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Von Peter Helmes
Nun stehen wir also wieder kurz vor der Gespensternacht, vor Halloween. Und niemand scheint mehr zu wissen, wo die Wurzeln dieses Tages liegen. Aber auch, wenn in diesem Jahr Corona einen großen Strich durch allzu offene Feiern macht, the Rummel goes on.
Ein kurzer Rückblick:
Eigentlich sollte es eine „stille Zeit sein“, die jetzt am Wochenende vor uns liegt. Wie es der Name schon sagt, wird am 1. November „Allerheiligen“, der Heiligen, gedacht. Man gedenkt nicht nur der (offiziell) heiliggesprochenen, sondern auch der Menschen, von deren Heiligkeit nur Gott weiß. Allerheiligen gehört übrigens zu den Höhepunkten im katholischen Kirchenjahr – ebenso wie Weihnachten oder die Karwoche bis Ostersonntag, was wohl fast niemand mehr weiß.
Einen Tag nach Allerheiligen, am 2. November, findet der Allerseelen-Tag statt. An Allerseelen gedenkt man aller Toten und deren Seelen.Wie aus Allerheiligen und Allerseelen Halloween wurde
Nach altem katholischem Volksglauben, der besonders in Irland verbreitet ist, sollen am Abend vor Allerheiligen die Seelen der Verstorbenen ins Fegefeuer aufsteigen. Dort sollen sie für kurze Zeit verweilen, bis sie geläutert sind und in den Himmel aufsteigen können. Man spricht auch von „All Hallows‘ Eve“ – oder eben heute in der modernen Form von Halloween.
Den Brauch und ihren Volksglauben haben die irischen Auswanderer mit nach Amerika genommen – genauso wie die Tradition, daß Kinder an Allerseelen von Tür zu Tür gingen und um süße Kuchen oder Kekse gebeten haben.
Und damit sind wir beim heutigen „Halloween“.
Allerdings hat sich Halloween mit zahlreichen Partys und Verkleidungswettbewerben zu einem sehr kommerziellen und säkularen Rummel entwickelt – in diesem Jahr durch Corona wohl mit etwas „gebremsten Schaum“. Aber allein im letzten Jahr (2019) hat der Halloween dem Einzelhandel 320 Mio. € Umsatz gebracht, und auch in diesem Jahr winken schreckverbreitende Masken und Umhänge aus nahezu jedem Schaufenster der Geschäfte!
Jedenfalls ist klar: Mit den ursprünglichen Wurzeln hat dieses „Fest“ heute nicht mehr viel gemein. (Rückblick Ende)
An „Geister“ glaubten die Menschen zu allen Zeiten, auch heute. Sie werden „beschworen“, und ihnen werden Feste gefeiert. Das gilt für die „guten Geister“. Die bösen Geister werden „ausgetrieben“. Und manches „geistert“ herum, bei dem man nicht weiß, ob gut oder böse. Kurz, die Geister, die wir riefen, werden wir nicht los. Ist das alles „geistfrei“, sinnfrei oder gottlos? Das mag jeder für sich selbst beantworten. Ich bin kein Pastor.
„Holy smokie“ statt Geist Gottes – ein Superkommerz
Doch halt! Wir sprechen zwar vom „Geist Gottes“, ersetzen aber immer mehr religiöse Feste durch kommerzielle „Events“, die den kirchlichen den Rang ablaufen. Und dann wundern wir uns, was es so alles gibt. Die Kirche müsse „neue kreative Ideen finden“, forderte z. B. die Regionalbischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, Susanne Breit-Keßler, im Deutschlandfunk (30.10.14). Und Ex-Bischöfin Käßmann jammert in ihrer Kolumne in der „Bild am Sonntag“ (26.10.14), der Reformationstag werde immer mehr von Halloween überlagert.
Kürbis statt Kirche, dunkle Geister statt Gott
Aber von der „Frohbotschaft des Herrn“ spricht niemand von ihnen mehr.
Da hatten die Kirchen wohl gedacht, mit eimerweise Weihwasser dem mittelalterlichen Spuk den Garaus gemacht zu haben, doch nun ziehen wir die Gespenster via Halloween wieder aus der Kiste. Albern – der Spuk wie auch die Reaktion der Kirchen!
