(www.conservo.wordpress.com)
Von DR.PHIL.MEHRENS
Vor 500 Jahren begann die große Wirkungszeit von Ulrich Zwingli. Ein Kinofilm würdigt den Schweizer Reformator. Aus diesem Anlass mein Beitrag zum Reformationstag:
In »Zwingli – Der Reformator« wird die Ära der Reformation filmisch noch einmal lebendig. Die Schweizer Produktion kommt am Reformationstag in die deutschen Kinos. Ein Anlass zurückzublicken auf Leben und Wirken des »Alpenluther«, dessen aktive Zürcher Phase vor 500 Jahren begann.
Zwei Jahre nach dem folgenreichen Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche begann die Zeit des nach Luther bedeutendsten deutschsprachigen Reformators: Ulrich Zwingli. »Fang mir nicht an, hier herumzufuhrwerken wie der Luther«, warnt Johann Faber, der Vertreter des zuständigen Bischofs von Konstanz, den umtriebigen Geistlichen bereits kurz nach dessen Amtsantritt am Zürcher Großmünster. Zwingli hat nämlich rasch erkennen lassen, dass er dieselben Grundübel im Visier hat wie sein berühmter Thüringer Zeitgenosse: Ablasshandel, Korruption und eine abgehobene Gottesdienstpraxis, die das einfache Volk ausschließt, weil es des Lateinischen nicht mächtig ist. Ein Konflikt mit der katholischen Orthodoxie ist unausweichlich. Im Film findet er seinen vorläufigen Höhepunkt in der Disputation zwischen Zwingli und dem Generalvikar Faber. Und die endet mit einem handfesten Eklat: »Meister Zwingli ist in keinem einzigen Punkt widerlegt worden«, urteilt der große Rat von Zürich und spielt damit eine ähnliche Rolle wie im Konflikt zwischen Luther und der Kurie Friedrich der Weise, der in dem bekannten »Luther«-Film von Eric Till von Filmlegende Peter Ustinov verkörpert wurde. Solche Großkaliber kann der mit erkennbar kleinerem Budget produzierte Film des Schweizers Stefan Haupt nicht auffahren, in Bildgestaltung und Dramaturgie orientiert sich die 3-Sat-Koproduktion gleichwohl an dem international erfolgreichen Reformationsdrama von 2003. Dazu passt, dass Joseph Fiennes, der Hauptdarsteller in Tills Film, mit dem historischen Luther äußerlich genauso wenig Ähnlichkeit hat wie Max Simonischek mit dessen Zürcher Pendant.Parallel zur Auseinandersetzung mit der Kirche verläuft Zwinglis Romanze mit der Kriegerwitwe Anna Reinhart, die sich rührend um Zwingli kümmert, als der an der Pest erkrankt. Die »wilde Ehe« der beiden greift der Film mit einer gewissen Ergötzlichkeit auf, weil dies den frommen Priester in einer Weise als modern zeigt, die sich bestens auf gegenwärtige Debatten zu Kirche und Moral übertragen lässt. Dabei hätte Zwingli gern früher geheiratet; es war ihm als katholischem Geistlichen nur nicht gestattet. Als der Ketzerei-Vorwurf vom Tisch ist und der Kirchenrebell Anna, in bewusster Auflehnung gegen das Zölibatsgebot, endlich doch zum Traualtar führen kann, endet der Hauptspannungsbogen des Films. Der Versuch, in der Aneinanderreihung der vielen weiteren Konflikte im Leben des Reformators neue Spannung aufzubauen, gelingt nur teilweise. Weitere Attacken der Katholiken, die Gemeinschaftsarbeit an der Zürcher Bibel (die noch vor Luthers Bibelübersetzung fertig wurde), der Streit mit den Bilderstürmern, die Sezession der radikalen Täufer, die Hinrichtung ihres Anführers Felix Manz auf Befehl des Rates und schließlich die Kappeler Kriege, der Kampf der Reformierten gegen ein katholisches Bündnis: Der Film spult Zwinglis wichtigste Lebensstationen in lockerer Folge ab, ohne erkennen zu lassen, was ihn zutiefst antrieb. War es die Liebe zum Wort Gottes? War es soziale Betroffenheit? Oder schlummerte in diesem Mann immer schon der Rebell?
»Zwingli – Der Reformator« ist kein großes Existenzdrama, in dem alles unaufhaltsam auf die finale Katastrophe, Zwinglis Märtyrertod im zweiten Kappeler Krieg, zuläuft. Dafür hätten die Autoren eine Vision davon entwickeln müssen, was Zwinglis innere Triebkräfte waren. In der Interpretation von Stefan Haupt hat man als Zuschauer das Gefühl, in den verschiedenen Abschnitten seines Jahrzehnts am Zürcher Großmünster auch sehr verschiedenen Zwinglis gegenüberzutreten. Vieles – etwa der wichtige Konflikt mit Luther – bleibt überdies nur angedeutet und wird nicht auserzählt. Trotzdem lohnt sich das Zwei-Stunden-Epos: als visuell ansprechender Geschichtsunterricht, in dem eine Zeit filmisch zu neuem Leben erwacht, die bis heute prägend für ganz Europa ist.
