(www.conservo.wordpress.com)
Von Helmut Roewer *)
„Verschwörungstheorien – Fake-News, Medienmanipulation und Hysterie:
Wie geht man mit der (un)glaubwürdigen Seite des Internets um?“ fragt mich heute – in Vertauschung von Ursache und Wirkung – die Bundeszentrale für politische Bildung per Email.
Mit nur wenigen Leuten spricht man sofort Klartext, bei anderen bedarf es ellenlanger Umwege – und schließlich hat die Zeit nicht gereicht, um zum Kern vorzudringen.
- Dezember 2018
Adressverzeichnis wegen der Weihnachtsgrüße durchgemustert. – Der Name gehört zu einem Künstler. Er hatte ein Bild an der Wand mit erhobener Augenbraue gemustert: Schöne Anfängerarbeit, meinte er. – Von Chagall, sagte ich. – Echt? – Ja, echt, sagte ich. Seither brach der Kontakt ab.
- Dezember 2018
Amazon sperrt ein weiteres Buch von Antaios: Georges Demartial: Die dreiste Fälschung. Die Kriegsursachenforschung zum Ersten Weltkrieg avanciert so zur Hate Speech.Irgendwelche obskuren EU-Instanzen beschließen einen technisch nicht realisierbaren CO2-Grenzwert für Autos. Das bedeutet das Aus für Otto-Motoren. Mal sehen, wann die Leute dahinterkommen.
- Dezember 2018
Kleine Korrektur zum kirchlichen Dogma: Im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach in der Thomaskirche zu Leipzig ist Josef der Vater des Neugeborenen (zur Sicherheit nachgelesen im Lukas-Evangelium, 2. Kapitel: stimmt so).
Vive la differénce: Die Magazine Tumult und Foreign Affairs landen gleichzeitig auf meinem Schreibtisch. Die einen disputieren mit komplexen Vokabeln die Schädlichkeit zuwandernder Orientalen, die andern in leicht fasslichem Amerikanisch den Nutzen von Atomwaffen.
Wie jedes Jahr räume ich kurz vor Weihnachten in Erwartung eines neuen Bücherstapels meinen Schreibtisch leer. Das dauert eine geschlagene Woche, denn Liegengebliebenes wird erst mal gelesen. Diesmal:
James Comey: A Higher Loyality. Truth, Lies, And Leadership [dt. Ausg.: Größer als das Amt]. London, Macmillan, 2018. Das sind die Memoiren, des im Frühjahr 2017 aus seinem Amt entfernten ehemaligen Direktors der US-Ermittlungsbehörde FBI. Interessant fand ich zwei Stellen: Comeys Schilderung über sein Zusammentreffen mit dem soeben installierten Präsidenten Donald Trump im Januar 2017. Seine Sicht der Dinge war alsbald – noch war er im Amt – in der Mainstreampresse nachzulesen. Trump reagierte umgehend: mit der Entlassung von Comey. Das zweite interessante Thema ist das legendäre Rollbahntreffen zwischen der damaligen Justizministerin und dem vormaligen US-Präsidenten Bill Clinton im Sommer 2016. Es fand fünf Tage vor der Beschuldigten-Vernehmung seiner Ehefrau Hillary durch das FBI statt. Comey schildert, wie ihn die hysterische Reaktion der Presse irritiert habe, als die Sache aufflog. Das ist in der Tat irritierend: Der FBI-Chef fand ganz normal, der Justizministerin einen FBI-Jet für einen Mehrtausendmeilen-Ritt zur Verfügung zu stellen. Dass die Ertappten später behaupteten, man habe sich über die Enkelkinder unterhalten, erwähnt Comey in den Memoiren zur Sicherheit nicht, denn für solche Flugreisen dürfte selbst im freien Amerika der US-Steuerzahler kaum zuständig sein.
Jordan B. Peterson: 12 Rules for Life. Ordnung und Struktur in einer chaotischen Welt. 2. Aufl., München, Goldmann, 2018. Dieses ist ein dickleibiger Wegweiser eines klinischen Psychologen, der in Nordamerika sich zunächst durch seine Auftritte im Internet eine Art Kultstatus erarbeitet hatte. Es macht Mühe, das Buch und seinen Inhalt in Kürze, d.h. angemessen zu beschreiben. Peterson stellt Lebensregeln auf, die er dann im einzelnen durchdekliniert. Zum Beispiel die Regel Nummer 4: Vergleiche dich mit dem, der du gestern warst, nicht mit irgendwem von heute. Das mag für manchen heilsam sein, denn es fokussiert die Verantwortung für den eigenen Zustand auf den Fragesteller selbst. Ungewöhnlich und ungewöhnlich zwiespältig auch Regel 5: Lass nicht zu, dass deine Kinder etwas tun, dass sie dir unsympathisch macht. Hier stutzt man zunächst und denkt: Ist das die richtige Kategorie im Eltern-Kind-Verhältnis? Und so geht es durch das ganze Buch. Seine (beabsichtigte) Tücke ist, dass man die Peterson’schen Regeln ununterbrochen an sich selbst ausprobiert. Was Wunder: Wozu ist der Mann ein Psychologe. Das Buch ist ideal, um von Partnern oder Freunden parallel gelesen zu werden, denn es bietet Diskussionsstoff für Stunden.
