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Von Albrecht Künstle
- wenn Ursachen und Wirkung verwechselt werden und was die Folgen sind
- Versuch einer punktuellen Versöhnung zwischen Rechten und Linken
Die Kanzlerin der Deutschen versprach bei ihrem Besuch in Griechenland, die „Abwanderung junger Talente aus Griechenland stoppen“ zu helfen. Gleichzeitig tut sie bei uns daheim das Gegenteil. Mit dem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz (hier FEWG abgekürzt) will sie Nachschub für die deutsche Wirtschaft rekrutieren (Begriff aus dem Migrationspakt), egal woher – auch aus Griechenland. Hätte Frau Merkel nicht nur Karl Marx sondern Karl May’s Winnetou gelesen, wüsste sie, wie dort Janusköpfige genannt wurden: „Häuptling gespaltene Zunge“.
Jedenfalls ist dieses widersprüchliche Verhalten – von Juristen sittenwidrig genannt – ein weiterer Anlass, sich mit dem FEWG auseinanderzusetzen. Die Hauptakteure für den weiteren Personalimport aus „Drittstaaten“ sind die Wirtschaftsverbände. Wobei dieser Begriff Drittstaaten irreführend ist. Der freie Verkehr von Arbeitskräften innerhalb der EU ist längst fast uneingeschränkt möglich. Mit Drittstaaten ist die übrige Welt gemeint. Die Wirtschaft dachte und agierte schon immer global. Europa ist den Wirtschaftskapitänen zu kleinkariert. Sie waren die Befürworter von noch offeneren Grenzen, sie forderten den Migrationspakt und wollen jetzt weitere Zuwanderung, weil mit den meisten der neu Hinzugekommenen nicht viel anzufangen ist. Die Fachkräftezuwanderung wird von allen staatstragenden Parteien unterstützt – einschließlich der AfD, wenn auch mit einem Punktesystem nach kanadischem und australischem Vorbild.Also auf zur nächsten Runde? Nach der letzten Fachkräfte-Engpassanalyse der Bundesagentur gab es 437.900 unbesetzte sozialversicherungspflichtige Stellen für „Fachkräfte, Spezialisten und Experten“. Andererseits betrug die berufsspezifische Arbeitslosenquote dieser Gruppen 3,9 bis 1,8 Prozent.
Insgesamt kommen auf 100 offene Fachkräftestellen 272 Arbeitslose und weitere Arbeitssuchende aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis, also dreimal so viel als der ausgewiesene Mangel.
Woran klemmt es eigentlich, dass die Wirtschaft und Politik mit dem FEWG in die Ferne schweifen will, wenn das Gute doch so nahe liegt. Schaut man sich näher an, in welchen Branchen welche Leute gesucht werden, sind es nicht etwa nur Spezialisten in der Industrie, sondern normale Fachkräfte in überwiegend Dienstleistungsberufen.
Eine Sonderrolle spielt die Baubranche, die aus allen Nähten platzt. Die Unternehmer müssen ihre Preise hoch setzen, um sich der vielen Aufträge erwehren zu können. Im Hochbau werden 3.200 Hände gesucht, im Tiefbau 7.600, und im Ausbaugewerbe fehlen es 11.800 Hände. Und woher kommt dieser Run? Für die in den letzten fünf Jahren von der Merkel-Regierung betriebene Erhöhung der Bevölkerung von über zwei Millionen muss Wohnraum geschaffen, Kindergärten und Schulen erweitert, Straßen ausgebaut werden usw. Die Wohnungen müssen mit Heizungen und Sanitäreinrichtungen ausgestattet werden, weshalb weitere 22.400 Hände gesucht werden. Nun sollen die Folgen der Zuwanderung mit weiterer Einwanderung bekämpft werden? Dazu noch mal unten.
