(www.conservo.wordpress.com)
Von Peter Helmes
Auf europäischer Ebene wird gerade über die Einführung von Corona-Bonds gestritten.
„Das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Coronabonds sind nichts anderes als Eurobonds, also eine Vergemeinschaftung von Schulden. Deutschland wird als unsolidarisch dargestellt. Dabei wird außer Acht gelassen, dass der deutsche Steuerzahler die mit Abstand größte Last in der Europäischen Union trägt. Ich erachte es vielmehr als unsolidarisch, dass Länder wie Frankreich oder Italien seit Jahren fortwährend und vorsätzlich gegen die Vorgaben des Euro-Stabilitätspaktes verstoßen. Jetzt wollen diese Länder die humanitäre Not ausnutzen. Hier müssen wir hart bleiben. Eine gemeinsame Aufnahme von Krediten bei getrennter finanzpolitischer Verantwortung in den Mitgliedstaaten – das geht nicht. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Wer die in der europäischen Geschichte beispiellosen Hilfen, die auch jetzt noch zur Verfüg stehen (ESM u. ä.), nachlesen möchte, dem empfehle ich mein Buch „Von Rettern und Rebellen“.
Es gehört sich schlichtweg nicht, denjenigen, der am meisten beisteuert, als unsolidarisch zu diskreditieren…“
(Klaus-Peter Willsch MdB)
Nicht nur in Deutschland, sondern überall in der Europäischen Union legen Regierungen gerade milliardenschwere Hilfsprogramme auf, um einen ökonomischen Absturz abzumildern. Regierungen nehmen hohe Schulden auf, um zumindest einen Teil der Ausfälle zu kompensieren. Schnell und entschlossen handeln die EU-Partner bisher aber ausschließlich auf nationaler Ebene – gemeinsam bringt die Europäische Währungsunion bislang wenig zustande. Im Gegenteil: Alte Fronten brechen wieder auf, vor allem, wenn einige Mitgliedsstaaten jetzt fordern, gemeinsam neue Schulden aufzunehmen – sogenannte Corona-Bonds.
Das EU-Finanzministertreffen ist ohne Einigung zu Ende gegangen. Schuld daran sind aber nicht die angeblich geizigen Nordländer. Die EU-Haushaltsregeln sind bereits weitgehend außer Kraft gesetzt. Alle Mitglieder haben massive Maßnahmen beschlossen, um sich über Wasser zu halten. Niemand in Brüssel kümmert sich jetzt um irgendwelche Defizitgrenzen. Die Europäische Zentralbank hat versprochen, Staats- und Unternehmensanleihen für 750 Milliarden Euro zu kaufen. Wie in der Finanzkrise unternimmt die EZB alles, um das System zu retten.
Damit stellt die Europäische Zentralbank zur Bewältigung der Corona-Krise de facto einen Blankoscheck aus. EZB-Präsidentin Lagarde macht da auch gar keinen Hehl daraus: Sie wird massenweise Anleihen von Staaten und Unternehmen aufkaufen – im Gegensatz zu klassischen Investitionsregeln gerade auch von solchen in finanziellen Schwierigkeiten.
Zauberwort Corona-Bonds
Außerdem gibt es noch den Europäischen Schutzmechanismus ESM. Aber Italien akzeptiert keine Bedingungen. Außerdem verlangt die Regierung in Rom mit weiteren Ländern die Einführung sogenannter Corona-Bonds. Die gesamte Eurozone soll dafür bürgen, ohne einen Einfluß auf die Verwendung des Geldes zu haben. Unter anderem Deutschland und die Niederlande lehnen das ab. Zu Recht!
Corona-Bonds sind zudem eine höchst unvollkommene Idee, die vor allem viel Potenzial für Mißbrauch böte. Und sie hülfe tatsächlich Menschen in Not nicht (mehr) und verhinderte wohl kaum eine riesige Zahl von Todesopfern. Denn es ist nur allzu wahrscheinlich, daß die rasche Ausbreitung des Coronavirus die Krankenhäuser in fast allen Ländern überfordert.
