(www.conservo.wordpress.com)
Von Helmut S. Roewer *)
Drei Menschen und vier Bücher, die an den Verstand appellieren
Die vier Bücher, auf die ich den Leser in diesem Beitrag aufmerksam machen will, könnten unterschiedlicher kaum sein. Dass ich sie hier zum mutmaßlichen Grausen der Autoren und des Verlegers in einer Rezension zusammenpacke, liegt daran, dass ich sie mit Gewinn gleichzeitig las und mir hernach Gedanken gemacht habe, was sie eigentlich miteinander verbindet, den Satiriker Bernd Zeller, die Bloggerin Vera Lengsfeld und den Unternehmer Thomas Hoof. Es ist – ich habe die Betreffenden nicht gefragt, geschweige denn um Zustimmung gebeten – ihr Glaube an die Vernunft, den ich als Motor ihres Tuns zu erkennen mir vorgenommen habe. Dafür möchte ich ihnen einen Gruß zur Aufmunterung senden und zugleich ihre Werke empfehlen: Pour la Raison.
1. Bernd Zeller
Der in Jena arbeitende Autor ist ein Karikaturist und Blattmacher (zellerzeitung.de) und Blogger (tageschauderblogger.de) sowie Filmemacher und YouTuber (Senior-Influencer) mit einem enormen täglichen Pensum. Sein Witz erheitert mich, wenn ich frühmorgens den Arbeitsrechner anwerfe. Nun, er ist auch Buchautor.
Christiane Pfohlmann/Bernd Zeller: Der Riss durch Deutschland. Ein schonungsloser Dialog in Cartoon und Text. 104 S., Stuttgart, Neusatz Verlag, 2019.
Dass sich durch Deutschland ein tiefer Graben zieht, über den hinweg heutzutage kaum noch eine Verständigung möglich erscheint, ist im Verlauf des Jahres 2019 so etwas wie Allgemeingut geworden. Hierüber zu lamentieren, ist üblich. Den Brückenschlag jedoch versuchen nur wenige. Hier ist nun einer dieser raren Versuche zu besprechen, nämlich jener der beiden Cartoonisten Christiane Pfohlmann und Bernd Zeller. Das Buch besteht aus deren wechselseitigen Mail-Texten nebst anhängenden Cartoons.
Ein Dialog im Sinne des Buchtitels erscheint nur dann sinnvoll, wenn beide Seiten vertreten sind, und beide ungestört zu Wort kommen. Diese Bedingung ist gegeben: Pfohlmann – die ich bislang nicht kannte – ist nach meinem Eindruck eine grün-gläubige Naturnahesteherin, Zeller hingegen einer, der Mainstream mit seinen Bildern und Texten tagtäglich im Visier hat, linksgrüne Glaubenssätze gehören zu den Lieblings-Zielen seines Spotts.
Die Neugierde auf dieses Buch wurde durch die persönliche Erfahrung ausgelöst, dass es bei zahlreichen Zeitgenossen nicht mehr lohnt, in einen Dialog einzutreten, weil es keinen gemeinsamen Vokabel- und Erfahrungsschatz gibt, sondern ausufernde Tabuzonen, die man besser nicht berührt, wenn man sich einen sonst geschätzten Mitmenschen nicht zum erbitterten Feind machen will.
Ob dieser Zustand bei den Autoren schließlich eingetreten ist, vermag ich nicht zu sagen. Zumindest bei Pfohlmann deutet sich unterwegs im Text mehrfach der Wunsch an, den Dialog aufzugeben. Das kann man verstehen, denn beide Kontrahenten kämpfen mit unterschiedlichen Waffen. Zeller ficht mit dem Degen, unbarmherzig und ohne Deckung zu suchen. Pfohlmann bevorzugt das Fangnetz: Wir sind doch alle der Meinung. Was immer den Versuch bedeutet, den Gegner an die eigne Brust zu ziehen und letztlich zu ersticken. Doch Zeller widerstrebt dem Konsens. Er beharrt darauf, dass es sich bei der Gegenseite um Mainstream-Mitläufer im Satiregewand handele. Das ist fürwahr starker Tobak, Pohlmann weicht aus in die Schönheit der Natur. Zeller drauf: das sei nicht das Thema.
