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Von Peter Helmes
Warum ich in der „Sache Bahner“ bisher geschwiegen habe
Selten habe ich so viel aufgeschlagenen Schaum gesehen wie in einer Sache, die – mit gehörigem Abstand betrachtet – zumindest zu einer verzögerten Reaktion hätte führen müssen. Ich setze jetzt einmal voraus, daß zumindest den meisten meiner Leser der „Fall Bahner“ in Grundzügen bekannt sein dürfte und bemühe mich um sachliche Darstellung:
Eine bisher unauffällige Rechtsanwältin protestiert gegen die Verletzungen des Rechtsstaates, die sie bei den Restriktionen zur Corona-Pandemie feststellt. Sie veröffentlicht ihre Klage „gegen den Rechtsstaat“, der auf sie offensichtlich einen anderen Eindruck erweckt. Schon im Verfolg dieser Veröffentlichungen gehen die Meldungen in den Medien, auch in den sozialen Netzwerken, vollkommen auseinander und gipfeln in gegenseitigen Beschimpfungen, Verdächtigungen und vermeintlichen Rechtsbrüchen – jedenfalls derart, daß es einem Beobachter, der keinen Einblick in die Unterlagen nehmen kann, unmöglich ist, zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden.
Mein sehr persönlicher Eindruck ist, daß in der Diskussion vor allem denjenigen der Gaul durchgegangen ist, die auch die von mir vertretene Meinung verbreiten, unter Merkel habe der Rechtsstaat erheblich gelitten. Diese Auffassung halte ich, wie gesagt, generell für richtig.Das darf aber nicht den Blick so sehr trüben, daß alle, die zu „Opfern“ eben dieses „unrund laufenden“ Rechtsstaates etikettiert werden, die Wahrheit für sich gepachtet haben, und dabei darf man erst recht „Merkwürdigkeiten“ nicht ausblenden. So geschehen im Falle Bahner. Ich hielt mich zurück, weil mir eben diese Merkwürdigkeiten schon früh aufstießen, ich aber keinerlei „Beweise“ in der Hand hatte. Und an reinen Spekulationen gerade in einem solch sensiblen Fall werde ich mich nie beteiligen.
Da ich kein Jurist bin, fehlt mir auch der Sachverstand, in eine rechtliche Würdigung einzutreten. Bereits in der Woche vor Ostern erhielt ich zu meiner Überraschung Hilfe eines mir bekannten Rechtsanwaltes aus der Schweiz. Der Text seines Briefes spricht für sich, weshalb ich glaube, die Wiedergabe auf conservo vertreten zu können:
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Ein misslungenes Kunstprojekt
(Absender ist RA in der Schweiz. Hervorhebungen durch PH)
„An dieser Stelle mal ein paar Worte zur angeblichen Rechtsanwältin Bahner und deren Verhalten. Ich meine, als langjähriger Anwalt kann ich dazu was schreiben:
1. Die angeblich von Frau Bahner verfassten Schriftstücke sind, soweit sie mir bekannt wurden, allesamt juristisch unhaltbar und Beweis für ihr fehlendes Verständnis des Verwaltungsrechts.
Es sind Fehler gemacht worden, die man im Jurastudium einem Studenten im 2. Semester nicht durchgehen lassen würde (Nicht-Ausschöpfung des Rechtsweges vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts, fehlende subjektive Betroffenheit – „Einfordern fremder Rechte“ –).
Sämtliche Maßnahmen sind entgegen den Ausführungen von Frau Bahner wohl rechtmäßig, weil diese sich als Allgemeinverfügungen auf die jeweiligen Generalklauseln der Polizeigesetze stützen können; einzig soweit Bußgeldvorschriften erlassen wurden, mögen einige wegen teilweiser Unwirksamkeit einzelner Verordnungen unwirksam sein. Das bleibt aber abzuwarten.
Eine detaillierte Prüfung steht aus, es sticht jedenfalls nichts ins Auge, was offenkundig rechtswidrig ist; Frau Bahners Schriftsätze vermitteln den Eindruck des Gegenteils. Auf die in den Schriftsätzen in Bezug genommenen Rechtsgrundlagen des Infektionsschutzgesetzes käme es selbst bei deren Unwirksamkeit damit nicht an. Alle Massnahmen sind nämlich auch zumindest als Allgemeinverfügung wirksam, auf die Verordnungen kommt es nicht an. Hier bestehen auch keine Zweifel oder Unsicherheiten, das ist eindeutige Rechtslage. Manchmal gibt es auch in Jura eben ein Richtig und ein Falsch.
2. Ihr angebliches Verhalten ist von einer hohen Betroffenheit gekennzeichnet, anwaltliche Professionalität zeichnet sich durch das Gegenteil aus. Ich habe immer noch den Verdacht, dass es Frau Bahner gar nicht gibt und sie nur ein Kunstprojekt ist.
