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Von DR.PHIL.MEHRENS, AUTOR & PUBLIZIST
Wer Demokratie will, muss sich an die demokratischen Spielregeln halten. Aber die sind vielen Parlamentariern abhandengekommen, wie der Umgang mit dem Anspruch der AfD auf eine Vertretung im Bundestagspräsidium offenbart.
Mit der Demokratie ist es ein bisschen so wie mit dem Willen Gottes. »Nicht alle«, warnte schon Jesus, »die zu mir sagen: Herr, Herr!, werden in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.« Nicht diejenigen, die gebetsmühlenhaft wiederholen, dass sie die wahren Demokraten seien und die anderen die bösen Nichtdemokraten, sind es, die das Prinzip der Demokratie vertreten, sondern es sind diejenigen, die sich an die demokratischen Spielregeln halten. Bei der Abstimmung im Bundestag am 4. April waren dies die 199 Abgeordneten, die der AfD-Kandidatin für den Posten einer Bundestagsvizepräsidentin, Mariana Harder-Kühnel, ihre Stimme gegeben haben.
Dieses Ergebnis zeigt zum einen, dass das politische Klima im Deutschen Bundestag so vergiftet ist wie in der Gesellschaft insgesamt, und zum anderen, wie viel Mittelmaß aus den mittleren und unteren Ebenen der Parteiapparate sich mittlerweile im höchsten Haus der Republik tummelt, Folge einer sinnlos aufgeblähten Volksvertretung. Menschen sitzen dort, die eine so hohe Meinung von sich und ihren eigenen Überzeugungen haben, dass sie parlamentarische Grundregeln diesen unterordnen zu dürfen meinen. Während CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus ebenso wie die FDP-Spitzenleute Lindner und Kubicki klug genug sind, die Folgen einer Verletzung dieser Regeln absehen zu können, und andeuteten, Harder-Kühnel ihre Stimme geben zu wollen, regiert auf den hinteren Bänken der Fraktionen blankes Mittelmaß. Menschen findet man dort, die nicht davor zurückschrecken, die vermeintlich rechte Gesinnung zum Maß ihres parlamentarischen Handelns zu machen. Die Parlamentarier des Mittelmaßes sind nicht klug genug, um zu erkennen, dass in einer Demokratie anders als in einer Diktatur, wo Gesinnungen verordnet und per Sanktionsandrohung durchgesetzt werden können, Regeln immer vor Anschauungen rangieren müssen. Sie sind nicht klug genug, um zu erkennen, dass es nicht ausreicht, sich bei Regelverstößen des Beifalls einer Öffentlichkeit, die dem vertraut, was die Leitmedien ihnen servieren, sicher sein zu können. Denn das konnte Hitler auch. Sie sind nicht einmal klug genug, dem Rat des Bundespräsidenten zu folgen.
Denn den hatte Harder-Kühnel auf ihrer Seite, indem sie im Vorfeld der Abstimmung das Gespräch mit den Spitzen der anderen demokratischen Parteien suchte, auf diese zuging. Genau diese Gräben überwindende Offenheit für die Positionen Andersdenkender ist spätestens seit seiner letzten Weihnachtsansprache das Leitmotiv der Präsidentschaft von Frank-Walter Steinmeier. Leider aber sind die Mittelmäßigen auch nicht klug genug für logisches Denken. Denn dann würden sie erkennen, dass jede Partei, die jetzt im Bundestag sitzt, darin eines Tages über die Stimmenmehrheit verfügen könnte und dass, wer jetzt die eigene Gesinnung über die objektiv nachprüfbaren Erfordernisse des parlamentarischen Betriebs stellt, damit rechnen muss, dass dieselben Mittel eines Tages gegen ihn verwendet werden: Wer heute kleinlich und rechthaberisch und gesinnungsethisch in den Wald des politischen Gegners hineinruft, der darf sich nicht wundern, wenn es aus diesem Wald irgendwann genauso kleinlich und rechthaberisch und gesinnungsethisch wieder herausschallt. Ja, die AfD könnte dieses würdelose, die Grundpfeiler des demokratischen Parlamentarismus ins Wanken bringenden Spielchen eines Tages auch spielen. Und was wäre damit für die Demokratie gewonnen?
