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Von Peter Helmes
Alarm vor den Toren Europas
Ein altersschwacher, vielleicht dementer Präsident will erneut kandidieren – allein schon das sollte aufschrecken. Mehr noch: Der amtierende Präsident Algeriens Bouteflika ist aus eben dieser Altersschwäche ganz offensichtlich zu einer Marionette undurchschaubarer Kreise verkommen. Und im Hintergrund lauern die radikalen Moslems, die das Land zurückerobern und sich einverleiben wollen.
Das Land ist, in aller Deutlichkeit gesagt, ein Pulverfaß kurz vor der Explosion. Seit Präsident Bouteflika seine Absicht bekanntgegeben hat, für eine fünfte Amtszeit zu kandidieren, gehen die Bürger in der Hauptstadt Algier auf die Straße und fordern ein Ende des Militärregimes. Die Kundgebungen wecken Erinnerungen an den sogenannten arabischen Frühling. Damals scheiterten die Proteste aufgrund der Repressionen, aber auch, weil in der Gesellschaft die Erinnerungen an den Bürgerkrieg noch frisch waren.
Nun aber ist eine neue Generation herangewachsen, die keine Angst mehr hat. Die jungen Menschen fordern ein Ende der Präsidentschaft Bouteflikas, die dem Land zwar eine Phase der Stabilität, aber keine echte Demokratie gebracht hat. Die öffentliche Meinung ist klar: Es kann nicht sein, daß jemand wie er mit seinen Ängsten vor Reformen und Demokratie weiter das Land führt. Mittlerweile ist der Präsident 82 Jahre alt und hat sich schon länger aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Das algerische Volk wirft seiner Führung vor, sich lächerlich zu machen, indem sie einen unsichtbaren, fast stillen und körperlich schwer eingeschränkten Präsidenten wieder andie Macht bringt. Außerdem sind 20 Jahre an der Macht zu viel. Die Zeit der Erneuerung ist gekommen. Die Clans, die hinter Bouteflika Algerien übernommen haben, müssen die Macht verlieren.
Ein neues Algerien ist entstanden. Es darf nicht im Keim erstickt werden.
Wenn Bouteflika aus welchem Grund auch immer nicht an der Wahl teilnehmen würde, wäre das die beste Lösung. Es würde helfen, eine Eskalation der Proteste zu vermeiden.
Andernfalls könnte sich der (noch!) friedliche Widerstand der Algerier in eine harte Auseinandersetzung verwandeln. Da wiegt es besonders schwer, daß die Demonstranten – wie auch die gesamte Opposition – keinen Anführer haben. Daher ist unklar, welche Kräfte hier die Oberhand gewännen. Schon jetzt sind die Parolen der Islamisten zu hören, die in Algerien nach wie vor ziemlich einflußreich sind.
Feiges Versteckspiel der Franzosen
Und genau hier stellt sich die Frage, wo denn die Einflußnahme der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich bleibt. Frankreichs „Zurückhaltung“ ist doch nicht etwa nagender Gewissensbisse über seine Rolle in der Vergangenheit zuzuschreiben, sondern unsere Nachbarn vom anderen Ufer des Rheins gehen auf Tauchstation, um nicht in den Konflikt hineingezogen zu werden.
Das aber wird der Rolle dieses Landes nicht gerecht. Politiker auf beiden Seiten erwarten von Frankreich die Wahrnehmung seiner internationalen Rolle und seiner nationalen Verantwortung.
Aber der französische Sonnenkönig Emmanuel I. scheint auf Tauchstation. Sein Wort, seine Entscheidung wäre die erste klare Festlegung in einem drohenden internationalen Konflikt. Hier auszuweichen, läßt Schlimmes befürchten – und gibt den Skeptikern der Politik des französischen Präsidenten neue Nahrung: Das Prinzip der Nicht-Einmischung ist ein bequemes diplomatisches Instrument.
Zugegeben: Die enge gemeinsame Geschichte verpflichtet Frankreich zur Zurückhaltung, wenn es um Kommentare zur Lage in Algerien geht. Die geringste Abweichung von diesem Prinzip würde als Neokolonialismus verstanden werden.