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Von DR.PHIL.MEHRENS
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet hat der linke „Monitor“-Chef Georg Restle vor ziemlich genau einem Jahr im Zentralorgan des WDR, dem „Print“-Magazin, einen Grundsatzartikel zur Dekonstruktion des klassischen Neutralitätsgebots von Journalisten veröffentlicht. Wie sich der auf die journalistische Praxis auswirkt, lässt sich an der letzten Ausgabe des Polit-Magazins „Monitor“ ablesen.
Die Welt des WDR-Redakteurs Georg Restle ist so einfach und gut zu verstehen wie ein „Lucky Luke“-Comic: Im Netz tummeln sich vor allem rechte Banditen, sie verbreiten Lügen, hetzen und gefährden so den ganzen Westen. Sie sind die Daltons, strohdumm wie Averell oder brandgefährlich wie Joe Dalton oder mittelmäßig wie Jack und William Dalton. Bei etablierten Medien wie dem WDR dagegen tummeln sich reihenweise heldenhafte weiße Reiter. Als Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit reiten sie auf ihren Jolly Jumpers des sozialen Friedens furchtlos durch die Prärie der gobalen Ausbeuteritis, verfolgen die bösen Ganoven des rechten Randes der Gesellschaft und leisten der Lüge auch dann noch entschlossen Widerstand, wenn sie mit geladenem Revolver vor ihnen steht. Sie sind die Lucky Lukes unseres Landes.
Im Anschluss an seine Diagnose vom bösen rechten Lügeninternet und dem guten, linken Wahrheitsjournalismus empfiehlt der „Monitor“-Chef als Therapie nicht weniger als den Abschied vom Neutralitäts- und Objektivitätsgebot des Journalismus. Die sozialen Netzwerke, „wo sich fast jeder, der über einen Facebook- oder Twitter-Account verfügt, als Medium begreift“, so die Argumentation des WDR-Journalisten, erfordern ein journalistisches Gegengewicht, einen Journalismus der Haltung und nicht der „selbsthypnotischen Verantwortungslosigkeit“.Journalismus müsse ein Korrektiv zu Falschmeldungen, zu Kampagnen bilden, die „mitten hinein“ rollten „in die Seele einer Gesellschaft, die der Propaganda der neuen digitalen Meinungsführer schutzlos ausgeliefert ist.“ Durch die „schiere Masse“ an Falschinformationen lasse sich nämlich ein „Narrativ“ bilden, das nichts mit der Wahrheit zu tun habe, sondern allein mit den Interessen ihrer Verbreiter.
Bis hierhin kann man dem „Monitor“-Frontmann noch folgen: Ja, es ist richtig, Lügen zu entlarven, zumal das den Rang der im Netz veröffentlichten Wahrheiten erhöht. Es ist auch richtig, dass professionell und finanziell großzügig, etwa mit eigenem Archiv und eigener Faktenprüfstelle ausgestattete Medienanstalten für diese Aufgabe besser gerüstet sind als digitale Laienjournalisten.
Doch dann stellt der „Monitor“-Chef die These auf, dass Journalismus mehr tun müsse als nur abzubilden, was die unterschiedlichen politischen Lager und Interessenvertretungen „multimedial verbreiten“. Seine Zunft sollte sich, anders als es Tagesthemen-Urgestein Hanns Joachim Friedrichs in seinem legendären Leitsatz von journalistischer Redlichkeit einforderte, sehr wohl mit einer guten Sache gemein machen; sie sollte den Weg des Egon Erwin Kisch gehen.
Die Reporterlegende Egon Erwin Kisch ist für linke Journalisten ein Vorbild wie aus dem Lehrbuch: Er trat nach dem Ersten Weltkrieg in die Kommunistische Partei ein und machte Karriere als engagierter Reporter. Seine Sympathie mit der sozialistischen Weltdeutung ging so weit, dass er öffentlich erklärte, in der Sowjetunion sei eine Lüge unmöglich. Er selbst tat sich mit Unwahrheiten nicht so schwer. Seine erste Reportage 1906 über einen Brand in der Nähe von Prag war eine Erfindung, wie sie „Spiegel“-Fälscher Claas Relotius kaum besser hätte ersinnen können. Später verstand er Reportagen vor allem als „künstlerische Schöpfung“, bei der es darauf ankomme, Fakten so zu arrangieren, dass sie eine bestimmte Wirkung auf den Leser ausüben. Kisch war gewissermaßen der Bertolt Brecht des Journalismus.
