(www.conservo.wordpress.com)
Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist
Demokratien vs. Diktaturen
In der Theorie haben Demokratien einen Systemvorteil gegenüber Diktaturen und autoritär geführten Staaten. Dieser Vorteil basiert auf der Gewaltenteilung, den freien Medien – und in Deutschland auf dem Art.1 des Grundgesetzes:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Dazu kommen die Gleichbehandlung von Mann und Frau, die Religionsfreiheit und die individuelle Meinungs- und Pressefreiheit.
Nur – in der Praxis werden tiefe lange Schatten auf die Theorie geworfen.
Viele europäische Staatsbürger haben das Vertrauen nicht in die Demokratie verloren, sondern in die Parteien, die jahrzehntelange die Politik in den meisten europäischen Ländern dominiert haben.
Der Vertrauensverlust geht an die Substanz des „Systems Demokratie“. Das Verhältniswahlrecht ist eine wesentliche Ursache. So gibt es auch in Deutschland kaum noch stabile Zweier-Koalitionen. Der Trend geht in Richtung von Dreier- oder gar Vierer-Koalitionen, deren eigentliche Interessengegensätze einer ungeliebten Koalition widersprechen.
Entscheidend wird die Machtfrage, die mit materiellen Vorteilen verbunden ist – bis hin zu den außerordentlichen Pensionsansprüchen, die sogar nach relativ kurzer „Dienstzeit“ in Anspruch genommen werden können. Vielen Volksvertretern geht es nicht um das „große Ganze“, sondern um die eigene Karriere. Solange es Demokratien finanziell und wirtschaftlich gutgeht, können Geschenke an die jeweilige Klientel Unzulänglichkeiten verkleistern und das politische System stabilisieren.
Ein finanzielle und wirtschaftliche Bedrohung des Wohlstandes führt bei vielen Staatsbürger zu der Frage, ob in Krisenzeiten die Demokratie noch das politisch wünschenswerte System sei kann.Ein Beispiel lieferten die „Gelben Westen“ in Frankreich.
Als export- und importabhängiges Land muss Deutschland an der globalen Weltlage stark interessiert sein. Global zeigen sich Krisen- und Konfliktherde – vom Südchinesischen Meer über den Nahen/Mittleren Osten bis in die Arktis.
Dieser Kommentar konzentriert sich auf Diktaturen oder “autoritär geführte“ Staaten, bei denen die Effizienz höher berwertet wird als der „soziale Frieden“ in Demokratien.
Von außen betrachtet zeigen diese Staaten eine beneidenswerte Effizienz, klare politische Führungspersönlichkeiten, ein durchsetzungsfähiges System von Law and Order, eine Aufgabe der Gewaltenteilung und einer unabhängigen Justiz sowie eine gelenkte Medienlandschaft, die ihre Aufgabe der Kontrolle der Politik zu einem großen Teil aufgegeben hat.
Bürger, die diese Entwicklung kritisieren oder gar bekämpfen, werden ohne Gerichtsverfahren weggesperrt.
Es lohnt sich, die Diktaturen genauer anzuschauen, um zu einen fundierten Urteil zu kommen, da von ihnen die Interessen Deutschlands direkt oder indirekt betroffen sind.
Leider gibt es keine systematische Beobachtung der tatsächlichen und möglichen Konfliktherde durch die Regierung, die sich wiederholt von neuen Herausforderungen überraschen lässt – von der illegalen Masseneinwanderung bis zu den wachsenden Problemen in der Automobilindustrie.
Die größte Ein-Parteien-Diktatur ist China
China hat einen Alleinherrscher – Xi Jinping – auf Lebenszeit gewählt, der die politische Stärke der Kommunistischen Partei Chinas rigoros ausbaut.
Die Hoffnung vieler westlicher Politiker und Bürger, mit China eine „Konvergenz der Systeme“ zu erreichen, hat sich als Illusion erwiesen.
China konnte es sich nicht verkneifen, den Besuch der Bundeskanzlerin zu Propagandazwecken zu missbrauchen.
Ein Photo ging um die Welt: Beim Abspielen der Nationalhymmnen blieb die gesundheitlich angeschlagene Frau Merkel auf dem bereitgestellten Stuhl sitzen, während der chinesiche Ministerpräsident Li aufstand und Haltung annahm. Das Photo macht deutlich: Deutschland unten – China oben. Keine diplomatische Meisterleistung, aber wirkungsvoll.
