Schwere Zeiten für Helden

(www.conservo.wordpress.com)

Von DR.PHIL.MEHRENS, AUTOR & PUBLIZIST

Der linksorthodoxe Geschlechtsrevisionismus macht auch vor Kinderfilmen nicht Halt, wie der soeben in Deutschland angelaufene „Playmobil“-Film zeigt. Hier werden klassische Geschlechterrollen zeitgeistgemäß dekonstruiert. Für echte Kerle bleibt da nur die Flucht nach vorn, wie sie Gerard Butler im zeitgleich gestarteten „Angel Has Fallen“ vorlebt.

Was waren das für Zeiten, als Helden noch Helden sein durften! Sie ritten durch die Prärie und stellten böse Banditen im Kugelhagel, retteten unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte die Welt vor größenwahnsinnigen Oberschurken oder jagten als Unbestechliche Al Capone und die Mafia oder andere Gangster. Oft stärkte eine Frau wie Grace Kelly in „Zwölf Uhr mittags“ ihnen den Rücken; als Gegenleistung konnte sie sich des Schutzes eines solchen Leinwandhelden so sicher sein, als ginge es für ihn um das eigene Leben.

Solche Männer teilen inzwischen das Schicksal des Schneeleoparden oder des Eurasischen Luchses: Sie sind vom Aussterben bedroht. Und solche Frauen auch. Die nämlich zwängt das Weltbild elitärer Kreise (und aus solchen beseht nun mal die Filmwelt) inzwischen vorzugsweise selbst in die Helden-, Verzeihung: Heldinnenrolle. Gut besoldete Ermittlerinnen bevölkern die deutschen TV-Kanäle, als hätte irgendwo ein Dampfer mit lauter Polizeikommissarinnen angelegt, die nicht wissen, wo sie hin sollen – also ab zum Fernsehen! Der Frauenanteil unter Tatort– und anderen TV-Hauptkommissaren bildet freilich nicht Wirklichkeit ab, sondern das Wunschdenken von Emanzipations- und Gleichstellungsfanatikern, die sich im Fernsehen ungeniert als Herolde der dahinter steckenden Ideologie betätigen. Tatsächlich gilt bei der deutschen Polizei: Je höher der Dienstgrad, desto niedriger der Frauenanteil. Zwischen den Besoldungsgruppe A 10 und A13 (ein Hauptkommissar ist A 11 oder A 12), berichtete 2016 die Westdeutsche Allgemeine, nimmt er von rund einem Drittel auf 2,08 Prozent ab. Gleichzeitig ist die klassische Rollen­verteilung zwischen einem arbei­tenden Mann und einer Frau, die sich um die Kinder­erziehung kümmert, das am meisten verbreitete Familien­modell in Deutschland.

Mit weiblichen Protagonisten verhält es sich also ein bisschen so wie mit dem Sozialismus in der »DDR«: Wenn Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, dann kann man doch wenigstens im Film dafür sorgen, dass es anders ist. Deswegen sehen wir auch heute noch im nordkoreanischen Staatsfernsehen eine florierende Nahrungsmittelindustrie, auch wenn ein Drittel der Bevölkerung hungert. Wenn die Propaganda die Wahrheit verkündet, wird sich letztere schon irgendwann danach richten.

Auch in der »Playmobil«-Welt, in die im gleichnamigen Trickfilm (Filmstart: 29. August) eine junge Frau namens Marla (Anya Taylor-Joy) und ihr kleiner Bruder Charlie purzeln wie dereinst Alice ins Wunderland, darf jeder kindliche und jeder frauliche Heldentraum Wirklichkeit werden. In der realen Welt ist Marla jäh aus ihren Mädchenwolkenblütenträumen, die sich nährten vom Lebensmotto der Flugpionierin Amelia Earhart: »Das Abenteuer lohnt sich um seiner selbst willen!«, herausgerissen worden. Durch den tragischen Unfalltod ihrer Eltern ist sie zur resignierten Realistin geworden. Um die verblasste Hoffnung auf Selbstverwirklichung zu reanimieren, kommt der Sturz in die animierte Welt von Playmobil gerade recht.

