Kommunalwahlen in der Türkei – Menetekel für Erdogan

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Das Ende des „Sultans“ naht

Es waren zwar „nur“ Kommunalwahlen, aber sie haben den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Bedrängnis gebracht. Seine Partei, die AKP, mußte herbe Verluste einstecken. Nahezu alle Großstädte werden künftig von Bürgermeistern der Republikanischen Volkspartei (CHP) regiert. Ist das der Anfang vom Ende seines diktatorischen Regimes?

Die Regierungspartei AKP ist zwar landesweit stärkste Kraft geworden, hat in mehreren Großstädten aber verloren. Präsident Erdogan hat alles gegeben, um diese Kommunalwahlen in ein Referendum über seine Person zu machen. Es war der Versuch, den negativen Auswirkungen der wirtschaftlichen Rezession seine eigene Beliebtheit entgegenzusetzen. Es ist ihm nicht gelungen. Und jetzt könnte die Niederlage, vor allem die in Ankara und wohl auch in Istanbul, ein ernstzunehmender Stolperstein in seiner langen Karriere werden – wenn nicht gar ein Zeichen für den Untergang des Präsidenten.

Die Wähler nehmen dem Präsidenten nicht nur die schwere Finanzkrise übel, die das Land seit etwa einem Jahr plagt. Sie wollen auch eine Wahlpause haben. Seit Jahren finden quasi nonstop Wahlen und Referenden statt. So mußte Erdogan bei diesem Wahlkampf versprechen, daß der nächste Urnengang nicht vor 2023 stattfinden werde. Und als er das sagte, wirkte er selbst müde:Der jahrelange Dauerwahlkampf hat Spuren bei dem 65-Jährigen hinterlassen. In einer Demokratie müsse man auch Verluste hinnehmen, sagte er abgekämpft. Aber den ersten Platz, den bisherigen Weg kampflos aufgeben? Nein. Die Ära Erdoğan hat mit dieser Wahl empfindliche Risse bekommen, aber sie ist nicht vorbei, muß man resümieren, um die Erwartungen an eine von Erdogan befreite Türkei nicht in den Himmel wachsen zu lassen.

FEs war ein Stimmungstest und ein Dämpfer für Erdogan – aber auch nicht viel mehr als das. Denn an den entscheidenden Machtverhältnissen wird er nichts ändern. Die türkische Opposition sollte sich nicht zu früh freuen.

Mit diesen Wahlen ist deutlich geworden, daß die Demokratie in der Türkei funktioniert – wenn auch mit Hindernissen, vor allem auf örtlicher Ebene. Das Land hat aber letztlich diesen Test bestanden. Natürlich werden die Parteien eine Bilanz dieser Wahlen ziehen, so wie es nach jeder Abstimmung üblich ist. Auch die AKP muß das tun, da es gerade unter ihrem Einfluß noch immer zuviele Ungereimtheiten gab. Das Land braucht nicht nur wirtschaftliche Reformen, sondern auch demokratische.

Vorschnell könnte man resümieren: Steht es doch nicht so schlecht um die türkische Demokratie? Langsam! Obwohl das Land in den Autoritarismus abgedriftet ist, können Wahlen dort immer noch Veränderungen herbeiführen. Wir haben es mit einem System zu tun, in dem bei Wahlen auf verschiedenen Ebenen das Element der Freiheit zwar sichtbar wird, sich aber noch nicht auf allen Ebenen durchgesetzt hat. Man könnte es als eine Art Vierteldemokratie bezeichnen. Um die restlichen drei Viertel muß die Türkei noch gewaltige Anstrengungen zeigen und damit beweisen, daß sie wirklich ja zu einer standfesten Demokratie sagt. Nichts Halbes ist wie nichts Ganzes. Es geht aber um das Ganze – Erdogan her oder hin.

www.conservo.wordpress.com     7.4.2019
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