Die Verlierer der Wahlen in Brandenburg und Sachsen: Die deutsche Demokratie, CDU, SPD, FDP und „Die Linke“.

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist *)

Einen Tag nach den Wahlen ist es zu früh, zu endgültigen Bewertungen zu kommen.**) Außerdem fehlen noch die Wahlen Ende Oktober in Thüringen, die erst ein Gesamtbild ergeben werden.

Die erwartete Niederlage der deutschen Demokratie

Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen verstärken den Trend, Deutschland politisch zu destabilisieren. Die Zeiten stabiler Koalitionen mit zwei Parteien sind wohl vorbei, wenn die AfD weiterhin von den anderen Parteien diffamiert und boykottiert wird.

So wäre eine stabile Zweier-Koalition in Sachsen möglich – mit gemeinsam rd. 60 Prozent. Dazu wird es allerdings nicht kommen. CDU/CSU brauchen die AfD als „Feindbild“, weil sie selbst dem Staatsbürger immer weniger zu bieten haben – von den Städten und Gemeinden bis in die EU. Die meisten Print- und elektronischen Medien haben bis in die letzten Tage vor den Wahlen hemmungslos gegen die AfD agiert. Es war ein Trommelfeuer voller Halbwahrheiten, Lügen und Desinformation. Besonders infam verhielt sich das sog. “Politmagazin Panorama“, aber auch TV-Moderatoren und – innen, die die Trennung von Nachrichten und Kommentaren aufgegeben haben.

Den ersten Schlag gegen die deutsche Demokratie setzte die Wahlkampfleiterin in Sachsen. Sie hatte in einem ersten Schritt der AfD leichtfertig die Beteiligung an der Wahl verboten, da die AfD bei der Aufstellung ihrer Landesliste einen angeblich entscheidenden Formfehler gemacht haben soll.

Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung auf. Der AfD wurden 30 Listenplätze zugestanden, da diese ersten Listenplätze korrekt vergeben wurden. Nach diesem ersten Abschnitt wurde die Tagung unterbrochen und am nächsten Tag fortgesetzt. Die Wahlkampfleiterin entschied diesen zweiten Teil als eine neue separate Veranstaltung – nicht als Fortsetzung des ersten Teils.Die AfD erreichte in der Wahl mehr als die „ erlaubten“ 30 Sitze. Sie hätte nach dem Ergebnis einige Sitze mehr haben können.

Was geschieht jetzt? Die AfD wäre gut beraten, das Ergebnis der Wahlen anzufechten. Mit guten Aussichten auf Erfolg.

Der zweite Verstoß gegen die Demokratie in Deutschland ist die Absprache der im Landtag vertretenen Parteien, keine Gespräche mit der AfD über etwaige Koalitionen zu führen.

In der Vergangenheit war es üblich, dass alle demokratischen Parteien untereinander derartige Gespräche geführt haben – mehr oder weniger kurz oder lang. Einen Ausschluss einer Partei gab es nicht. Selbst „Die Linke“ hat es in einigen Ländern in die Regierung geschafft.

Das ist 2019 anders.

Der Kandidat der AfD hatte in Görlitz 2019 den ersten Wahlgang der OB-Wahl klar gewonnen. Es bildete sich jedoch schnell gegen ihn eine „Koalition der Verlierer“, die den zweiten Wahlgang für sich entscheiden konnte.

In Bremen wurde 2019 nicht der Vertreter der stärksten Partei, der CDU, der den ersten Wahlkampf deutlich gewonnen hatte, Regierender Bürgermeister, sondern der Kandidat einer weiteren „Koalition der Verlierer“.

Das ist legal, aber auch legitim und fair? Das Ansehen der Demokratie wird durch solche Tricks weiter beschädigt, was auch im Ausland mit Schadenfreude registriert wird.

Die Verlierer im Einzelnen

# CDU und SPD haben die schlechtesten Ergebnisse seit der Wiedervereinigung hinnehmen müssen.

In Brandenburg ist die CDU so schwach geworden, dass der Sieger, die SPD, mit ihrem derzeitigen Koalitionspartner allein kaum eine Regierung bilden kann. Eine wackelige Koalition wird aus drei oder vier Parteien bestehen müssen.

