Leere Kirchen …

(www.conservo.wordpress.com)

von altmod *)

Nach den Verfügungen der Kaiserin Angelina und der Umsetzung ihrer Gebote durch den Landpfleger Södolf, nach willfähriger Erfüllung der Gebote durch die meisten der christlichen »Hirten«, waren Gesang und Klang der Orgeln an diesen Weihnachten in unseren Kirchen erstorben. Gerade noch der Laut von Glocken zur Stunde der abgesagten Christmetten durfte uns daran erinnern, dass unsere Kultur, dass unsere deutschen Landstriche – wenn auch in manchmal kaum mehr erkennbaren Überbleibseln – noch als christlich geprägt anzusehen sind.

Ich bin auch nicht mehr dieser dem Katechismus streng folgsame Katholik, der dem all-sonntäglichen Gottesdienstgebot stets Genüge tut. Ja, ich kenne das Gotteshaus in meinem Wohnort und in meinem fränkischen Fluchtort noch von innen: von einer Einkehr von Zeit zu Zeit aus innerstem Bedürfnis heraus, nicht allein nur zu den Hochfesten.

Vermehrt habe ich in diesen Tagen nachgedacht, warum unsere Kirchen seit Jahrzehnten sich so geleert haben. Was ist der Grund für diese »Entchristlichung«, das Ausbleiben von »Gläubigen« auch an den Weihnachtskrippen? Vergessen wir die aktuellen Reglementierungen.

Ich bin in eine katholisch geprägte Familie hinein geboren und natürlich entsprechend beeinflusst worden. Der Pfarrer und die in der Familie sehr bestimmende, frömmlerische Großmutter hätten den Hoffnung versprechenden Buben gern in einem Knabenseminar auf dem Weg zu einer »geistlichen Karriere« gesehen. Der Klarblick meiner Eltern ersparte mir dies. Ich war mit Begeisterung Pfadfinder und auch Ministrant und bei vielen mit Kirche verbundenen Ereignissen erinnere ich Hoch- und Glücksgefühle durchaus spiritueller Fasson.

In den letzten Jahren der Schulzeit – Mitte bis Ende der sechziger Jahre – fiel mir schon auf, wie der Besuch der sonntäglichen Messe nachließ. Man selbst machte beim Erwachsenwerden auch eine anscheinend zwangsläufige bzw. rational folgerichtige »Profanation« der persönlichen Glaubensdinge mit.

Es wurden damals gerade unzählige neue Kirchen gebaut, um dem angeblichen Bedürfnis von noch vielen „Gläubigen“ in den Jahren des Aufbaus nach dem Krieg Rechnung zu tragen.

Es waren die Jahre um und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das endgültig einen Aufbruch der angeblich nicht nur theologisch verkrusteten katholischen Kirche in die Moderne entfachen sollte.

Als einen Kernpunkt brachte das Konsil die Liturgie-Reform mit Abschaffung des Lateins als die Sprache der Liturgie und die »Zuwendung des Priesters zum Volk«, hinter einem Möbelstück und nicht mehr allein Gott zugewandt am Hochaltar. Die Abwendung vom Latein hin zur eingesessenen Sprache ermöglichte denn auch »moderne« zeremonielle Ausdrucksformen mit »Jazz-Messen« und manch anderem neuzeitlichen Firlefanz.
Martin Mosebach sprach nicht nur rückschauend von einer »Häresie der Formlosigkeit«, die sich auch in der (scheußlichen) Architektur der damals en masse hochgezogenen Kirchenbauten ausdrückte.

Hat der Verlust der Religiosität nicht auch mit dieser aufkommenden Formlosigkeit zu tun, mit der damit verbundenen Austreibung von Spiritualität?

Betrachtet man die evangelische Kirche, die ja fast mehr noch unter Kirchenflucht und Austritten leidet, scheint dies keine schlüssige Erklärung.

