(www.conservo.wordpress.com)
Von Karl Noswitz *
Die automatisierte Überwachung hat ein ,,beispielloses Maß an Präzision” erreicht
Der 30. Jahrestag des Tiananmen-Massakers hat den Blick auf die extreme Zensur in China unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und Präsident Xi Jinping (66) gerichtet. Vor allem das lnternet in China steht unter der Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas, insbesondere durch die strenue Zensur des obersten Internetzensors der Partei, der Cyberspace Administration of China (CAC), die 2014 gegründet wurde.
Im Mai 2017 führte die CAC strenge Richtlinien ein, wonach alle Internetplattformen, die Nachrichten produzieren oder verbreiten, „von einer von der Partei sanktionierten Redaktion verwaltet werden müssen“, die „von den Internet- und Informationsbüros der nationalen oder lokalen Regierung genehmigt wird, während ihre Mitarbeiter von der Zentralregierung Schulungs- und Berichterstattungsnachweise erhalten müssen”.
Freedom House hat in ,,Freedom on the Net 2018″, seiner Bewertung der Freiheit im lnternet 2018 in 65 Ländern, China auf den letzten Platz gesetzt.
Reporter ohne Grenzen (RoG) rangierte in ihrem weltweiten Index der Pressefreiheit von 2019 China auf Platz 177 von 180 Ländern, nur noch übertroffen von Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan.
Der Ausschuss zum Schutz von Journalisten (CPJ) zählte zum Zeitpunkt seiner Gefängnis- zählung 2018 mindestens 47 Journalisten, die in China inhaftiert waren, schreibt Judith Bergman in einer ,,Gatestone”-Studie. Nach Angaben des CPJ könnte die Zahl auch viel höher sein: „Die Behörden verhindern bewusst, dass Informationen nach außen gelangen”.
Nicht nur bei ,,sensiblen” Anlässen wie dem Tiananmen-Jahrestag werden lnternetportale blockiert. Seit April, vor dem Jubiläum des Tiananmen, war Wikipedia in allen Sprachen gesperrt. Die chinesischsprachige Website von Wikipedia wird seit 2015 von China blockiert. Auch Websites wie Google, Facebook, Twitter, lnstagram und andere Websites sind in China längst blockiert. Suchbegriffe werden bei solchen „sensiblen“ Gelegenheiten ebenfalls gesperrt, selbst gängige, harmlose Wörter wie ,,heute“ oder ,,morgen“ werden blockiert.
In China hat die automatisierte Zensur „ein beispielloses Maß an Präzision erreicht, unter- stützt durch maschinelles Lernen sowie Sprach- und Bilderkennung”, heißt es in einem aktuellen Reuters-Bericht. ,,Wir sagen manchmal, dass die künstliche Intelligenz ein Skalpell ist, und ein Mensch eine Machete”, zitiert der Bericht einen Zensor.
China errichtet den perfekten High-Tech-totalitären Staat
Im Zentrum steht die Verfolgung der Religionen, insbesondere der christlichen
Chinas harte Zensur läuft parallel zu seiner schweren Unterdrückung der Religionsfreiheit. Dr. Thomas F. Farr, Präsident des Instituts für Religionsfreiheit, eine Nichtregierungsorganisation (NGO), beschrieb im November 2018 bei einer Anhörung vor der Exekutivkommission die religiöse Unterdrückung in China als
„den svstematischsten und brutalsten Versuch seit der Kulturrevolution, chinesische Religionsgemeinschaften zu kontrollieren”.
Die kommunistische Ideologie toleriert auch in China keine konkurrierenden Narrative. Die brutale religiöse und kulturelle Unterdrückung der Tibeter in China dauert seit fast 70 Jahren an, aber China hat nicht nur versucht, die tibetische Religion zu zerstören. So wurde beispielsweise das Christentum von Anfang an als Bedrohung für die Volksrepublik China angesehen, als sie 1949 gegründet wurde. ,,Dies galt insbesondere auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution (1966-1976), als Gotteshäuser abgerissen, geschlossen oder enteignet wurden und religiöse Praktiken verboten wurden”, so der Rat für Außenbeziehungen.
Zunehmende Unterdrückungsmaßnahmen
Einige christliche Geistliche sind seit fast 30 Jahren inhaftiert. In den letzten Jahren hat die Unterdrückung der Christen in China offenbar enorm zugenommen. Seit Ende der 1990er- Jahre hat das chinesische Regime auch die Meditationsart „Falun Gong” (,,Gesetzesrad- Praktik”) – eine Kombination aus Meditation, Qigong-Übungen und moralischen Grund- sätzen, basierend auf Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht – ins Visier genommen. China hat Kirchen geschlossen und Kreuze entfernt. Sie wurden durch die Nationalflagge ersetzt, und Christusbilder wurden durch Bilder von Präsident Xi jinping ersetzt.
