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Von Peter Helmes
Nach einer Meldung des Dlf von heute hat die Bundesregierung „Zweifel am offiziellen Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Belarus geäußert.“ Oppositionskandidatin Tichanowskaja bezeichnete sich selbst als Wahlsiegerin und forderte den langjährigen Amtsinhaber Lukaschenko zum Rückzug auf. Laut offiziellem Ergebnis gewann Lukaschenko die Wahl mit 80,2 Prozent der abgegebenen Stimmen, Tichanowskaja erzielte demnach 9,9 Prozent. (Lukaschenko regiert Belarus bereits seit 26 Jahren autoritär und strebt nun eine sechste Amtszeit an.)
Tichanowskajas Ziel im Wahlkampf war es, die Abstimmung zu gewinnen, als Präsidentin alle politischen Gefangenen freizulassen und dann eine freie Neuwahl anzusetzen. Sie kandidierte an Stelle ihres Ehemanns Sergej Tichanowski. Der regierungskritische Blogger sitzt in Haft.
Demokratische Mindeststandards nicht eingehalten
Regierungssprecher Seibert sagte in Berlin lt. Dlf, es sei offenkundig, daß bei der Abstimmung die Mindeststandards für demokratische Wahlen nicht eingehalten worden seien. Die Berichte der Opposition über Wahlfälschung seien glaubhaft. Die politische Führung des Landes müsse den Bürgerwillen akzeptieren. Auch der Einsatz von Gewalt gegen friedlich demonstrierende Bürger und die Verhaftung von Journalisten und Bürgerrechtlern sei zu verurteilen – Beobachter sprechen von rund 3.000 Verhaftungen. Die Europäische Kommission forderte eine genaue Auszählung der Stimmen und verurteilte ebenfalls die Repression in Belarus.
Das weißrussische Innenministerium bestätigte den Einsatz von Spezialtechnik und Blendgranaten gegen die Demonstranten, die Lage sei aber inzwischen unter Kontrolle. Auf Videos waren im Gesicht blutende Schwerverletzte zu sehen. Sie sprachen übereinstimmend von einem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte. Diese seien mit Gummigeschossen sowie Wasserwerfern gegen die Menschen vorgegangen. Lukaschenko hingegen hat das Ausland für die Proteste verantwortlich gemacht. Es habe Aufrufe dazu aus Polen, Russland und Tschechien gegeben, sagte der Präsident am Montag Staatsmedien zufolge in Minsk.
Bleiben die EU und USA untätig?
Auch wenn die Proteste vorerst eingedämmt werden konnten, steht Lukaschenko vor einem steinigen Weg. Der letzte staatsmonopolistische Diktator Europas verlängert nun seine Herrschaft auf 31 Jahre. Das brutale Vorgehen der Regierung wird ihm gewiß über die nächste Zeit helfen, die Frage wird aber immer lauter gestellt, wie lange er sich wird halten können. Denn die Lage ist nicht mehr so, wie sie über 26 lange Jahre zu sein schien. Daß er sich trotzdem so lange an der Macht gehalten hat, ist letztlich dem Schweigen, also der Untätigkeit der EU und der USA, zuzuschreiben.
Es ist besorgniserregend, und es verstärkt das ungute Gefühl, daß Diktatoren nicht mehr ausreichend von Demokratien unter Druck gesetzt werden. Wahlbetrug, Einschüchterungen und Angriffe auf die individuellen Freiheiten oder gegen Medien gelten heute fast als normal. Putin macht dasselbe in Russland und Erdogan in der Türkei.
Die Festnahme der Oppositionellen, die vom Westen scharf kritisiert wurde, sollte zu neuen Sanktionen und der Reduzierung der finanziellen Hilfe der EU oder der USA führen. Auch Russland beobachtet die Lage sehr genau. Mit Lukaschenko ist Moskau zwar nicht zufrieden, tut aber (derzeit noch) so, als ob es aktuell keine Alternative gibt. In den autoritär geführten ehemaligen Ländern der Sowjetunion waren Regierungswechsel immer schwierig.
Das Ergebnis von Belo-Russland führt zu ganz neuen Überlegungen: Wird der russische Präsident Putin möglicherweise die Situation nutzen, um Belarus zu schlucken, so wie er 2014 die Krim und die Donbass-Region aus der Ukraine herausbrach? Im Kreml fürchtet man nichts mehr als eine „bunte Revolution“, die von der Basis der Gesellschaft ausgeht. In einer Situation, in der man nicht auf die volle Unterstützung der USA zählen kann, wird das nicht einfach sein.
Sollte sich der Kreml gegen Lukaschenko entscheiden, dann ist sein Schicksal besiegelt! Nicht ohne Grund haben russische Politiker suggeriert, daß er durch einen Putsch von Generälen zu Fall gebracht werden könnte. Und die Grenze zwischen der russischen Armee und der Armee von Belarus ist ebenso schwer auszumachen wie die Grenze zwischen beiden Staaten.
Und Putin wäre mit dem Zugewinn Weißrusslands ein Stück stärker geworden. Ob Lukaschenko noch ruhig schlafen kann?