In Sachsen ist die CDU mit knapper Mehrheit stärkste Partei geblieben. Eine belastbare Koalition

wird wohl drei Parteien zusammenbringen, die einige Spannungen untereinander einbringen.

# Die FDP hat es in beiden Bundesländern nicht geschafft, in die Landtage zu kommen. Sie muss erkennen, dass mit Jugendlichkeit und Rhetorik ohne Substanz keine Wahlen zu gewinnen sind, zumal sie durch Arroganz gegenüber den Jugendlichen viel Sympathie und Stimmen verloren hat.

# In den beiden „Ostländern“ – ihren früheren Kernländern – hat sich der „Stimmenanteil“ der Linkspartei nahezu halbiert. Weder ihr Programm noch ihr Spitzenpersonal waren attraktiv genug, um ihren Bestand halten zu können.

# In beiden Ländern haben SPD und CDU in den letzten Tagen davon profitieren können, dass viele Wähler sie trotz Bedenken gewählt haben, um Siege der AfD zu verhindern.

# In beiden Ländern wurde von den Verlierern beklagt, dass es an ihrer schwachen Kommunikation gelegen habe. Sie übersehen, dass Rhetorik allein nicht viel bringen kann, wenn es an Inhalten und vorzeigbaren Erfolgen – und damit an Substanz – fehlt.

Der Sieger der Wahl: die AfD

Die Tatsache, dass die AfD in einem für sie „vergifteten“ Umfeld nur knapp an der 30 Prozentmarke gescheitert ist, muss als klarer Erfolg bewertet werden. Dazu haben kluge Reden im Bundestag und im EU-Parlament beigetragen – im Gegensatz zu der Zentrale in Berlin.

Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass es der AfD gelungen ist, weit über 100.000 Nichtwähler für sich zu aktivieren.

Allerdings muss man einige Wermutstropfen in den Wein gießen.

Auf absehbare Zeit wird die Front der anderen Parteien nicht bröckeln – weder auf Landes- noch auf der Bundesebene.

Sie wird gegen die Diffamierungskampagne der anderen „Blockparteien“ und deren willfährige

Medien keine Chance bekommen, die 30 Prozentmarke zu überschreiten.

Sie steht vor der entscheidenden Frage: „Weiter so“ – auch mit dem derzeitigen „Spitzenpersonal“- oder eine einvernehmliche Trennung zu einer „AfD-West“ und eine „AfD-Ost“ nach dem gemeinsamen Motto : “Getrennt marschieren – vereint schlagen“. Sie muss eine „indirekte Strategie“ verfolgen. Ein „Frontalangriff“ auf Berlin hat wenig Aussicht auf Erfolg.

Diese Frage muss die AfD auf ihrem Parteitag im November 2019 mit offenem Ergebnis – ohne Wunschdenken – diskutieren. Mit Wunschdenken ist ein baldiges Zerplatzen der GroKo gemeint.

Eine Möglichkeit ist, die Chance zu nutzen, das derzeitige politische System von unten aufzubrechen.

Die AfD muss in den Gemeinden und Städten, in den Kreisen, Bezirken und auf Landesebene ihre Anstrengungen verstärken, Teilhabe an den Regierungen auf den unteren Ebenen zu erlangen, um ihre Regierungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit unter Beweis zu stellen.

Am Ende des Tages muss sie personell und inhaltlich besser aufgestellt sein, um die Machtfrage in Berlin für sich zu entscheiden. (Artikel-Daten Stand: 02.09. 2019 **)

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*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.

Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.

Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.

In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.

Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.

Nach seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang Chefredakteur des Newsservice worldsecurity.com, der sicherheitsrelevante Themen global abdeckt.

Dieter Farwick ist Beisitzer im Präsidium des Studienzentrum Weikersheim und führt dort eine jährliche Sicherheitspolitische Tagung durch.

Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Publizist, u. a. bei conservo.

**) P.S.: Wegen einer vorübergehenden Sehschwäche nach zwei erfolglosen Augen-OP kann conservo-Herausgeber P. H. seit zwei Monaten kaum lesen und schreiben. Deshalb erfolgt der Abdruck dieses Kommentars leider verspätet.

www.conservo.wordpress.com     9.9.19
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