Ein paar Takte zum Dienstleistungsbereich. Hier werden die meisten Fachkräfte nicht im produktionsnahen Bereich gesucht, sondern z.B. 2.000 Ärzte (ohne Zahnärzte und Kieferorthopäden) 9.100 Rettungssanitäter (in Städten geht es immer „ungesünder“ zu) und Geburtshelferinnen (die Zuwandererfamilien sorgen für viel Bedarf), 7.300 in Gesundheits-berufen/Krankenpfleger/innen (auch die zusätzlichen zwei Mio. Merkel-Gäste müssen versorgt werden). Dann 700 in der Sprachtherapie (ohne tausende Sprachlehrer und Dolmetscher für Migranten). Sogar 700 Fahrlehrer werden gesucht, denn diejenigen, die schon einen Aufenthaltsstatus erhielten, kaufen jetzt viele Autos – die zwar auch ohne Führerschein gefahren werden könnten, aber man hat ja auch so schon genug auf dem Kerbholz. Die Kostenübernahme für LKW-Führerscheine durch das Jobcenter sorgt für zusätzlichen Bedarf an Fahrlehrern. Doch ein mir bekannten Spediteur winkt ab, denn noch nicht einmal alle europäischen Fahrer beherrschen den zunehmend schwieriger werdeenden Job, aus Asien oder Afrika ganz zu schwiegen.
Wer Zweifel an den benötigten Arbeitskräften im nichtkommerziellen Dienstleistungsbereich hat, möge einmal die Stellenanzeigen der Zeitungen durchforsten. Diese sind überwiegend solche der öffentlichen Hand und caritativer Einrichtungen der Kirchen, teilweise als „Asylindustrie“ klassifiziert. Zum weiteren Fachkräftebedarf in der Kinderbetreuung, in Schulen, bei Anwälten und Richtern, bei der Polizei und in Gefängnissen, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Stattdessen werden hier die ökonomischen Zusammenhänge erörtert:
Mit der von Wirtschaft und Politik gewollten Einwanderung kommen nicht anspruchslose Menschen in unser Land, sie erhalten Geld aus Steuermitteln. Und sie beziehen zunächst Leistungen der Sozial- und Krankenversicherung, später auch subventionierte Renten, weil 30 Jahre Berufstätigkeit bis zur Rente kaum erreicht werden und sie deshalb Grundsicherung erhalten werden. Das erhaltene Geld wird auf dem Binnenmarkt nachfragewirksam, denn nur ein kleinerer Teil fließt per Auslandsüberweisungen in die Herkunftsländer ab. Wenn bei uns zusätzliche Nachfrage entsteht, bedarf es zusätzlicher Arbeitskräfte in Produktion und Dienstleistungen. Um diese zusätzlichen Bedarfe zu decken, braucht es weiteren Arbeitskräfteimport.
Theoretisch wäre es die ideale volkswirtschaftliche Kausalkette, wenn die Migranten mit ihren Familien ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Anders sieht es aus, wenn die Einwanderer alimentiert werden müssen, denn diese Umverteilung fehlt den Steuerzahlern an Kaufkraft. Aber es ist wie damals, gerufen wurden Arbeiter, gekommen sind Familien. Im Gesetzentwurf des FEWG wird unterstellt, dass pro tausend Fachkräfte 800 Familienangehörige nachkommen werden. Ob diese auch arbeiten sollen oder nicht, ist nicht thematisiert.
So oder so: Unser Bruttoinlandsprodukt BIP wird durch immer mehr Nachfrage und Arbeitsleistung steigen und steigen. Theoretisch könnte immer mehr des Weltsozialproduktes in Deutschland mit immer mehr Menschen erwirtschaftet werden – gäbe es nicht das praktische Problem, dass unsere höchste Bevölkerungsdichte eines Flächenlandes in Europa noch stärker zunehmen würde, samt seiner ökologischen und sozialen Probleme. Arbeitskräftemangel mit Menschenimport zu bekämpfen ist deshalb so, als ob man einen Rohrbruch mit Wasserschöpfen in den Griff bekommen will. Der Wasserstand steigt und steigt, ohne die Ursache bekämpft zu haben. Schaffen wir das wirklich?