Die Parlamentarier des Mittelmaßes sind Verhetzte, Getriebene einer Demagogie-Spirale, bei der es nur noch darum geht, eine legitime politische Kraft, die mit der eigenen Weltanschauung nicht zur Deckung zu bringen ist, möglichst effizient zu diskreditieren. Und das ist genau das, was die Demokratie gefährdet. Denn Demokratie lebt von gleichberechtigten Diskursbeiträgen rivalisierender politischer Wettbewerber. Presse und Medien spielen dabei (im Idealfall) nicht den Schiedsrichter, sondern den neutralen Beobachter und Berichterstatter, der ungeachtet der Mehrheitsverhältnisse im Parlament, die »Vielfalt der Meinungen« im Land »professionell« abbildet. Das jedenfalls war der Wortlaut des von Ferdinand Kirchhof im Juli 2018 vorgetragenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Rundfunkgebühr.
Dünn und fadenscheinig, wie man es von intellektuellem Mittelmaß erwarten darf, die Argumente: »Krawallig« und »respektlos« seien AfD-Abgeordnete aufgetreten, rechtfertigte SPD-Mann Oppermann in einem Gespräch mit NDR-Info das Abstimmungsverhalten von Parteikollegen, als hätte es einen Herbert Wehner (Markenzeichen: krawallig und respektlos) im Bundestag nie gegeben. Die Klagen über »Hetze« und »Beleidigungen unter der Gürtellinie«, wie sie der Kommentator des Deutschlandfunks stellvertretend für viele vortrug, sind genauso ein Rohrkrepierer. Man könnte sie auch die »Erdogan-Strategie« nennen. Wer den türkischen Präsidenten beleidigt, bewegt sich in der Türkei unterhalb der Gürtellinie, verhält sich »untürkisch«. Wer in Deutschland die Dogmen der linksliberalen Orthodoxie in Frage stellt, verhält sich »undemokratisch«. Die Gürtellinie ist eben für den einen hier, für den anderen da.
Wer gern in einem ethnisch homogenen Land lebt, »hetzt« und verhält sich »hässlich«, es sei denn, er lebt in Polen, Ungarn oder Korea. Hetze ist für den einen das »Kopftuchmädchen« von Frau Weidel, für den anderen der »Misthaufen« von Herrn Schulz, der »Hass macht hässlich, schauen Sie in den Spiegel«-Ausspruch von Herrn Kahrs oder die Vokabel »Arschlöcher« von Frau Göring-Eckardt, allesamt geäußert letztes Jahr während einer Debatte im Deutschen Bundestag. Solche Töne hätten auch gut in die Endzeit der Weimarer Republik gepasst, nur mit verteilten Rollen. Damals waren es Nazis und Deutschnationale, die als Vertreter der Mehrheit gegen die »Vaterlandsverräter« von der SPD oder DVP wetterten. Auch dort hebelte die »rechte Gesinnung« die Demokratie unter dem Applaus der führenden meinungslenkenden Kreise in der Gesellschaft aus den Angeln.
Kurz darauf war die Opposition futsch – und die Demokratie auch. Es sind solche Töne und der permanente Versuch, eine Partei, die mit genau dem gleichen Recht wie CDU, SPD, FDP, Grüne und die SED-Nachfolgepartei (!) im Bundestag vertreten ist, auszugrenzen und zu verfemen, obwohl mindestens jeder achte deutsche Wahlbürger genau die von ihr vertretene Linie in unserem Land umgesetzt sehen will, die die Demokratie gefährden. Der französische Soziologe Emmanuel Todd warnt in seinem Buch »Traurige Moderne« bereits vor einer »postdemokratischen« Ära und hält eine solche mit Blick auf die generelle Haltbarkeit demokratischer Systeme auch für wenig überraschend. Erste Indizien dafür macht er bereits in der Gegenwart aus. »Das politische System in Deutschland«, schreibt er, »könnte als echt demokratisch bezeichnet werden, wenn seine politischen Eliten von rechts und links sich nicht im Bundestag wie im Europäischen Parlament verbünden würden.«
Dass Gesinnungen (die bekanntlich auch falsch sein können) sich nie wieder über Grundrechte erheben können, war eines der Hauptanliegen der Väter des Grundgesetzes. 423 gewählte Volksvertreter haben von Pluralismus und von den Regeln des Parlamentarismus eine so geringe Meinung, dass sie beides ohne mit der Wimper zu zucken bereitwillig der eigenen Gesinnung opfern. Wie schon eingangs erwähnt: Nicht alle, die rufen: Demokratie! Demokratie!, sind es, die im Rechtsstaat ankommen, sondern die, die den Willen des Gesetzes tun.
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Peter Helmes´ ceterum censeo:
Am 26. Mai sind Europawahlen.
Aufrechte Demokraten werden Die Grünen (EFA) nicht wählen.
Bitte daran denken!
Herzliche Grüße!