„Dieu n’aime pas les chrétiens en pantoufles“

Gott liebt keine Pantoffel-Christen

ruft Erzbischof Michel Aupetit in einer Predigt in Saint-Germain-l’Auxerrois in Paris seinen Gläubigen zu (15.November 2020).

Am 23.März wurde der mutige Oberhirte von Paris, Mgr Michel Aupetit, 70 Jahre „jung.“ Denn „jung“ ist eine der für ihn bezeichnenden Eigenschaften, auch wenn er in seiner jüngsten Predigt nach der Aufzählung seiner früheren sportlichen Tätigkeiten scherzhaft meinte, heute bleibe ihm gerade mal die „Chaiselongue.“ Nein, der tatkräftig und unermüdlich engagierte, voller Leben sprühende Bischof und Seelsorger ist das krasse Gegenteil eines Pantoffelchristen, denn „der Heilige Geist ermöglicht“ ihm, wie er einmal erläuterte, „ein junges, enthusiastisches und dynamisches Herz … zu bewahren.“ Und ein mutiges!

Und die Bischöfe der Deutschen?

Welches sich viele deutsche Bischöfe als Vorbild nehmen sollten. Dann stünde das Fest der Auferstehung Jesu, das Herzstück der Christenheit, nicht zur Debatte. Der „bösen Stiefmutter“ und ihrer jämmerlichen Vasallen boshafter Entschluss zum Trotz. Dann müssten die Bischöfe die Auferstehungsgottesdienste in keine „Gespräche einbringen“ oder „um sie … mit den Politikern … ringen“ (Domradio 23.März 2021). Ach, mit den „Politikern…“ Zu denen bedauerlicherweise auch so manche „Kirchenfürsten“ dazu zu gehören scheinen…! Dann wäre für alle Christen, allen voran für alle Priester und Bischöfe, deren Auftrag es ist, Hirten der ihnen von Christus anvertrauten Herde zu sein, klar, welche eindeutige Entscheidung sie zu treffen haben. Eine Entscheidung! Und nicht die Vorführung eines „Ring-Kampfs.“ Oder gar einer Hampelei. Eine Entscheidung, verbunden mit einer unmissverständlichen Ansage an diese unerträgliche, sich immer mehr ad absurdum bewegende Herrscherin und ihrer um sie versammelten, buckelnden Gestalten. Mit einer Ansage zugunsten des ältesten und bedeutendsten Festes der Christenheit! Eine klare Ansage würden sie jedenfalls alle von einem Mann wie dem charakterstarken Bischof aus Paris erhalten

Alors, nos félicitations Monseigneur

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dr. Juliana Bauer *)

Sein Alter verriet Michel Aupetit übrigens einmal ganz unspektakulär, in einer Ansprache vor Studenten. In einer anderen Homilie erzählte er, dass er an einem Karfreitag das Licht der Welt erblickte. Es ist einer seiner Wesenszüge: immer wieder in seine theologischen Abhandlungen (kleine) Ereignisse aus seinem Leben hinein zu streuen und seine Predigten damit nicht nur lebenswirklich und meist humorvoll aufzulockern, er lässt seine Gläubigen hierdurch auch in liebenswerter Weise ein Stück an seinem Leben Anteil nehmen. So, als er z. B. vor dem Hintergrund der Taufbedeutung über die Zukunftsüberlegungen von Eltern für ihre Kinder sprach und er seinen Zuhörern verriet, dass er als Junge gar keine Lust hatte, zur Schule zu gehen, dass er viel lieber spielen wollte und man ihn zur Schule erst überreden musste (Homilie 12. Januar 2020).

Oder, wenn er freimütig und unverblümt bekennt, dass er eigentlich „von Natur aus ein Pantouflard“, ein Stubenhocker sei, dass Gott aber mit ihm als Stubenhocker gar nicht einverstanden war – ein Bekenntnis, an das er eine drollige Geschichte mit seinem Freund, dem Bischof von Angoulême anfügte und damit seine Gemeinde erheiterte: dieser neckte ihn nach dieser, seiner „Beichte“ mit einem speziellen Geschenk, mit einem Paar Charentaise, den traditionellen Filzpantoffeln, wie sie in der Gegend von Angoulême noch heute hergestellt werden. Die Monseigneur dann allerdings an den Nagel hing, weil er „ja kein Pantouflard sein kann“ (Homilie 2. Advent, 8.Dezember 2019).