Kinder und Jugendliche würden relativ immer aufdringlicher, legte die bayerische Bischöfin nach. „Man wird quasi wie von Straßenräubern überfallen.“ Sie selbst lasse sich „ungern von der Industrie verladen“ und feiere auch nicht Valentins- und Muttertag.
„Es ist ja wirklich ein Superkommerz!“
So einfach ist das – jedenfalls nach dem Tunnelblick der Frau Bischof. Daß „der Kommerz“ lediglich den Gesetzen des Marktes folgt – nämlich Angebot und Nachfrage – scheint der frommen Frau kein Gedanke wert zu sein. Stattdessen meint sie: „Neue kreative Ideen entwickeln (…) und den Kindern vielleicht auch so ein paar Kekse zu schenken”. Ein Fest mit Spuk wie im Mittelalter sei rückwärtsgewandt.
„Diese Welt ist so gebaut, dass wir eigentlich das Böse nach allen Kräften vertreiben sollten und uns überlegen sollten, was ist denn eigentlich ein Mensch.” Stolze Worte, maue Taten!
Kein attraktives Angebot
Ja, verehrte Frau Landesbischöfin, wo hakt´s denn? Wenn die Kirche kein attraktives Angebot macht – oder aber ihr vielleicht attraktives Angebot nicht erklären kann – schafft der Markt eine neue Nachfrage. Und die heißt seit einigen Jahren „Halloween“.
Eine zunehmend säkulare Gesellschaft schafft sich ihre Feiertage selbst, „vor allem mit der Betonung auf Spaß, alles muß irgendwie lustig sein, Spaß machen, fröhlich sein. (…) Die Kirche müsse den existenziellen Bezug der religiösen Feste klarer machen. Dann kämen mehr Menschen in die Kirche“, meint die fromme Frau Bischöfin.
Nun kommen wir der Sache schon näher. Was erleben denn die Menschen, so sie „in die Kirchen kommen“? Wo ist da noch von einem gelebten Geist Gottes die Rede? Regiert da nicht eher der Zeitgeist? Da wird nicht mehr gepredigt, wie schön Gottes Schöpfung ist. Da ist nicht mehr von Glück und Freude die Rede, schon gar nicht von Frohsinn. Da ist nicht von Liebe (auch zu sich selbst) die Rede, sondern von Selbsthaß – bei den Protestanten fast zum Kult erhoben.
Da wird nicht gepredigt, da wird indoktriniert, da wird der Genderwahn zur Kultfigur, der Zeitgeist zum besseren Gott. „Die Welt ist schlecht, und der Kapitalismus ist schuld daran.“
Keine Welt des Staunens
Diese „neue christliche Botschaft“ zieht sich durch die evangelische genauso wie durch die katholische Kirche. Der Feminismus hat sein neues Reich gefunden, ein sehr irdisches.
Wenn Papst Franz Armut geradewegs zu einer Tugend überhöht, braucht er sich nicht zu wundern, daß kritische Menschen dies nicht gerade als Bereicherung ihres Lebenssinnes empfinden. Können wir uns nicht mehr freuen (dürfen)?
Es werden nicht mehr Geschichten aus der Bibel vorgetragen, keine Gleichnisse mehr erzählt und erklärt – wenn, dann sucht man nur die Bibelstellen, die das politisch Unkorrekte, das Schlechte schlechthin, an den Mann und an die Frau bringen können.
Das jedoch bindet keine Gläubigen, das fasziniert keine Kinder. Kinder suchen eine Welt des Staunens, des Lernens, des sich langsam Öffnens. In der Kirche heute erfahren sie keine „Frohbotschaft“, sondern das, was den Gutmenschen das Sodbrennen ins Gesicht brennt.
Für die christlichen Kirchen ist der Halloween-Spuk kein Spaß. Sie fürchten um ihre beiden Feiertage, den evangelischen Reformationstag und das katholische Hochfest Allerheiligen. Sind das Feste der Trauer oder der Freude? Luther war ein fröhlicher Mensch, der den Herrgott liebte, aber auch das Leben in all seinen Facetten – Wein, Weib und gutes Essen. Und die Heiligen waren auch nicht nur heilig, sondern Menschen von Fleisch und Blut, viele von ihnen den irdischen Genüssen nicht abhold.