Das Playmobil-Land ist bevölkert von den knuffigen Plastikspielfiguren, die Anfang der Siebziger erfunden wurden, seit damals in vielen Kinderzimmern herumlagen und nun per CGI-Tricktechnik animiert, also buchstäblich zu Leben erweckt wurden. Nachdem Charlie verschüttgegangen ist, rast Marla auf der Suche nach ihm querbeet durch ein kunterbuntes Universum nebeneinander liegender Playmobil-Themenparks:

Wikingerlager, Westernstadt, Geheimdienstzentrale, Dinosaurier-Park, Märchenwald, das antike Rom. Dabei erweisen sich die klassischen männlichen Helden entweder als Rohrkrepierer oder als Tyrannen. Auf jeden Fall ist mit ihnen wenig bis gar nichts anzufangen. Der 007-Verschnitt Rex Dasher wird zwar bei jedem Auftritt von einer Beweihräucherungsfanfare begleitet, lässt sich dann aber enttäuschend leicht entwaffnen. Man hätte es ahnen können, denn mit Matthias Schweighöfer leiht ausgerechnet ein Schauspieler Dasher seine deutsche Stimme, der vielen spätestens seit seinem Film »Vaterfreuden« als Verkörperung des entmannten Mannes gilt und dieses Image sogar gewinnbringend kultiviert. Als Kontrastfigur zu dem gescheiterten Superagenten fungiert der Imbisswageninhaber Del. Der will gar kein Held sein. Er trägt Sandalen, Vollbart und ein dazu passendes potthässliches Hippie-Hemd. Die deutsche Dialogregie stattete den Antihelden kongenial mit der Stimme von Christan Ulmen aus, der im deutschen Film häufig den testosteronarmen Anti-Macho verkörpert. Mehr Dekonstruktion von Männlichkeit geht nicht.

Nach einer Reihe abenteuerlicher Begegnungen weist eine feminismusaffine Fee Marla den Weg – nicht nur zu Charlie, sondern auch zu sich selbst: „Du schaffst es, du verdienst es“, trällert die und macht damit nicht nur Marla, sondern allen Mädchen Mut, sich selbst zu überschätzen. Passend zu dieser ideologischen Fracht erschien ihre deutsche Stimme, Schlagersängerin Beatrice Egli, auf der Deutschlandpremiere des Films in München im kunterbunten Regenbogenrock. Deutsche Sängerinnen biedern sich seit einiger Zeit ja immer aufdringlicher bei den Revolutionsführern der Regenbogenideologie an. Helene Fischer kroch mit „Regenbogenfarben“ dem irren Vielfaltskult in den Allerwertesten und Sarah Connor revitalisierte unsere Kultur mit ihrem geschlechts­revisionistischen Homoversteherlied „Vincent“. Wenn das heutzutage der Preis des Heldinnenruhms ist, wozu da noch ein eigenes Profil zeigen? Schon im Dritten Reich hatten Künstler ja umso mehr Erfolg, je mehr sie ins selbe Horn bliesen wie die Staatspropaganda. Warum sollte das heute anders sein? Der Gleichheits- und Genderkult hat sozusagen den Blut-und-Boden-Kult als Leitideologie abgelöst, die Blödheit der Massen ist geblieben.

Nachdem sich erwiesen hat, dass ein arglistiger Playmobil-Nero Charlie und andere Spielzeughelden entführt hat, um sie im Kolosseum gegen einen von dem Tyrannen losgelassenen Tyrannosaurus antreten zu lassen, gipfelt Marlas Selbstfindungsreise in einer turbulenten Entscheidungsschlacht. Del darf mit seiner fahrenden Frittenbude zwar eingreifen, sein Einsatz bleibt aber seiner Berufung gemäß der eines Hilfskraftshelden. Wer eigentlich lieber hinterm Herd steht, muss keine Wundertaten vollbringen. Das bleibt Marla vorbehalten. So lernen die kleinen Kinogänger, die mit ihren Eltern einem harmlosen Freizeitvergnügen nachzugehen gedachten, quasi nebenbei auch gleich die erste Sure des Genderismus: „Im Namen des allzeit korrekten Gendergottes, des Herrn der Welten, des Allumfassenden und Gerechten, der am Tag des Gendergerichts regiert: Jeder ist sein eigener Gendergott und definiert seine Geschlechterrolle selbst.“ Wem das nicht eingängig genug ist, dem kann geholfen werden: mit magischen Heuballen (man spricht in den entsprechenden Kreisen auch gern von »Gras«). Schließlich – das demonstriert das Filmfinale eindrucksvoll – zähmt Gras sogar höchst aggressive Tyrannosaurier, hier offenbar als Allegorie für in Männlichkeitswahn eingesponnene Ewiggestrige zu verstehen, die einfach nicht aussterben wollen. Die magischen rosa Heuballen aus dem „Playmobils“-Film verleihen buchstäblich Flügel und der Dino hebt ab wie ein mit Helium aufgeblasenes Schwimmtier. Möge dieser Typ Mann auf ewig entschweben oder wie der Plastik-Nero eines Besseren belehrt werden, scheint man uns damit sagen zu wollen.