Xi Jinping führt China an die Weltspitze in allen relevanten Feldern der Politik. Die ehemalige günstige „Werkbank“ ist auf dem Weg zum „High-tech-Giganten“ zumindest auf Augenhöhe mit den USA – mit großem Abstand zu dem Rest der Welt – auch Europas.
Bis zum Jahre 2025 will China in zehn wirtschaftlichen „Leuchttürmen“ zur Weltspitze gehören.
Auf dem Weg zur Weltspitze liegen jetzt große Steinbrocken; Hongkong, Taiwan, Tibet und die westliche, überwiegend von Muslimen bewohnte Provinz Xinjiang.
Es wird sich zeigen, wie China diese Steinbrocken beseitigen kann.
Zur Zeit stellt die Lage in Hongkong die größte Herausforderung für Xi Jinping dar, der von seinem Charakter her eine „harte“ Losung einschließlich des massiven Einsatzes von Militär und Polizei – einschl. militanter chinesischer Banden – den sog. “Triaden“ – bevorzugt. Bisher droht er „nur“ durch einen militärischen Aufmarsch in der Nachbarprovinz Guandong.
Die Erinnerung an das Massakers an unbewaffneten Demonstranten im 4. Juni 1989 auf dem „Platz der Himmlischen Friedens“ in Peking und in 80 anderen Städten durch massiven Militär- und Polizeieinsatz mit Hunderten Toten und mehr Verwundeten scheint auch Xi Jinping zu leiten, eine Wiederholung eines Massakers vermeiden zu wollen. Er weiß, dass eine Wiederholung eines Massakers dem insgesamt positiven Image Chinas in der Welt auf Jahre schaden wird. Bis heute ist das Massaker in der chinesischen Öffentlichkeit ein Tabu. Es gibt keine Aufarbeitung. Verstöße werden bestraft.
Im Westen ist wenig bekannt, dass der im Westen hoch angesehene Deng Xiaoping den Befehl zum Militär- und Polizeieinsatz gegeben hat.
Sollte der Aufstand der Jugendlichen in Hongkong ein ähnliches Ende finden, wäre dies ein Desaster für China – und die deutsche Wirtschaft.
Diese Befürchtung dürfte die Ursache für die bisherige „Zurückhaltung“ der Pekinger Führung sein.
Aber die chinesischen Staatsmedien weisen darauf hin, dass „am Ende des Tages“ die Machtfrage durch Polizei und Militär mit Gewalt beantwortet wird. Die Schuld an den Demonstrationen werden dem Westen – in erster Linie den USA – vorgeworfen.
Ein gesichtswahrender Kompromiss ist nicht in Sicht.
Ähnliches gilt für die Frage um „Taiwan“, das die chinesische Führung als „ abtrünnige Provinz“ bezeichnet und eines Tages wieder re-integrieren will.
Das größte Hindernis ist die Garantieerklärung der USA, Japans und Südkoreas für die Existenz Taiwans. Darüber hinaus ist Taiwan ein im Westen angesehener, wirtschaftlich erfolgreicher Staat, in dem die Menschenrechte geachtet werden.
Eine militärische Eroberung Taiwans über die Straße von Taiwan ist durch die militärische Abwehr an der Straße und durch die Unterstützer Taiwans nicht handstreichartig möglich. Ein langer Krieg kann nicht im Interesse Chinas sein.
Auch in Taiwan gibt es Parteien, die für eine engere – friedliche – Zusammenarbeit werben. Reiche Taiwanesen sind auf dem Immobilienmarkt des Festlandes schon seit Jahren aktiv. Der Tourismus zwischen beiden Ländern ist nicht nur am chinesischen Neujahrsfest ein besonderes Ereignis.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass China offiziell noch an der Re-Integration Taiwans fest hält, aber die Frage in der operativen Politik pragmatisch behandelt.
Die Folgen der Auseinandersetzung in Hongkong werden sich bei den nächsten Wahlen in Taiwan zeigen.
Eine „friedliche“ Lösung wie in Hongkong dürfte für die Mehrheit in Taiwan in weite Ferne gerückt sein.
