Von DR.PHIL.MEHRENS
Prosit Neujahr!
Die aktuelle Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin ist ihre beste: Die Aussicht darauf, dass Deutschlands Oberkindergärtnerin in einem Jahr von der Mattscheibe verschwunden sein wird, lässt die rhetorisch wie üblich kaum erträgliche Worthülsenkanonade besser ertragen denn je.
Deutschlands mächtigste Kindergärtnerin hat wieder zugeschlagen. In ihrer – und das ist die gute Nachricht – letzten Neujahrsansprache sprach sie von einer „Jahrhundertaufgabe“, die die ihrer Führung Anvertrauten gemeinsam zu lösen hätten. Dabei sei „allen viel und manchen zu viel auferlegt“ worden, so DeutschlandsBundeskanzlerin im von ihr perfektionierten Betreuungsjargon, wie üblich vorgetragen mit dem Charisma des drögen Kika-Miesepeters Bernd, das Brot. Mit entglittenem Lächeln und christbaumkugelfarbenem Oberteil sprach sie in die Kamera:
„Ich weiß, dass es ungeheures Vertrauen und Geduld von Ihnen verlangt hat, sich auf diesen historischen Kraftakt einzulassen!“
Man fühlt sich unweigerlich erinnert an Fisher-Price-Herausforderungen oder an die komplexen Steckspiele mit Noppenbausteinen, an denen besonders unintelligente Kinder dereinst im Kindergarten verzweifelt und daraufhin weinend zur Kindergärtnerin gerannt sind, die dann so tröstliche Worte fand wie: „Nie haben wir mit so viel Hoffnung dem neuen Jahr entgegengesehen!“
Also: Nächstes Jahr kriegst du alle Noppenbausteine zu einem Haus zusammengebaut und das nennen wir dann „Haus Europa“ und das wird supi! Wird diese Haltung des gemeinsamen Anpackens („WIR schaffen das!“) beschworen, antizipiert jedes Kind im Geiste bereits das gemeinsame Anfassen vor dem Essen. Das verleiht Mut- und Muntermachbotschaften wie: „Viele sind schon über sich hinausgewachsen!“ oder: „WIR wissen ja, was wir dem Virus entgegensetzen können!“ ganz neue Spannkraft.
Doch Vorsicht vor den Rabauken und – jede Kindergartengruppe kennt sie – bösen Jungs, den „Unverbesserlichen“, die andere ärgern, bei den Gemeinschaftsspielen aus der Reihe tanzen und Mädchen die Tür zuhalten, weil die ihnen kräftemäßig unterlegen sind, und damit den Glauben an die totale Gleichheit von Mädchen und Jungs untergraben. Die womöglich gar die Kindergärtnerin daran erinnern, dass sie auch mal ein schwaches Mädchen war, dem Jungs auf der Nase rumtanzen konnten, damals in der guten alten „DDR“.
Umso stärker achtet sie heute darauf, dass alle ihr brav gehorchen.
Denn mit dem Status der Chefin in der Anstalt für frühkindliche Erziehung kann sie den mutmaßlichen Minderwertigkeitskomplex von einst ein für allemal austherapieren. Die bösen Jungs, die Querköppe und Querulanten, kanzelt sie – schließlich ist sie ja Kanzlerin – ab mit den Worten: Euer Verhalten ist „zynisch und grausam“, so zynisch und grausam wie die Atomkraftgegner unter ihrem Vorvorgänger Helmut Kohl, die tagsüber auf Anti-AKW-Demos Randale machten, Steine auf Polizisten schmissen und abends mit Atomstrom am Elektroherd Spaghetti kochten.
Nee, das sagt sie natürlich nicht. Denn: „Die Welt, in der wir leben, verändert sich rasant und grundlegend.“ Im Klartext: Die bösen Jungs sind jetzt andere. Und Deutschlands Oberkindergärtnerin freut sich, dass jeder Gruppenraum zwei rechte Ecken hat. Wer zur Strafe in der Ecke stehen muss, ist ruhiggestellt. Und das ist auch gut so. Denn im Kindergarten hat bekanntlich nur einer recht, und das immer: die Kindergärtnerin. Getobt wird, wenn sie es erlaubt, zum Beispiel gegen Populisten, wie die „Unverbesserlichen“ neuerdings auch heißen. Ansonsten gilt: Alles hört auf mein Kommando! Und wer auf dieses Kommando hört, gehört zu den „Menschenfreundlichen“, den Guten. Schön, wenn die Dinge so einfach sind.