Die eigentliche Tragödie ist aber, daß sich bei vielen dieser Todesfälle die direkte Folge einer von Anfang an falsch angelegten €uropa-Politik zeigt. Nie wurde geklärt, wie die ungleichen Volkswirtschaften aufeinander abgestimmt werden könnten. Und schon gar nicht wurde geklärt, wie das sorglose Schuldenmachen auf dem Buckel „fleißiger“ und sparsamerer Staaten hätte gebremst werden können.
So schwadroniert z. B. die nicht mehr so neue, aber schon arg zersauste €uro-Königin von der Leyen ungeniert:
„Die EU werde daher nun großzügig sein und unter anderem die Verschuldungsregeln für die EU-Staaten lockern. Generell gelte, daß alle Instrumente und Mittel zur Krisenbewältigung geprüft würden: „Was hilft, wird eingesetzt.“ Auch „Corona-Bonds“ seien eine Option…“
Ungeniert plappert von der Leyen weiter (im Dlf): „Schauen Sie, das Prinzip ist jetzt, wir gucken alle Instrumente an, und das, was hilft, wird eingesetzt. Das gilt auch für Corona-Bonds. Wenn sie helfen, wenn sie richtig strukturiert sind, werden sie eingesetzt. Das gleiche gilt jetzt für die Verschuldensregeln. Wir lockern sie so weit, daß die Staaten alle Möglichkeiten haben, Finanzmittel einzusetzen, um ihre Wirtschaft zu stärken. (Quelle: (https://www.deutschlandfunk.de/eu-kommissionspraesidentin-von-der-leyen-wir-erleben-einen.694.de.html?dram:article_id=472924)
Der Grünen Traum von Bonds
Und die Grünen, an deren Wesen nicht nur das Klima – weltweit, versteht sich – sondern nun auch die Corona-Gebeutelten genesen sollen, haken nach:
Die Euro-Bonds, die ja bisher vor allem durch den Widerstand der Deutschen verhindert wurden, könnten jetzt virusbedingt unter anderem Namen doch kommen. Der Obergrüne Habeck ist einer der eilfertigsten Befürworter der Bonds. Sein Parteigenosse, der Europaabgeordnete Sven Giegold, kann ebenso das Wasser nicht halten: Er plädiert für Corona-Bonds. Nicht nur deutsche Unternehmen sollten gerettet werden, sondern auch Unternehmen anderer Staaten, denn sonst könne es später teuer werden.
Angesichts solch´ grüner Blauäugigkeit fragt man sich, ob Ursula von der Leyen inzwischen bereits zu den Grünen übergetreten ist.
Eigentlich müßte doch jedem einigermaßen kritischen Euro-Menschen klarsein, daß man an einer Grundforderung nicht vorbeikommt – oder man will sich bewußt weiter durchmogeln:
Es sollte selbstverständlich sein, daß z. B. die Finanzhilfen in Italien – wo die Mafia landesweit eine feste Größe ist und nur auf einen neuen Geldregen aus Brüssel wartet – ausschließlich im Gesundheitsbereich ausgegeben werden und nicht in Italiens Sozial- und Steuersystemen landen. Und natürlich müssen die Italiener von Brüssel auch kontrolliert werden und nachweisen, daß sie die Gelder ordnungsgemäß verwenden – was ja nicht gerade eine besondere Tugend dieses Landes ist.
Die Kritiker treibt vor allem die Sorge um, daß Deutschland damit praktisch für die Schulden anderer Länder mit haftet und daraus ein Dauerinstrument wird. So warnt der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, zu Recht und deutlich:
„Deutschland würde in voller Höhe für den Umfang jeder so begebenen Anleihe anderer Mitgliedstaaten haften, ohne auch nur ein kleines Wörtchen bei der Finanzpolitik des jeweiligen Landes mitreden zu können.“
Er fürchtet zudem, daß es nicht bei einer Ausnahme in der aktuellen Krise bleiben wird, wie er jüngst der „Börsen-Zeitung“ sagte:
„Zu meinen, man könne solche Bonds nur vorübergehend einführen, ist blauäugig. Sind sie einmal da, bleiben sie…“
(Feld´s Wort hat besonderes Gewicht. Er ist der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung! )
An dieser Wahrheit dürfen wir uns auch in Zeiten der Not nicht vorbeidrücken:
Haften die Steuerzahler aller Mitgliedsstaaten für Schulden aller anderen Staaten, ist die Einheit von Haftung und Kontrolle durchbrochen. Und für die einzelnen Regierungen sinkt der Anreiz, vernünftig zu haushalten.
