Deutschland spricht nicht mehr!

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VON DR.PHIL.MEHRENS

Vor zwei Jahren warb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für eine neue Debattenkultur, um verfeindete Lager zusammenzubringen. Das waren noch Zeiten!

Deutschland spricht nicht mehr. Deutschland hetzt. Deutschland petzt. Deutschland urteilt. Deutschland verurteilt. Deutschland senkt den Daumen und möchte in der Löwen-Arena zum Fraß vorgeworfen sehen, wen es zuvor als Ketzer entlarvt hat. Der neue Begriff für Ketzer lautet „Verschwörungstheoretiker“. Eine gesteigerte Form der Intoleranz greift um sich im Lande Lessings, des Erfinders der Ring-Parabel, die vom Begriff der absoluten Wahrheit absah, um der friedlichen Koexistenz unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen das Feld zu bereiten. Doch in Zeiten von „Corona“ ist Toleranz definitiv nicht das Gebot der Stunde.

Unter der Überschrift „Warum Corona-Verschwörungsgläubige keine Rücksicht verdienen“ erteilte der Berliner Tagesspiegel am 11. Mai dem Ansinnen, mit Andersdenkenden das Gespräch zu suchen, eine klare Absage. Schließlich impliziert ein solcher Meinungsaustausch, „dass beide Seiten ihre Argumente vortragen und am Ende stolz sind, dass sie wenigstens im Gespräch waren.“ Für eine solche Gesprächskultur hatten sich der Bundespräsident und die ZEIT-Stiftung 2018 mit der Verständigungs- und Versöhnungsaktion „Deutschland spricht“ noch engagiert eingesetzt, um der konfrontativen Lager- und Filterblasenbildung in der Gesellschaft entgegenzuwirken. „Corona“ lässt diesen demokratiefreundlichen Ansatz nun als Schnee von gestern erscheinen. Mit Häretikern zu sprechen, so argumentiert der Tagesspiegel in Gestalt seines Autors Sebastian Leber, das führe zu einer unerwünschten Balance zwischen Wahrheit und Lüge, zu „einer Fehlannahme, die Außenstehende im schlimmsten Fall glauben lässt, die Wahrheit liege schon ‚irgendwo in der Mitte‘. Das tut sie nicht. […] An eine Seite wird in der Debatte, wie mit Verschwörungsgläubigen am besten umzugehen ist, praktisch überhaupt nicht gedacht: diejenigen, die sich den ganzen Quatsch anhören müssen.“ Das Zuhören und das Gehörtwerden hatte Schirmherr Frank-Walter Steinmeier am 23. September 2018 in seiner Eröffnungsrede zu den Grundprinzipien von „Deutschland spricht“ erklärt. Leber sagt diesem Prinzip nun offen den Kampf an. Sein Credo: „Diskutieren ist Zeitverschwendung. Was dagegen hilft, ist Druck.“ Dass „Verschwörungstheoretiker“ und Kochbuchautor Attila Hildmann durch mediale Meinungsmache seine Umsätze eingebrochen sind, feiert der Tagesspiegel-Autor als rechten Weg, um „Menschen davor“ zu „bewahren, selbst in diese Fantasiewelten abzudriften“.

Der Weg der Ausgrenzung ist auch für das von der SPD über ihre Medienbeteiligungsgesellschaft kontrollierte Redaktionsnetzwerk Deutschland der richtige. In dem RND-Online-Kommentar „Die Karriere von Xavier Naidoo ist am Ende – aber warum erst jetzt?“ redete Autor Matthias Schwarzer einem Boykott für „Verschwörungstheoretiker“ wie Xavier Naidoo das Wort. Dem „rassistischen“ Sänger sei, so der Tenor des Beitrags, doch viel zu lange mit Nachsicht und Toleranz begegnet worden. Offenbar ist es für linke Journalisten besonders tragisch, wenn jemand trotz der erwünschten Multikulti-Identität kein linker Gefolgsmann wird. Erklärt das den Hass auf Hildmann und Naidoo? Der Ton jedenfalls befremdet in einem Zeitalter, das von führenden Politikern und Medienschaffenden zum Zeitalter der „Weltoffenheit und Toleranz“ proklamiert wurde. Entweder man verabschiedet sich jetzt von dem Begriffsduo, weil es sich als Worthülse oder als einseitige Framing-Finte zur geschickt getarnten Durchsetzung des eigenen politischen Standpunkts entpuppt hat, und bekennt sich endlich offen zu Anfeindung und Ausgrenzung oder man lässt Toleranz und Pluralismusbegeisterung endlich auch gegenüber denen walten, die ihr Recht auf Glaubensfreiheit und eine – durchaus auch irrige – eigene Meinung in einer Weise ausüben, die den anderen Pol in der Gesellschaft irritiert. Was nicht irritiert, bedarf schließlich auch keiner Toleranz.

Eines aber haben Kritiker wie Sebastian Leber und Matthias Schwarzer richtig erkannt: dass es sich bei den von ihnen beanstandeten Theorien um Objekte einer neuen Art von Gläubigkeit handelt, in diesem Falle der Leichtgläubigkeit, der der Homo religiosus vielleicht auch deswegen so rasch verfällt, weil ihm der traditionelle Glaube, der mit Weihnachten, Ostern und – ganz aktuell – Himmelfahrt, madig gemacht worden ist. Von blasierten Besserwissern und eitlen Eine-Welt-Propheten, wie es sie in linken Kreise gibt wie Staubkörner auf dem Mond. Erst hat man den Deutschen also den tradierten Glauben an Gott, Christus, Vaterland ausgetrieben und wenn sie jetzt ersatzweise an absurde andere Dinge glauben, ist das auch wieder nicht richtig. Es wird mit Boykottaufrufen beantwortet, den ihre Opfer als Angriff auf die Religionsfreiheit betrachten dürfen.

