Kitas – Grundlage moderner Sozial- und Schulpolitik?

 (www.conservo.wordpress.com)

Von Eberhard Heller

„Ich rufe dich bei Deinem Namen:

Mein bist Du“ (Isaias 43, 1)

Einleitung

Wenn es etwas gibt, was meinen Ärger seit meiner Studienzeit immer wieder neu entfacht, dann ist es die Unfähigkeit (oder Unwilligkeit?) der modernen sog. konservativen Eliten, ideologische Positionen der Linken (Sozialisten) aufzugreifen, sie zu widerlegen und bessere, wahre Positionen, bessere Konzepte anzubieten. Zu diesen links-extremen Positionen gehörte früher die sog. Früh-Sexualkunde, die sich bald auf einen schulischen Unterricht über Verhütungstechniken beschränkte, d.h. es wurde als gegeben an- und hingenommen, daß Kinder mit 13, 14 Jahren sexuellen Verkehr praktizieren anstatt Enthaltsamkeit zu üben bis zum Eintritt in die Ehe … zwischen Mann und Frau – muß man heute betonen!. Von dieser moralischen Institution wurde nicht gesprochen. Das Fatale damals war, daß die sog. kath. Kirche, zu der auch der so gebildete Kard. Ratzinger gehörte, den konservativen Pädagogen, die dieses Konzept aus wohl begründeten Argumenten ablehnten, in den Rücken fiel, wodurch die Sexualerziehung Eingang in den schulischen Unterricht fand.

Zu diesen ständigen Ärgernissen gehört für mich auch die Propaganda für die sog. KITAS (Kindertagesstätten für Kleinstkinder ab dem ersten Lebensjahr!), die den linken Ideologen so überaus wichtig ist und an denen sie ihr Herzblut aufhängen, in denen die Sozialisten das Allheilmittel für die Kindererziehung und die Emanzipation für die Möglichkeit der Berufstätigkeit für Frauen, für Frauenarbeit allgemein sehen, wodurch Erziehung und Beruf vereinbar erscheint. Dieses pädagogische Modell, welches intensiv in der ehemaligen kommunistischen DDR praktiziert wurde, hat dabei die tragende Intention, die Erziehungskompetenz von den Eltern weg auf pädagogische Fachkräfte zu verlagern, die unter staatlicher Ausrichtung gestellt werden. Gerade in letzter Zeit macht der Versuch der Amadeu Antonio Stiftung, geleitetet von der ehemaligen Stasi-Mitar-beiterin Anetta Kahane,  mit der Broschüre für Kindergärten von sich reden, Titel: „Ene, mene, muh – und raus bist du!“, um politischen Einfluß auf die Kitas zu nehmen.Der vorliegende Beitrag will klären, welche pädagogische Rolle Kitas in einem allgemeinen Erziehungskonzept bewirken kann, das ohne die Klärung der philosophischen Voraussetzung einer durchgeführten Interpersonalitätslehre einer wissenschaftlichen Begründung entbehren würde.

Der Bundestag hat am Freitag, dem 14. Dez. letzten Jahres das sog. „Gute-Kita-Gesetz“ verabschiedet. Für den Gesetzesentwurf, den die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey/SPD eingebracht hatte, hatte die Koalitionsfraktion aus CDU/CSU und SPD gestimmt, ebenso auch der Bundesrat, wodurch das Gesetz ab Anfang des Jahres 2019 in Kraft treten konnte. Giffey hat den Ländern rund 300 Millionen Euro zugesagt, um mehr Fachkräfte für Kitas zu gewinnen. „Ab dem neuen Ausbildungsjahr im Sommer 2019 werden wir bis 2022 rund 300 Millionen Euro als Impuls für die Länder zur Verfügung stellen”, sagte die SPD-Politikerin (vgl. Spiegel online vom 17.12.2018).

Die Kita in der pädagogischen Diskussion

Damit wurde eine Gesetz installiert, das an das vom 25.9.2008 anknüpfte, wonach ein Rechtsanspruch auf einen sog. KITA-Platz (Kindertagesstätten-Platz) für Kleinkinder ab dem ersten Lebensjahr besteht. Vielfach wurde es als Verbesserung eines pädagogischen Konzept gelobt, das von vielen Seiten Zuspruch erfuhr: von den Linken, weil es die Erziehung von Kleinkindern (ab dem ersten Lebensjahr) weg vom Elternhaus, dem man die Kompetenz zur Erziehung absprechen möchte, in staatliche Einrichtungen verlagert; von der Wirtschaft, der damit die gesammelte Frauen-Power in der Produktion zur Verfügung steht; und von jenen Müttern, denen die Erziehung ihrer Kinder zur Last wird, zu mühsam ist, die teilweise unfähig sind, Verantwortung für die eigenen Sprösslinge zu übernehmen und ihr Heil in einem – nicht so anstrengenden Job suchen. Und dann gibt es auch die Gruppe der alleinerziehenden Mütter, die in einem echten Dilemma stecken: Wie sollen oder können sie sowohl die Erziehung ihres Kindes und die materielle Versorgung durch berufliche Tätigkeit vereinbaren? Da ist die Mutter überfordert und die Kita die „ultima ratio“. Immerhin gehen deutschlandweit etwa 32 Prozent der Kinder in die Kita.

Der Prozeß der Erziehung wurde bis weit in die Mitte des letzten Jahrhundert weitestgehend von den Familien geleistet, d.h. die Kinder wuchsen im Elternhaus bei Mutter und Vater auf. Die Kita als Erziehungs-Modell steht somit mit der Erziehung bei den Eltern in Konkurrenz: welches von beiden ist für die Erziehung der Kinder das bessere. Wenn man den Politikern von links bis rechts, also den Merkel-CDU-lern zuhört, hat man den Eindruck, die bürgerliche Gesellschaft würde untergehen, wenn die Kleinstkinder nicht in einer Kita aufgewachsen seien und der Prozeß der Sozialisierung nicht dort eingeleitet worden sei.

