Ein Jubiläum der rheinischen Art: Vor 95 Jahren begann (und endete) die separatistische „Rheinische Republik“

(www.conservo.wordpress.com)  

Von Peter Helmes

Ein Nachtrag zum 11.11. *)

Der liebe Gott hatte es wohl gut gemeint, aber der Preußen-Teufel war gegen uns. Und ich, mit einiger (auch Fremd-)Sprachenkenntnis gesegnet, habe gewiß eine glänzende Diplomaten-Karriere verpaßt (obwohl Merkel mir gewiß jede diplomatische Ader aberkennen würde – aber das ist ein anderes Thema).

Hätte die Rheinische Republik Bestand gehabt – hätte, hätte – da dürfte ich jetzt träumen, z. B. von einem Botschafter-Posten: „Botschafter der Rheinischen Republik in Frankreich“ oder in Italien. Ich denke – bescheiden, wie ich bin – ja gar nicht an exotische Länder und Städte(obwohl z. B. Bujumbura oder Santiago de Chile usw.) mir gefallen würden). Auch mit einem Status als Konsul wäre ich einverstanden gewesen.

Nun, es wurde nichts aus dem Traum. Die Rheinische Republik versagte kläglich – wegen mangelnder Unterstützung ihres ursprünglichen Förderers Frankreich, das schon nach drei Wochen Rheinische Republik nasse Füße kriegte und nach vier Wochen das Hasenpanier ergriff.

Und auch ein gewisser Konrad Adenauer – kein Preußenfreund – „unterstützte“ das Wagnis zunächst nur mit spitzen Fingern, dann gar nicht. Aus der Traum!

So also waren und sind die Rheinländer nun mal gezwungen, dieprotestantischen preußischen Tugenden zu ertragen; denn eine Abhilfe ist nicht in Sicht. Und ich habe nicht Geld genug, eine Söldnerarmee aufzubauen, um das Rheinland zu neuer Blüte bringen zu können.

Aber ich will dazu beitragen, die Geschichte des heldenhaften Einsatzes der Rheinländer – darunter einige Männer aus meiner Familie – gegen fremde Einflüsse von Generation zu Generation weiterzugeben.

Innerer und äußerer Widerstand gegen zu viele Fremdeinflüsse

Sie werden gewiß fragen, warum bringt der Helmes diesen Sch… jetzt? Nun denn, ein bißchen Ernst – neben dem Spaß – soll sein! Ich zitiere aus Wikipedia:

„Der Begriff Rheinische Republik steht für den kurzzeitigen Versuch einer Staatsgründung separatistischer Bewegungen im Rheinland des Jahres 1923. Die Angehörigen der Gruppierung wurden Separatisten, Sonder- oder Freibündler genannt.

Die Ereignisse betrafen die belgisch und französisch besetzten Gebiete des westlichen Deutschen Reiches. Anhänger verschiedener separatistischer Vereinigungen brachten ab dem 21. Oktober einige rheinische Stadt- und Gemeindeverwaltungen teilweise mit militärischer Hilfe der Besatzungstruppen unter ihre Kontrolle. Der französische Hochkommissar und Präsident der Rheinlandkommission, Paul Tirard (1879–1945), erkannte die als Resultat einer politischen Revolution interpretierte Herrschaft der Separatisten am 26. Oktober als legitime Regierung an. „Ministerpräsident“ war der Redakteur Josef Friedrich Matthes (1886–1943), „Regierungssitz“ war Koblenz.

Nach zahlreichen Protesten der deutschen und der englischen Regierung ließ die belgisch-französische Unterstützung schnell nach. Die Separatisten versuchten ihre Herrschaft mit Hilfe der von ihnen rekrutierten Schutztruppen aufrechtzuerhalten. Der Unterhalt der Truppen wurde durch „Requirierungen“ bei der Bevölkerung bestritten, wodurch die Situation an vielen Orten bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen eskalierte. Die direkte Herrschaft der Separatisten endete etwa am 20. November 1923“ (Ende des Zitats aus Wikipedia).