Das gilt auch für die überwiegend von Moslims bewohnte Provinz Xiajiang, die für China eine große geostrategische Bedeutung hat – auch für die Verwirklichung der „ großen“ Strategie – „ one belt, one road“ – in Richtung Westen und Europa. Der Duisburger Binnenhafen ist heute bereits von großer Bedeutung für China als „Brückenkopf“ in Europa für den Umschlag von Waren vom Land auf das Wasser.
Eine Blockade durch die Muslime in Xinjiang würde die chinesischen Ziele einer schnellen Transportverbindung nach Westen be- oder verhindern.
Xiajiang ist heute ein kompletter Überwachungsstaat – ein Vorbild für Gesamtchina. Es gibt glaubwürdige Angaben, dass von den 10 Millionen Uiguren ungefähr eine Million in sog. “Umerziehungslagern“ isoliert sind. Ein perfektes Gesichts– und Bewegungserkennungssystem liefert über besondere Kommunikationswege in Sekundenschnelle Verstöße gegen „Wohlverhalten“. Dazu gehört auch das Abweichen vom vorgezeichneten Weg zur Arbeit und zurück.
Wohlverhalten und Verstöße werden in einem individuellen Punktesystem registriert und bewertet.
Wohlverhalten bringt auch Vorteile im Beruf und in der Partei, während Verstöße bestraft werden – z.B. Verbot von Reisen nach Peking.
Xiajiang ist eine schwärende Wunde, die immer wieder aufbricht.
Diese zugespitzte Lage gibt es in Tibet aktuell nicht (mehr). Die Tibeter fühlen sich von China unterdrückt, die neuen strategischen Eisenbahnverbindungen nach Tibet dienen primär nicht der Belebung des Tourismuss, sondern der schnellen Verlegung von Polizeikräften und Militäreinheiten aus Zentralchina nach Tibet.
Chinas Führung kann nicht entspannt nach Tibet blicken. Der im Exil lebende Dalai Lama hat unverändert großes Ansehen und Gefolgschaft in Tibet. China erhofft sich durch den Tod des Dalai Lama eine Schwächung des Widerstandes in Tibet.
China hat genügend Kräfte und Mittel, mit den aufgezeigten Konfliktherden fertig zu werden.
Für China wäre es ein GAU, wenn Funken von einem Konflikt auf ein oder zwei andere Konfliktherde übersprängen. Das könnte in China zu einem Flächenbrand führen, der nur schwierig zu löschen wäre.
Deswegen sieht Xi Jinping die große Gefahr einer „bunten Revolution“ – die auch zum Kollaps der einst großen Sowjetunion beigetragen hat. Bei einer vorsichtigen Öffnung zu demokratischen Elementen in seiner Politik befürchtet er, dass eine solche Politik als Schwäche ausgelegt werden könnte – der Anfang vom Ende der Ein-Parteien-Diktatur in China.
Diese Gefahr sieht er in der Nachbarprovinz Guandong, in der es Sympathien für eine Demokratisierung Hongkongs und dem übrigen China gibt. Peking sieht in dieser Provinz ein mögliches Einfalltor für den Bazillus „Demokratisierung“. Der militärische Aufmarsch an der Grenze zu Hongkong dient zugleich der Abschottung Guandongs und der Abschreckung der Aufständischen in Hongkong, die Grenze als „rote Linie“ zu betrachten, deren Überschreiten den Einsatz von Polizei und Militär zur Folge haben würde.
Wie nervös die chinesische Regierung in Sachen Hongkong handelt, zeigt die übertriebene Reaktion auf ein informelles Gespräch, das Außenminister Maas informell im Rahmen einer Veranstaltung in Berlin mit Joshua Wong, dem „Gesicht“ des Aufstandes, geführt hat.
Sie ist gewohnt, dass sich die von China abhängigen Autobosse Deutschlands auf Knien durch die Paläste Pekings bewegten. Peinlich. Früher nannte man das Kotau nach dem Motto: Erst kommt der Profit, dann die Moral. Peinlich.
Hongkong wird – je länger der Aufstand andauert – zur Machtfrage für China.
