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Von Albrecht Künstle
– Schiitisch – sunnitische (!) Offensive gegen einen kleinen Christenstaat
– Wechselvolle Geschichte – geht Merkel in die Geschichtsbücher ein?
Erdogan, der Sultan vom Bosporus, will die armenischen Christen in Bergkarabach nur in Frieden lassen, wenn sie den „von ihnen besetzten aserbaidschanischen Boden sofort verlassen.“ Die Türkei werde „mit allen Mitteln“ dafür sorgen. Und wenn dieser Türke ALLE sagt, dann meint er wie die Jungtürken 1915 auch alle Mittel! Über eine Million Armenier wurden damals Opfer des Völkermords.
Mit diesem Beitrag soll nicht Bekanntes zu Aserbaidschan und Bergkarabach ein weiteres Mal wiedergegeben werden. Gegenstand ist die Geschichte des Südkaukasus und die Beleuchtung nur weniger Auffälligkeiten.
Es trifft nicht zu, dass auch diese Region eine Wiege der Christen sei; so viele Wiegen gab es nicht. Das Christentum etablierte sich im heutigen Aserbaidschan mit Bergkarabach erst im 4. Jahrhundert, dann aber schnell. Doch die Frohe Botschaft der Missionare sollte nur drei Jahrhunderte halten. Schon 21 Jahre nach Muhammads Tod fielen 643 seine muslimischen Horden der Araber auch in dieses Land ein und islamisierten es. Nicht mit einer anderen frohen Botschaft, sondern mit der Überzeugungskraft des Schwertes. Im 8. Jahrhundert war es komplett unter der Kontrolle muslimischer Völker, auch der Kurden, Lesgier, Perser und Turk-Stämme.Wie viele andere Regionen, wurde auch diese tausend Jahre lang abwechselnd zum Akteur oder Spielball fremder Mächte. Im 15. Jahrhundert entstand erstmals der Staat Khanat Karabach. 1590 gelang es den Osmanischen Reich, Aserbaidschan zu erobern, aber nur für zehn Jahre. 1736 fiel das Land an Persien. Die russisch-persischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhundert endeten im Frieden von Turkmantschai von 1828; Aserbaidschan und Armenien wurden dem russischen Reich zugeschlagen.
1920 wurde Aserbaidschan von den Alliierten als unabhängiges Land anerkannt, wurde aber 1936 eine Sowjetrepublik der UdSSR. 1988 wollte der Gebietssowjet das kulturell armenische Bergkarabach in die armenische Republikhoheit übertragen. Das endete in einem Pogrom https://de.wikipedia.org/wiki/Pogrom_in_Sumgait. Nach Augenzeugenberichten attackierten aserbaidschanische Männer die armenische Minderheit der Stadt. Neben Morden kam es dabei nach Augenzeugenberichten auch zu Vergewaltigungen und Verstümmelungen. Im Zuge des Pogroms soll es auch zu einem Massaker in einer Entbindungsstation gekommen sein (Wikipedia). Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion rief Aserbaidschan im September 1991 seine Unabhängigkeit aus. Im selben Monat tat dies auch die Republik Bergkarabach. Darauf folgten 1992 zwei weitere Massaker durch Russen und Aserbaidschaner.
Religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung. Die im 5. Jahrhundert armenisch-christliche Bevölkerung im jetzigen Aserbaidschan wurde in der Geschichte des Islam auf 3,8 Prozent geschrumpft (1998). 1988 waren es noch 475.000 Christen. Heute leben in ihrem erstrittenen de facto unabhängigen Bergkarabach (armenisch Arzach) nur noch 146.000 von ihnen. Nicht durch Kirchenaustritte, sondern durch Vertreibung und mehr.
Die muslimische Bevölkerung Aserbaidschans nahm wie überall zu, es sind jetzt 10,4 Millionen. Nur 15 Prozent sind Sunniten, 85 Prozent Schiiten. Das dürfte der zeitweise persischen Vorherrschaft und heutigen Nachbarschaft zum Iran geschuldet sein. Aber auch in diesem islamischen Staat wurde deutlich, dass diese Pseudo-Religion eher eine politische Kraft ist. Anfang der 90er Jahre gründeten sich die „Islamische Partei Aserbaidschans“, die „Partei für islamischen Fortschritt“, die „Azad Ruhaniler“ und weitere islamische Organisationen. Doch laizistischen Gesetze von 1995 versuchen, einen richtigen Islamischen Staat zu vermeiden.
Was hat nun die Türkei in dem Konflikt zu suchen? Man könnte auch die Gegenfrage stellen, welches Land ist für Erdogan tabu? Er geht auch dort nach seiner Strategie vor: 1. Er erklärt ein Gebiet zur türkischen Einflusszone, 2. er macht es anschließend zum nationalen Interesse der Türkei, das er als bedroht erklärt, 3. er setzt dann seine gewaltige Kriegsmaschine in Gang.
Exklave/Inklave. Der armenische und türkische Herrscher sagt, die armenische Exklave Bergkarabach sei ein Fremdkörper in Aserbaidschan. Geographisch gesehen ist das nicht falsch, aber dasselbe gibt es ganz in der Nähe umgekehrt. Links unten auf der Landkarte Armeniens liegt die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan. Der Name ist die Übersetzung von „Ort der Landung“. Es geht um die der Arche Noahs am nahegelegenen Berg Ararat.
Das verdient besondere Beachtung: Aserbaidschan ist fast ganz schiitisch, die Türkei sunnitisch und beide kämpfen Seit an Seit gegen das christliche Bergkarabach! Diese Islamrichtungen schlagen sich normalerweise die Köpfe ein und führen gegeneinander Krieg, z.B. im Jemen. Doch wenn es gegen Christen geht, ist jeder Islam was er ist: Islam! Open Doors hat Aserbaidschan noch nicht „auf dem Schirm“. Diese Organisation tritt weltweit für verfolgte Christen ein, aber eben nicht für ein ganzes Völkchen wie das von Bergkarabach.
Wie hält es Merkel-Deutschland mit Aserbaidschan? „Deutschland und Aserbaidschan pflegen seit 1992 gute bilaterale Beziehungen“ (Originalton Auswärtiges Amt). Die Stadt Mainz pflegt mit Baku eine Städtefreundschaft. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel soll am 29.09.2020 mit den Präsidenten von Aserbaidschan und Armenien telefoniert haben! Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.
Mit diesem Anruf dürfte in Bergkarabach wieder Frieden einkehren (?). Denn die Badische Zeitung weiß, dass Chinas Staatschef Xi in der Klimapolitik sogar vorpreschen will, nachdem er dazu von der Kanzlerin telefonisch aufgefordert wurde. Wenn ein Merkel-Telefonat ins ferne und große China einen so durchschlagenden Erfolg hat, um wieviel mehr muss nun Aserbaidschan und ihr Geschäftspartner Erdogan vor ihr kuschen. Wenn die Waffen schweigen sollten, kann‘s nur der Frau Merkel zu danken sein (?).
Wer über den Konfliktherd mehr wissen will, als bei uns in der Zeitung steht: https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Armenien-Aserbaidschan-Berg-Karabach-Konflikt-Kriegsrecht
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