Aufmarsch der AgitProp-Wissenschaften: Wie man mit linker „propagandistischer“ Beharrlichkeit durchaus respektable Erfolge verbuchen kann

(www.conservo.wordpress.com)

Von Hans-Rolf Vetter *)

Zur Studie „ZuGleich – Zugehörigkeit und (Un-)Gerechtigkeit 2018“

Nachdem es seit den 1990er Jahren ziemlich still um die Sozial-wissenschaften geworden ist – eine Ausnahme bildet lediglich die Umfrageinflation à la Politbarometer – gelingt es neuerdings wissenschaftlichen „Influencern“ immer erfolgreicher, wieder öffentlichkeitswirksame Impulse zu setzen. Insbesondere Umfragen mit Herkunft aus Ostwestfalen – seien sie nun von der Bertelsmann-Stiftung selbst, dem Flaggschiff sozial-„wissenschaftlicher“ Einflußnahme – oder seien es „nur“ die aus der lokalen und mentalen Nähe der Universität Bielefeld zeigen mit wahrer Wollust auf, was die Bürger*Innen – von vermeintlich fachlich korrekter wissenschaftlicher Methodik unterstützt – so zu denken haben. Vor allem dann, wenn sie sich selbst zu den modernen, smarten, weltoffenen, sprich: einfach zu den echt „guten“ Menschen zählen.

Ein wundersames Beispiel bietet hierfür die Ende Januar vorgestellte Langzeit-Studie „Zufriedenheit und Gleichwertigkeit – ZuGleich 2018“. Es sind dabei weniger die erhobenen „Fakten“, die die „Forscher“ eigentlich selbst nicht wirklich interessieren. Im Vordergrund steht vielmehr die, zumal als unangreifbar ausgewiesene, Erhabenheit ihrer politisch „korrekten“ Kommentierung.

Da wird uns ein wahres Feuerwerk ideologischer Rabulistik zu Teil, ein Meisterstück politischer Opportunität und moralischer Geltungssucht. Und – am allerwichtigsten – da tritt eine Studie in das Scheinwerferlicht des Merkellandes, die die Sozialwissenschaften endlich auf der richtigen Seite der Weltgeschichte platziert.

Zu verdanken haben wir diese Erleuchtung einem gewissen Prof. Andreas Zick vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung und seinem Team, das an der Universität Bielefeld „forscht“.

Der geschätzte Kollege Zick ist wahrlich kein unbeschriebenes Blatt, vielmehr ein sehr umtriebiger Kollege, der so ganz nebenbei und im wahrsten Sinne mit linker Hand auch noch eine so anstrengende „Berufung“ managt wie den Vorsitz des Stiftungsbeirats bei der Amadeu Antonio Stiftung.

Kennen Sie nicht? Aber an den noch ziemlich aktuellen Skandal um die Propagandabroschüre für das aufgeklärte KiTa-Erzieherinnen-Personal mit dem Titel „Ene, mene, muh – und raus bist du. Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik. Initiativen für Zivilgesellschaft und demokratische Kultur“, herausgegeben von der Fachstelle „Gender, GMF und Rechtsextremismus“, wobei GMF für „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ steht, schon? Oder?

Recyclebare Textbausteine und Wortkaskaden

Das nahezu offenbar als traumatisch empfundene Dilemma für die Bielefelder Kollegen besteht ihrer Eigenwahrnehmung nach wohl darin, dass ihr Engagement bezüglich der alternativlosen Sinnhaftigkeit von Migration und ihren Integrationsfolgen angesichts der kognitiven Schwachbrüstigkeit und moralischen Defizite weiter Bevölkerungskreise Schaffenspausen einfach nicht zulässt. Denn leider bezweifeln ja immer noch viel zu viele „verwirrte“ Bürger*Innen, dass es mit der Integration bestimmter Migrationspopulationen – zudem angesichts auch ihrer Quantität – klappen könnte.

Gut, es sind halt „Rassisten“, aber angesichts einer doch noch in Deutschland ganz gut funktionierenden Demokratie muss man auf das Weltbild dieser Unbelehrbaren und Beschränkten halt immer wieder trotz Schaum vorm Mund mit Esels-Geduld einzuwirken versuchen. Und zum Glück türmen sich mit der Zeit recyclebare Textbausteine und Wortkaskaden auf, auf die man/frau zurückgreifen kann. Dies begünstigt eine Art Trommelfeuer und zudem verlangt ja Authentizität nicht Originalität, sondern da tut`s auch Abgedroschenes.