Überall Katastrophen-Szenarien
Wir aber erleben heute allüberall den erhobenen Zeigefinger. Überall droht Ungemach, drohen Katastrophen aller Art. Ist die Eine nicht eingetreten, steht die Nächste schon bereit. Diese Welt wird doch wohl kleinzukriegen sein! Zumindest kann man sie kleinreden.
Die Apokalypse ist nur noch eine Frage der Zeit, verkünden sie – bei Corona gerade erst wieder mit „Wonne“ inszeniert. Wie soll da Freude aufkommen?
Wo ist der Anreiz dafür, in die Kirche zu gehen? Ist es nicht viel lustiger, in bunten Klamotten allerlei Schabernack zu treiben? Dank geschickter Marketingstrategien hat sich der vor allem in den USA populäre Brauch innerhalb weniger Jahre auch hierzulande etabliert. Kostüme, Masken und jede Menge Deko, ein gigantisches Geschäft für viele Branchen! Und auch die Kürbisbauern verdienen kräftig mit.
Martin Luther muß es geahnt haben. Ihm schreibt man eine weise Erkenntnis zu: „Aus einem verzagten Hintern kommt kein fröhlicher Furz!“ Die Kirchen haben vor lauter Fixiertsein auf den Zeitgeist vergessen, die Menschen mitzunehmen. Die Kirche darf aber aus ihrem recht verstandenen Selbstverständnis heraus keine Kirche der Gutmenschen sein, sondern der Menschen aller Art, gerade auch der Sünder. Und hat nicht Jesus gesagt, ihm sei ein reuiger Sünder lieber? Ich kann die „Worte zum Sonntag“, die allmorgendlich Gewissensnöte verbreitenden „Gedanken in den Tag“ und ähnliche „Frohbotschaften“ nicht mehr hören.
Wenn Menschen Tag und Nacht dafür anstehen, den neuesten Harry Potter zu erstehen, muß was an der kirchlichen Botschaft fehlen. Kein Wunder, daß im Mutterland der Reformation, wo Weltgeschichte geschrieben wurde, Menschen überhaupt nicht mehr wissen, was da geschehen ist vor fast 500 Jahren. Alle diese frömmelnden Gutmenschen treiben die Menschen eher aus den Kirchen, als sie hineinziehen könnten.
Moralinsaure „Verkündigung“
Es ist billig, nun der Werbeindustrie und einem raffiniertem Marketing die Schuld an dem neuen Karneval in die Schuhe zu schieben. Da wird ganz einfach Ursache und Wirkung verwechselt. Halloween ist vor diesem Hintergrund auch Ausdruck einer Spaßgesellschaft, die das Nachdenken verlernt hat. Die Karnevalisierung der Gesellschaft schreitet voran. Auch vor diesem Hintergrund ist die moralinsaure „Verkündigung“ (insbesondere der protestantischen) Kirchen eine der Ursachen dafür. Die Menschen weichen den ernsten Fragen des Lebens aus, auch weil man ihnen in den Gotteshäusern keine Antworten mehr gibt, sondern lieber Vorwürfe erhebt.
Kurz, der Reformationstag und andere christliche Feiertage sind ganz einfach zu kopflastig und zu indoktrinierend für die Menschen. Freudige Emotionen werden damit nicht geweckt.
Eine Chance erhalten die Kirchen erst, wenn sie den Gläubigen (erst recht den abgefallenen) nicht nur Büßerhaltung vermittelt, sondern auch die Einstellung, daß Menschen mit Herzen, Mund und Händen, mit allen Sinnen ihren Glauben leben können – und nicht nur mit dem Kopf. Vielleicht haben Sie über die kommenden Tage ein wenig Zeit, innezuhalten und ein wenig nachzusinnen, ob uns nicht der Sinn nach (Lebens-)Freude abhandengekommen ist.
Ich wünsche Ihnen gerade deshalb eine frohe Woche.
Peter Helmes