SPD könnte wieder siegen, wenn sie den eigenen Linkskurs überwände

(www.conservo.wordpress.com)

Von Peter Helmes

Die Grünen sind keine Volkspartei

Die SPD hat in zwei Jahrzehnten rund elf Millionen Wähler verloren, und da muß sie einen großen Teil zurückgewinnen, um wieder aus diesem Tief, in dem sie sich jetzt befindet, herauszukommen.

Die SPD in Hamburg ist bei der letzten Bürgerschaftswahl (ähnlich Landtag) im Februar 2020 mit einem Kurs stärkste Partei geworden, der eindeutig gegen die Bundes-SPD gerichtet war, denn die beiden neuen Bundesvorsitzenden wurden explizit nicht eingeladen für den Wahlkampf, und die Hamburger SPD hat sich auch inhaltlich gegen den Linkskurs der Bundes-SPD gestellt. Insofern war das ein Erfolg von Herrn Tschentscher und der Hamburger SPD, aber nicht der Bundes-SPD. Es war auch eine Stärkung von Olaf Scholz; denn sein Kurs der Mitte, weitaus wirtschaftsfreundlicher als der der beiden Bundesvorsitzenden, wurde in Hamburg belohnt.

Das zeigt sich auch am Ergebnis der Grünen, die allen Erwartungen zum Trotz weit hinter der SPD blieben. Auch für die Grünen, selbst wenn sie optimale Bedingungen haben – und das war in Hamburg der Fall – wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Sie sind eben keine Volkspartei, jedenfalls noch lange nicht. Gerade mit dem Begriff Volkspartei sollte man sehr vorsichtig sein bei den Grünen; denn inhaltlich stehen sie eben in den großen Konfliktlinien, die wir im Parteiensystem haben, durchaus am Rand des Parteiensystems. Zu ihnen paßt – oberflächlich betrachtet – vielleicht das Etikett „liberal“, wenn es um die Gesellschaftspolitik geht, aber wirtschaftspolitisch sind sie nicht in der Mitte, sondern sie haben sich im durchaus linken Bereich positioniert.

Anti-liberale Grüne

Und nochmals eine Bemerkungen zum Attribut „liberal“: Es ist den Grünen gelungen, dieses Etikett für sich in Anspruch zu nehmen. Aber auch hier gilt der Schein mehr als das Sein; denn die Grünen sind alles andere als liberal.

Mit ihrem „Verbots-Furor“, mit ihrer Neigung zu Belehrung und Volkserziehung, mit ihrer praktizierten Intoleranz gegenüber allen Andersdenkenden und mit ihrem Gehabe als Bessermenschen sind das genaue Gegenteil eines Liberalen.

Und noch deutlicher, ihr Gedankengut, das sie als liberal verkaufen wollen, ist nicht frei von totalitären Tendenzen – also ein gemein-gefährliches Gemisch.

Die Freiheit des Bürgers wird heute weder von der SPD noch von den Grünen und auch nicht mehr von der Union verteidigt, und selbst in der FDP muß man schon sehr genau hinsehen, um Reste davon aufzuspüren. Übrigens eine verheerende Folgewirkung Merkelscher Politik! „Mutti macht“ nimmt den Bürgern eine Menge Gestaltungsfreiheit und zwingt sie zu Rudeln, zu einer Herde blökender Schafe, die sich von Muttis Wachhunden leiten lassen.

(Einschub: Über das Versagen der Unionsparteien gerade auf diesem Feld will ich hier vorerst den „Mantel christlicher Nächstenliebe“ breiten – das Thema soll einem weiteren Artikel vorbehalten bleiben. Nur so viel als Hinweis vorab:

Es geht bei der Union nicht nur rein um Personalentscheidungen zur Vorsitzenden-Frage, sondern es geht ja parallel dazu und damit verwoben um inhaltliche Entscheidungen: Wo will die CDU in Zukunft stehen, will sie den Merkel-Kurs weiterführen, will sie dem konservativen Teil der Wählerschaft stärkere Angebote machen – und damit verflochten natürlich die Frage der Abgrenzung nach links und nach rechts. Einschub Ende.)

Zurück zur SPD:

Trotz großer allgemeiner Zustimmung zur Politik der regierenden Koalition verharrt die SPD weiterhin im Umfragetief. Die Partei hat die Bindung an ihre Wähler verloren.

Die beiden Vorsitzenden sind angetreten mit dem Ziel, die Umfragewerte der SPD innerhalb des Jahres 2020 am Ende auf 30 Prozent anzuheben. Saskia Esken sagte gegenüber dem „vorwärts“ damals, „vielleicht auch mehr zu steigern“. Dieses Ziel ist nicht einmal annähernd in Sicht. Darauf dürfte wohl auch das Autoritätsdefizit der Parteivorsitzenden zurückzuführen sein. Auf die Frage, wer heute eigentlich für die SPD steht, fällt einem selbst bei intensivem Grübeln kein Name ein, der auf breite Zustimmung stieße. Und bei der Folgefrage, für WAS die SPD heute steht, fällt einem nichts ein, was über die Dimension „Bauchladen“ hinausreichte.