Und für Hoffnungslosigkeit besteht nun wahrlich kein Grund. Denn „ZuGleich 2018“ zeigt trefflich, wie man mit „propagandistischer“ Beharrlichkeit durchaus respektable Erfolge verbuchen kann. Und die müssen dann natürlich auch als Headline herausgestellt werden. In unserem Beispiel lauten sie: „Die meisten Deutschen wollen eine Willkommenskultur!“ So sieht`s aus, Leute!

Aha! Hätte man so u.U. nicht erwartet – wie übrigens auch die Zahlen aus der Studie selbst diese Behauptung keineswegs zu verifizieren in der Lage sind – aber wir wollen ja nicht kleinlich sein. Denn unser Erstaunen mag vor allem auch an unserer eigenen versifften „rechten“ Kommunikationsblase liegen, in der sich einige widerspenstige Zeitgenossen so wie auch der Verfasser dieser Zeilen selbst eingenistet haben. Und die zu allem Übel auch noch trotz telefonischer Umfragen auf eine eigene Meinungsbildung Wert legen.

Aber zurück zu diese wundersamen, herrlich märchenhafte Sprache von „ZuGleich 2018“. Sie frönt einer derart penetranten Selbstmystifizierung, dass sich insbesondere „der alte weiße Mann“ einfach so richtig schäbig vorkommen muß mit seinem blöden, aus der Zeit gefallenen Skeptizismus.

Denn wenn diese Spezies einfach mal die Klappe hielte oder unter das Kuratel eines Rede- und Denkverbots gestellt werden könnte, könnte es doch laut der „Studie“ in Deutschland ein wunderbares, kunterbuntes Zusammenleben aller Völker und Ethnien dieser Erde geben, die sich in größter Harmonie „Räume“ teilen und ständig den voll empathischen Dialog miteinander suchen, halt einfach „ZuGleich“ leben, arbeiten, feiern.

Aber klar doch, dass die „Studie“ die notwendigen Konsequenzen für diesen anstehenden Systemumbau schon wesentlich prägnanter und vor allem ungemein verständlicher ausdrückt:

„Neuhinzugezogene wie Einheimische brauchen gemeinsame, Konflikt regulierende und Teilhabe aller ermöglichende Perspektiven und Mittel der gemeinsamen Aneignung von Räumen, die sogenannte Akkulturation. Zu solchen Mitteln gehören Willkommenskulturen, Kontakte, Kulturen gemeinsamer Akzeptanz und Möglichkeiten der Regulation von Abweichungen.“

Alles klar! „Neuhinzugezogene“ (wie niedlich) setzen also eine Art revolutionärer sozio-kultureller Erneuerung frei, um sich ohne Konflikte „Räume“ mit aneignen zu können, in denen sich vorher Einheimische breit gemacht haben, und beide „Gruppen“ begegnen sich dort im Goodwill gegenseitiger „Akkulturation“?

Ab jetzt aber mal langsam. Da greift bereits die begriffliche Verwendung von Akkulturation arg daneben, denn Akkulturation wird ja über den Bezug einer Person oder einer Gruppe zu einem kulturell übergeordneten, historisch-geographisch dominanten Referenzsystem definiert; und auf gar keinen Fall aus ihren Beziehung zu mehreren beliebigen oder gar gleichwertigen „Kulturen“ heraus. Schlimmer jedoch die systemischen Konsequenzen solchen Kategoriensalats:

Denn offenbar sieht auch Oberagitator Zick, dass durch die Massenmigration eine derartig einschneidende Wende im systemischen Zuschnitt und der Kultur des Zuwanderungslandes Bundesrepublik eingetreten ist, dass sich alle Einwohner dieses Landes, ob Staatsbürger oder nicht, ausnahmslos(!) neu aufzustellen haben; und dass alle öffentlich und privat bisher genutzten „Räume“ neu aufgeteilt und neu zugewiesen, d.h. verharmlost ausgedrückt: „reguliert“ werden müssen.

Die Anpassungspflicht der „Neubürger“ und Zugewanderten an den für unsere Demokratie und unser Rechtsverständnis unverzichtbaren Wertekanon und an ein daraus resultierendes Verständnis lebensweltlicher Organisation in der Moderne entfällt dagegen nahezu ersatzlos.