Darum wurde bei der Einführung der Kitas in der Öffentlichkeit seit Jahren viel über die Vorteile der Kita-Erziehung gegenüber der Erziehung im Elternhaus hervorgehoben. Wegen der Begrenztheit dieses Beitrages greife ich nur einige heraus. So hat sich z.B. die Bertelmann-Stiftung schon früher in verschiedenen Studien damit beschäftigt. Am 11.4.2018 erschien auf ZEIT ONLINE ein Beitrag von Tina Groll, die das Resultat einer solchen Studie so umreißt: „Wie lange Kinder die Kita besuchen, macht einen Unterschied: Wer früh in den Kindergarten geht, ist einer neuen Studie zufolge kommunikativer und selbstbewusster. (…) Durchsetzungsfähigkeit, Pflichtbewusstsein, Offenheit für Neues und kommunikative Stärke – diese Eigenschaften werden anscheinend gefördert, wenn Kinder früh in die Kita gehen. Das haben Forscherinnen und Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden. Kinder, die ein Jahr länger in einer Kita waren, haben im Schnitt bessere kommunikative Fähigkeiten und sind durchsetzungsfähiger. Das sind wichtige Persönlichkeitseigenschaften, die sich später auch auf die Bildungs- und Arbeitsmarktchancen auswirken können, sagt Studienautorin Frauke Peter.“ (https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-04/kita-besuch-entwick-lung- kinder-persoenlichkeit)

DER TAGESSPIEGEL vom 26.4.2012 ging der Frage nach „Wo entwickeln sich Kleinkinder besser – in der Kita oder zu Hause?“: „In der Frage, wo die Kinder besser aufgehoben sind, ganztags in ihren Familien oder für einige Stunden des Tages in einer Betreuungseinrichtung, kommt die Nubbek-Studie zu einem differenzierten Urteil: Bei den Kleinen, den Zweijährigen, konnten sie zwischen beiden Gruppen keinen Unterschied im Bildungs- und Entwicklungsstand feststellen.“ Und weiter: „Was Untersuchungen wie die große Nichd-Studie aus den USA schon gezeigt haben, bestätigte sich auch hier: Wie weit kleine Kinder in ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrer Reife sind, hängt am meisten von Merkmalen ihrer Familie ab – selbst wenn sie ganztags in die Kita gehen. Positiv wirken sich hier vor allem der Bildungsstand der Mutter und ihre Gemütsverfassung aus.“ „Was genau in der Kindergartenzeit aber zur Persönlichkeitsbildung beitrug – die Qualität der Betreuung, ihre Dauer oder die Ausstattung der Kindergärten –, wissen die Forscher nicht, denn darüber geben die verfügbaren Daten keine Auskunft.“ (zitiert Tages Spiegel vom 26.4.2012) Die Mitarbeiterin der Huffington Post, Lisa Mayerhofer, erklärt am 16.11.2016 unter der Überschrift „Studie: Warum ihr eure Kinder in die Kita schicken solltet, statt sie zuhause zu betreuen“: „Eine Studie der London School of Economics und der Oxford University zeigt jetzt: Die Auswertung legt nahe, dass Kinder, die ganztags von ihren Müttern betreut werden, schlechtere Sprachkenntnisse und motorische Fähigkeiten haben als die Kinder, die eine Kita besuchen“, legt Olivia Asiedu-Poku, seit über 20 Jahren Mutter von heute vier Kindern, am 1.8.2017 ihre Erfahrung mit beiden Modellen dar. Pauschalurteile helfen in der Erziehungsfrage nicht weiter. Es gibt natürlich auch Stimmen, die das Kita-Modell ablehnen, so z.B. die bekannte Psychotherapeutin Christa Meves oder die Autorin Brigitte vom Lehn. Dazu später mehr.

Die Erziehung als Voraussetzung für eine Entwicklung zur menschlichen Vernunft

Bereits vor fünf Jahren hatte ich mich in der EINSICHT vom Febr. 2014 aus Gründen interpersonal-konstitutiver Bedingungen für das Heranwachsen einer vernünftigen Personalität gegen eine Kita-Betreuung ab dem ersten Lebensjahr ausgesprochen, wobei ich den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz als „Gipfel deutschen Irrsinns“ bezeichnet hatte. 1) Da sich gezeigt hat, daß dieses Problem der Kindererziehung weiterhin von großer Relevanz für die Persönlichkeitsentwicklung jedes einzelnen ist, gerade auch im Hinblick auf die Grundlegung religiöser Fundamente, habe ich dieses Thema wieder aufgegriffen.

Die Frage, die gestellt werden muß, ist nicht die, ob die Mutter durch die Verlagerung der Erziehungspflicht auf staatlich gelenkte pädagogische Institute ihre Arbeitskraft der Gesellschaft bald möglichst wieder zur Verfügung stellt oder ob es ein bloßes Verschieben der unfähigen oder an der Erziehung ihres Kindes desinteressierten Mutter ist, die verantwortungslos Kinder in die Welt setzt, für die sie keine Verantwortung übernehmen will, sondern die, ob es zum Wohl des Kindes geschieht. Die grundsätzliche Frage aber ist die: Warum muß ein Kleinkind (Säugling) überhaupt erzogen werden? Genügt nicht einfach eine Betreuung durch die Verabreichung von Nahrung, also der Befriedigung einfacherer Bedürfnisse wie Essen und Trinken?

Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Exkurs in die Interpersonalitätslehre nötig, die klärt, wie das Verhältnis zwischen Personen generell zu denken ist, unabhängig von allen empirischen Erhebungen der Pädagogik. Es geht also um die Darstellung jener Momente, die notwendig sind, damit ein interpersonales Verhältnis überhaupt entstehen kann. Wir müssen diesen Weg gehen, damit wir Kriterien gewinnen, um den Sinn und Zweck der Kita-Einrichtungen bewerten zu können.