Doch auch dort ist der Modernismus eingezogen. Von der Frauenordination und Schwulensegnung bis hin zur »geschlechtergerechten Bibel-Sprache«; Bischöfe und »Bischöfinnen« verkünden am Zeitgeist ausgerichtete politische Botschaften von der Kanzel und katzbuckeln vor Christenverfolger und -Verächter. Zu Kreuze kriechen ist dabei zu einer »Contradictio in adiecto« geworden, einer überkommenen Metapher.

Ist es vordergründig das »Verschwinden Gottes aus der Welt«, das der protestantische, christliche Märtyrer Dietrich Bonhoeffer konstatiert hat, die „vollendete Gottlosigkeit“ der Moderne«, deren Beginn Bonhoeffer – und nicht nur er – in der Französischen Revolution erkannte und deren Vollendung er in den gottlosen Verbrechensregimen des 20. Jahrhunderts erlebte?

Wenn ich in meiner persönlichen Wahrnehmung zurückschaue, begann für mich eindeutig mit der Abschaffung der alten, lateinischen Messe der umfangreichste Exodus der Gläubigen.

Kirche hat seit Anbeginn spirituellen Bedürfnissen Befriedigung zu verschaffen – und verschafft. Keiner besucht/besuchte eine Messe oder Andacht, um politische Agitation zu erleben, stets an seine Verwerflichkeit oder Beschränktheit erinnert zu werden, mit modischem und »buntem« Gedöns unterhalten zu werden.

Dass zu den Hochfesten Ostern und Weihnachten doch noch verhältnismäßig viele Menschen ein Hochamt oder die Mette besuchen, scheint mir den unauslöschlichen, menschlichen Drang nach gefühlsmäßiger Erhebung und Kontaktaufnahme mit dem eigentlich Unbegreiflichen zu belegen.

»Wenn wir die heilige Messe mitfeiern, verneigen wir uns ehrfürchtig, beugen die Knie und möchten uns dem Herrn übereignen. Wir hoffen darauf, dass Er uns annimmt trotz unseres schwachen Glaubens und unsere Herzen, die wir emporheben, zu sich zieht. Die heilige Messe ist das wahre Sonntagsglück für gläubige Katholiken. In ihr leuchtet die Schönheit des Glaubens auf. In ihr wird das Licht Christi sichtbar gegenwärtig, das diese Welt auch in den Finsternissen dieser Zeit erhellt. Die Liturgie der Kirche ist ein Zufluchtsort, eine Stätte des Trostes und der Hoffnung
schreibt Thorsten Paprotny auf »Cathwalk« – und:

»Gläubige, die die „Alte Messe“ verehren, schwelgen und genießen nicht. Solches wäre bloß weltlich. Sie huldigen mitnichten einem bloß äußerlichen Ästhetizismus. Vielmehr wissen und erfahren sie, dass die Schönheit des Gregorianischen Chorals ein Wahrheitsbeweis des Christentums ist. Vermutlich wird jeder von uns, der bei dem leise, behutsam und demütig gesungenen „Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine: Et homo factus est.“ sich niederkniet, nie ganz in Worte fassen können und müssen, was ihm in diesem Moment von innen her gegenwärtig ist.

Die Anbetung Gottes ist das Wesen des Christentums, das Sakrament des Altares die Herzmitte der Kirche. Wie der heilige Benedikt lehrt: „Operi Dei nihil praeponatur. – Dem Gottesdienst werde nichts vorgezogen.“ Der Himmel wird schöner sein als die schönste heilige Messe dieser Welt – auch wenn wir uns das, umgeben von der Schönheit der Liturgie, manchmal gar nicht vorstellen können.«

Der Verfasser spricht mir aus dem Herzen und ich bin davon überzeugt, nicht nur an Feiertagen hätten die Kirchen wieder mehr Zulauf.

Gerade in diesen sinnverlorenen modernen Zeiten mit Massenmedien, in denen nur noch Äußerlichkeiten als wertvoll und wertbildend erscheinen und man persistent mit (schein)moralisch aufgeladenen Botschaften »betreut« wird.

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*) Blogger „altmod“ (http://altmod.de/) ist Facharzt und seit Beginn Kolumnist bei conservo

www.conservo.wordpress.com    28.12.2020
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