Revolution gegen Preußen

Eine kleine Vorbemerkung: Da ich mehrere Jahre meiner Schul- und später meiner Berufszeit in Bayern verbringen durfte, kenne, achte und teile ich die tiefsitzende Skepsis der Bayern gegen die Preußen. Allerdings: Eine „Revolution“ gegen die Preußen haben die Bayern allerdings nie auf die Reihe gekriegt – Motto: „Mögen hätten wir schon gewollt, aber dürfen hätten wir uns nicht getraut…“ – die munteren Rheinländer aber. Sie schafften zumindest den Beginn einer Revolution …

Und dabei wollten(?) und sollten(!) ihnen die geliebten Franzosen helfen. Und wer jetzt noch ein wenig Interesse an der Geschichte hat, bitte schön:

Zur geschichtlichen Entwicklung:

Mit der alliierten Besetzung der Rheinlande nach dem Ersten Weltkrieg kamen von verschiedenen französischen Politikern und Militärs aus dem Umfeld Raymond Poincarés wieder Anschlußideen zur Sprache. Auch in Berlin wurde die Zukunft der Rheinlande kontrovers diskutiert.

Insbesondere der rheinische Mittelstand und bürgerliche Politiker hatten zunehmend Gefallen an der Trennung vom Land Preußen geäußert. Auch als Folge des Kulturkampfes (1871–1878) empfanden Teile der mehrheitlich katholischen Bevölkerung ihre Situation in Preußen noch nach mehr als einhundert Jahren als „protestantische Fremdherrschaft“. Mein Vater (Teilnehmer des I. und II. Weltkrieges) und seine Vettern waren zu der Zeit um die 24-26 Jahre alt, also im besten Mannesalter.

Die Ereignisse betrafen die belgisch und französisch besetzten Gebiete des westlichen Deutschen Reiches. Anhänger verschiedener separatistischer Vereinigungen brachten ab dem 21. Oktober 1923 einige rheinische Stadt- und Gemeindeverwaltungen teilweise mit militärischer Hilfe der Besatzungstruppen unter ihre Kontrolle.

Der französische Hochkommissar und Präsident der Rheinlandkommission, Paul Tirard (1879–1945), erkannte die als Resultat einer politischen Revolution interpretierte Herrschaft der Separatisten am 26. Oktober als legitime Regierung an. Jubel im Rheinland allüberall!

„Ministerpräsident“ war der Redakteur Josef Friedrich Matthes (1886–1943), „Regierungssitz“ war Koblenz. Die Auseinandersetzungen waren von einem publizistischen Schlagabtausch begleitet, in dem viele Zeitungen die reichstreue, die Kölnische Volkszeitung hingegen die separatistische (rheinische) Seite vertrat.

Ziel war: Völlige Abspaltung und Gründung der „Rheinischen Republik“ unter französischem Protektorat

Eine wohlwollende Billigung durch die französische Verwaltung ist anzunehmen. Ziel dieser Bewegung war ausdrücklich die völlige Abspaltung der Rheinlande von Preußen und die Errichtung einer Rheinischen Republik unter französischem Protektorat.

Im Laufe der folgenden Jahre verschlechterte sich die allgemeine wirtschaftliche Lage in allen Teilen des Deutschen Reiches, das von zahlreichen Krisen und politischen Umbruchsversu-chen geschüttelt wurde. Zudem kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der französischen Besatzungsverwaltung und der deutschen Verwaltung. Im April 1921 errichtete Frankreich am Rhein eine Zollgrenze, was die Wirtschaft im besetzten Gebiet weiter schwächte.

Nach zahlreichen Protesten der deutschen und der englischen Regierung ließ die belgisch-französische Unterstützung der Separatisten schnell nach (deshalb bei uns „Verrat der Franzosen an der Rheinischen Republik“ genannt). Die Separatisten versuchten ihre Herrschaft mit Hilfe der von ihnen rekrutierten Schutztruppen aufrechtzuerhalten. Der Unterhalt der Truppen wurde durch „Requirierungen“ bei der Bevölkerung bestritten, wodurch die Situation an vielen Orten bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen eskalierte.

Die Stimmung im Rheinland (ging damals von Duisburg/Ruhrgebiet/Köln bis Wiesbaden) war aufgeheizt, zumal die deutsche Polizei gegen separatistische Führungsfiguren vorging. Meist mußten die Verhafteten jedoch auf Druck der französischen Behörden wieder freigelassen werden. Am 23. September gab es im Wiesbadener Kurhaus eine separatistische Versammlung mit rund 2500 Teilnehmern, an deren Rande es zu Handgemengen unter Beteiligung französischer und deutscher Polizisten kam.