Und wenn die Konjunktur einbricht? Dann haben wir ein doppeltes Problem in den Betrieben. Bei Entlassungen ist dann eine Sozialauswahl zu treffen, und ein Kriterium ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Anders als draußen im Merkel-Land, haben „die, welche schon länger da sind“ einen höheren Schutzstatus als neu Hinzugekommene. Allerdings können Ausländer mehr Kinder in die Waagschale der Sozialauswahl werfen.
Als Ex-Betriebsratsvorsitzender und –Landesarbeitsrichter weiß ich um die Probleme einer gerechten Sozialauswahl. Und wenn dann von außerhalb der Betriebe der Rassismus-Vorwurf erhoben wird, wenn Ausländer entlassen werden, möchte ich nicht in der Haut von Gewerkschaftern stecken, die Merkel unterstützt und Ausländer hereingerufen hatten. Egal, ob dann Deutsche oder Ausländer rausfliegen, gibt das gefährlichen Sprengstoff im Land, nicht nur den Betrieben.
Rückblende. Nach dem Krieg bis in die 60-er-Jahre reichte der Verdienst der Männer aus, ihre Familien samt Kindern zu ernähren. Obwohl die Kinderzahl abnahm, mussten später die Ehefrauen hinzuverdienen, meist mit einer Teilzeitstelle. Dann mussten immer mehr Frauen in Vollzeit arbeiten oder zwei Teilzeitstellen annehmen. Und obwohl die Erwerbsquote der Frauen zunahm, reicht auch das anscheinend nicht mehr aus. Jetzt wird eine neue „Gastarbeiterwelle“ eingeläutet. Und welche Welle kommt danach?
Warum haben wir überhaupt diesen hohen Arbeitskräftebedarf? An unserer Schaffenskraft kann es nicht liegen, denn wir sind eine hochproduktive Volkswirtschaft. Wir erstellen in der gleichen Zeiteinheit mehr Güter und Dienstleistungen als die meisten anderen Länder. Eine hohe Produktivität erlaubt, einen hohen Lebensstandard mit weniger Arbeitszeit und Arbeitskräften zu sichern. Die Erklärung des scheinbaren Paradoxons der hohen Produktivität und trotzdem zunehmenden Arbeitskräftebedarf liegt genau in diesem Zusammenhang.
Durch unsere hohe Produktivität, zusammen mit dem innereuropäisch unflexiblen Euro, sind wir zu wettbewerbsfähig. Unsere Überschüsse in der Handels- und Dienstleistungsbilanz sind beängstigend. Und zwar nicht nur für die im Wettbewerb unterliegenden Länder, sondern auch für uns selbst. Innerhalb des Euro-Raums wird das Problem durch die Target-II-Salden kaschiert. Allein diesbezüglich stehen die Euro-Länder bei uns mit ca. 950 Mrd. EUR in der Kreide. Dazu kommt der Leistungsbilanzüberschuss mit den anderen Ländern von jährlich rund 250 Mrd. EUR. Unser hoher Leistungsüberschuss ist also der Grund für den hohen Arbeitskräftebedarf. Gleichzeitig verursachen wir die Unterbeschäftigung bei den wettbewerbsschwachen Wirtschaftspartnern, deren Opfer dann nach Deutschland gerufen werden. Usw. usf.
Es gibt Stimmen die meinen, das Problem erledige sich von alleine, weil wir durch die zunehmende Zahl weniger qualifizierter Migranten, die Jahre brauchen um so produktiv zu sein wie wir, in unserer Wettbewerbungsfähigkeit so weit zurückfallen, dass die Wettbewerbsverzerrungen sich von selbst erledigen. Das kann durchaus sein, aber „die Menschen sind nun mal da“. Der Arbeitskräftebedarf nimmt dann ab und der Konkurrenzkampf in der Arbeitnehmerschaft zu. Außerdem stützen die Neubürger das Sozialsystem nicht, was ein Vorwand für deren Import war, sondern sie belasten den Sozialstaat zusätzlich bei abnehmenden Zahlern.