Das Besondere an diesem brieflichen Dialog ist es, dass die Schreiber ihre Antworten mit Zeichnungen würzen. Hier gewinnen die Aussagen von Pfohlmann erst gegen Ende des Buches diejenige Schärfe, die ihren Mails zuweilen fehlt. So lässt sie eine Ziege dem an einem Nebelwerfer sitzenden Herrgott sagen: „Ich empfehle Ihnen die User-Akte von B. Zeller, ein lustiges Kerlchen, das sich immer noch mit diesem Demokratie-Quatsch beschäftigt.“ Tja, das ist satirisch und die Wahrheit zugleich. Das Abgleiten von Deutschland in die totalitäre Herrschaft. Wir sind so weit, dass Mainstream diesen Standpunkt offen zelebriert. Demokraten werden zu unverbesserlichen lustigen Kerlchen.
Irgendwann bricht der Mail-Dialog ab, ebenso abrupt, wie er begonnen hatte. Eine Annäherung der Standpunkte fand nicht statt, nur ein Dialog. Immerhin. Das Buch objektiv zu beurteilen, macht Mühe, weil auch der Rezensent vom Riss durch Deutschland nicht ausgenommen ist. Er ergreift Partei, sobald er mit der Lektüre begonnen hat. Das gilt auch beim Betrachten der Cartoons: die einen sind witzig, bei den anderen klemmt es mitunter ein wenig.
Ich empfehle das Buch allen denjenigen, die sich einen Einblick in das Seelenleben unseres gespaltenen Volkes verschaffen wollen. Insofern ist es ein unbequemes Lehrstück.
- Vera Lengsfeld
Die streitbare Bloggerin Vera Lengsfeld ist durch und durch ein homo politicus mit Höhen und Tiefen im gespaltenen und später wiedervereinigten Deutschland. Etliches aus diesem Leben wird in dem sogleich zu besprechenden Buch wiedergespiegelt.
Vera Lengsfeld: „Was noch gesagt werden muss…“. Meine Kommentare 2019. 256 S., Norderstedt, Books on Demand, 2020.
Das Buch fasst die ca. 80 Kommentare, die 2019 auf dem Lengsfeld-Blog (vera-lengsfeld.de) erschienen sind, in gedruckter Form zusammen. Migrantengewalt, Pressehetze, Verschweigen, Beschönigen, Zensieren, Einschüchterung, Antifa-Randale, Justizskandale und natürlich die Damen Kahane und Merkel. Eine solche Vielzahl von Beiträgen aus einem solchen Spektrum mit zusammenfassenden Bemerkungen einigermaßen gerecht zu beschreiben, birgt stets die Gefahr, zu pauschalieren. Versuchen wir es dennoch: Es ist die Abscheu vor dem Totalitären, die die Autorin umtreibt. Ein Einzelfall folgt dem nächsten. Hageldicht. An manchen davon erinnert man sich kaum noch. Vieles jedoch ist ungut irgendwo im Hinterkopf gespeichert.
Hilfreich ist, dass schonungslos die Namen der – nennen wir sie ruhig – Täter aufgezeigt werden, einschließlich derer, die in den Medien auf Kosten des Staates gemästet werden. Dass aus diesen Kreisen für Lengsfelds Texte kein Lob erschallt, wundert niemanden. Sie ganz totzuschweigen, will allerdings angesichts ihrer Hartnäckigkeit nicht gelingen. Auch wirkt ihre Verbreitung in Netzwerken entgegen, die Mainstream entzogen sind. Beispielhaft stehen ihre Initiativen für die freie Meinung, die sich in Petitionen niederschlugen. Dementsprechend sind die Angriffe von Leuten gegen Lengsfeld ausgefallen, die sich von der Autorin vorgeführt fühlen dürfen. Auch diese Gestalten kann man in dem Buch wiederfinden. Sie nahmen Rache, man erinnert sich nur ungern: Der Bürger als vom Parlament gedemütigter Bittsteller.