(Nur am Rande eine kleine Notiz):

In seinem am 13. August 1929 in der Wochenzeitschrift Die Weltbühne veröffentlichten Essay für Josef Matthes beschrieb Kurt Tucholsky die Situation im Rheinland:

„Lawinenartig wuchs inzwischen die separatistische Bewegung, proportional der Inflation. Das Rheinland stand damals, geschlossen wie ein Mann, zu dem, der besser zahlte. Die Beamten, die Großbanken, die Geistlichen warteten auf ihren Augenblick. Zu Frankreich hinüber wollte keiner, bei Preußen bleiben wenige. Was sie wollten und wozu sie damals auch ein Recht hatten, war Befreiung aus der Hölle der Inflation und Schaffung einer eignen Währung, einer eignen autonomen Republik.“

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Bereits am 4. Dezember 1918 gab es aus dem Umfeld der Kölnischen Volkszeitung einen Versuch, eine „Rheinische Republik“ auszurufen, der aber kaum auf Resonanz stieß. Der Stimmung im Rheinland verlieh auch Konrad Adenauer Ausdruck, als er am 1. Februar 1919 mehr als sechzig Oberbürgermeister und Abgeordnete der Nationalversammlung und der preußischen Landesversammlung zu einem Treffen nach Köln einlud. Adenauer war zu dieser Zeit Oberbürgermeister von Köln und gehörte der Zentrumspartei an. Erster und einziger Tagesordnungspunkt der Zusammenkunft war „die Gründung der Rheinischen Republik“.

Preußen, „der böse Geist Europas“

In seiner Ansprache bezeichnete Adenauer das Scheitern der Hegemonialmacht Preußens als „notwendige Folge“ des preußischen Systems an sich. Nach Ansicht seiner Gegner sei Preußen „der böse Geist Europas“ und werde „von einer kriegslüsternen, gewissenlosen militärischen Kaste und dem Junkertum beherrscht“. Folglich sei eine hegemoniale Vormachtstellung Preußens für die anderen deutschen Bundesstaaten nicht weiter tragbar.

Preußen solle geteilt werden und dessen westliche Landesteile in einer „Westdeutschen Republik“ aufgehen. Dadurch würde „die Beherrschung Deutschlands durch ein vom Geiste des Ostens, vom Militarismus beherrschtes Preußen unmöglich gemacht“. Dennoch strebte Adenauer den Verbleib der „Westdeutschen Republik“ im Staatenverbund des Deutschen Reiches an.

Am 26. Oktober bestätigte der französische Hochkommissar und Präsident der Rheinlandkommission, Paul Tirard (1879–1945), die Separatisten als „Inhaber der tatsächlichen Macht“. Sie sollten „unter selbstverständlicher Achtung der bestehenden Autorität der Besatzungsbehörde […] alle notwendigen Maßnahmen“ einleiten.

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Zu meiner engeren rheinischen Heimat und artreinen rheinischen Familie:

In den ländlichen Regionen des Westerwalds (dazu gehören wir hier auf der Höhe von Linz am Rhein / nahe Bonn) und des Lahntals spielten sich ähnliche Auseinandersetzungen wie in Wiesbaden ab. Dort konnten sich die rheinisch-republikanischen Kräfte meist jedoch nur kurze Zeit und mit massiver Hilfe der Franzosen an der Macht halten. Ihr Vorgehen erinnerte häufig an das von Räuberbanden. Die Kämpfe entwickelten sich gewalttätiger als in den Städten, so daß es bei Schußwechseln zu Todesopfern und Straßenkämpfen kam.

Unter der Bezeichnung „Fliegende Division Nord“ fielen Angehörige der Rheinland-Schutztruppen vom 6. bis 8. November 1923 über Maria Laach und umliegende Gehöfte her. In Brohl (Nachbarort von meinem Wohnort), wo die Einwohner Anton Brühl und Hans Feinlinger eine Widerstandsgruppe anführten, erschien am 9. November ein Mordkommando, plünderte und erschoß zwei Männer, die es mit Brühl und Feinlinger verwechselt hatte. Am 10. November tauchten Plünderer in Linz am Rhein (mein Wohnort) auf, besetzten das Rathaus und jagten den amtierenden Bürgermeister Pieper aus dem Amt. Von dort suchten sie die Gemeinden Unkel, Bruchhausen und Rheinbreitbach heim. Überall wurden neben Lebensmitteln und Fahrzeugen auch Wertgegenstände „requiriert“.

Separatisten in Bad Honnef (am Fuß des Drachenfelses, Nachbarstadt von hier)

Vom 12. November an sammelten sich die Separatisten in Bad Honnef (Rhöndorf, wo Adenauer wohnte, ist ein Stadtteil von Honnef), das nun als neues Hauptquartier vorgesehen war. Das Rathaus wurde besetzt; am 14. November wurde die Rheinische Republik ausgerufen. In zahlreichen Wohnhäusern und Hotels wurden Lebensmittel und alkoholische Getränke beschlagnahmt, und im Kurhaus ging bei einer großen Feier das hauseigene Mobiliar in Flammen. (Die direkte Herrschaft der Separatisten endete etwa am 20. November 1923.)