Die SPD hat es ja insgesamt sehr schwer, daß sie trotz allenthalben als sehr gut und gut bewerteter Regierungsarbeit nicht so richtig aus dem Quark kommt. Die SPD hat ohne Zweifel – das ist ein sehr schmerzhaftes Eingeständnis – die emotionale Bindung an ihre tradierten Milieus, an viele (vor allem die früheren) Wählerinnen und an die alte Arbeiterschaft, verloren. Die permanente Selbstbeschäftigung der SPD, die interessiert außerhalb der SPD nur sehr, sehr wenige, und auch deren „neudeutsche“ Sprache stößt viele ab.

Ich habe den Eindruck, daß es in den vergangenen Jahren alle Vorsitzenden, egal, wie sie strukturiert waren und welche Naturells sie pflegten, schwer hatten in der SPD. Ich habe aber auch den Eindruck, daß die beiden jetzigen Vorsitzenden doch auch von einer vielleicht unerwarteten Loyalität gestützt werden. Sie wollen auch keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß es in der SPD nicht nur um zwei Vorsitzende geht, sondern es geht um das Überleben von „progressiven“ Ideen und von einer „progressiven, zukunftsorientierten Partei“. Und da muß die SPD sich immer wieder überprüfen. Aber sie sollte nicht selbstmitleidig immer nur auf sich selber schauen, sondern sie braucht auch eine ordentliche Portion Selbstbewußtsein. Derzeit wirkt die SPD eher schwach und keinesfalls „progressiv“ – wobei noch zu definieren wäre, was mit „progressiv“ überhaupt gemeint ist.

Kluft zwischen Mitgliedern und Wählern

Noch einmal: Die SPD-Führung hat eindeutig den Kontakt zu ihrer Basis verloren. Aber da sollte man durchaus wieder unterscheiden zwischen den Mitgliedern – das sind ja nur noch um die 460.000 (die Union hat mehr als 500.000) – und der Wählerbasis. Da ist häufig eine Kluft festzustellen, daß die der SPD noch verbliebenen Mitglieder anders „ticken“ als die der SPD noch verbliebenen Wähler und erst recht als die früheren SPD-Wähler. Und wenn man von der „Basis“ spricht, oder wenn man nur darauf achtet, den Parteitag hinter sich zu bringen, oder die Mitglieder, dann hat man noch nicht auch die Wähler hinter sich. Und das ist ein nicht zu übersehendes Problem. Wenn man in der SPD immerzu von „Basis“ spricht, denkt man zu kurz und denkt nicht darüber hinaus an die, die man eigentlich ansprechen müßte, nämlich die, die man bei einer Wahl braucht, damit sie ihre Stimme der SPD geben.

Das heißt für mich: Die SPD-Parteibasis steht tendenziell eher noch weiter links als die Wählerschaft. Und das gilt erst recht für die Partei-Funktionäre, die eher links ticken und der Partei immer raten, ein linkes Profil zu bekommen bzw. zu erhalten.

Regierung und Opposition gleichzeitig geht nicht

Die Wähler hingegen scheinen mir eher mitteorientiert und eher auch konsensorientiert zu sein. Wir haben es ja auch gesehen in der Vergangenheit, wenn die SPD sowohl Regierung als auch Opposition gleichzeitig sein wollte. Das hat der Wähler nicht honoriert. Er möchte keinen Streit, wenn eine Partei in einer Regierung ist. Da ist in der Tat eine tiefe Kluft zwischen vor allen Dingen der Funktionärskaste und den Wählern.

Und im Augenblick geht es immer nur um die Befriedung der Funktionärsbasis, oder vielleicht allenfalls der Mitgliederbasis. Und wenn das dumme Wählervolk das nicht kapiert, ist es selbst schuld.

„Der Lockruf der Verzweifelten“

Man sieht das Dilemma exemplarisch an der Frage „Wie hältst Du´s mit der Linkspartei?“.

Der ‚Klärungsbedarf‘, den die SPD im Verhältnis zur Linkspartei im Bund noch sieht, ist erheblich. Hier geht es nicht nur um etwa das Verhältnis zur Nato, zu den Vereinten Nationen und zum Völkerrecht, insbesondere zu Interventionen. Nein, es stellte sich die Grundfrage der Glaubwürdigkeit Deutschlands im westlichen Bündnis. Zudem zeigen nicht unwesentliche Teile der Linkspartei und ihrer Führung mehr als Sympathien für extremistische Positionen, die sie oft auch materiell unterstützen (Stichwort z.B. „Antifa“).

 Und siehe da: Ein Bündnis auch mit der Linkspartei sei eine Option, die die Sozialdemokraten aus Sicht des Co-SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans nicht ausschließen dürfen.