Putin-Russland – der Kampf um Anerkennung als globale Macht
Der Zusammenbruch der Sowjetunion war und ist für Putin „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Er verurteilt den Versuch als großen Fehler, in Russland eine Demokratie aufzubauen. Russland ist bei diesem Versuch gescheitert, aber dieser Prozess hat die ehemalige Sowjetunion vieler Menschen und Republiken beraubt, die gegen den Willen Putins sogar politisch die Seite zur NATO gewechselt haben. Zusätzlich gab es die Demütigung durch den Westen, der die Schwäche Russlands – in der Person Jelzins – ausgenutzt hat.
Das ist das Credo Putins und die Triebfeder seiner globalen Politik.
Es ist die Ironie der Geschichte, dass Putin in seinem Anspruch auf „Augenhöhe“ mit China und den USA die Fehler wiederholt, die wesentlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt haben: die Überschätzung der eigenen Ressourcen und die Unterschätzung des Potentials der Weltmächte China und der USA – mit einem geringer werdenden Abstand zu Indien.
Diese drei Staaten spielen zum Ärger Putins in einer eigenen Liga.
In der Zusammenarbeit mit China spielt Russland den „Junior Partner“ – wider Willen. Er hatte gehofft, Russland könne als „Öl- und Gasmacht“ China in eine große Abhängigkeit von Russland führen. Er hat die Weitsicht der chinesischen Führung unterschätzt, die eine Rohstoffpolitik betreibt, die Macht und Einfluss Russlands minimiert durch den weiteren nationalen Ausbau der Kernenergie, der Kohle- und Gasenergie sowie die Diversifikation der Rohstoffimporte – z.B. aus Australien.
Seit Jahren macht er eine Politik, die von den Ressourcen Russlands nicht länger getragen werden kann.
Seine Bevölkerung veraltet – auch von chronischen Alterserkrankungen geplagt, was zur Altersarmut führt. Die Entwicklung wird verschärft durch die niedrigen Renten, die vielen pensionierten Russen kein Leben „in Würde“ ermöglicht. Die Lücke zwischen Russlands global ausgreifender Machtpolitik und der Wahrnehmung der Nöte der Bevölkerung wird immer größer.
Bei den jüngsten Kommunalwahlen in Moskau hat Putins Partei erstmals 15 von 40 Sitzen im Stadtparlament verloren, obwohl der Staat vieles getan, um Kandidaturen von „gefährlichen“
Menschen überhaupt zu verhindern. Das schlechte Abschneiden seiner Partei ist auf eine Verschlechterung der Versorgungslage der Bevölkerung zurückzuführen.
Zu diesem Rückgang seiner Popularität trägt auch das langjährige militärische Engagement zu Gunsten des syrischen Präsidenten Assad in Syrien bei, das Russland menschliche Opfer, Geld und Zeit kostet.
In den letzten Tagen gab es Schlagzeilen in westlichen Medien, die von einem Spionagefall in der näheren Umgebung von Putin im Kreml berichten. Es geht um den Russen Oleg Smolenkow, der als CIA-Agent bis 2017 im Kreml gewirkt hat und heute mit seiner Familie in den USA leben soll. Das ist für den „Sicherheitsfanatiker“ Putin ein unangenehmer Vorgang. Für ihn als ehemaligen KGB-Mann ist „Verrat das größte Verbrechen“. Spione werden im Ausland gejagt – und auch umgebracht.
Die nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahre 2024 werden wohl kein Selbstläufer für das „System Putin“ werden. Es wird sich zeigen, ob Putin noch einmal antritt – nach einer Gesetzesänderung – oder nicht.
Die Türkei – die Alleinherrschaft von Recyp Erdogan verliert an Rückhalt
Der Alleinherrscher in seinem Palast der tausend Zimmer schwamm bis zum fehlgeschlagenen Putsch 2016 auf einer starken Welle des Erfolges. Die türkische Wirtschaft boomte, die türkische Lira war stark. Erdogan galt als Hoffnungsträger der muslimischen Welt. Er tanzte auf zwei Hochzeiten: Er blieb in der NATO – trotz der Einkäufe moderner Luftabwehrraketen SA-900 in Russland – und diente sich Putin als Partner im Nahen Osten an. Der Kauf dieser Raketen war eine große Kröte, die von der NATO geschluckt wurde, um die Türkei als wichtiges geostrategisches Mitglied in der NATO zu halten. Über diese Entscheidung wird noch heute in den NATO-Mitgliedstaaten gestritten.