Ein Kind wird geboren als vernunftfähiges Wesen, welches durch das Aufrufen, die innige Ansprache der Mutter, die den Säugling mit ihrer Liebe umhegt, die eigentliche Vernünftigkeit weckt. Der Säugling muß nicht nur physisch, sondern auch geistig gezeugt werden. Das ist primär die Aufgabe der Mutter, die das Kind geboren hat. Sie holt somit den Säugling sukzessive in diese Liebesbeziehung mit hinein, damit er zum eigentlichen Vernunftwesen heranwächst und gedeiht. Er lernt, das „ Da“ (das Sein außer ihm) als „Du“ aufzufassen. Damit hebt der Prozeß der Ausbildung zur Vernünftigkeit an, um eine interpersonale Beziehung aufzubauen, dessen Ziel es ist, die Liebe, die uns durch die Offenbarung des Gottes-Sohnes geschenkt wurde, unter den Menschen weiter zu verbreiten. Damit nehmen die Eltern gleichsam die Stelle Gottes an Kindes statt ein. In all den Akten der Mutter bzw. auch des Vaters soll diese Liebe durchscheinen, damit das Kleinkind das Urvertrauen aufbauen kann, durch das und auf dem sich die Beziehung Eltern – Kind gestalten soll. Diese unmittelbare Beziehung in Liebe zum Kind ist die vorrangige Aufgabe der Mutter, die durch das abendliche Gebet mit dem Kind auch die ersten Triebe religiösen Lebens pflanzt. Martin Buber (1878-1965), der jüdische Philosoph hat es so formuliert: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ (in: “Das Dialogische Prinzip”, Heidelberg 1979, aus: “Ich und Du”, 1922) Was ist damit gemeint? Der Mensch wird also nicht nur biologisch gezeugt, sondern er muß auch geistig gezeugt werden, wie bereits gesagt. Das eigentliche Vernunftsein hebt an durch das Aufrufen zur Vernunft. Dieser Aufruf durch eine andere Person muß zwar auf der einen Seite eine An-Deter-mination sein, d.h. er muß sich objektiv vernehmen lassen (durch Sprache), damit sich das Bewußtsein darauf fixieren kann, andererseits darf er aber keine Durch-Deter-mination sein, denn diese An-Determination will die andere Person nicht manipulieren, sondern sie will dem anderen Ich erst eine Sphäre der Freiheit eröffnen. Das aufrufende Ich (die Eltern im Normalfall) will dem anderem Ich, dem Du (dem Kind) als Aufgerufenem, als Aufgefordertem gleichsam zu einer Selbstbestimmung bestimmen. Es will also dem aufgerufenen Ich (dem Kleinkind) eine Freiheitsspähre eröffnen, durch die es diesem möglich wird zu antworten. Damit hebt eine Wechselbeziehung von fremden Ich, dem Du, und dem eigenen Ich an. Also das eigene Ich weiß, daß das fremde Ich ein Du ist, welches mich ebenso als Du sieht.

Um es philosophisch zu sagen: ein Selbstbewußtsein hebt nur an zu sein, wenn es durch ein bereits selbständiges Selbstbewußtsein dazu aufgerufen wird, sich selbst zu bestimmen; denn “Bewußt-Sein ist nur als Reflexion verstandener Anschauung möglich“, um es erkenntnis-theoretisch zu formulieren. (Lauth, Reinhard: “Ethik” Stuttgart 1969, S. 67, der auch die Interpersonaliät als konstitutives Moment des sich reflektierenden Selbst-Bewußtseins aufzeigt.) Hier ist nun einsichtig, daß die Erziehung nötige Vor-aussetzung für die Entfaltung der kindlichen Vernunft ist.

Gott als Voraussetzung vernünftiger Interpersonalität

Der Aufruf wird nun inhaltlich so verstanden, daß er die Form ist, das Mittel, um etwas bestimmtes zu transportieren, der die Freiheit in Gang setzen soll, das freie Sich-Bestimmen. Die aufgerufene, als Person angesprochene Freiheit ist aber in einer ganz bestimmten Weise angesprochen worden, sich nämlich zu entscheiden zu etwas, was der Aufrufende in seiner Vermittlung anspricht. Da die Freiheit angesprochen wird, kann es nur etwas sein, auf was die Freiheit spezifisch antworten kann, nämlich auf eine Zwecksetzung, die wiederum nur verstanden werden kann auf dem Hintergrund einer Wertsetzung, im Falle des Kleinkindes: auf die Behauptung eines sittlichen Wertes, auf das Sittliche überhaupt… in letzter Instanz auf das sittlich Absolute. In dem angehobenen Verhältnis von Ich und Du, was für sich selbst wiederum ein Ich ist, geht es um die Realisation der Liebe. “[D]ie sittlich erfüllte Interpersonalität [ist] die vollendete Offenbarung Gottes und der Sinn der ganzen Erscheinung.” (Lauth, Reinhard: “Problem der Interpersonalität” Archives de Philosophie, Tome XXV, Paris 1962, S. 343) Ich habe es so formuliert: „Von diesem höchsten Standpunkt gesehen ist die sich erscheinende Interpersonalität als der Ort anzusehen, an dem sich die absolut erscheinende Liebe als Bild Gottes in freier Wechselbeziehung realisieren soll. Die Realisation der Liebe ist schlecht-hin gefordert, sie ist die absolute Bestimmung allen Seins, und somit ist auch deren Form, die interpersonale, freie Synthesis, als Bedingung dieser Realisation schlechthin gefordert.“ (Heller, Eberhard: “Die Theorie der Interpersonalität im Spätwerk Fichtes” München 1974, S. 303)

Dieses Handeln – um es möglichst neutral zu sagen -, diese bestimmte Veränderung in der Außenwelt, die ich anschaue, muß so beschaffen sein, daß ich sie nicht bloß als bestimmend, als bloß determinierend erfahre (wie einen Stoß, den ich meinetwegen schmerzlich verspüre), sondern so, daß sie mich in meinem Frei-Sein anspricht, sich selbst zurückhaltend, um mir eine Sphäre des eigenen Handelns zu eröffnen. Ich habe auf der einen Seite ein determinierendes Moment, das aber, da es Moment der notwendigen Vermittlung ist – es soll sich ja nicht um meine, sondern eine fremde Intention handeln! -, nur im Zusammenhang mit dem entscheidenderen Moment der Freiheitseröffnung zu sehen ist. Dieses determinierende Moment ist Bedingung der Erfahrbarkeit der fremden freien Intention, die sich mir ja als tatsächlich anderer Wille, als Wille eines anderen Freiheitsprinzips objektiv darstellen muß und die mir selbst dadurch eine eigene Freiheitssphäre eröffnen bzw. anbieten will. Aus diesem freien Angebot ergibt sich bzw. soll sich ergeben ein Wechselspiel gegenseitig sich eröffnender Freiheitssphären, indem ich auf das Angebot antworte – in eben der gleichen Weise der Veräußerung meiner Intention -, auf das wieder eine Rückantwort erfolgen kann usw. Auf diese Weise eröffnet sich mir eine Kette von interpersonaler Gemeinsamkeit bzw. ich eröffne sie selbst mit.