Kindern, zukünftigen Trägern der kommunistischen Ideologie. wurde der Kirchenbesuch untersagt. Im September 2018 schloss China eine der größten Untergrund-Kirchen, die Pekinger Zionskirche.
Im Dezember 2018 wurden der Pastor der Untergrund-Kirche Früher Regen, Wang Yi (65), und auch dessen Frau verhaftet und wegen ,,Anstiftung zur Subversion” angeklagt, einem Verbrechen, das mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bedroht ist. Im April 2019 nahmen die chinesischen Behörden gewaltsam einen katholischen Untergrund-Priester, Pater Peter Zhang Guangjun (49), mit, kurz nachdem er die Palmsonntagsmesse gefeiert hatte. Er war angeblich der dritte katholische Priester, der innerhalb eines Monats von den Behörden mitgenommen wurde.
Nach einem vertraulichen Dokument von »Bitter Winter« bereitet sich China derzeit auch auf ein hartes Vorgehen gegen christliche Kirchen mit Verbindungen zu ausländischen Religionsgemeinschaften vor.
Die Regierung hat auch Uiguren, eine Population mit rund 11 Millionen Menschen, zumeist Moslems, in der westlichen Provinz Xinjian in China in Internierungslager zur ,,politischen Umerziehung” gesteckt. Uiguren haben mehrere Terroranschläge in China gestartet, so ein Bericht des Internationalen Zentrum für Terrorismusbekämpfung in Den Haag von 2017.
Physische Verfolgung religiöser Minderheiten reicht der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) nicht. Sie scheint auch an Schulen im ganzen Land Kampagnen gegen das Christentum zu führen. So werden beispielsweise Schüler gezwungen, einen Eid zu leisten, um dem religiösen Glauben zu widerstehen. Auch werden Lehrer indoktriniert, ,,sicherzustellen, dass Bildung und Unterricht der richtigen politischen Richtung entsprechen”.
Im Schulunterricht werden Klassiker zensiert: In Daniel Defoes Robinson Crusoe wurden Verweise auf die Bibel gestrichen und Verweise auf den Sonntagsgottesdienst oder Gott in Geschichten von Anton Tschechow und Hans Christian Andersen gelöscht. Darüber hinaus sind „sensible“ religionsspezifische Wörter wie „Gebete“ im Klassenzimmer nicht erlaubt.
Sowohl bei der Unterdrückung der Religion als auch bei der Zensur der freien Meinungsäußerung setzt die KPCh Hightech-Mittel ein, um ihre Ziele zu erreichen.
Es gibt Berichte, dass Xinjiang als Testgebiet für die Überwachungstechnik genutzt wird: Uiguren werden dort mit unzähligen „Überwachungskameras” flächendeckend streng überwacht. Pendler müssen Sicherheitskontrollen zwischen allen Städten und Dörfern durchlaufen, wo sie sich Gesichtsscans und Handykontrollen unterziehen müssen. China verwendet Gesichtserkennungstechnik, die Gesichter von Überwachungskamera-aufnahmen bis hin zu einer Überwachungsliste von Verdächtigen abgleicht.
2018 hatte China Ca. 200 Millionen Überwachungskameras, bis 2020 sollen es 626 Millionen sein. Ziel ist offenbar eine „Integrierte gemeinsame Operativ-Plattform”,
die Daten von Überwachungskameras mit Gesichtserkennung, Bürgerausweisnummern, biometrischen Daten, Kennzeichen und Informationen über Fahrzeugbesitz, Gesundheit, Familienplanung, Bankwesen und Rechtsakten, ,,ungewöhnliche Aktivitäten” und anderen relevanten Daten, z.B. über Religionsausübung und Auslandsreisen, integrieren und koordinieren wird. China verwirklicht gerade eine Totalüberwachung, die für viele noch unvorstellbar erscheint: Der perfekte totalitäre Staat, von digitaler Technik angetrieben, in dem der Einzelne nirgendwo vor dem allsehenden Auge des kommunistischen Staatsapparates fliehen kann. (Original: Sonderbeilage-Redaktion „Privat-Depesche“, Chef-Redakteur: Karl Noswitz)