Dabei gehen die, die jetzt vor gefährlichem Aberglauben warnen, sonst mit fremdartigen Glaubensüberzeugungen gar nicht so intolerant um. Das zeigt, sofern dogmatische Beschränktheit den Blick dafür nicht versperrt, ein Blick auf die Einwanderungswelle der letzten Jahre, durch die Hunderttausende Anhänger einer „Verschwörungstheorie“ ins Land gelangten. Die größte antisemitische „Verschwörungstheorie“ ist nämlich der Islam, dessen „heiliges Buch“ die Widersprüche zwischen dem Koran und den heiligen Schriften der Juden und Christen ganz banal darauf zurückführt, dass böse Juden sich gegen den rechten Glauben verschworen haben mit dem Ziel, die Schrift zu „verfälschen“ (vgl. Sure 2,75ff.). Die Leugnung des Kreuzestodes Jesu, die Verwechslung von Ismael und Isaak, von Saul und Gideon: Koran und Bibel können aufgrund solcher Widersprüche nicht beide wahr sein. Wer lügt? Mohammed war kein studierter Theologe. Er war Handlungsreisender. Er übernahm von seinen jüdischen und christlichen Gesprächspartnern eine Reihe biblischer Versatzstücke, die überdies durch die mündliche Überlieferung stark entstellt waren. Als Juden und Christen ihm wegen der Inkongruenzen seiner neuen religiösen Botschaft zu den älteren handschriftlichen Überlieferungen die Gefolgschaft verweigerten, war der Religionsstifter erbost. „Deshalb ging er zum Gegenangriff über und unterstellte Juden und Christen die Korruption ihrer Offenbarungs­schriften“, so der Islam-Kenner Eberhard Troeger. Um das mal kurz zu veranschaulichen: Wer tausend Jahre nach dem Erscheinen von Goethes Werther eine neue Fassung des Briefromans vorlegen würde, in der Werther überlebt, Lotte heiratet und mit ihr zehn Kinder hat, wer dann die auffälligen Differenzen zu der als Reclam-Heft seit Generationen in den Schulen verwendeten Fassung damit erklärt, dass Germanisten das Werk vor seiner Geburt verfälscht hätten, es ist wohl klar, welchem Lager man diesen Goethe-Epigonen zurechnen würde. Wer also 2015 so genau hingeschaut hätte wie jetzt bei Xavier Naidoo und Attila Hildmann, dem müsste klar sein, dass Hunderttausende von Menschen ohne Visum nach Deutschland eingereist sind, die an kruden antisemitischen Verschwörungsquatsch glauben, der keiner wissenschaftlich-kritischen Überprüfung standhält. Sollte man da nicht auch einfach mal sagen: „Diskutieren ist Zeitverschwendung. Was dagegen hilft, ist Druck.“? Und wenn man das nicht tut, wie will man das Attila Hildmann und Xavier Naidoo erklären? Mit einem neuen Diskriminierungsparagrafen, womöglich eigens noch für sie zu schaffen? Einem neuen „Deutsche, wehrt euch, kauft nichts von Naidoo“?

Mit der Entlarvung dieser paradoxen doppelten Moral fällt die Maske vom Gesicht linker Ideologen, die, wie es Gregor Gysi selbst vor Jahren in einem Interview mit dem Spiegel (Nr. 53/2015) zugab, ihrem Wesenskern nach intolerant und damit letztlich auch nicht demokratiefähig sind. Ihnen schwebt ein gelenktes Gemeinwesen nach dem Vorbild Chinas vor, in dem über vermeintlich unhinterfragbare Wahrheiten wie den Klimawandel, die Eine-Welt-Ideologie, die biologische Gleichheit aller Menschen, Geschlechter und Nationen und die Gefährlichkeit eines Virus nicht mehr gestritten werden muss und am besten, wie bei George Orwell, ein eigenes Ministerium über die Einhaltung der Wahrheit wacht. Die Partei der Erleuchteten hat immer Recht!

Die selbsternannten Wahrheits- und Tugendwächter des Politik- und Medienbetriebs folgen der Tradition von Maximilien de Robespierre und Karl Marx, die für andere Deutungen als die jeweils von ihnen selbst als wahr und richtig erkannte nicht offen waren und Gewalt befürworteten, um dem als wahr und richtig Erkannten zum Sieg zu verhelfen. Wer jetzt offen zur Stigmatisierung und zum Boykott von „Verschwörungstheoretikern“ aufruft, der begibt sich in unliebsame Gesellschaft. Schon einmal wurde in Deutschland kollektiv zum Boykott der Geschäfte einer als schädlich bezeichneten Minderheit aufgerufen, deren einziges Verbrechen darin bestand, einen anderen Glauben zu haben. Wer argumentiert wie Matthias Schwarzer und Sebastian Leber, ist ein geistiger Brandstifter. Er ebnet die Bahn für Pogrome.

www.conservo.wordpress.com     21.05.2020
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