Auf dieser Voraussetzung lernt das Kind zu unterscheiden zwischen sich und der anderen Person (der Mutter, dem Vater), wobei es zunächst nur um Bewußtsein des Kleinkindes geht, welches sich dann zum Selbst-Bewußtsein erhebt. Viele Kleinkinder verstehen das, was die Mutter oder der Vater sagt, ohne selbst schon sprechen zu können. Aber mit dem Verstehen setzt dann auch das Selbst-Sprechen ein. Wenn der kleine Max erst in der dritten Person von sich als „Max“, die kleine Magdalena als „Magdalena“ redet, kommt mit ca. drei Jahren der Augenblick, wo beide von sich als „Ich“ reden. Also dieser Prozeß der interpersonalen Beziehung erreicht einen ersten Höhepunkt, wenn das Kind nicht mehr in der dritten Person von sich redet, sondern sich als „Ich“ identifiziert, um nun selbst-bewußt mit anderen Personen in Kontakt zu treten. So fängt die Kette der Selbstbehauptungsakte und auch der Individuierung an, in den auch weitere Personen als Sozialpartner eingreifen können, um ihn pädagogisch mitzugestalten bis hin zum schulpflichtigen Alter. (Zum Problem der Interpersonalität vgl. man auch meine Dissertation “Die Theorie der Interpersonalität im Spätwerk Fichtes” München 1974: im Internet: http://www.einsicht-aktuell.de/index.php?svar=2&ausgabe_id=342)

Auf der erkenntnis-theoretischen Seite ist die Interpersonaliätsbeziehung Voraussetzung für die Ermöglichung von Selbstbewußtsein überhaupt. Auf der Ebene des moral-philosophischen Ansatzes ist die Interpersonalität die Basis, auf der das absolute Soll realisiert wird: die Liebe, die uns Gott durch seine Offenbarung geschenkt hat und zu der er uns berufen hat. N.b. hat man diesen Gedankengang einmal bewußt reflektiert, dann mutet die – in Amerika als Staatsdogma angepriesene – Erklärung, wonach sich die Welt nach Darwin in qualitativen Sprüngen vom niederen Lebewesen zum höheren, ja zum Vernunftwesen entwickelt haben soll, als Unsinn an.

Hier kann man leicht einsehen, daß es nicht sein kann, wenn man – wie Friedrich der Große (1212-50), es in Sizilien in einem Experiment gemacht hat -, Neu-Geborene ohne die Liebe der Mutter, sondern nur durch Zuführung physischer Nahrung aufzieht. Diese Kinder kamen nie zur Vernunft, sondern starben im frühen Alter von ca. 6 bis 7 Jahren. 2) Im medizinisch-therapeutischen Bereich spricht man von Hospitalismus, wenn Kindern im Säuglingsalter die Nähe (die Liebe) der Mutter verweigert wurde oder sie ihnen aus anderen Gründen nicht gewährt werden konnte. Auch diese Kinder tragen ihr ganzes Leben massive emotionale und geistige Schädigungen davon. 3)

Wenn man nun fragt, wie dieser Prozeß des Aufrufens letztlich begonnen hat, dann kommt man zunächst vom aufgerufenen Kind auf die aufrufenden Eltern, von da auf die Großeltern usw.; denn dieses Wechselverhältnis setzt voraus, daß das aufrufende Ich bereits ein aufgerufenes Ich ist, es entfaltet sich durch die Zeit. Aber wer war der Ur-Aufrufer? Die Antwort ist: Gott, der den Menschen als freies Vernunftwesen, “nach seinem Ebenbild” (Gen. 1, 27) geschaffen hat. (Zu diesem Problem vgl. man meine Abhandlung “Vom Sinn der Schöpfung”, EINSICHT Nr. 2, Juni 2011. Hier wird nun auch einsichtig klar, warum die Eltern gleichsam jene Aufgabe, mit der Gott die Menschheit in ihr Sein berufen hat, nämlich auf seine Liebe zu antworten, übernehmen. D.h. sie übernehmen gleichsam die Rolle Gottes an Kindes statt, ihr Kind in diese von Gott ausgehende Liebe mit einzubinden, damit es so zur vollen Vernünftigkeit, zum Ich-Sein, zum Selbst-Bewußtsein heranwächst. Und diese Aufgabe kann man nicht einfach an Kita-Einrichtungen delegieren, mögen sie auch noch so gut geschult sein: die Kindergärtnerin kann nicht an Mutters statt handeln: sie kann bestenfalls die Erziehung verwalten, aber kaum gestalten. Und wie sieht dieses Abgeben der Kleinkinder mit einem Jahr von Seiten der Kinder aus – sieht man einmal davon ab, daß sie sich (noch) nicht artikulieren können? Aus der Unmittelbarkeit der Mutter herausgerissen erlebt es den ersten großen Schock, es wird ausgestoßen und weint fürchterlich, herzzerreißend. Die Tränen haben einen metaphysischen Tiefgang. Und da es sich gegen diese Behandlung nicht wehren kann, fängt es an zu resignieren oder sich zu assimilieren.