Das höchste deutsche Gericht sieht die Gefahr gemeinsamer Schuldenhaftung ebenso:
Bei gemeinsam aufgenommenen Schulden der Eurozone profitiert der Süden von der Bonität des Nordens. Die Kehrseite: Der Norden haftet mit für die gemeinsamen Kredite. Dazu sagt Karlsruhe Nein. Das Budgetrecht liegt bei den nationalen Parlamenten. Eine Vergemeinschaftung der Haftung ist nicht zulässig, also auch keine Corona-Bonds, sofern es Euro-Bonds unter anderem Namen sind.
Nun mag man einwenden, daß die Pandemie ein außergewöhnliches Ereignis ist und alle Staaten ohne eigenes Verschulden trifft. Doch die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß derartige Bonds zu einer Dauereinrichtung würden.
Schon klar – und nicht einfach so dahingesagt: Das von der Viruskrise schwer gezeichnete Italien hat europäische Anteilnahme und Hilfe verdient. Ob das aber gleich in Form von Corona-Bonds, also der Vergemeinschaftung europäischer Schulden, geschehen muß, daran hat sogar der von der SPD gestellte Bundesfinanzminister Scholz seine Zweifel. Zu Recht.
Gemeinsame Schulden zerstören den Anreiz, solide zu wirtschaften, weil im Zweifel das Kollektiv für die Folgen geradezustehen hat.
Das wäre – konsequent zu Ende gedacht – das Ende des Euro!
Deshalb sind schnell abrufbare Hilfen aus dem bestehenden Rettungsschirm ESM vernünftiger, weil sie den Schuldner nicht aus der Haftung für sein Tun entlassen.
Dlf-Experte Peter Kapern formuliert es so:
„Der Euro hat Europa enormen Wohlstand verschafft. Aber er hat diesen Wohlstand nicht ansatzweise gleichmäßig über die Euroländer verteilt. Obwohl genau dies das zentrale Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion war: Die Konvergenz der Mitgliedstaaten. Stattdessen ist Euroland geteilt: reicher Norden, armer Süden. Der Streit über die Ursachen dieser Spaltung ist fast so alt wie die Gemeinschaftswährung selbst. Die Argumente sind immer dieselben, sie werden nur von Krise zu Krise immer schriller vorgetragen. Der Norden betrachtet die Mittelmeerstaaten als wirtschafts- und finanzpolitische Hallodris. Und der Süden wirft dem Norden vor, ihm durch seine erdrückende wirtschaftliche Dominanz keine Luft zum Überleben zu lassen.
Seit Jahren werden immer neue Instrumente ersonnen, um diese Spaltung doch zu überbrücken. Das Eurozonenbudget, die Arbeitslosenrückversicherung, die gemeinsame Einlagensicherung, der Rainy Day Fond – all diese Ideen haben zwei Dinge gemeinsam: Erstens, dass sie dem Süden einen wirtschaftlichen Aufholprozess gestatten, ein noch weiteres Abdriften in der nächsten Krise verhindern sollen. Zweitens: All diese Instrumente sind zerredet, zersetzt oder bis zur Funktionsuntüchtigkeit verzwergt worden…“
Dem ist Nichts hinzuzufügen.
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*) Erläuterungen:
Euro-Probleme, Euro-Bonds: Alte Idee, neuer Name
Europa steuert wegen der Corona-Krise auf eine schwere Rezession zu. Milliardenschwere Hilfsmaßnahmen werden die Staatsverschuldung nach oben treiben. Das trifft vor allem hoch verschuldete Länder wie Italien hart.
Unter anderen Italien, Spanien und Frankreich fordern sie vehement, während sich zum Beispiel Deutschland, die Niederlande und Österreich bislang sperren. Doch was sind eigentlich Corona-Bonds? Und können Sie in der Corona-Krise helfen?
Ein Überblick (Quelle: Dlf):
Was sind Corona-Bonds?