»Christsein heißt nicht von Christus schwatzen, sondern ein Leben führen, wie es Christus geführt hat«, lässt das Drehbuch den renitenten Reformer in einer Predigt mahnen. Es klingt wie ein Bußruf an die Kirche von heute, die das Schriftverständnis der Reformatoren verraten hat und aus Machtkalkül dem Relativismus huldigt. Während die Agenda der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) längst bis zur Unkenntlichkeit mit den Programmen von Linksautonomen, Feministen und Grünen verschmolzen ist, fristen Pietisten und Evangelikale, die ohne Kompromisse an Luthers und Zwinglis Sola scriptura festhalten, ein Schattendasein.
Auf dem 37. EKD-Kirchentag in Dortmund, wo die Verkündigung des Wortes Gottes und der Bußruf Christi an eine von Sünde geknechtete Welt im Mittelpunkt hätte stehen sollen, durfte man im Workshop »Vulven malen« sein Verhältnis zum weiblichen Geschlechtsorgan entstören lassen und an Seminaren wie »Schwul, lesbisch – na und? Mit der Bibel gegen Homophobie« fassungslos zuhören, wie das Wort Gottes durch den ideologischen Schredder bestimmter Interessengruppen gejagt wurde, um es mit rot-grüner Dogmatik kompatibel zu machen. Schon längst gleicht die Theologie der Kirche, ausgehend vom Konzept der Bibelkritik, dem bewährten Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht. Längst hat, in bewusster Abkehr von der Ethik des Apostels Paulus, der nach heutigem Sprachgebrauch ein »homophober« Ketzer wäre (vgl. Römer 1), sogar die geschlechtsrevisionistische Perversion des Komplementaritätsmodells, wie es dem Glaubenden im Schöpfungsbericht der Genesis verdeutlicht wird, den kirchlichen Segen bekommen. Im Rheinland, in Berlin-Brandenburg, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Baden, in der Nordkirche und auch in der Reformierten Kirche, die auf Zwingli zurückgeht, hat sich die Kirche zur Anerkennung der »Gleichwertigkeit gleichgeschlechtlicher Liebe, Sexualität und Partnerschaft« bekannt. Gleichgeschlechtliche Paare können sich in einem öffentlichen Gottesdienst trauen lassen.
»Es tut mir leid, aber die EKD ist völlig am Ende und hat nichts mehr mit dem Christentum zu tun. Sie wird endgültig eine die Gesellschaft spaltende Sekte, die nur links-grüne Indoktrination übernimmt«, kommentierte ein Twitter-Nutzer im Juni den Kirchentag. Tatsächlich gibt es von Jesus kein einziges überliefertes Wort, das Interpretationsspielräume dafür eröffnen würde, dass für ihn die homosexuelle Partnerschaft etwas anderes ist als einen klarer Verstoß gegen die Thora (Levitikus 20,13), die Jesus nach eigener Auskunft (Matthäus 5,17) gekommen ist, zu erfüllen und nicht etwa aufzulösen. Wo Jesus dazu aufforderte, nicht mehr zu sündigen, wird die Verfehlung gegen sein Gebot heute unter dem Deckmantel eines modernen Liebes- und Toleranzbegriffs abgesegnet, der genauso falsch und verwerflich ist wie die Ablasslehre.
Auch in der katholischen Kirche hätte Zwingli erneut Grund, Sturm zu laufen gegen unbiblische Irrwege und den Missbrauch säkularer Autorität zur Zerstörung des tradierten Glaubens und der damit verbundenen Ethik. Dort instrumentalisieren derzeit unter dem Tarnnamen Maria 2.0 Frauenrechtlerinnen den Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche, um ihr einen feministischen und bibelfeindlichen Neuanstrich zu verpassen – ein Missbrauch mit dem Missbrauch sozusagen. Eine Forderung lautet beispielsweise, die »kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen auszurichten«. Mit anderen Worten: Wenn Gott zur herrschenden Sexualmoral eine andere Meinung hat, muss er sich fügen. Es geht also in die gleiche Richtung wie auf dem Evangelischen Kirchentag. Zuletzt sorgte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm für Schlagzeilen mit der Ankündigung, dass seine Kirche ein eigenes Schlepperschiff aufs Mittelmeer entsenden wolle. Vielsagendes Schweigen herrscht hingegen darüber, wie viele der aus Seenot geretteten Moslems, die jetzt in Deutschland leben, dank des missionarischen Engagements seiner Kirche bereits zum Christentum übergetreten sind, um hier langfristig nicht zur Ursache von Kulturkonflikten zu werden, wie sie das Alte Testament ebenfalls kennt. Neben der Aufforderung zur Nächstenliebe bildet der Missionsbefehl aus Matthäus 28 den zentralen Auftrag Christi an die Kirche, die seinen Namen trägt.
Menschen wie Luther und Zwingli, die sich bewusst, unter Gefahr für Leib und Leben, dafür entschieden, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, sind selten geworden. Und nicht mehr die leise Stimme derjenigen, die auf den in der Bibel dargelegten Willen Gottes verweisen, erringt öffentlich die größte Aufmerksamkeit, sondern wer sich bei der Anbiederung an die gottlose Gegenwartsorthodoxie als der lauteste Marktschreier erweist. Zwingli würde sich im Grab umdrehen, wäre er nicht längst mit Jesus im Paradies.