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz kam zu dem Ergebnis, daß Kleinkinder im Alter von 1 bis 3 Jahren beim Eintritt in eine Kita Streß ausgesetzt sind, wodurch das Krankheitsrisiko erhöht wird. Und ich füge hinzu: dann steckt das eine Kind das andere an. Maaz warnt in seinen Büchern vor einer Erziehung in einer Kita: „Das falsche Leben. Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft“ München 2017, oder in einem Beitrag für die Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 239 vom 13.10.2017, S. 4: „Wir sind in einer schweren Gesellschaftskrise.“ Maaz trägt auch in einem Interview mit Beatrix von Storch seine Bedenken gegen eine frühe Abkoppelung des Kleinkindes von der Mutter vor. (https://www.youtube.com/watch?v=3IyHIo1pzpE&feature=youtu.be)

Kitas als Hemmnis emotionaler, geistiger Entfaltung des Kleinkindes

Im Rahmen der propagierten Vereinbarkeit von Mutter-Sein und Beruf, für die die Politik nur das Angebot von Kitas hat, schrieb die bekannte Psychotherapeutin, Frau Christa Meves folgendes: “Der Ruf nach der uneingeschränkten Möglichkeit zur Berufstätigkeit aller Frauen – einschließlich der jungen Mütter – beruht auf einer kurzsichtigen ideologischen Blindheit. Sie besteht seit 36 Jahren. Denn mit der Freigabe der Antibabypille konnte mit sehr viel durchschlagenderem Erfolg die “Selbstverwirklichung” als Gegenmodell gegen das der Familienmutter auf den Thron gehoben werden. Deshalb nahm bereits in den siebziger Jahren der Geburtenschwund bedrohliche Formen an(…) Vor dem Ruf nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kriechen vielmehr sämtliche Parteien weiterhin ins Mauseloch und überschlagen sich mit Vorschlägen, um die Kinder von ihren Müttern und die Mütter von ihren Kindern zu befreien.” Eine ideologisch verfälschte Sicht der Realität erlaubt keine konkrete Zukunftsplanung der Gesellschaft. Man muß durch die gemachten Erfahrungen lernen. Das heißt nach Frau Meves: “Der Mensch wird als ein hilfloses Wesen geboren und bedarf einer artgemäßen, gekonnten individuellen Pflege und Erziehung durch seine Kindheit hindurch”. – “Daraus entsteht die Einsicht, dass die Familie für eine gesunde Erziehung der Kinder unaufgebbar ist. Zu dieser Erkenntnis gehört, dass der Mensch grundsätzlich nicht alles auf einmal haben kann. Die beiden wichtigen Lebensaufgaben für die Frau: Die Erziehung lebenstüchtiger Kinder und die Verwirklichung eigener anderweitiger Begabungen können in den seltenen Fällen in zureichender Weise zeitgleich geleistet werden. Die Gesellschaft hat deswegen die Pflicht, der Frau zu helfen, dass sie die Jahre der Mutterschaft (…) in einem erfolgversprechenden Rahmen verwirklichen kann.” Das sollte gelingen, denn nach Christa Meves wünschen sich 87% der jungen Leute von heute eine richtige Familie. (DIE TAGESPOST vom 19.4.01)

In einem Interview, welches Frau Meves, damals 81 Jahre alt, am 06.02.2007 der „Frankfurter Allgemeinen“ gab, führt sie weiter aus: „In den ersten Jahren brauchen Kinder den vertrauten Herzschlag der Mutter. In den ersten drei Jahren ist einem Kind die Mutter durch nichts zu ersetzen, Fremdbetreuung in diesem Lebensabschnitt wirke sich negativ auf die Entwicklung der Persönlichkeit aus.“ Meves ist daran gelegen, den Status von „Nur-Müttern“ finanziell und ideologisch zu verbessern und die häusliche Betreuung von Kleinkindern gegenüber der institutionellen Betreuung nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen. „Die Fähigkeit, ein seelisch gesunder Mensch zu sein, der auch Krisen standhält, sowie die Intelligenz – dafür wird die Grundlage in den ersten drei Jahren gelegt.“ Sie geht auch auf das Argument ein, daß Kinder nicht automatisch seelische Störungen entwickeln, wenn sie im Alter von einem Jahr an 20 oder 30 Stunden in der Woche fremdbetreut sind. Dann müssten fast alle Franzosen seelisch krank sein. „In der früheren Sowjetunion konnte man sehen, dass 70 Jahre Krippenerziehung ein Volk zerstören. Nach sechs Wochen gingen dort die Frauen wieder in die Produktion, und wir haben dort so viele Alkoholiker wie nirgendwo sonst. Die Franzosen ziehen sich eine Zweiklassengesellschaft heran: Die Familien, die es sich leisten können, betreuen ihre Kinder zu Hause, die anderen müssen in die Krippen. Gebildete Französinnen haben ihre wirklich guten Ersatzmütter, an die sich die Kinder binden – das ist wie bei den Ammen früher im Adel.“

Auf die Frage, wie lange sollte denn eine Mutter ausschließlich für ihre Kinder da sein? Hier ihre Antwort: „Ich habe das etwa zehn Jahre lang gemacht, und meine beiden Töchter auch, ohne dass ich ihnen dazu geraten hätte. Wir hatten ein Drei-Phasen-Modell: Studium, Kinder, dann der Beruf. Fremdbetreuung schadet den Kindern nicht, sobald sie verstehen, dass Mama wiederkommt, im Allgemeinen ist das vom dritten Lebensjahr an der Fall. – Unsere Vorgabe aus der Natur heißt: Zunächst duale Bindung, angereichert durch einen kleinen Kreis von Menschen in großer Konstanz. Also möglichst nah am Modell der Familie – wenige Kinder und eine feste Bezugsperson.“

Frau Meves beantwortet auch folgende Fragen, warum Mütter ihrer Ansicht nach kleine Kinder besser betreuen können als Väter. „Hellhörigkeit, Empathie und Empfindsamkeit sind bei ihnen stärker ausgeprägt als bei Männern. (…) Sie haben ein besseres Sensorium für die Zärtlichkeit, die Kinder brauchen. Mütter legen intuitiv ihr weinendes Kind an ihre linke Seite, damit es den Herzschlag spüren kann.“

Frage: „Es gibt ja heute auch sehr liebevolle Väter. Warum sollte der Vater nicht eine mindestens ebenso wichtige Bezugsperson sein wie die Mutter? „Je älter die Kinder werden, desto wichtiger werden die Väter für sie. Er ist ein weiterer Ansprechpartner von allergrößtem Wert. Junge Männer, die Väter werden, machen in ihrer Entwicklung einen riesigen Sprung: Auf einmal werden sie verantwortungsvolle Erwachsene.“ (https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/familie/kindererziehung-die-ersten-drei-jahre-sind-grundlegend-1410316.ht)