Eigentlich möchten uns Zick und sein Propagandateam sogar eintrichtern, dass insbesondere die Akkulturation der lediglich ein „bisschen früher“ hier sesshaft gewordenen Bevölkerung nachgebessert bzw. nachreguliert werden muss, damit ein zuwanderungsfreundlicher Akkulturationsbrei entstehen kann, in der die jeweiligen subjektiven und kulturellen Identitäten keine Rolle mehr spielen.

Zudem muß die deutsche Staatsbürgerschaft i.S. der „Studie“ komplett „geflutet“ werden, will heißen: die „alteingessenen“ Staatsbürger müssen in Bezug auf ihre „Privilegien“ enteignet werden.

Denn vor dem Hintergrund des zumindest indirekt von „ZuGleich“ propagierten Status einer allgemeinen Weltbürgerordnung, in der es keine nationalen, kulturellen oder systemischen Grenzen mehr gibt, und alle jederzeit zumindest in der BRD gleiche Rechtstitel und Ziehungsrechte gegenüber dem Arbeitsmarkt-, dem Wohn- und Sozialsystem haben, stellt die primär an den inländischen Geburtsort/ die inländische Herkunft gekoppelte Staatsbürgerschaft für Zick und seine Mitläufer selbstverständlich eine durch Nichts zu rechtfertigende „Ausgrenzung“ dar.

Braucht es da noch vieler Beweise, dass es Gesinnungswissenschaftler*Innen wie diesen in Wahrheit nicht um Wissenschaft, sondern i.S. von aktiven Agitations- und Propagandamaßnahmen um die nachhaltige Zerstörung unseres Gesellschaftssystems und seiner staats- und wirtschaftspolitischen Ordnung geht?

Aber nochmal zurück zur Studie: Die nassforsche Unseriösität des Phänotypus Zick entlarvt sich bereits in der Überschrift dieses Pamphlets, wenn da ernsthaft Begriffe wie „Zufriedenheit“ und „(Un-)Gerechtigkeit“ ganz oben anstehen und als Leitmaxime für eine radikale Umsetzung in gesellschaftspolitische Strukturen und soziale Konstruktionen dienen sollen.

Gerade ein Begriff wie „Gerechtigkeit“ ist nicht zuletzt durch die inzwischen arbeitnehmerferne Parteien SPD und Grüninnen derart verhunzt, dass sie wissenschaftlich bis zur absoluten Unbrauchbarkeit abgewrackt worden ist.

Und der Begriff „Zufriedenheit“ zielt auf eine Messgröße, die angesichts der komplexen sozial-ökonomischen, kulturellen, ideologischen und religiösen Diversität, die die westlichen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts empirisch aufweisen, fachlich nicht wirklich ernsthaft angewendet werden kann. Zumal nicht im Rahmen von „Telefoninterviews“! Die hinterlegten Gespräche möchte man ernsthaft mal hören.

Ein Giftanschlag auf unsere Demokratie

Umfragen und Studien wie diese sind in Wahrheit nicht nur ein übler Gift-Anschlag auf die Grundfesten unserer Demokratie, sondern sie sind mindestens ebenso destruktive Attentate auf den letzten Rest an öffentlicher Reputation der Sozialwissenschaften. Eine umfassende politische Debatte über die Zerstörung essentieller Denk- und Sprachmuster, die in den Hochschulen und im öffentlichen Raum seitens der Gesinnungs- und AgitProp-Forschung und der sie willfährig vermarktenden Bollywood-Presse (schmalzig, kunterbunt, märchenhaft) stattfindet, erscheint mehr als überfällig. Das riecht bereits nach Gemeingefährlichkeit.

Darüber hinaus ist danach zu fragen, was „Forschungen“ wie diese beim sozialwissenschaftlichen Nachwuchs anrichten. Welches Doktorand*In-Würstchen aus dem akademischen Prekariat zum Beispiel soll denn gegen solche Vorbilder an opportunistischen Mainstream-Autoritäten noch ankommen?