Jürgen W. Schmidt/Bernd Schnitzer (Hg.): Kaiser, Geheimdienst und „Gazette des Ardennes“. Die Kriegstagebücher des Rittmeisters Fritz H. Schnitzer (Bd. 2: 23..4.1916-26.8.1917). Berlin, Verlag Dr. Köster, 2018. Dieses ist der zweite Band der von Schmidt edierten Tagebücher des Kaffeegroßhändlers und Reserveoffiziers Fritz Schnitzer, der im Ersten Weltkrieg Dienst bei der Abteilung IIIb (militärischer Geheimdienst) in Großen Hauptquartier tat. Die Aufzeichnungen sind nicht nur eine Fundgrube für den Geheimdienstforscher, sondern geben auch den Blick auf den Alltag in ungewöhnlicher Form frei. Zum Beispiel: Wer speiste wo mit wem in Berlin, und was kostete das in einer Zeit, als es für einfache Leute nicht einmal mehr Kartoffeln auf Marken gab, von Fleisch ganz zu schweigen. Für den noch ausstehenden dritten Band würde ich mir ein sorgfältig kommentiertes Gesamtregister der erwähnten Personen wünschen.
Martin Lichtmesz: Rassismus. Ein amerikanischer Alptraum. Schnellroda, Antaios, 2018. Dieser Kurztext aus der Kaplaken-Reihe beschreibt Wahn und Wirklichkeit des US-Traums von der Rassengleichheit. Dieser Traum wird seit Jahrzehnten von einer Minderheit innerhalb der Noch-Mehrheit der Weißen geträumt. Seine schärfsten Widersacher stammen aus der (angeblich) unterdrückten schwarzen Minderheit, die mit ihren vermeintlichen Befreiern und deren Thesen von der Auflösung der Rassen (durch Vermischung) nichts zu tun haben wollen. Im heutigen Neusprech wird man Lichtmesz’ Beschreibung ihrerseits als Rassismus abtun, denn alles was vom angeblichen melting pot abweicht, ist Rassismus. Die Thesen von Lichtmesz finden neuerdings Unterstützung bei Siegfried Gerlich: Black & White. Zur Virulenz der Rassenfrage in den Vereinigten Staaten (Tumult, Winter 2018/19, S. 27 ff.).
Thor von Waldstein: Macht und Öffentlichkeit. Schnellroda, Antaios, 2018. Dieser Kaplaken-Band beschreibt den Zusammenhang von Machtausübung und Herstellen einer öffentlichen Meinung. Dieses politische Geschwisterpaar ist nicht ganz neu und wurde meines Wissen vor rund neunzig Jahren durch Walter Lippmann („Public Opinion“) und Edward Bernays („Propaganda“ ) erstmals deutlich beschrieben und öffentlich bekanntgemacht. Waldstein gibt einen Überblick seit der Entstehung in Frankreich und England, widmet sich der Rolle der Sprache und deren Lenkung und fügt eine Untersuchung an, wie sich die Dinge im Zeitalter von Internet und sog. sozialen Medien neu sortieren. Fazit: absolut lesenswert.
Rolf Peter Sieferle: Finis Germania. 3. Aufl., Schnellroda, 2017. Das kurze Kaplaken-Buch lag noch auf meinem Schreibtisch, weil ich es für ein Zitat gebraucht hatte. Es hat einen unglaublichen Aufstieg zu einer Art Taschenbibel für entrüstete Deutsche genommen. Sein Inhalt schwankt zwischen drastisch und komplex. Es bleibt als Testament eines Schwierigen unbedingt lesenswert.
Fünf weitere Bücher, die ich nicht erwähne, weil ich sie nicht für lesenswert gehalten habe.
Und schließlich, beim Wegräumen wiederentdeckt: Cicero: De Natura Deorum (Vom Wesen der Götter). Die philosophische Weisheit des klassischen Griechenland in einem einzigen römischen Genie-Streich (zum Glück auf Deutsch). Und Peter Calvocoressi: Who’s who in der Bibel. Aus der Feder dieses englischen Geheimdienstoffiziers und Verlegers ein geistreich-ironisches Meisterstück der handelnden Figuren aus dem alt- und neutestamentlichen Panoptikum – drastisch genug, aber nie beleidigend, mit einem Wort: very British. ©Helmut Roewer, Dezember 2018