Erste Anzeichen eines Widerstandes gegen Erdogan waren die Demonstrationen im Gezi-Park ab 2013 in Istanbul. Die Bevölkerung Istanbuls kämpfte für die Erhaltung dieses Erholungsparkes und gegen die Errichtung eines neuen Wohnungsviertels an seiner Stelle.
Die Präsidentschaftswahlen in der Türkei im Jahre 2018 gewann Erdogan – trotz eines Verlustes von 7 Prozent – mit starker Unterstützung der Auslandstürken, besonders aus Deutschland. Bei seinen Wahlkampfauftritten, die von deutscher Seite – seltsamerweise – genehmigt waren, sprach Erdogan die in Deutschland lebenden Türken als seine „fünfte Kolonne“ an, auf die er sich in schwierigen Zeiten verlassen können muss.
Diese „schwierigen Zeiten“ kamen schneller als erwartet. Der Putsch wurde von Polizei und Militär niedergeschlagen. Aus militärischer Sicht war der Putsch schlecht vorbereitet und durchgeführt.
Ohne handfeste Beweise schob Erdogan die Schuld der Gülenbewegung in die Schuhe. Gülen war lange Jahre ein enger muslimischer Begleiter Erdogans, bis er sich in einem religiösen Streit von ihm trennte und in die Vereinigten von Amerika ins Exil ging und von dort seine einflussreiche „Gülenbewegung“ führte. Wichtige Positionen in der Politik, in den Geheimdiensten, in der Polizei und Militär wie auch in der Justiz und im Bildungswesen besetzte er mit Gefolgsleuten.
Aus der Distanz war nicht zu beurteilen, ob und wie Gülen Erdogan gefährden könne.
Der Putsch war für Erdogan jedoch eine willkommene – oder gesuchte? – Gelegenheit, mit Gülen und seinem Anhang brutal abzurechnen.
Hunderttausende von tatsächlichen – oder vermeintlichen – Gülenanhängern wurden aus ihrem beruflichen Umfeld ohne Gerichtsbeschluss entfernt. Hohe Politiker, Militärs und Polizeibeamte, Professoren sowie Diplomaten verließen rechtzeitig die Türkei oder blieben in Ländern, in denen sie Dienst geleistet hatten, und beantragten Asyl – mit bis heute steigenden Zahlen.
(Eine perönliche Anmerkung des Verfassers: In meiner Laufbahn habe ich etliche türkische Generale, Stabsoffiziere und niedere Offiziersdienstgrade kennengelernt: Ich war jedes Mal von ihrem Leistungswillen und ihrer Leistungsfähigkeit sehr angetan . Auch von ihrem Auftreten, ihrer Selbstdisziplin und ihren Sprachfähigkeiten.)
Seitdem geht es mit Erdogan und mit der Türkei bergab. Es erwischte auch Reporter und Journalisten – im Ausland oder an ihrem Arbeitsplatz in der Türkei.
Ohne Zweifel: Diese illegalen Säuberungen vernichteten einen großen Teil der sog. „Eliten“, die Qualität und Effizienz in den betroffenen Bereichen verschlechterten sich. Etliche hochqualifizierte Positionen sind bis heute nicht besetzt.
Die beiden größten Niederlagen musste Erdogan in „seiner Stadt“, in der er erfolgreicher Bürgermeister war, erleiden.
Der Vertreter der Opposition, Ekrem Imamogli, gewann überraschend die Wahl, die jedoch vom Alleinherrscher Erdogan annuliert wurde. Er erreichte eine Wiederholung der Wahl. Damit schoss er ein Eigentor. Ekrem Imamogli gewann auch diese zweite Wahl gegen den Machthaber, der mit großem Aufwand, List und Tücke die Scharte auswetzen wollte. Seine Partei verlor die Mehrheit auch in Ankara. Eine schwere, folgenreiche Schlappe.
Bei den Präsidentschaftswahlen 2018 verlor Erdogans Partei 7 Prozent und damit auch die absolute Mehrheit. Er brauchte einen Koalitionspartner – eine nationalistische Partei.
In jüngster Zeit mehren sich die Zahlen derer, die die AKP verlassen und neue Parteien gründen wollen – u.a. der ehemalige Parteivorsitzende und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, der in Deutschland ein gutes Ansehen hatte.