Auch das Institut für Bindungswissenschaft hält die Familie für den Ort, wo das Kleinkind Bindung erfährt: „Kinder brauchen in den ersten Lebensjahren eine feste Bezugsperson, zu der eine verlässliche und stabile Bindung besteht. In der frühen Fremdbetreuung kann dies in der Regel nicht gewährleistet werden. Bindung kann als Basis des menschlichen Zusammenlebens angesehen werden. Das Bindungsbedürfnis ist die instinktive Anlage, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Primäre Bindungspersonen sind naturgemäß die Eltern. Die frühen Entwicklungsphasen (vorgeburtlich und frühe Kindheit, d.h. die ersten zwei bis drei Jahre) sind für die Entwicklung eines sicheren „Bindungsmusters“ bzw. „inneren Arbeitsmodells“ entscheidend. Was man hier lernt, nimmt man mit ins Leben und betrachtet das Leben sozusagen durch seine frühkindliche „Bindungsbrille“. Es ist später nur bedingt veränderbar. Sichere Bindung ist die Basis für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung, (Ur- und Selbst-) Vertrauen, Empathie, Beziehungsfähigkeit, Resilienz (Widerstandsfähigkeit), kurz : für die Fähigkeit, das Leben angemessen zu bewältigen und intensive, dauerhafte Beziehungen einzugehen. Umgekehrt gilt: Unsichere Bindung kann sich im späteren Leben in häufigen Beziehungsabbrüchen, negativem Gesundheitsverhalten sowie Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung generell äußern. Für die Ausbildung eines sicheren Bindungsmusters ist die ständige Verfügbarkeit und unmittelbare liebevolle Reaktion einer festen Bezugsperson, die feinfühlig, authentisch und angemessen auf die Bedürfnisse des Kleinkindes eingeht, von immenser Bedeutung. Diese „Intensivförderung“ kann nur eine auch emotional mit dem Kind verbundene Person leisten. Eine solch enge Bezugsperson kann dabei auch den besonders in diesem Zeitraum starken körperlichen Bedürfnissen nach Nähe durch z.B. Umarmungen nachkommen und zeitnah auf das Kind reagieren. (…) Die Familie ist daher ein entscheidender Ort für die Gestaltung der frühen Bindungsdynamik.”  (https://www.bindungsstark-wachsen.de/ und http://www.institut-bindung.de/de/

Auch die Arbeit von Brigitta Brunner von 2007 „Das Kind in der Krippe. Frühe institutionelle und außerfamiliäre Betreuung und Erziehung von Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren“ kommt zu dem Ergebnis: „Nach der Schaffung von Grundlagen, besonders hinsichtlich der aktuellen Situation in Deutschland, werden verschiedene wissenschaftliche Bereiche bezüglich des Themas beleuchtet und am Ende jeweils mit einem Resümee abgeschlossen. Jede eigene Abhandlung und jedes Resümee zeigen verschiedene schwerwiegende Risiken einer Krippenerziehung auf, da diese Art der Erziehung und Betreuung den Bedürfnissen des Kleinkindes in den wichtigsten Bereichen nicht gerecht wird.“

Nach einem Interview von Brigitta vom Lehn mit dem Kinderpsychiater Prof. Dr. Gunter Moll und dem Neurobiologen Prof. Dr. Ralph Dawirs der Universitätsklinik Erlangen, „kommen Kinder nicht fertig auf die Welt. Sie brauchen zunächst Unterstützung, Schutz, Geborgenheit. Es muss jemand da sein und sie an die Hand nehmen. Die Persönlichkeit fällt ja nicht vom Himmel, sie entfaltet sich. (…) Die frühe Zeit entscheidet maßgeblich über die spätere soziale Kompetenz und die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft. Für das Gefühlsleben ist es überhaupt nicht unwichtig, wer (für das Kind) da ist. Da wir ja quasi zu früh auf die Welt kommen, bildet sich etwas spezifisch Menschliches heraus: die Bindung. Wir tragen die Kinder idealerweise ein oder zwei Jahre mit uns, im Arm oder im Tragetuch. Das führt zu einer emotionalen Bindung, einer Sicherheit. (…) Die emotionalen Empfindungen bilden sich in den nächsten sechs Jahren im sog. Mandelkern aus. Besonders wichtig sind hier die ersten drei Jahre. Damit die entsprechenden Hirnstrukturen sich aufbauen können, müssen die Bezugspersonen in dieser Zeit verbindlich sein. Es müssen nicht die leiblichen Eltern sein. Aber es kann nicht heute der und morgen jener sein. Herrschen in diesem Zeitfenster suboptimale Bedingungen, sind die Folgen beim Sechsjährigen irreversibel. Es ist nicht gut, wenn ein Kind bindungsfrei aufwächst. Das ist dann der Fall, wenn dem Kind wechselnde Bezugspersonen zur Verfügung gestellt werden. … Erfolgt die Hirnentwicklung in diesem Stadium nicht optimal, dann ist die später auch nicht mehr wegzupädagogisieren. (Quelle: Kinder lernen mit Gefühl. Die Welt, 03.11.07, S.W3 – www.vfa-ev.de

In dem Beitrag „Kitas sind gut für Eltern, nicht für Kinder“ beschreibt die gleiche Pädagogin Birgitta vom Lehn, die selbst drei heranwachsende Söhne hat, ihre Erfahrung mit Kitas: „Nur noch wenige Mütter und Väter können es sich leisten, nicht arbeiten zu gehen. Deshalb sind Kitas eine praktische Einrichtung. Doch den Kindern bringen sie keine Vorteile, auch wenn sie nun aller Orten in den Himmel gelobt werden. Denn ein individuelles Eingehen auf die Kleinen ist in der Kita kaum möglich. Wer seine Kinder nicht in die Kita schickt, vermasselt ihnen die Karriere. So und ähnlich klingen neuerdings die Stimmen einiger Bildungsforscher. Befeuert werden sie durch eine Studie, die den Zusammenhang zwischen Kita- und Gymnasialbesuch festgestellt haben will. Manche versteigen sich nun gar zu der grundsätzlichen These, der Schulerfolg hänge vom Kita-Besuch ab – und zwar unabhängig, ob es sich um Migranten- oder Nichtmigrantenkinder handle. Mit anderen Worten: Wer später eine Fünf in Mathe oder Englisch kassiert, wer die Gymnasialempfehlung verpasst und auf der Hauptschule landet, der könnte dann die (unfähige oder überforderte?) Kindergärtnerin haftbar machen. (…) Wie gedenkt man umgekehrt die vielen Beispiele gelungener Bildungsbiografien zu interpretieren, deren Träger nie eine Kita von innen gesehen haben? Müsste nicht halb Deutschland, nein die halbe Welt verblödet sein, wenn die geistige, soziale und sonstige Entwicklung des Menschen derart existenziell abhängig wäre vom Kita-Besuch?  Vgl. auch: https://www.meinesvenja.de /2012/07/09/warum-kleine-kinder-zu-ihren-muttern-und-nicht-eine-kita-gehoren/)