Aber, ach, vielleicht habe ich das ja auch alles falsch verstanden und total überinterpretiert: Vielleicht sind Playmobil-Nero und Tyrannosaurus Rex vielmehr als Chiffren für eine dekadente, untergehende Welt zu lesen. Vielleicht ist alles eine selbstironische Satire auf Achtundsechziger, Feminismus- und Genderwahn. Vielleicht sollen wir Del belächeln und uns sehnen nach echten Kerlen, die nicht hinterm Herd, sondern als Haudruff ihre Bestimmung finden. Liegt die Wahrheit am Ende nicht auch hier allein im Auge des Betrachters? Aber dann schaut selbiger vielleicht lieber gleich »Angel Has Fallen« mit Gerard Butler.

Oberflächlich betrachtet ist das zwar nur die Geschichte eines Mannes, der unter Migräne und Schlaflosigkeit leidet und verdammt wenig dafür tut, diese Leiden zu lindern. Aber es kommt dann doch recht bald ein Haudegen alter Schule zum Vorschein. Mike Banning heißt er und die Arbeit, der er die unausgesetzten Angriffe auf seine Physis verdankt, ist die des Leibwächters von US-Präsident Trumbull (Morgan Freeman). Die Angriffe kommen nicht ganz überraschend: Sein Beruf hat Banning bereits in »Olympus Has Fallen« und »London Has Fallen« in allerhand missliche Lagen gebracht. Als besonders gemeine Drohnen ein Attentat auf den Präsidenten verüben und dabei außer Banning sämtliche Agenten seiner Leibgarde ums Leben kommen, wird der Schutzengel titelgerecht zum gefallenen Engel und muss sich zunächst der Nachstellungen durch seine eigenen Leute erwehren, ehe er die Verschwörung aufdecken kann, die zu dem heimtückischen Anschlag führte. Die Entdeckung des Millionentransfers einer Moskauer Bank auf Bannings Konto bringt erst mal aber den gesamten Weltfrieden in Gefahr: Steckt Putin hinter allem?

Geschickt spielt der Actionfilm mit den Ängsten des digitalen Zeitalters – Mörderdrohnen, Cyber-Attacken und Lauschangriffe, technischer Kontrollverlust –, um ein Bedrohungsszenario zu entfalten, das leider nicht reine Fiktion ist. Jede Menge Pyrotechnik und visuelle Effekte dienen letztlich aber nur der Bebilderung einer genreüblichen und entsprechend vorhersehbaren Geschichte mit viel Geballer. So bleibt der erste Höhepunkt des Films, der Anschlag auf den Präsidenten durch eine Armada dämonischer Drohnen, das bemerkenswerteste Seherlebnis in diesem Reißer. Er wird höchstens noch durch eine Filmaufnahme vom Hamburger G-20-Gipfel übertroffen. Im Bild: Merkel, Putin und US-Präsident – Trumbull.

Immerhin lässt „Angel Has Fallen“ alle aufatmen, die vorher in „Playmobil“ waren. Denn sie stellen fest: Noch lebt er, der gute, alte männliche Held mit treuer Ehefrau, die zu Hause auf ihn wartet, bis er sein jüngstes Abenteuer – hoffentlich – heil überstanden hat. Nur kann man in den Film natürlich keine Kinder mitnehmen.

www.conservo.wordpress.com     9.9.19

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