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Meinungsfreiheit zerstört – „eine Nation, zwei Systeme“ ausgehebelt
Es ist leider kein Mißverständnis! Es geht hier nicht (nur) um den Satz „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, sondern um einen klaren Vertragsbruch. Die Rotchinesen haben de facto ihre Zusage aufgegeben, Hongkong ein Mindestmaß an Souveränität zuzugestehen.
Der Volkskongress in Peking hat gerade ein neues Gesetz für Hongkong beschlossen, das bereits in diesem August in Kraft treten soll. Das Gesetz wird die Meinungsfreiheit in Hongkong bis auf den Grund zerstören. Das bedeutet eine nicht wieder gutzumachenden Beschränkung der Rechte der Hongkonger, die sich eigentlich durch das Prinzip „eine Nation, zwei Systeme“ geschützt fühlten. Die Bewahrung dieses Prinzips war ein Versprechen von Peking gegenüber der internationalen Gemeinschaft.
„Sicherheitsgesetz“ ohne Sicherheiten
Nun zwingt die kommunistische Partei in Peking Hongkong eine autoritäre Ordnung auf, die sie höhnisch als „Sicherheitsgesetz für Hongkong“ darstellt. Ja mehr noch: „Die langfristige Stabilität der Sonderverwaltungszone, das Recht auf Freiheit und der Wohlstand der Bürger Hongkongs werden damit gewahrt. Hongkong kann zuversichtlich in die Zukunft blicken“, klingt es aus Peking (Takungpao vom 27.5.20).In diesem Kontext wird auch klar, daß die empfindlichen Kommunisten die seit Monaten andauernden Proteste gegen ihre Willkürherrschaft als „gewalttätig“ bezeichnen und von einem „terroristischen Charakter“ sprechen. Das stellt die wahre Lage auf den Kopf und läßt für die nahe Zukunft nur Böses ahnen.
Damit dürften die Sicherheitsbehörden vom Festland künftig in Hongkong Büros beziehen und Proteste unterbinden. Das 1997 zugesicherte Prinzip ‚Ein Land, zwei Systeme‘ gilt faktisch nicht mehr, denn nun hat Peking das letzte Wort. Hongkong, wie die Welt es kennt, wird aufhören zu existieren. Die Protestbewegung bittet nun das Ausland um Hilfe, die Radikalen fühlen sich in ihrer Meinung bestätigt, daß Peking nicht zu trauen ist. Und die moderaten Hongkonger, die bisher wollten, daß alles bleibt, wie es ist, müssen sich nun denen anschließen, die Veränderung fordern.
China hat offenbar damit begonnen, die territorialen Ansprüche an seiner Peripherie durchzusetzen. Und das autonome Hongkong ist das erste Opfer. Die USA werden jetzt vermutlich den wirtschaftlichen Sonderstatus der Stadt zumindest teilweise streichen, die Zukunft Hongkongs als internationales Finanzzentrum sieht düster aus. Die ohnehin zerbrechlichen Beziehungen zwischen Washington und Peking dürften dadurch nicht besser werden. Und das neuerliche offene Eintreten Pekings für eine ‚friedliche Wiedervereinigung‘ mit Taiwan tut ein Übriges. Indien sollte Chinas Aggression genau beobachten, da sie auch seine Sicherheitsinteressen direkt berühren könnte.
Der einzige Grund, warum China nicht schon früher einen solchen Vorstoß unternommen hat, ist, daß die Kommunistische Partei und ihre Firmen die Stadt für ihr wirtschaftliches Überleben brauchen. Sie nutzen Hongkongs relative Offenheit, um internationales Geld in den Staatssäckel umzuleiten und Chinas wirtschaftliche Expansion zu finanzieren. Nun glauben Präsident Xi Jinping und seine Politbüro-Kollegen offenbar, daß sie Hongkongs Freiheiten einschränken und die Vorteile trotzdem nutzen können. Genau das müssen die USA verhindern. Hongkong den Sonderstatus abzuerkennen ist wahrscheinlich der einzige Weg, die Aufmerksamkeit Pekings zu gewinnen und auf längere Sicht unsere Interessen zu wahren.
Die Argumentation der kommunistischen Führung, die Demonstrationen in Hongkong gefährdeten die Stabilität des ganzen Landes, überzeugt nicht. Tatsächlich will die Volksrepublik das neue Gesetz möglichst schnell auf den Weg bringen, um vor der für September geplanten Wahl in Hongkong die pro-demokratische Bewegung einzuschüchtern. Die Kritik aus den USA und Europa wird nun immer lauter. China hat offenbar die Reaktion der USA falsch eingeschätzt. Die Regierung um Xi Jinping, die wegen der Corona-Pandemie eine schwere Rezession erwartet, sollte besser die Auseinandersetzung mit Washington vermeiden und sich auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau konzentrieren
Signal nach innen und nach Taiwan
Nachdem die Corona-Pandemie abgeklungen ist, nutzt Peking offenbar die Gelegenheit, den Zugriff auf Hongkong verstärken. Peking verfolgt mit diesem Schritt zunächst zwei Ziele:
Zum einen handelt es sich um eine Machtdemonstration nach innen, zum anderen um ein Signal nach außen in Richtung Taiwan und an die Nachbarländer, mit denen sich Peking Streitigkeiten um Inseln im Südchinesischen Meer liefert. Die für Hongkong aufgestellte Regel „ein Land, zwei Systeme“ verliert damit endgültig ihre Gültigkeit.
Und solange China von einem Präsidenten wie Xi Jinping regiert wird, besteht auch keine Hoffnung auf Besserung: Das Regime macht keinen Hehl aus seinen territorialen Ansprüchen und seinen Ambitionen, die USA als Supermacht Nummer eins abzulösen.
Die Europäische Union sollte gewarnt sein. Wer immer noch glaubt, in Peking einen verläßlichen Partner in der Weltpolitik zu haben, sollte sich nach einem festeren Boden für seine Träume umschauen; denn der sandige Boden der westlichen Demokratien rieselt und rieselt – und langsam versandet das alte Europa.
Europa verpaßt eine große Chance, wenn es weiter so zaghaft auf die antidemokratischen Repressionen Chinas gegen Hongkong reagiert.
Jetzt wäre die Gelegenheit zu zeigen, auf welchen Grundwerten die EU beruht. Das europäische Projekt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Weg gebracht, um Frieden und Freiheit zu bringen. Aber im Lauf der Zeit ist der internationale Einsatz für die Menschenrechte aus wirtschaftlichen Erwägungen immer mehr zum Erliegen gekommen.
Wo bleibt die gemeinsame europäische Haltung gegenüber China? Noch ist es nicht zu spät für eine neue europäische Linie!