Der Abstieg von Erdogan und der Türkei begann: Die Wirtschaft fiel in eine Rezession, die Lira vollzog einen Sturzflug, auch weil ausländische Investoren ihr Geld zurückgezogen haben.
Der Traum einer Belebung des „osmanischen Reiches“ war damit geplatzt.
Sein außenpolitisches Engagement geriet in Schwierigkeiten. Es gab einen entscheidenden Interessenkonflikt zwischen der Türkei und Russland, das mit allen Mitteln den syrischen Machthaber Assad im Amt behalten wollte, während Erdogan Assad aus dem Amt jagen wollte, um an dessen Stelle Führer des bereits angesprochenen „Osmanischen Reiches“ zu werden.
Erdogan machte zunächst Pluspunkte mit dem Türkei-EU Deal – von Merkel stark unterstützt. Für einige Milliarden verpflichtete er sich, den Flüchtlingsstrom aus der Türkei nach Europa zu stoppen.
Ähnliche Abkommen gibt es von der EU und einigen europäischen Staaten mit anderen nordafrikanische Staaten, die die Gelder aus Europa auch dazu nutzen, unter grober Verletzung der Menschenrechte Flüchtlinge aus der Sahel-Zone und den Ländern südlich davon an dem Durchmarsch an das Mittelmeer – dem Tor zu Europa – zu hindern.
Heute sind unter den illegalen Migranten zunehmend auch Menschen aus Asien.
Europa hat sich mit blutigem Geld die sinkenden Zahlen der Migranten über das Mittelmeer erkauft.
Allerdings spitzt sich die Lage wieder zu. Die Angriffe Syriens – mit Unterstützung der russischen Luftwaffe – gegen den verbleibenden „Brückenkopf“ des IS und der Kurden Idlib – werden die Zahlen der aus Syrien flüchtenden Menschen – es können bis zu 3 Millionen werden – deutlich erhöhen. Erdogan zielt auch auf eine „ kurdenfreie Zone“ im syrischen Grenzgebiet zur Türkei.
Aus diesem Grund verlangt Erdogan mehr Geld von der EU und versucht, die Zahl der rd. 3,6 Millionen Flüchtlinge durch Abschiebung nach Syrien deutlich zu reduzieren.
In der jüngsten Zeit erleben besonders griechische Inseln eine zunehmende Zahl von illegalen Einwanderern mit Schlauchbooten aus der Türkei, die die Nähe dieser Inseln ausnutzen. Griechenland ist mit dieser neuen Einwanderungswelle deutlich überfordert und verlangt die Weiterführung in europäische Länder. Der frühere „Hardliner“ Seehofer verstärkt die neue Politik seines „grünen“ Nachfolgers Söder.
Er hat – nach Rücksprache mit der Kanzlerin(?) – lauthals verkündet, dass Deutschland von den „geretteten“ Migranten, die über das Mittelmeer kommen, 25 Prozent aufnehmen werde. Für eine Gemeinschaft von 27/28 Ländern ist das ein sehr generöses Angebot Deutschlands. Aber was macht man nicht, wenn wichtige Wahlen Ende Oktober in Thüringen stattfinden, bei denen eine weitere Niederlage der CDU droht?
Es wird sich erweisen, wie lange der Türkei-EU-Deal noch hält.
Wenn er nicht mehr Geld bekommt, kann er seine Drohung umsetzen, den Migranten wieder den Weg über das Mittelmeer zu öffnen – für den nächsten Tsunami. Er verfügt über die Eskalationsdominanz.
Was bedeutet diese Weltlage für Deutschland ?
Die drei für Deutschland wichtigsten Diktaturen stecken in einer Krise unterschiedlichen Ausmaßes und unterschiedlicher Relevanz für Deutschland. Es ist ein wichtiges Merkmal von Krisen: Sie führen nicht zwangsläufig zu einem Kollaps. Durch eine geschickte Politik kann die Krise gemeistert werden. Die Chancen auf „Heilung“ sind abhängig vom nutzbaren Spielraum.