3. Alle juristischen Schritte hätte sie auch ergreifen können, ohne sich massiv an die Öffentlichkeit zu wenden. Meine Kanzlei hat zum Beispiel noch nie eine Presseerklärung vor Abschluss der Beweiserhebung abgeben. Presseerklärungen sind in seriösen Kanzleien eine Ausnahmeerscheinung und immer nur Reaktion auf Presseerklärungen der Gegenseite, nämlich zur Abwehr von Rufschädigungen. Das Berufsbild des Rechtsanwaltes verträgt sich nicht mit der Presse, der Anwaltsberuf ist ein schweigender Beruf. Das Verhalten von Frau Bahner ist daher zumindest sehr seltsam. Man mag es als PR-Arbeit deuten. Vorzuwerfen ist ihr wohl, dass sie angeblich die Menschen aufgerufen hat, gegen das Infektionsschutzgesetz zu verstoßen und sich damit in Gefahr zu bringen. Ich mag das alles noch nicht so richtig glauben. Es schüttelt mich.
4. Derzeit geht eine Sprachnachricht im Netz herum, die angeblich von ihr sein soll. Glaubt man, dass diese Sprachnachricht von ihr ist, dann kommt man zum Eindruck, dass die Frau sich am Rande einer psychischen Störung befinden kann. Es gibt Berichte nach denen sie in die Psychiatrie gebracht worden sein soll.
Wenn die angebliche Rechtsanwältin Bahner diesen Aufruf zur Versammlung und die diversen im Netz verbreitenden Schriftstücke tatsächlich bei Gericht eingereicht haben sollte, dann ist das ein ziemliches Armutszeugnis. Ich habe selten etwas juristisch Schlechteres gelesen als diese angeblich von Frau Bahner verfassten Schriftsätze. Sie zeugen von kompletter Ahnungslosigkeit. Ich kenne Studenten die wegen solcher Leistungen in der Zwischenprüfung gescheitert sind.
5. Angeblich hat die zuständige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Frau Bahner eingeleitet wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Dies wird sicherlich Konsequenzen nach sich ziehen.
6. vor den berufsrechtlichen Konsequenzen wird sie sich kaum noch schützen können, ob der angebliche Aufenthalt in der Psychiatrie insoweit hilfreich war, darf bezweifelt werden.
7. Zusammenfassend:
– Juristisch ist alles vollkommen unqualifiziert, umgangssprachlich als Blödsinn zu bezeichnen.
– berufsrechtliche Konsequenzen werden sich für Frau Bahner, so sie dies alles zu verantworten haben soll, nicht vermeiden lassen.
– es scheint Anwält*innen zu geben, die eine Gefahr für die Rechtspflege sind
– die Maßnahmen sind mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit in der extremen Mehrzahl rechtmäßig, der von Frau Bahner erweckte gegenteilige Eindruck trifft nicht zu.
Ich gehe jedoch davon aus, dass kein Rechtsanwalt/keine Rechtsanwältin derart wenig von Verwaltungsrecht verstehen kann. Mit so wenig Ahnung kommt man nicht durch zwei Staatsexamina. Wenn man Informatiker ist, muss man wenigstens den Computer anschalten können.
Ich halte das alles für ein misslungenes Kunstprojekt. Als PR Maßnahme wäre es ein Supergau. Als ernstgemeintes Handeln zudem ein Fall für den Widerruf der Anwaltszulassung.“
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Eine Ergänzung von D.K. dazu:
Und hierzu gehört auch die in diesem Zusammenhang fortwährend zitierte Story des Schweizer Kardiologen, der wegen “Corona-Kritik” durch ein SEK der Kantonspolizei Aargau/Schweiz in die Psychiatrie eingeliefert worden sein soll. Grund für den Polizeieinsatz waren Drohungen seinerseits gegenüber Familienangehörigen und die Unsicherheit, ob sich Schusswaffen in seinem Besitz befinden. Normaler polizeilicher Vorgang.
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Schlußbemerkung conservo:
Ich glaube, ich war gut beraten, mich in der „heißen Phase“ an der Diskussion nicht beteiligt zu haben. Es wäre mir wie Kaffesatz-Leserei vorgekommen. So bleibt es nach meinem Eindruck, was es ist: Kalter Kaffee.
Und noch etwas: Die Verfassungsbrüche unter der Ägide Merkel, der Abbau des Rechtsstaates, die Abkehr von der nationalen Identität und Restriktionen beim Versuch, seine Meinung ungehindert und unzensiert sagen (und schreiben) zu dürfen, bedürfen keiner „Zeugen“ vom Schlage einer Beate Bahner. Es genügen unvoreingenommene Beobachtung und gesunder(!) Menschenverstand.
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Ich verweise auch auf die großartige Satire von Michael van Laack: https://www.conservo.blog/2020/04/16/die-beate-bahner-story-eine-brillante-inszenierung/