Und wenn er „kein Stubenhocker“ mehr sein…kann, dann auch „ihr, Brüder und Schwestern, ihr auch nicht mehr! Ihr könnt keine Stubenhocker sein!“ Erzbischof Aupetit rüttelt in vielen seiner Predigten die Gläubigen auf. Diese Begabung ist neben seinem köstlichen Humor unverkennbar für ihn, verbunden mit seiner lebendigen, begeisternden Überzeugungskraft. Immer wieder weist er die Gläubigen, ohne den Finger belehrend zu heben, auf ihren wesentlichen Auftrag hin, verweist er sie mit der ihm eigenen Freude und Begeisterung darauf, dass es für die Christen darum gehe, „missionarische Jünger“ zu sein, für Christus und das Evangelium einzustehen und eben nicht das Leben eines „Pantoffelchristen“ zu führen, denn „Dieu n’aime pas les chrétiens en pantoufles (Homilie 15. November 2020, KTO). Ja, dass die Christen sogar, wie er meine, ganz im Sinne der Propheten des Alten Israel „das Juckpulver der Welt“ seien (Homilie 30. August 2020). Was nichts anderes heiße als dass sie, wenn nötig auch unangenehm für die Welt werden, ihr mutig widersprechen müssten. Denn die sich am Evangelium und dessen Werten orientierenden Christen könnten sich oft „nicht in Übereinstimmung mit der Welt“ und deren Vorstellungen befinden.

Oft nicht in Übereinstimmung mit Welt und Politik – der mutige Bischof

„Nicht in Übereinstimmung mit der Welt“ befindet sich der Pariser Oberhirte des Öfteren. So als er im vergangenen Sommer als Bischof eine radikale, am Evangelium ausgerichtete und von Verantwortung getragene Stellungnahme abgab: gegen die Züchtung von Chimären, gegen Abtreibung, d.h. gegen die Ermordung der Kinder im Mutterleib, gegen die Zerstörung von Embryonen zwecks angeblicher wissenschaftlicher Studien oder auch gegen die künstliche Befruchtung von lesbischen und alleinstehenden Frauen im Sinne einer fatalen Gleichmacherei, die einem Kind bewusst den Vater verweigert (Pariser Erzbischof: „Schamlos“ – Das neue Bioethikgesetz Frankreichs, Conservo, 24. August 2020).

In seiner Predigt vom vorletzten Sonntag prangerte er die Euthanasie und den assistierten Suizid an. Er wies dabei auf das in unserer Gesellschaft völlig fehl geleitete Verständnis von Freiheit und freier Entscheidung hin, über den Tod eines Menschen zu verfügen, ja diesen mit der Euthanasie geradezu „einzufordern.“ In diesem Zusammenhang verwies er, mit Blick auf die „schreckliche Periode…in der wir zurzeit leben“ auf die Unmenschlichkeit – an anderer Stelle sprach er von einem in die Barbarei abdriftenden Verhalten (Homilie 19. April 2020) –, dass „alte Menschen von der Zuneigung, von der Zärtlichkeit ihrer Kinder, Enkel, Freunde abgeschnitten…werden“,  dass sie auch „ihrer Entscheidung beraubt werden, ihre Kinder und Enkel vor ihrem Tod zu sehen…“ und stellt dann eine in unserer Gesellschaft bereits an Perversität und dämonische Besessenheit grenzende Realität, ohne auch nur ein Wort der political correctness, heraus, „dass eher die Entscheidung sich töten zu lassen akzeptiert wird, als sich umarmen zu lassen“ (Homilie, 14. März 2021).

Junge Menschen bindet der Erzbischof gerne in caritatives Engagement mit ein und gibt somit manchen, denen in dieser Krise der Lebensinhalt wegbricht, wieder einen Sinn. Beispielsweise, als er nach Beginn des Lockdowns mehr als zwanzig Pfarreien von Paris mobilisierte, sich für die Bedürftigen einzusetzen, für sie da zu sein und täglich Mahlzeiten zu organisieren oder zuzubereiten. Häufig ist er selbst bei diesen Menschen anzutreffen, nimmt sich, ganz Seelsorger, Zeit für sie oder hilft bei der Essensausgabe mit. Die Brüderlichkeit, das „Erfinderisch-Sein“ im Helfen, in der Nächstenliebe, die er den Menschen besonders in der aktuellen Situation ans Herz legt, bleiben bei Michel Aupetit keine leeren Worte.

Und immer wieder spricht er von Christus, dem Auferstandenen, spricht er von der Hoffnung, von der Lebensfreude, die charakteristische Merkmale der Christen seien. Die wir anderen zeigen mögen, selbst wenn wir Masken trügen. Denn unsere Augen könnten auch über den Masken dem Anderen ein Lächeln schenken (Videobotschaft September 2020).

Eintreten für den Glauben – auch gegen Verordnungen der Regierung

Vor allem auch beweist der Erzbischof immer wieder Mut bei politischen Entscheidungen, ja sogar bei polizeilichen Maßnahmen, welche die Kirche und die Gläubigen in dieser unseligen „Corona-Krise“ unverhältnismäßig trafen oder getroffen hätten. Ich erinnere hier an zwei bedeutsame Begebenheiten.

An eine im letztjährigen April, als die Polizei in eine Pariser Kirche eindrang, wo ein Pfarrer trotz Lockdown mit einer kleinen Gruppe von Christen die Messe feierte. Mgr Aupetit war aufgebracht, als er von dem Polizeieinsatz erfuhr, stellte sich unmittelbar hinter seinen Priester und die Gläubigen und fand klare öffentliche Worte: „Es gab hier keine Terroristen…  man muss kühlen Kopf bewahren und diesen Zirkus stoppen… sonst erheben wir das Wort und werden laut, sehr laut…“ (wörtlich sagte er: „wir… werden… bellen…und zwar sehr laut“, Aleteia fr, 22.April 2020).