Aber was auf Länderebene nun schon seit Jahren klappt, siehe Thüringen, Brandenburg oder Berlin, ist auf Bundesebene noch einmal eine andere Geschichte. Denn da geht es unter anderem um außenpolitische Entscheidungen, wo es deutliche Unterschiede zwischen SPD und Linkspartei gibt, beispielsweise wenn es um die NATO geht. Diese unterschiedlichen Positionen müßte man in einem Bündnis erst mal zusammenbinden, ohne daß die SPD ihre wichtigen Grundpositionen aufgibt.

Derweil aber sorgt die Diskussion um ein mögliches Bündnis zwischen SPD und Linkspartei zur Bildung einer neuen Bundesregierung innerhalb der SPD für scharfe Kritik.

Stefan Hilsberg, Mitbegründer der Ost-SPD, sagte dazu der „Bild“: „Der Borjans-Vorschlag offenbart altes Denken und Ratlosigkeit. Eine SPD, die diese ideologischen Restposten nicht über Bord wirft, braucht kein Mensch. Das ist der Weg in die Bedeutungslosigkeit.“

Steffen Reiche, ebenfalls Ost-SPD-Mitbegründer und lange Jahre Minister in Brandenburg, zeigte sich entsetzt von Walter-Borjans: „Ich wünsche mir einen SPD-Chef, der zumindest die Grundrechenarten beherrscht, erkennt, dass man mit 15 Prozent andere Sorgen hat, und der weiß, was politisch geboten ist. Das ist der Weg in den Niedergang“, so Reiche gegenüber „Bild“. Christian Baldauf, CDU-Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, sprach gegenüber dem Blatt von einem „Lockruf der Verzweifelten“ aus der SPD-Führung.

Baldauf: „Bündnisspiele mit einer Partei, die NATO und Soziale Marktwirtschaft verachtet, spalten unsere Gesellschaft. Die SPD-Mitglieder sollten auf der Hut sein.“ FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg (inzw. ausgeschieden) sagte damals zu „Bild“:

„Damit ist klar: Im Wahlkampf wird es um mehr oder weniger Steuern sowie um einen handlungsfähigen Rechtsstaat oder rechtsfreie Räume gehen. Es ist egal, wer SPD- Kanzlerkandidaten wird: Wer SPD oder Grünen seine Stimme gibt, wird mit Rot-Rot-Grün aufwachen.“ (Zitate nach dts/Jouwatch)

Statt sich der Illusion hinzugeben, daß man 2021 ernsthaft die Kanzlerin oder den Kanzler stellen kann, sollte die SPD einmal darüber nachdenken, warum sie eigentlich bei 15 Prozent verharrt, obwohl sie als netter Gemischtwarenladen mit allerlei Spiegelstrich-Forderungen daherkommt. Womöglich gerade deshalb? Wer wenig zu verlieren hat, sollte sich das Privileg erlauben, nicht jedem gefallen zu wollen.

Die SPD muß zeigen, worum es geht in den 2020er-Jahren

Nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz gibt es in der SPD inzwischen weniger Befürworter eines Ausstiegs aus der Großen Koalition. Dazu hätten Erfolge wie der Beschluß der Grundrente beigetragen, sagte der Kandidat für den SPD-Parteivorsitz im Dlf. Jetzt gehe es um Zukunftsfragen.

„Olaf hat den Kanzler-Wumms“

Und jenen Olaf Scholz hat die SPD inzwischen zu ihrem Kanzlerkandidaten gekürt. „Olaf hat den Kanzler-Wumms“, schrieben die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ungeniert, aber ein wenig verwegen (auf Twitter). Scholz selbst erklärte, er freue sich auf einen „tollen, fairen und erfolgreichen Wahlkampf in einem starken Team“. Präsidium und Vorstand hätten ihn einstimmig nominiert.

Esken und Walter-Borjans galten lange als Gegner von Scholz, setzten sich im vergangenen Jahr bei der Wahl des Parteivorsitzenden auch gegen ihn durch. Seitdem habe es einen “engen Schulterschluss” und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Parteispitze, Fraktionsführung und den sozialdemokratischen Ministern gegeben, erklärten die Parteichefs.

„In dieser engen Zusammenarbeit haben wir Olaf Scholz als einen verläßlichen und am Team orientierten Partner erlebt, der für sozialdemokratische Politik für dieses Land kämpfen kann und will und der mit uns die Vision einer gerechten Gesellschaft teilt.“ (Zitatenquelle: Jouwatch)

Brav gesprochen, laut getönt! Aber als Fazit bleibt: Wo ist der Mann/die Frau, der/die in der Lage wäre, die SPD wieder nach oben zu ziehen, raus aus dem Jammertal? Ich sehe niemanden, der in die übergroßen Schuhe eines Helmut Schmidt oder gar eines Willy Brandt treten könnte. Die SPD hat fertig!

www.conservo.wordpress.com     16.09.2020
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