Ich sagte es bereits, die Autorin reagiert besonders empfindlich, wenn Mainstream totalitäre Lügengeschichten auftischt, wie im Falle des vermeintlichen Neonazis, der mit hocherhobenem rechten Arm den Protestumzug Chemnitzer Bürger begleitete, als diese sich angesichts der Ermordung eines Mitbürgers durch islamische Halunken zusammengefunden hatten. Das Bild ging als Beweis für die Rückkehr des NS-Staats rund um die Welt, angeschoben von deutschen Medien und gehätschelt durch die Trolle im Kanzleramt, obwohl allen einigermaßen wachen Köpfen von Anbeginn klar war, dass es sich hier um eine Provokation von Antifanten (und deren Finanziers) handelte. Selbst, als dieser Sachverhalt gerichtsnotorisch wurde, mochte die Tagesschau von ihrer Lüge nicht lassen. Die Autorin ging zu recht wie eine Rakete hoch. Erst auf massiven Zuschauerprotest löschte die Wahrheits- und Qualitätspresse das Bild mit der missleitenden Legende. Was nun folgte, toppte allerdings den Skandal noch einmal um Längen. Der Sender schrieb: „Kurze Unterbrechung – Diese Bilder dürfen aus rechtlichen Gründen nicht gezeigt werden“ (Lengsfeld, S. 214). Lieber Leser, lieber Fernseher, so kann man sich auch durchs Ziel lügen.
Bei dieser Gefechtslage habe ich mich manchmal gefragt, was die Autorin umtreibt. Ich tippe mal, es ist ihre Hoffnung, die Demokratie zu retten und andere zu animieren, dabei mitzumachen. Sieht man es so, liest sich das Buch wie ein eigenwilliger Verfassungsschutzbericht (vom amtlichen und dessen Verfassern hält die Autorin nicht viel – man kann das nachvollziehen).
- Thomas Hoof
Den Verleger Thomas Hoof kenne ich nicht näher, sondern nur einige der von ihm verlegten Bücher. Er gilt bei Gutmensch als umstritten, weil er einst schöne Dinge verkaufte (manufactum) und dann plötzlich Bücher produzierte (manuscriptum), wobei das Gedruckte dem gehobenen Wohlfühlmann in den besten Jahren und seiner Gutes tuenden, edelkonservierten Gattin wie der Leibhaftige, zwischen zwei Buchdeckel gepresst, erschienen sein mag. Wie dem auch sei, der Verlag kam auf die vortreffliche Idee, kurz vor Weihnachten Bücherpakete aus seinem Programm als Saatgut für intellektuelle Selbstversorger zu schnüren. Zwei der Bücher aus zweien dieser Pakete, die am 24. Dezember in mein Wohnzimmer trudelten, will ich hier kurz abhandeln.
Oswald Spengler: Politische Schriften 1919-1926. 335 S., Waltrop/Leipzig, Manuscriptum, 2009.
Für eine ganze Generation von orientierungslosen jungen Deutschen wurde Spengler in der Zeit nach dem verlorenen Ersten Weltkriegs durch das epochale Mammutwerk Der Untergang des Abendlandes zum Vordenker und Guru. Dabei war das Buch bereits vor dem Krieg geschrieben. Es handelte in langen Erzählschwüngen den Aufstieg von Gesellschaften und deren Kulturen, ihre Blüte, ihren Verfall und ihren Untergang ab. Hier Anleihen zu machen, wurde Mode – so sehr, dass man es heutzutage gar nicht mehr bemerkt, wenn wir wie selbstverständlich in den Kategorien von Spengler denken und argumentieren.
Die im vorliegend besprochenen Buch versammelten Aufsätze sind etwas anderer Art. Sie sind der Versuch des Autors, die eigenen Thesen mit der Wirklichkeit der Niederlage in Übereinstimmung zu bringen. Ich greife zwei der Beiträge heraus: Preußentum und Sozialismus (1919) und Neubau des Deutschen Reiches (1924). Dass sich ein Mann wie Spengler mit dem Preußentum als einem Lebens- und Staatsentwurf befasste, wundert kaum, dass er darüber hinaus den Sozialismus als eine zutiefst preußische Ergänzung beschrieb, dagegen schon eher. Der Zusammenhang wird erst klar, wenn man liest, was er mit wem meinte. Preußentum war für ihn jene vom Soldatenkönig Friedrich-Wilhelm I. (1688-1740) installierte innere Staats- und Gesellschaftsordnung, die – vom König an abwärts – jeden auf seinem Platz zum Diener des Ganzen machte. Sozialismus war für Spengler – das mag überraschen – die Einfügung jedes einzelnen als Teil des Ganzen. Suum cuique, so stand es als Motto auf dem höchsten preußischen Orden, dem Schwarzen Adlerorden. Kaum einer wagt sich heute noch, die deutsche Übersetzung hinzuschreiben: Jedem das seine. Dieser Sozialismus hat mit dem heute noch landläufigen, dessen Priester ihre Weihen im Marxismus empfangen haben, nicht das Geringste zu tun. So lesen sich denn auch Spenglers einschlägige Kommentare zu Karl Marx und dessen Gedanken wie ein lehrreiches Seminar.