Die zweite Begebenheit betrifft grundlegende Entscheidungen zu Festgottesdiensten. So ist aktuell erkennbar, dass Verlauf und Bedingungen der Ostergottesdienste in Frankreich sich nicht von jenen des vergangenen Weihnachtsfestes unterscheiden. Dank der Intervention der französischen Bischofskonferenz gegen absurde Vorschriften der Regierung, vor allem aber auch dank Erzbischof Aupetit. Als mit Beginn des Advents 2020 die französische Regierung nach einem erneuten Lockdown nur noch Gottesdienste mit einer minimalen Personenzahl genehmigen wollten, was für viele Gläubige eine Vereitelung des Messbesuchs bedeutet hätte, erhob Michel Aupetit beim Staatsrat (dem Obersten Verwaltungsgericht vergleichbar) kurzerhand eine Klage auf einstweilige Verfügung „aufgrund des schwerwiegenden Anlasses.“ Monseigneur hatte Erfolg. Der Staatsrat entschied gegen die unsinnige Verordnung, u.a. mit der Begründung – man lese und staune –, diese würde die Religionsfreiheit in Frage stellen und „schwerwiegend… und … illegal…“ beeinträchtigen (Diocèse de Paris, 27, 29 novembre 2020, Communiqué de presse).

Wäre das in den Kirchen Deutschlands denkbar? Wohl kaum. Wobei hier angemerkt werden muss, dass auch die französischen Bischöfe im Gespräch mit ihrer Regierung sind. Doch verloren sie, und allen voran der Pariser Oberhirte, nicht die Courage zu Widerspruch und Intervention. Sicher, die französischen Kleriker sind keine Staatsdiener. Sie dienen nicht dem Staats-Mammon und Gott gleichermaßen. Sie beugen ihre Knie nicht vor Gott (sofern das von manchen Deutschen noch beachtet wird) und neigen gleichzeitig devot ihr Haupt über den abgekauten Fingern einer „huldvollen“ Staatsmatrone.

Bleibt Ostern treu, Bischöfe deutscher Lande

Aber auch für die deutschen Bischöfe gilt das Wort ihres obersten Herrn: „Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen“ (Apg 5,29). Die Zeit ist gekommen, dies unter Beweis zu stellen. Erfüllt euren Haupt-Auftrag, den ihr erhalten habt, liebe Bischöfe. Den Auftrag, Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen und damit die Erlösung des Menschen zu verkündigen. Nicht nur über Videos, nein, auch greifbar nahe. Feiert mit den Menschen, mit den Gemeinden. Singt mit ihnen das Oster-Halleluja, die freudige „Erkennungsmelodie der Christen.“ In den Gottesdiensten. Da braucht es keine Gespräche mit dem sich als gottgleich fühlenden bayerisch-fränkischen Alleinherrscher, die „in den nächsten Tagen mit der katholischen Kirche geführt werden sollen“, um euch in Hoffnung zu wiegen, dass diese „in das Ergebnis münden, doch öffentliche Präsenzgottesdienste… feiern zu können“ (kath net 24.März 2021). Da braucht es, wie ich bereits sagte, eine eindeutige Ansage und ein unbeugsames Handeln von eurer Seite.

Ich möchte hier den Auszug eines Textes wiederholen, den ich einmal schrieb: „Im Hohen Dom zu Köln verkündet der Domvikar vor der Lesung des Evangeliums in der Osternacht „eine große Freude.“ Und diese Freude „ist das österliche Halleluja!“ Die Verkündigung mündet in das sich anschließende, dreifach aufsteigende jubelnde Halleluja, das Erzbischof und Gemeinde im Wechsel singen und das der unbeschreiblichen Freude der Gläubigen über die große Heilstat Gottes, die Auferweckung Jesu von den Toten, Ausdruck verleiht. Das Halleluja setzt hier den befreienden Jubel des Exsultet fort, um in aufeinanderfolgenden Liedern, welche die Erlösung des Menschen durch die Auferstehung Jesu besingen, weiterzuklingen.“

Erzbischof Aupetit, Chrisammesse, Saint-Germain-l’Auxerrois, Paris,

Karwoche 2020,

Foto: Diocèse de Paris

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*) Dr. Juliana Bauer, die Autorin dieses Artikels, verfaßt ihre zeitkritischen und auch prosaischen Beiträge in Deutsch, Französisch sowie Italienisch und schreibt seit einigen Monaten für conservo. Über sich selbst sagt sie:  „Ich bin keine Theologin, sondern Kunst- und Kulturhistorikerin, aber eine, die mit der Bibel von Kindheit an vertraut ist und den Worten eines meiner Lehrer, eines ehemaligen Ordinarius des kunsthistorischen Instituts der Universität Freiburg/Br., Rechnung trägt: „Ein Kunsthistoriker des Abendlandes muss bibelfest sein.“ Auch bin ich, in einem ökumenischen Haus aufgewachsen, mit der katholischen wie der evangelischen Kirche gleichermaßen vertraut.“

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