Schluß und Resume

Um nun wieder in den politischen Alltag zurückzukehren: Wie die Hinweise der Pädagogen gezeigt haben, sollen die Kinder zumindest bis drei Jahre bei der Mutter bleiben. Denn wer soll diesen Prozeß der Erziehung besser gestalten als die eigenen Eltern, als die eigene Mutter, als der eigene Vater? Warum sollen in diesen Prozeß andere eingreifen, wenn nicht Umstände eingetreten sind, die den Eltern ihre Erfüllung der Elternpflichten unmöglich machen? Krankheit, Tod?

Der Staat dürfte in diesen Erziehungsprozeß nur eingreifen, wenn einwandfrei feststeht, daß die Rechte des Kindes von den Eltern als Pflicht nicht wahrgenommen, wenn sie zu Hause verwahrlosen würden. Das wäre aber die absolute Ausnahme! Auf die Ein- und Übergriffe des Staates auf den schulischen Bereich, gerade in Deutschland, haben wir schon mehrfach hingewiesen, in denen massiv elterliche (Erziehungs)-Rechte verletzt werden. Ich denke da wieder an die äußerst umstrittene Sexualkunde, die in eine „Verhinderungskunde“ eingemündet ist. Im übrigen lebt das Schulsystem davon, daß Eltern ihre Rechte (und Pflichten) an Dritte, an Fachleute, d.s. Pädagogen und Lehrer delegieren. Müssen das aber nur vom Staat benannte (und bezahlte) Pädagogen sein? Nein! Wenn nicht zwingende Umstände es nötig machen, dann sollten die Eltern ihre Erziehungspflichten wahrnehmen und sie nicht an staatliche Organe delegieren unter dem Vorwand der Freistellung für andere Aufgaben.

Häufig ist es doch so, daß mit solchen Angeboten die Eltern entmündigt werden sollen, weil ihnen selbst von christlichen Politikern bescheinigt wird, sie seien für eine gesellschaftlich gewünschte Erziehung unfähig, weil sie eine adäquate moderne Erziehung und Ausbildung nicht gewährleisten könnten.

Wenn Sozialisten nicht zwischen Rechts- und Moralbereich unterscheiden können, liegt das an ihrem ideologisch geprägtem System, in dem das „Wir“ absolut gesetzt wird, in dem die Politik auch die moralischen Aufgaben übernimmt bzw. sie in den politischen Raum hineinmischt. So redet man von “Steuersündern”, von “Umweltsündern”, womit eigentlich ein unmoralisches Verhalten angesprochen wird. Mit dieser semantischen Verdrehung hat man auch den politisch brisanten Bereich der Erziehung unterwandert und für ihre staatliche Vorrangstellung geworben. Es kam kaum Widerspruch. Welcher konservativer Politiker wagt es noch, die Förderung, ja den Rechtsanspruch auf KITA-Plätze anzuzweifeln? Die Eltern werden gleichsam zur Passivität in der Erfüllung ihrer Pflichten ermuntert! Und häufig bringen die jungen Mütter ihre Kinder nur in die Krippe, um sich anschließend zum Plaudern zu treffen: die Kinder werden einfach abgeschoben. Auch diese Feststellung gehört zur Debatte um die Relevanz der Kitas.

Anmerkungen:
1) Kita-Gesetz: Bundestag beschließt Krippenausbau – Berlin – Der Bundestag hat am Donnerstag [25.9.2008] mit großer Mehrheit das Gesetz zum Ausbau der Betreuung der Kinder unter drei Jahren verabschiedet. Für jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr soll es ab 1. August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in Kinderkrippe, Kita oder bei einer Tagesmutter geben. Bis dahin soll für jedes dritte Kind ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen. Für den Ausbau gibt der Bund vier Milliarden Euro aus. Ähnliche Beträge sollen von den Ländern und den Kommunen kommen. „Hier liegt noch ein steiler Weg vor den Kommunen”, sagte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). “Wir sind von einem bedarfsgerechten Angebot noch weit entfernt.” Derzeit liegt die sogenannte Versorgungsquote mit 321.000 betreuten Kindern bundesweit bei 15,5 Prozent. Im Westen gebe es bislang nur für jedes zehnte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz. (SPIEGEL-ONLINE vom 26.9.08) (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kita-gesetz-bundestag-beschliesst-krippenausbau)
2) “Friedrich der Große hat einmal ein sehr grausames Experiment durchführen lassen. In einem Waisenhaus teilte er die Babies in zwei Gruppen. Beide Gruppen wurden ordnungsgemäß und gleich gefüttert und gewickelt. Die eine Gruppe von Kindern erhielt von dem sie versorgenden Personal Zuwendung und Zärtlichkeit. Bei der anderen Gruppe hingegen wurde dem Personal strickt verboten, den Kindern Zuwendung oder gar Liebe und Fürsorge zuteil werden zu lassen. In der Gruppe ohne Liebe starben alle Kinder. ” (Vgl. auch: Psammetichos-Experiment.)http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/bildung/ fragederwoche/ archiv_fragenanwissen.de/ index,page=1306348.html – Kinder, die von ihren Eltern – diese sind in erster Linie für die Erziehung verantwortlich! – nicht als Vernunft-wesen aufgerufen werden oder wegen Krankheit im Säuglingsalter im „Hospitz“, im Krankenhaus für längere Zeit der Pflege der Mutter entzogen sind, weisen das Symptom des sog. „Hospitalismus auf, sie sind geistig gestört, im Extremfall verkümmern sie geistig und können nicht zum Vernunftgebrauch gelangen.
3) vgl. „Sozialwaisen – Kleinkinder ohne Familien – Auswirkungen von Hospitalismus“ von Maximilian Rieländer: Für eine Zeitschrift der „Gesellschaft für Sozialwaisen“ e.V. (GeSo) Münster 1982 (http://www. psychologische-praxis.rielaender.de/Literatur/Hospitalismus.pdf)
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Motiv einer neuen Erziehung – über den hl. Don Giovanni Bosco
von Franz Dilger