Im aktuellen „Monitor“-Enthüllungsreport zu Ausländer-Tumulten im Düsseldorfer Rheinbad (seit 8. August in der ARD-Mediathek) kann man nun einen Eindruck davon gewinnen, wie Journalismus aussieht, der sich an Egon Erwin Kisch ein Beispiel nimmt: Mit einem jungen Polizisten, der die Vorfälle „gar nicht tumultartig“ fand, dem SPD-Oberbürgermeister Geisel, der von einem „lebendigen Badebetrieb“ sprach und einem mit den politischen Überzeugungen der WDR-Reporter offensichtlich nicht im Dauerkonflikt stehenden „Gewaltforscher“ von der Universität Bielefeld wurden Leumundszeugen für die Unbedenklichkeit der Düsseldorfer Vorfälle aufgeboten, die dem Bericht, der der Doktrin des „Monitor“-Chefs gemäß ganz offensichtlich nicht neutral sein möchte, die gewünschte Tendenz gaben. Das parteiliche Arrangement von Fakten und Zeugenaussagen, die Kisch-Methode, sorgt für die gewünschte Wirkung beim Zuschauer:
Kopfschütteln über den Sturm im Wasserglas, den andere da entfesselt haben. Aber ist es wirklich klug, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, die Parteilichkeit der Blogger durch analoge Parteilichkeit der professionell Berichtenden? Was soll so schlimm daran sein, die professionelle Ausstattung der Medienhäuser dazu zu nutzen, Wahrheit und nichts als die Wahrheit darzustellen? Das schlösse nach journalistischen Regeln, die Restle abschaffen möchte, natürlich die Wahrheit der anderen mit ein.
Welcher Journalismus ist glaubwürdiger: einer, der die eigenen politischen Präferenzen ausblendet und gerade auch den Ansichten, die er selbst falsch findet, mit Respekt, Unvoreingenommenheit und zumindest einem Versuch zur Neutralität begegnet, oder einer, der Propaganda verbissen mit Gegenpropaganda beantwortet, als befänden wir uns immer noch mitten im Kalten Krieg? Und wie konsequent ist Georg Restle, wenn er zwar eine formelle Unabhängigkeit des Journalisten, z.B. durch Abstinenz von Parteimitgliedschaften, befürwortet, eine geistig-ideelle aber in Anbetracht des Vorbildes Egon Erwin Kisch nicht?
Während das Bundesverfassungsgericht Pluralismus für demokratiewesentlich hält und gerade den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, für den „Monitor“ produziert wird, zur Abbildung von Meinungsvielfalt verpflichtet hat, sagt der „Monitor“-Chef genau dieser Vielfalt der Meinungen den Kampf an. Er möchte als Journalist lieber so auf sein Publikum einwirken, dass immer klar bleibt, was richtig und was falsch ist. Wörtlich schreibt er: „Meinen wir wirklich neutral und ausgewogen zu sein, wenn wir nur alle zu Wort kommen lassen, weil die Wahrheit schließlich immer in der Mitte liegt? Und wenn die Mitte immer weiter nach rechts wandert, liegt die Wahrheit eben bei den Rechten? Und wenn die Mitte verblödet, bei den Blöden?“
Hören wir da noch mal genau hin: Es gibt also die „Blöden“ und die „Rechten“. Nennen wir sie der Anschaulichkeit halber weiterhin die Daltons. Sie sind die Parias des Wilden Westens, die Gesetzlosen, gesucht per Haftbefehl, tot oder lebendig. Ein kleines Detail hat Georg Restle, der weiße Reiter des Journalismus, dabei jedoch übersehen: Die Demokratie ist kein Wildwestabenteuer, sondern ein sensibles Gebilde, das nur Bestand hat, wenn niemand an seinen Stützpfeilern herumsäbelt.
Mit seiner Formulierung von den „Blöden“ und „Rechten“ enthüllt Georg Restle stellvertretend für sein ganzes Lager die unfassliche Arroganz derjenigen, die den Journalismus dominieren und die sich so sehr an das unter und von ihnen ausgebreitete linke Grundverständnis gewöhnt haben, dass sie jede kritische Distanz zu sich selbst und jedes Maß dafür verloren haben, was Journalismus sein sollte und was nicht. In Klassenkampf-Rhetorik, als sei die Zeit seiner rebellischen Jugend stehen geblieben und Helmut Kohl (mit seinen engen Verflechtungen in die Wirtschaft jahrzehntelang die Zielscheibe linker Hassprediger) immer noch Bundeskanzler, als wären die Grün-Alternativen von einst nicht von Vertretern seiner eigenen Zunft auf inzwischen 25 Prozent Wählerzustimmung hochgeschrieben worden, spricht der WDR-Redakteur von „Kampagnenführern aus Staats-, Partei- oder Konzernzentralen“, denen man nicht das Wort reden dürfe.