Von da an wird’s bergab gehen. Das Rennen im weltweiten Wettbewerb werden dann Länder machen, die ihre wirtschaftliche Prosperität ohne Einwanderungsoffensive sichern, z.B. China.
Der Ausweg kann darin liegen, den – trotz der hohen Produktivität – großen Rückstand der Arbeitseinkommen in Deutschland deutlich anzuheben. Aus dem relativen Billiglohnland wieder ein Land zu machen, das kein Dumping der Lohnstückkosten betreibt. Wir liegen z.B. zehn Prozent unter denen von Großbritannien und auch hinter Italien und Frankreich. Höhere Arbeitseinkommen führen zu einer eher ausgeglichenen Leistungsbilanz und weniger Target-II-Überschüssen. Mit dem Ausland gäbe es weniger wirtschaftliche Spannungen. Dafür mehr Ärger mit inländischen Unternehmern und Verbandsfunktionären. Denn diesen ist der Arbeitskräfte-Import lieber, weil die Aufstockung der „industriellen Reservearmee“ (Marx’scher Begriff) die Arbeitskosten drücken hilft. Die Beschäftigten mit ihren Gewerkschaften haben dann schlechtere Karten.
An diesem Punkt könnte ein Versuch ansetzen. Die Gewerkschaften mit ihren politischen Unterstützern sind bekanntlich immer noch Befürworter der Migrationspolitik der von Merkel geführten Bundesregierung. Der Grund liegt im Marx’schen Denkansatz, dass Grenzen nicht zwischen Ländern mit ihren Menschen verlaufen, sondern zwischen „Klassen“. Zwischen Unternehmern auf der einen, und der großen Masse der Arbeiter und Angestellten auf der anderen Seite. Und weiter, dass die „Armen“ dieser Welt automatisch zu ihrer Klientel als Vertreter des arbeitenden Volkes gehören. Sie übertragen die guten Erfahrungen der Integration der Gastarbeitergeneration, der Italiener, Spanier, Griechen, auch der ersten Türken, ungeprüft auf Menschen aus aller Welt.
Wenn die linken Köpfe die ökonomischen Zusammenhänge zwischen der eigenen Schwächung durch die kontraproduktiven Zuwanderung erkennen würden, wären die Voraussetzungen für einen Schulterschluss zwischen angeblich linken und angeblich rechten Kräften in unserem Land gegeben. Der Beweis, dass die Einwanderung weder den Gewerkschaften noch den Parteien etwas genützt hat, ist bereits erbracht. Beide haben soviel Federn lassen müssen, dass sie keine politischen Höhenflüge mehr riskieren können. Es sollte doch nachdenklich stimmen, dass Unternehmer trotz doppelt und dreifach so viel verfügbaren inländischen Fachkräften ihre Personalauswahl mit ausländischen Kräften weiter erhöhen wollen. Auch die Grünen sollten erkennen, dass ihre Klimaziele bei weiterer Bevölkerungszunahme und Boom in allen Bereichen nicht erreicht werden können.
Mein Appell als Ex-Gewerkschafter: Lasst uns zusammenstehen und den eingeschlagenen Irrweg verlassen. Nicht rechts gegen links-grün und umgekehrt ist das Gebot der Stunde, sondern die ideologiefreie Rückkehr zur ökonomischen Vernunft. Nur dieser Weg ermöglicht der Bevölkerung und unseren Kindern ein nachhaltiges Leben in unserem Land, so dass sie ihr Wohlergehen nicht einmal selbst im Ausland suchen müssen.