Auch dass „Studien“ und „Umfragen“ wie diese inzwischen wieder mehr Aufmerksamkeit für die Sozialwissenschaften hervorrufen, heißt wahrlich nichts Gutes. Denn obwohl global aufgestellte Wirtschafts- und Technologiegesellschaften wie die Bundesrepublik Deutschland einem auf diesem Niveau operierende sozialwissenschaftliche Forschung für ihre Anforderungen an die Zukunftsbewältigung eigentlich nicht wirklich braucht, verfehlen dennoch solche Kaspereien im Gewand der Gesinnungswissenschaften durchaus nicht ihre eigentliche Zielsetzung: nämlich als Unterdrückungsmechanismus kritischer öffentlicher Debatten fungieren zu können und weit über den alltäglichen Irrsinn der sozialen Medien hinaus allenthalben für gezielte Desorientierung zu sorgen. Putin lässt grüßen, obwohl das dort dann doch zumeist wesentlich professioneller gemacht wird.

Für das kognitive Durchschnittsniveau des/der ersatzreligiös ökologisch, sozial und gendertechnisch bewegten Deutsch*In reicht`s jedoch allemal. Zudem lässt sich am Journalismus der westlichen Leitmedien unschwer ablesen, wie effektiv solche „Forschungsergebnisse“ ohne große Kosten und Mühen ihre wirksame Multiplikation erfahren.

Kann man diese sich bereits empirisch auf breiter Front manifestierenden „Erkenntnisgrundlagen“ der bis zu Agitation und Propaganda hin politisierten Gesinnungsforschung noch allein mit Mitteln intellektueller Satire, seriöser Analytik oder moralischer Redlichkeit wirksam bekämpfen, ja wenden? Das ist inzwischen doch sehr stark zu bezweifeln. Ohne einen finanziell wie kognitiv substantiellen Kapitaleinsatz in Soziologie, Sozialpsychologie, Sozialphilosophie, Pädagogik und Politologie, um nur einige akademische „Schwergewichte“ zu benennen, wird sich an dem aktuellen politischen „Klima“ aus geistiger Bedürftigkeit und opportunistischer Dreistigkeit sowie aus Abzockermentalität und Bildungsarmut rein gar nichts ändern. Und die Universitäten, inzwischen in ihrer Mehrheit zu Hoch-Schulen degradiert, sind gerade im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften immer weniger in der Lage, aus sich selbst heraus ein ebenbürtiges intellektuelles Niveau gegenüber den Natur- und Ingenieurwissenschaften zu erzeugen.

Dieses essentielle Defizit benennt nicht nur einen gravierenden Nachteil für den globalen Wirtschaftsstandort Deutschland, denn der bräuchte z.B. differenzierte soziologische Diagnosen von der Industrie 4.0 über die Erwerbsbevölkerung in der Globalisierung bis hin zu den sozio-ökonomischen Folgen der nachgerade revolutionären naturwissenschaftlichen und technologischen Dynamiken (siehe etwa Precht, Harari oder Sloterdijk). Sondern dieser Mangel beinhaltet auch ein geistiges Armutszeugnis und benennt für eine der führenden Weltgesellschaften einen wirklichen Skandal.

Übrigens weiß jemand, ob die Deutsche Gesellschaft für Soziologie noch lebt oder geistige Insolvenz angemeldet hat?

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P.S.: Zur wissenschaftsimmanenten Auseinandersetzung mit „ZuGleich 2018“ empfehle ich unbedingt den Artikel von Alexander Wallasch bei Tichy`s Einblick. (26.01.19). Ihm möchte ich für viele Anregungen danken.

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*) Univ.-Prof. i.R. Dr. Hans-Rolf Vetter, Leonberg

–           Jahrgang 1943

–           Forschungsschwerpunkte: Wissenschaftliche Sozialpolitik, Moderne Erwerbsbiographien, Mütter und Mediation

–           Jahrzehnte in der Grundlagenforschung tätig

–           Professuren in „Soziologie der Arbeit“ sowie „Wissenschaftliche Sozialpolitik und Organisation Sozialer Dienstleistungen“ an der Universität der Bundeswehr München

–           2008 Pensionierung; seit dieser Zeit bis heute mehrerer Forschungsprojekte (u.a in der VR China) und Organisation von Vortragsreihen

–           Habilitation 1992 an der J.W. Goethe-Universität in Frankfurt/M Habilitationsschrift: „Die Moderne Erwerbsbiographische Konstruktion“

www.conservo.wordpress.com   11.02.2019
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