Tatsächlich ist die geistig-ideelle Verflechtung zwischen Journalismus und Grünen-Agenda so besorgniserregend, dass bei jeder „Monitor“-Sendung die Alarmglocken schrillen müssten, wenn es der Redaktion mit der kritischen Haltung gegenüber Parteizentralen (also auch der der Grünen) ernst wäre. Wahrscheinlich findet aber, geblendet von der eigenen Rechtgläubigkeit, niemand in der Redaktion mehr den Alarmknopf.
Welch demokratiefeindlicher Irrweg der „Journalismus der Haltung“ ist, zeigt sich freilich vor allem in der Kompatibilität des Modells mit allen totalitären Systemen: Wo nicht Wahrheit und Ideologiefreiheit die Richtschnur für journalistisches Arbeiten bilden, sondern die richtige Gesinnung oder „Haltung“, sind Tür und Tor geöffnet für seine Instrumentalisierung durch Autokraten. In Russland wäre Putin-Patriotismus die richtige „Haltung“, in der Erdogan-Türkei ein Journalismus des „wahren Türkentums“. Und Chinas Präsident Xi ist vom rechten Weg für China mindestens so überzeugt wie Georg Restle davon, was gut, wahr und richtig für Deutschland wäre.
Natürlich würde jeder „Monitor“-Redakteur es weit von sich weisen, mit seinem „werteorientierten“ Journalismus zum Steigbügelhalte für Autokraten oder weltanschaulich legitimierte Oligarchien werden zu wollen. Aber er sollte wissen, dass kein System offener ist für sich wandelnde Moden und Geschmäcker als die Demokratie, in der sich so ziemlich alles per Mehrheitsbeschluss vom Sockel stoßen lässt, was einmal dort stand. Selbst die Werte des Grundgesetzes sind nicht gefeit gegen ideologisch bedingte Aushöhlungseffekte:
Weder konnte die grundgesetzlich verankerte Würde des Menschen die ungestrafte Massenvernichtung ungeborener Kinder verhindern noch der besondere Schutz, den das Grundgesetz für Ehe und Familie vorsieht, deren Umwertung durch die Legalisierung der so genannten Homo-Ehe. Mit der nötigen Stimmung im Rücken – und die können Journalisten als Inhaber der dazu nötigen Propagandawerkzeuge selbst erzeugen – lässt sich selbst der edelste grundgesetzlich verankerte Wert aus den Angeln heben, auch jedes Freiheitsrecht.
Hitler hat es vorgemacht. Im Weg steht dabei regelmäßig nur die politische Opposition. Deswegen ist sie für jede Demokratie überlebenswichtig. Unter dem Schlagwort „Kampf gegen rechts“ sind führende Kreise in der Gesellschaft jedoch gerade eifrig dabei, die Legitimität der wichtigsten oppositionellen Kraft auszuhöhlen. Das Ergebnis könnte – es mehren sich die Anzeichen dafür – eine deutsche McCarthy-Ära sein. Und – traurige Ironie – ausgerechnet die freie Presse, die eigentlich den Herrschenden auf die Finger schauen sollte, ausgerechnet ein „Monitor“-Chef, der vorgibt, Demokratie und Freiheit schützen zu wollen, mischt dabei kräftig mit.
Jeder Medienschaffende, der glaubt, er sei zuständig für die geistige Einwirkung auf Volk und Nation, sollte wissen, dass genau das die Worte sind, mit denen Joseph Goebbels die Aufgaben seines Ministeriums umriss. Und wäre man vor achtzig Jahren an einen Filmbericht über die Reichspogromnacht herangegangen wie „Monitor“ an die Vorfälle im Düsseldorfer Schwimmbad, also nach der Kisch-Restle-Methode der arrangierten Fakten und O-Töne, es dürfte klar sein, was dabei herausgekommen wäre: ein schöner Wochenschau-Beitrag mit der Aussage „alles halb so wild“. Und, ja, das wäre ganz ohne Lüge möglich gewesen.
Jeder, der jemals in einem Schneideraum für Fernsehbeiträge gesessen hat, weiß das. Im Schafspelz von Georg Restles Plädoyer für einen werteorientierten Journalismus steckt also nichts anderes als der Wolf eines Plädoyers für die Re-Goebbelisierung der Presse, wobei lediglich das Banner ausgetauscht wird, das über dieser Art der Berichterstattung weht: Statt des Hakenkreuzes auf rotem Grund sollen nun die Farben des Regenbogens über Deutschland wehen. Und das soll der Journalismus der Zukunft sein? Hanns Joachim Friedrichs würde sich im Grabe umdrehen. Genau davor hat ihm gegraut, als er davor warnte, sich mit einer vermeintlich guten Sache gemein zu machen.