Bonds sind Wertpapiere mit einem festen Zinssatz. Die europäischen Staaten könnten zusammen solche Anleihen an den Markt bringen: Corona-Bonds. Die Regierungen würden auf diesem Weg gemeinsam Geld an Finanzmärkten aufnehmen, sich also verschulden – und dann gemeinschaftlich für Zinsen und Rückzahlung haften.
Ist die Idee überhaupt neu?
Schon in der Euro-Schuldenkrise, die von 2010 an vor allem Griechenland hart traf, hatte die Idee gemeinsamer Staatsanleihen Anhänger. Damals war von Eurobonds die Rede. Eingeführt wurden diese jedoch nicht, weil es schon damals große Widerstände gab: Wirtschaftlich starke Länder fürchteten, über Jahre für die Schulden bereits hoch verschuldeter Staaten wie Italien mithaften zu müssen.
Was sollen solche gemeinsamen Anleihen eigentlich bringen?
Hoch verschuldete Staaten könnten auf diesem Weg zu erheblich günstigeren Konditionen frisches Geld von Investoren erhalten. Denn die Bonität der Gemeinschaftsanleihen wäre deutlich besser, wenn zum Beispiel wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland mithaften. Weil solche Papiere somit als sicherer gelten, müssten die Staaten für Corona-Bonds nicht so hohe Zinsen bieten wie sie das zum Teil derzeit für ihre eigenen nationalen Anleihen tun müssen. Die Schuldenlast würde sinken. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding meint zudem, Corona-Bonds wären ein “Signal der Solidarität” – gerade an Länder, die sich nach der Euro-Schuldenkrise mühsam zurückgekämpft haben.
Was sagen die Befürworter von Corona-Bonds?
“Die Lösung liegt in Krisen-Gemeinschaftsanleihen, die nur in dieser Situation legitimiert sind. Hier sollte man sich in Berlin nicht sperren, wenn man die Eurozone nicht durch diese Krise in eine existenzielle Gefährdung bringen will”, sagt der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Ähnlich argumentiert Berenberg-Ökonom Schmieding: “Mehr als je zuvor müssen sich die Mitglieder des Euroraumes in einer derartigen Krise Geld zu erträglichen Bedingungen leihen können.”
Das sei vor allem für Länder wie Italien, Spanien und Griechenland ein Thema. Um die Zinsen am Kapitalmarkt für diese Länder zu drücken, sind Corona-Bonds aus seiner Sicht effizienter als die milliardenschweren Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB). EZB-Vizepräsident Luis de Guindos befürwortet Corona-Bonds ebenfalls.
Was sagen die Kritiker von Corona-Bonds?
Die Kritiker treibt vor allem die Sorge um, dass Deutschland damit praktisch für die Schulden anderer Länder mit haftet und daraus ein Dauerinstrument wird. “Deutschland würde in voller Höhe für den Umfang jeder so begebenen Anleihe anderer Mitgliedstaaten haften, ohne auch nur ein kleines Wörtchen bei der Finanzpolitik des jeweiligen Landes mitreden zu können”, argumentiert der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld.
Er fürchtet zudem, dass es nicht bei einer Ausnahme in der aktuellen Krise bleiben wird: “Zu meinen, man könne solche Bonds nur vorübergehend einführen, ist blauäugig. Sind sie einmal da, bleiben sie”, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung jüngst der “Börsen-Zeitung”.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hält die Bedenken einiger Länder für berechtigt. Hinter dem Begriff Corona-Bonds stehe doch eher die größere Frage der Haftung: “Und da sind die Vorbehalte in Deutschland, aber auch in anderen Ländern berechtigt.”
Ist der Euro-Rettungsschirm ESM eine sinnvolle Alternative?
Genannt wird immer wieder der Euro-Rettungsschirm ESM, unter den Länder wie Griechenland in der Euro-Schuldenkrise schlüpften. Allerdings sind Hilfen des ESM an strenge Kriterien gebunden und werden von den betroffenen Ländern als Stigmatisierung empfunden.
Mehr als ein Dutzend europäischer Ökonomen schlägt nun eine Kreditlinie des ESM für alle EU-Mitgliedsstaaten vor. Damit würden sich die Risiken für die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität aller EU-Länder effektiv verringern lassen, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher: “Das schafft Solidarität und begrenzt den wirtschaftlichen Schaden für alle EU-Mitgliedsländer.”