärung angenommen. Mittlerweile gab es den ersten kommerziellen Flug der staatlichen äthiopischen Fluglinie und Telephonverbindungen zwischen beiden Staaten. Eritrea hat Gespräche über den Zugang Äthiopiens zum Kanal und zum Golf in kurzer Zeit angeboten.

Was kann die Zukunft am „ Horn von Afrika“ bringen?

Die Beendigung der Sprachlosigkeit zwischen Äthiopien und Eritrea ist ein Hoffnungsstrahl – nicht mehr und nicht weniger.

Optimal wäre die Beseitigung des Konfliktherdes – mit positiven Ausstrahlungen in die gesamte Region, mit neuen geopolitischen Bedingungen und neuen geostrategischen Optionen.

Deutschlands Politiker sprechen immer davon, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen muss. Hier ergibt sich eine Chance für Deutschland und Europa. In der Region ist Deutschlands Ruf nicht belastet. Man sollte sich jedoch davor hüten, das ärmere Eritrea mit Geld und guten Ratschlägen zu „überhäufen“.

Wirksame Hilfe kann nur durch Hilfe am Ort erfolgen. Es müssen Fachleute aus Europa nach Eritrea abgeordnet werden, die nach einer sorgfältigen Bestandsaufnahme und Prioritätensetzung die konkreten Projekte vor Ort anstoßen – und Monate und Jahre begleiten.

Fachliche Hilfe zur Selbsthilfe muss die bisherige Entwicklungshilfe, die gescheitert ist, ersetzen.

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*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.
Nach seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang Chefredakteur des Newsservice worldsecurity.com, der sicherheitsrelevante Themen global abdeckt.
Dieter Farwick ist Beisitzer im Präsidium des Studienzentrum Weikersheim und führt dort eine jährliche Sicherheitspolitische Tagung durch.
Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Publizist, u. a. bei conservo.
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www.conservo.wordpress.com    24.09.2018
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