Konrad Adenauer unterbreitete im Dezember der französischen Generalität einen weiteren Vorschlag zur Bildung eines „Autonomen Westdeutschen Bundesstaates“. Weder die französische noch die deutsche Regierung konnten sich mit den Vorschlägen anfreunden.

Am 30. Dezember 1923 fand eine Vertreterversammlung der rheinischen Parteien, Gewerkschaften, Kammern und Gemeinden statt, und es wurde die Einleitung von Verhandlungen zur Bildung einer „Rheinischen Republik“ beschlossen.

In Aachen wurde das Rathaus am 21. Oktober 1923 unter der Führung von Leo Deckers und Dr. Guthardt besetzt, und man rief im dortigen Kaisersaal die „Freie und unabhängige Republik Rheinland“ aus. Am 22. Oktober schossen Separatisten in der Umgebung des Theaters auf Gegendemonstranten, die danach in das Sekretariat der separatistischen Partei am Friedrich-Wilhelm-Platz eindrangen und es verwüsteten. Seit dem Morgen des 23. Okt. fuhren Separatisten schießend in Autos durch die Stadt. Die Aachener Feuerwehr besetzte inzwischen das Rathaus, was die Separatisten dazu zwang, sich nun im Regierungsgebäude zu verschanzen. Am selben Tag verhängte die belgische Besatzungsmacht den „Belagerungszustand“.

Aufstand im Siebengebirge (an dessen Ausläufern ich wohne)

(Mein Onkel, Vetter meines Vaters, geb. 1899, war militanter Separatist)

Am Abend des 14. November versammelten sich in der Aegidienberger Gaststätte Cremerius zahlreiche Einwohner der umliegenden Gemeinden bis hin nach Windhagen und Uckerath und entschlossen sich zum offenen Widerstand, da vorauszusehen war, daß sich die Plünderungen bald dort fortsetzen würden. Für die Widerständler wurden überall Lebensmittel gespendet. Trotz des Waffenverbots der Besatzer fanden sich im nun angelegten Waffenarsenal neben Äxten, Knüppeln und Heugabeln auch eine große Anzahl an Jagd- und Handfeuerwaffen sowie zahlreiche Infanteriegewehre. Der ehemalige Offizier und Bergbauingenieur Hermann Schneider übernahm in Aegidienberg die Führung der „Heimwehr“ (deren Mitstreiter mein Onkel Joseph war).

Angeblich standen in der gesamten Umgebung nun etwa viertausend Männer unter Waffen. Sobald sich separatistische Truppen sehen ließen oder entsprechende Gerüchte die Runde machten, wurden die örtlichen Widerstandsverbände mit Werkssirenen und Alarmglocken mobilisiert. Viele Menschen irrten umher und versuchten, ihr Vieh und Besitztum in Sicherheit zu bringen.

Grabstätte der Separatisten in Aegidienberg (2003)

Um eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen zu verhindern, wurde Aegidienberg in den folgenden zwei Wochen von französisch-marokkanischen Truppen kontrolliert, und die französische Militärpolizei ermittelte vor Ort. Als Ergebnis ihrer Ermittlungen gab sie den gewaltsamen Tod von rund 120 Menschen im Zusammenhang mit den Ereignissen dieser Novembertage bekannt. Genauere Angaben zu den Toten und Ereignissen finden sich möglicherweise in den Archiven der Militärpolizei. Der Separatist Theodor Weinz ist direkt am Friedhofseingang in Aegidienberg begraben, die Aegidienberger Grundschule ist nach ihm benannt. Peter Staffel ist auf dem Friedhof in Eudenbach – heute ein Stadtteil von Königswinter – beigesetzt. Er stammte aus dem heute ebenfalls zu Königswinter gehörenden Hühnerberg. Die getöteten Separatisten wurden später auf dem Aegidienberger Friedhof in einem Massengrab ohne Namensnennung bestattet (das liegt12 km von hier weg).

Die Lehre daraus nach dem Volksmund: Die Rheinische Republik war gescheitert

In der hiesigen Bevölkerung wurde sie (nach Berichten meines Vaters 1982, damals Zentrumspolitiker, und meines separatistischen Onkels Joseph 1986) teils betrauert, teils begrüßt. Begrüßt von jenen Bevölkerungsteilen, die unter den Plünderungen gelitten hatten. Betrauert von vor allem katholischen Teilen (Zentrum), die den strengen preußischen, protestantischen Puritanismus haßten und dementsprechend erbitterte Nazi-Gegner waren.