Chinas Krise und Deutschland
Es zeigt sich heute in aller Schärfe, dass Deutschland in eine zu große Abhängigkeit von China geraten ist. Die früheren Erfolge der wirtschaftlichen Zusammenarbeit haben die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft geblendet. Eine einseitige Abhängigkeit – wie z.B. in der Automobilindustrie – ist eine gefährliche Lage. Die ersten Bremsspuren auf deutscher Seite sind erkennbar: Daimler hat in Sindelfingen die Anzahl der Schichten bereits reduziert, die Zulieferfirmen haben auf zurückgehende Aufträge auch mit ersten Entlassungen und mit Überlegungen zur Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland – wie z.B. bei ZF Friedrichshafen – reagiert.
Es gibt nur wenige „Pläne B“ in Politik und Wirtschaft.
China hat die Daumenschrauben zur Verfügung, um z.B. die deutsche Automobilindustrie zur Erfüllung seiner Interessen und Wünschen zu zwingen. Dazu zählen auch Quoten für den Bau von E-Autos in China.
Die Attraktivität von E-Autos wird durch mangelhafte Ladeinfrastruktur eingeschränkt. Es ist eine Zwickmühle:
Die fehlende Ladeinfrastruktur reduziert den Kauf von E-Autos, die geringe Zahl von E-Autos reduziert die Bereitschaft zum Bau von Ladestationen.
Hinzukommt die Abhängigkeit von überwiegend ausländischen Batterien.
Die diesjährige IAA hat mit der zu erwartenden Entwicklung wenig zu tun. Es sind die SUVs, die den Automobilbauern den höchsten Gewinn abwerfen. Sie bestimmen das Bild der IAA.
Die Kritik an diesen SUVs steigert sich bedenklich. Sie werden diffamiert oder sogar verteufelt. („Straßenpanzer“ – Steger). Nach einem schweren Unfall mit vier Toten wurde – bevor die Unfallursache untersucht werden konnte – der SUV- Fahrer bereits als Mörder verurteilt.
Frauen, die relativ viele SUVs fahren, werden in Zukunft andere Fahrzeuge kaufen, um auf der Fahrt zum Einkauf und zum Kindergarten nicht angepöbelt zu werden.
Die deutsche Regierung will den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor in den kommenden Jahren verbieten.
Die De-Industrialisierung Deutschlands als Ziel der Grünen und ihren Anhängern wird als Ziel immer deutlicher. Selbst E-Autos werden abgelehnt, man will den Verkehr insgesamt reduzieren.
Dass PCs in Deutschland pro Jahr mehr CO2 ausstoßen als die Autos in Deutschland, wird verschämt verschwiegen. Es könnte Menschen zum Nachdenken zwingen. Gerade das wird nicht gewollt.
Deutschland muss sich – auch wenn es weh tut – aus der einseitigen Abhängigkeit von China befreien. Eine Rückverlagerung von Produktionsstätten aus dem Ausland nach Deutschland muss unverzüglich eingeleitet werden. Das ist eine vordringliche Aufgabe der Politik – gegen Widerstände der sog. „Umweltschützer“.
Mit ihren überzogenen, rigorosen Forderungen machen sie Deutschland vielleicht „grüner“, mit Sicherheit jedoch „ärmer“ – aber mit besserem Gewissen.
Deutsche Politik muss einsehen, dass Deutschland mit einem Anteil von 2 Prozent am globalen CO2-Ausstoß die Welt nicht „genesen“ lassen kann. Das „Klimapaket“, das am 21. September d. J. vorgestellt wurde, wird bestimmt durch Liebe, Glaube und Hoffnung.
Das ist für folgende Generationen eine schlechte Nachricht.
Es ist nicht zu erwarten, dass der auf Lebenszeit gewählte Alleinherrscher Xi Jinping einen Kompromiss eingeht, der ihm als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden kann. Das Gesicht zu verlieren, ist in China eine Schande.
Auf der anderen Seite haben auch die Rebellen die „rote Linie“ überschritten. Auch sie können ihr Gesicht verlieren, wenn sie zurückweichen.
Deutschland kommt als Vermittler nicht in Frage. Deutschland muss eine kohärente Sicherheits- und Außenpolitik gegenüber China entwickeln, die es heute nicht gibt – dazu gehört eine gemeinsame Position zur Übernahme deutscher Unternehmen durch China und zur Beteiligung chinesischer Firmen bei dem Ausbau des G 5-Netzes.