Ein „vormundschaftliches Staatsverständnis“ nannte das am Tag der Ansprache im Deutschlandfunk der Politologe Karl Rudolf Korte. Er attestierte Merkel ein Regieren kraft „appellativer Anordnungen“, dessen Ergebnis eine Art neu gewachsene „Staatsfrömmigkeit“ sei. So kann man die Rückentwicklung einer Demokratie in einen Kindergarten für Erwachsene natürlich auch nennen.
Keine Ahnung, was diejenigen Journalisten gehört haben, die Deutschlands Oberkindergärtnerin in ihrer Neujahrsansprache einen neuen Ton, eine neue Emotionalität oder Empathie bescheinigten.
Für die meisten war Merkels Rede wie immer: phrasenhaft, uninspiriert und – angesichts des hemmungslosen Herumjonglierens mit Worthülsen – sprachlich unerträglich.
Kein Wort der „Corona-Titanin“ darüber, dass ausgerechnet die Spitzenpolitiker ihres Abgottes Europa, einschließlich des „Corona-Ministers“ und Pharmabranchenlakaien Jens Spahn, eine der Bevölkerungsgruppen mit der höchsten Infektionsrate bilden, was bedeutet, dass sie entweder die von ihnen selbst zum elften Gebot erkorene AHA-Regel nicht streng genug befolgen oder diese unwirksam ist – beides gleich skandalös. Kein Wort darüber, dass die zur neuen Weltdoktrin erhobenen offenen Märkte und offenen Grenzen („die europäische und internationale Zusammenarbeit“) der CoVid-19-Brandbeschleuniger Nummer eins sind. Kein Wort über die totalitären heidnischen Geschlechtsrevisionisten, die unter ihrer Regierung ideologisch bedingte Sprachmanipulationen („Ministerpräsident innen“, „divers“) durchgeboxt haben, wie es sie seit Adolf Hitler bzw. (im Osten) seit dem Ende der SED-Diktatur auf deutschem Boden nicht gegeben hat. Durch das tautologische „jeder und jede“ zeigte sich Merkel in ihrer Ansprache sogar als deren Spitzenpropagandistin.
Und auch die Frage, worin sie in Zeiten einer Heimsuchung von wahrhaft biblischen Ausmaßen Anzeichen für „Gottes Segen“ sieht, findet Antwort nur im Aberglauben an die Wissenschaft. Hoffen lässt nicht der Glaube an Gott sie: „Hoffen lassen mich die Wissenschaftler.“ Die Corona-Königin bekennt sich offen zu einem rotgrünen Abgott, den sie „Kraft der Vielfalt“ nennt. Er bringe den „Fortschritt“ in Form eines Impfstoffs, dem sie und der Rest der postchristlichen Welt messianische Qualitäten beimessen.
Wie für das arme Kind mit den Noppenbausteinen gibt es für alle Gescheiterten – man denke an die vielen Gastronomiebetriebe, die schon das erste Pandemiejahr nicht überlebt haben – ein tröstliches: „Dafür [dass Sie trotz der für Sie ruinösen Folgen mitgemacht haben] danke ich Ihnen von ganzem Herzen.“ Und da die meisten Deutschen gerade durch eine nie dagewesene Schuldenmacherei auf Kosten der nächsten Generation durchalimentiert (Merkel: „nicht allein gelassen“) werden und nicht wie besagte Gastronomiebetriebe zu denjenigen gehören, die sich selbst etwas aufgebaut haben, gibt es in Umfragen weiter tolle Zustimmungswerte für die Oberkindergärtnerin. Derart beherzt von ihr auf den Arm genommen, weint auch keiner mehr.
Aufgrund der auch diesmal wieder unterkomplexen Rhetorik kann man nur mutmaßen, ob die Kindergärtnerinnenansprache auf dem Mist von Merkels Büroleiterin und Faktotum Beate Baumann gewachsen ist oder ob sie sich tatsächlich selbst zur Feier des Abschieds von einem Format, das ihr nicht liegt, quälende Stunden lang hingesetzt hat, um diese larmoyante Litanei zu Papier zu bringen und hernach zu präsentieren in automatenhafter Steifheit, die Erinnerungen wachruft an den legendären „Verstehen Sie Spaß“-Kurti, den notorisch nervtötenden und selbstgefällig-ignoranten digitalen Parkwächter. Nur dass der wenigstens witzig sein konnte.