Bosco gehört zu den religiös und naturhaft, Liebenden. Seine Neigung geht nicht auf ästhetische Jugendblüte; auch läßt sie sich nicht ohne weiteres mit Pestalozzis sozialer Leidenschaft identifizieren, vielmehr möchte man sie als eine glückliche Synthese von religiöser Inbrunst, welche in jedem Körper die göttliche Seele aufleuchten sieht,  und von strukturmäßiger Verwandtschaft mit dem Knabentum bezeichnen. Bosco ist Knabe in seinem Gemüt und Heiliger in seinem Wollen. Das ist die Formel, die ihn wohl am treuesten umschreibt. So wird denn das Wunder möglich, daß da einer liebt mit der Sensibilität und Gefühlsdichte der Frau, und trotzdem durch alle Nadelstiche der Wirklichkeit nie verletzt, nie enttäuscht, nie ermüdet wird. Das muß auch den Gefühlsärmsten, den Vergeßlichsten überzeugen und ihm einen Stachel zurücklassen für immer. So sehen wir mit teurem Geld gedungene Mörder, welche einst nur vorübergehend den Blick Boscos gefühlt haben, vor dem Manne ihrer Jugend in die Knie sinken und ihm die Waffe ausliefern.

Unverletzliche Liebe! Sie läßt sich nicht mehr aus Anlage, Struktur, aus Neigung und Trieb erklären. Hier handelt es sich um blutig ernste Leistung, aus einem Pflichtbewußtsein entsprungen, das im Worte Gottes verankert ist. Bosco glaubt an Himmel und Hölle in krasser Konkretheit. Er glaubt an die ewig verantwortliche Entscheidung des Menschen so oder so. Aber ebenso lebendig ist er überzeugt von der Wirklichkeit der Communio sanctorum, vom schicksalshaften Eintreten des einen für den andern; er weiß, daß es ihm gegeben ist eine Knabenseele ewig zu retten durch leidenschaftliche Bemühung, durch selbstvergessenste Liebenswürdigkeit und Anpassung an jugendliche Eigenart. Dieser Ernst des Mannes, der tagsüber ein toller Spielkamerad ist, mag seiner Liebe zum durchschlagenden, unbesieglichen Erfolg verholfen haben. Bosco war diese Haltung so selbstverständlich, natürlich, daß sie ihm wohl in ihrer Bedeutung nicht voll bewußt geworden ist. Fragte man ihn, woher sein Erfolg stamme, so mochte er neben der Liebensbemühung gerne auf die Mittel der katholischen Religion hinweisen: Meßopfer, Kommunion, Beichte. Man hat sich von dieser Bemerkung leicht täuschen lassen, als ob damit alles erklärt wäre. Nun ist es aber Sitte, in allen Anstalten, Internaten und Instituten katholischen Bekenntnisses, sehr ausgiebig von diesen Mitteln Gebrauch zu machen. Tägliche Messe, wöchentliche Beichte gehören meistenteils zur Tagesordnung.

Boscos religiöser Erfolg hat sich aber in betrüblicher Weise nicht eingestellt. Im Gegenteil machten sich Übersättigung und Überdruß, teils auch skeptisch kritische Stimmung bemerkbar. – Wie mag es zu dieser religiösen Degoutierung kommen? Hat man sich Begnadung vielleicht allzusehr als physiko-automatischen Vorgang gedacht, der man mit trockener Belehrung jederzeit den Weg bereiten kann? Begnadung ist mit quantitativ operierender Sakramentspraxis nicht zu vollziehen. Sie ist einmal Gottes Sache. Es wird aber leicht übersehen, daß sie nicht nur an das Signum des Sakramentes gebunden ist, sondern auch an die Wertvermittlung durch erlebbare Menschen. Wie ist das gemeint? – Ein Kind nimmt seine, gewöhnlich für das ganze Leben entscheidenden religiösen Eindrücke in der Familie auf. Spielen dabei die Worte, welche die Mutter über göttliche Dinge spricht, eine wesentliche Rolle? Nicht so sehr. Sonst vermöchte auch ein Katechet einem religiös vernachlässigten Kinde dasselbe Kapital mitzugeben, was bekanntlich nicht der Fall ist.

Daß aber ein höchst werthaltiger, ein höchst geliebter Mensch, von dessen Neigung das Kind lebt, als ein religiös Ergriffener erscheint, so Gottes Wirklichkeit im subjektiv wertigsten Menschen aufleuchtet, nämlich in der Mutter, das bewirkt in der Seele des Kindes das unauslöschliche Stigma des Religiösen. In dermaßen affizierter Seele ist der Grund für jene feinste Entscheidung Gott gegenüber gelegt, nun vermag das Sakramentum ex opere operatum zu wirken, die innere Quelle ist entsiegelt, Gott wird durch den geliebten Menschen erfahren, so daß die Liebe überspringen kann auf ein Objekt, das nirgends gegenständlicher erlebt wird als nur im Bilde des religiös ergriffenen und zugleich geliebten Menschen.

Welche Mutter aber wäre so ergriffen vom Göttlichen wie Bosco, der Heilige? So wird er, der alle von Buben heiß begehrte Qualitäten verkörpert, zum Medium, in dem Gott für Buben erfahrbar gemacht ist. Nun sind sie innerlich bereit, nun kann er sie in der Stille des Beichtsakramentes empfangen, sie werden ihm alle Winkel der Seele entfalten; nun genügt ein Wort, um sie am Mahle des Herrn zu sehen, das Wesentliche ist schon geleistet, der Inhalt ist gegeben, Gott ist – in Bosco – beglückend erfahren. So basiert denn sein Erfolg letzten Endes auf Religion, auf liebenswürdig vermittelter Religion. Sein Erfolg hinwiederum im Religiösen selbst erschließt sich als intuitives Werterlebnis am hochsympathischen, religiös ergriffenen Menschen. (aus Franz Dilger: “Giovanni Bosco” Olten 1946, S. 136 ff.)

www.conservo.wordpress.com    20.05.2019
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