Es wird ein langer qualvoller Prozess.
Die Entscheidung der Machtfrage wird China verändern – und damit auch die Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland.
Putin-Russland und Deutschland
Die schwächelnde Wirtschaft Russlands, die Korruption, die Altersarmut und das knappe ressourcenfressende Militär sowie die westlichen Sanktionen gegen Russland zeigen Wirkung – in Kombination mit dem Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen schwächen das „System Putin“.
Selbst wenn Putin über den Ernst seiner Lage informiert sein sollte, wird es für Deutschland schwer werden, zu „normalen“ Beziehungen zurückzukehren.
Besonders im Osten Deutschland mehren sich die Stimmen offizieller Politiker – siehe Ministerpräsident Kretschmer in Sachsen –, die Sanktionen gegenüber Russland zu lockern, um die Verluste besonders der ostdeutschen Wirtschaft im Handel mit Russland zu reduzieren oder gar aufzuheben.
Die Verquickung von politischen und wirtschaftlichen Ursachen erschwert jede Lösung, da die Sanktionen auch von der EU und den Vereinigten Staaten entschieden und getragen werden.
Eine Zusammenarbeit mit Russland wird schwierig. Putin muss bereit sein, Gründe für westliche Sanktionen zu beseitigen – z.B. die illegale Übernahme der Krim.
Deutschland und die Türkei
Was kann Deutschland gegen die fortdauernde Erpressungsversuche tun?
Leider sehr wenig.
Erdogan wird angesichts seiner wirtschaftlichen und wachsenden innenpolitischen Probleme die ihm verfügbaren Instrumente der Erpessung weiter zu nutzen versuchen.
Mit über vier Millionen Türken in Deutschland, die ihn mit großer Mehrheit gewählt haben und ihm unverändert ergeben sind, kann er Unruhen in Deutschland entfachen, die von der Polizei nicht eingedämmt werden können. Starke, wohlhabende türkische Familienclans haben über Jahrzehnte Quartiere in Deutschland geschaffen, die sie beherrschen und „no-go-areas“ auch für die deutsche Polizei geschaffen. Der Polizei sind durch fehlende Rückendeckung der Politik und der Bevölkerung die Hände gebunden.
Die größere Bedrohung kann durch den „EU-Türkei-Deal kommen.
Erdogan hat die Eskalationsdominanz: Er kann offiziell drohen und praktizieren, scheibchenweise wieder mehr Migranten nach Europa zu lassen, wenn er das geforderte Geld von der EU oder europäischen Staaten nicht zeitnah erhält.
Er kann seine Position dadurch verstärken, dass er Teile der in Deutschland lebenden Türken als Drohkulisse aufbaut.
Deutschland kann wenig dagegen tun. Durch seinen „Alleingang“ im September 2015 hat es in Europa Ansehen und Unterstützung verloren. Viele Europäer verlangen von Deutschland, die Suppe auszulöffeln, die es für Europa gekocht hat.
Die frankophile Ursula von der Leyen wird wenig tun wollen und können, Deutschland auf dem Weg zu der gewünschten „europäischen“ Lösung zu unterstützen.
Auf der deutschen politischen Agenda steht ein anderes politisches Thema an der Spitze: der Klimaschutz, der nach dem Willen der Grünen zu einer De-Industrialisierung Deutschlands führen darf – sowie der Schutz der GroKO.
In den nächsten Monaten werden sich die Bundes- und Landesregierungen auf dieses Thema fokussieren, um die ungeliebte und ineffiziente EU samt Euro zu retten.
Für schwierige Verhandlungen mit China, Russland und der Türkei fehlt in Deutschland das strategische Denken und Handeln sowie Demut und Geduld in Politik und Wirtschaft.
Das deutsche Militär spielt in der Gleichung der Machtfaktoren keine wesentliche Rolle mehr, da es in den 14 Jahren unter Merkel – und die letzten fünf Jahre unter Frau von der Leyen – durch bewusste Unterfinanzierung seine Substanz und Einsatzfähigkeit verloren hat.
Durch die Politik der letzten Jahre tendiert der deutsche Behauptungs- und Verteidigungswille gegen Null.
Wofür lohnt es sich, in Deutschland noch zu kämpfen? Es gibt keine überzeugende Antworten der politische Führung.
**********