Gescheitert war auch der Glaube an die Schutzmacht Frankreich, was im äußerst frankophilen Rheinland (Coblence / Koblenz als Hauptstadt!) besonders wehtat. Trotzdem ist der typische Rheinländer heute immer noch viel mehr Franzose denn Preuße – frankophon und frankphil.

Und so singen sie völlig (un-)logisch und in sich widersprüchlich das weit verbreitete Schunkellied:

„Warum ist es am Rhein so schön, am Rhein so schön?

Ja weil der Franzmann, der Drecksack,

das Rheinland besetzt hat!

Darum ist es am Rhein so schön, am Rhein so schön!“

Eine typisch mentale Zerrissenheit: Der Franzose ist ein Drecksack, aber da er das Rheinland besetzt hat, ist es am Rhein so schön…

Das ist rheinische Logik, die nur Rheinländer verstehen.

Sprache

Geblieben ist nicht nur die offene Liebe zu Frankreich – die meisten „Jumelages“ (Städtepartnerschaften zwischen Frankreich und Deutschland) gibt es im Rheinland. Geblieben – und vor allem auf dem Land noch immer sehr verbreitet genutzt – sind viele französische Vokabeln, die aber überwiegend rheinische „Verbiegungen“ erleiden müssen, z. B.:

(rein französisch):

der Parapluie (Schirm); der Paletot (Mantel);

(Französisch mit rheinischer Verbiegung:)

Dat Schmiesettsche (von chemise bzw. chemisette: die Bluse, das Blüschen); dat Büstje (bustier); die Schussie (chaussée); dat Trottewaar (trottoir / Bürgersteig); de Perron (Bahnsteig), de Wajong (le wagon / Zug-Wagen), adschüss (von adieu; hier ist ad-schüss genauer am Französischen als das preußische tschüß); sehr verbreitet ist noch „dat Billjet“ (billet) statt „Ticket“; Kuseng (le cousin / Vetter); de Pont (die Fähre, eigentl. Frz. Le pont/die Brücke), aber hier nehmen die alten Leute immer noch „de Pont op de andere Rheinseit“ uvm.

(Bei Bedarf kann ich viel mehr davon liefern. Meine Mutter, 1903-1995, war eine „rheinische Sprach-Pflegerin“, ebenso mein Bruder, geb. 1926, 2011, und ich bemühe mich, das rheinische Erbe hochzuhalten.)

„Denn isch hann jet dovon em blood“ – will heißen: Davon habe ich auch etwas im Blut. Und jeder, der das weiß, wird verstehen, daß meine Liebe zu Preußen – wenn überhaupt – auf Sparflamme kocht – für Frankreich aber brennt.

„Savoir vivre“ – eine französisch-rheinische Lebensart

Und zugegeben: Die rheinische Mentalität ist der französischen wesentlich näher, als die „Preußischen Tugenden“ es jemals auch nur ansatzweise sein könnten, deren (vorgeschobene) Tugendhaftigkeit und Humorlosigkeit jedem echten Rheinländer das Wasser in die Augen treiben – vom „Spaß an der Freud“ und vom rheinischen Karneval ganz zu schweigen.

Oder auch typisch rheinisch: „Me muß och jönne könne“ oder „me muß och mol fünf jeradsein loße“ – das sind typisch rheinische Grundeinstellungen, die wiederum für einen Preußen nicht hinnehmbar sind.

Und vielen treuen Merkelgegnern täte ein wenig rheinischer Mut auch gut: „Zäng ussenande, Aasch huu!“ (sinngemäß übersetzt: „Macht das Maul auf, und kriegt den Hintern hoch!“)

Vive la différence! Oder: „Ach, wör´ isch doch Konsul in Bujumbura!“

(Versteht Ihr jetzt, warum wir so ausgeprägte Islam-Gegner sind?)

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Mögen die Freunde Preußens mir bitte diesen (nicht furchtbar ernstgemeinten) Ausflug in die Geschichte meiner Vorfahren verzeihen. Wenn nit, dann isset och joot!

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*) Der 11.11. ist nach rheinischem Brauchtum der Beginn der Karnevalszeit – der „jecke Zick“ (der verrückten Zeit), das Ende der jeweiligen „Karnevalsession“ ist der Aschermittwoch.

www.conservo.wordpress.com,   13.11.2018
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