Dergleichen Gedanken finden sich auch in dem anderen Aufsatz Neubau des Deutschen Reiches detailliert ausgeführt wieder. Das politische Umfeld, in welchem Spengler hier schrieb, war das der soeben mit Ach und Krach überwundenen Hyperinflation, welche die bürgerlichen Sparvermögen mit einem Schlag vernichtete und den deutschen Mittelstand mit Mann und Maus ruinierte. Hellsichtig beschrieb Spengler die Diskrepanz von Volkswohl und politischen Parteien, die stets nur einen Teil, nämlich ihren, im Auge haben, wenn sie sich nicht gerade wie Spitzbuben zu einem speziellen Zweck alle miteinander verbrüdern: um den Staats als Beute auszunehmen. Dann liest man zum Beispiel Sätze wie diesen hier:
Wir befinden uns in einer Zeit des ausgesprochenen Steuerbolschewismus, der ohne viel Aufsehen auf trockenem Wege zu erreichen sucht, was in Russland durch Ströme von Blut erreicht worden ist: die völlige soziale Umschichtung innerhalb von Nationen, …, bis zuletzt nichts mehr übrig bleibt als eine Gruppe tatsächlich regierender Finanzleute und eine proletarische Sklavenmasse, die beide mit der in Jahrhunderten herangewachsenen innerlichen Kultur nichts zu tun haben, sie weder erhalten können, noch entbehren (S. 261).
Das alles wurde vor 100 Jahren gedacht und geschrieben. Kaum zu glauben, aber wahr.
Kenneth Minogue: Die demokratische Sklavenmentalität. Wie der Überstaat die Alltagsmoral zerstört. 459 S., Waltrop/Leipzig, Manuscriptum, 2013.
Dieses Buch des Emeritus für Politologie der London School of Economics ist ist eine fundamentale Abrechnung mit der Staatsform der Demokratie. Und zwar mit der Demokratie, wie sie mehr oder weniger den Siegeszug durch die westliche Welt angetreten hat. Der Autor beschreibt, wie aus dem Ursprungsmodell der Demokratie, das sich dadurch auszeichnete, dass der Bürger die Macht über seine Angelegenheiten selbst ausüben sollte, Schritt um Schritt ein System wurde, in welchem die Machtausübung auf Instanzen übertragen wurde, die mit dem Bürger nicht identisch sind, sondern sich von ihm gelöst haben. Dieser Wandel wurde nur möglich, weil die Bürger auf die ihnen zustehenden Rechte der Machtausübung, ebenfalls Schritt um Schritt, verzichtet haben.
Dieses Buch geht über das allgemein formulierte Unwohlsein weit hinaus, sondern dekliniert haarklein die Einzelheiten und die ideologischen Grundüberzeugungen der Veranstalter eines alles überwölbenden (und alles erstickenden) Wohltatengewäh-rungs-Staates. Da stößt man denn auf überraschende Zusammenhänge und Details des Themas, wie Benachteiligte, Minderheiten, Beleidigt-sein-dürfen und -müssen, die Sucht nach Perfektionismus, die Bedeutung von Krieg und Frieden, das Moralische als Ersatz des logischen Entscheidens und manches andere, an das man weniger denkt, wenn man sich über das Erdrückende des Wohlfühlstaates aufregt, der einem keine Luft zum Atmen lässt. Natürlich kann man das alles auch in einfachere Formeln packen wie diese hier: Es ist die Postulierung von Ansprüchen, die den faulen Bürger nur noch nach Formularen und Benefizien fragen lässt, die ihm zustehen, aber nicht mehr danach, wie er sein Glück in die eigenen Hände nehmen kann. Es ist diese merkwürdige Formel, dass jedem gegeben wird, aber keiner muss selber geben. Oder umgekehrt: Alle dürfen nehmen, aber keinem wird genommen. In summa: Eine Grundlagenauskunft für alle, die sich fragen, was denn da so schrecklich schief läuft.