Das Ländle auf Sonder-Tal-Fahrt

Baden-Württemberg übertrifft Berlin

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Von Dr. Juliana Bauer *)

Obwohl die „Eiskönigin“ und „Herrin aller Länder“ einen Großgipfel in Berlin einberief, um sämtliche Anti-Covid-Maßnahmen „einheitlich“ zu „regeln“, preschte der ihr angeblich „treu ergebene“ und grüngefiederte Genosse Kretschmann aus dem Ländle vor und fuhr ihr nicht minder in die Parade. „Die Lage hier ist zu ernst… ich kann nicht mehr auf Berlin warten, bis da eine Entscheidung fällt.“  

Nein, kann er nicht. Denn die Covid-Zahlen im „von der Sonne verwöhnten“ Bundesland sprechen eine gar „schreckliche Sprache“: Mitte April rund 500 schwer an Covid erkrankte Personen gegenüber einer Einwohnerzahl von genau 11 Mio. und 100.000. Da muss man natürlich die Menschen ab 21 Uhr wieder in ihren Häusern gefangen setzen, alle Baumärkte schließen, von den Kunden und Kundinnen der Friseure Tests fordern usw. usw. – inzwischen sagten in einer badischen Kreisstadt, wie die dortige Tageszeitung berichtete (LZ, 19.04.21), reihenweise Kunden ihre bereits ausgemachten Termine ab – Friseure bleiben verzweifelt zurück. Ein weiterer Schritt zur Ruinierung der Lebensgrundlagen von Handelsmitarbeitern, Handwerkern und ihrer Geschäfte.

Ich frage an dieser Stelle alle Politiker und alle Politikerinnen: sind Sie denn angesichts dieser Notlage in unserem Land nicht endlich bereit, auf Ihre hohen Gehälter zu verzichten? Und statt 10.000, 15.000, 20.000,- € sich einmal für 1 Jahr lang „nur“ 5.000,- € zahlen zu lassen und den jeweiligen „Rest“ geschädigten Mitbürgern, den durch Sie geschädigten Mitbürgern, zukommen zu lassen? Wie fragte einmal zu Recht ein einfacher Schweizer Bundesbürger in einer Diskussionsrunde mit Politikern: „Jo, fufzäh odder zwanzig dused Fränkli im Monet (15.000 oder 20.000 Franken monatlich), bruucht ma denn des zum Läbbe? (braucht man das denn zum Leben).“

Nein, antworte ich: braucht man nicht. Und schließe hier eine weitere Frage an. Gerichtet an unsere wegen Steuerausfall klagenden „Fürstbischöfe“, die ich einmal als „Luxusprobleme“ der Kirchen in Deutschland bezeichnete: Wie sieht es mit euch aus? Den Verkündigern von Gottes Wort?

Anmerkung: Was meine oben angeführten Zahlen bezüglich der Erkrankten betrifft, möchte ich hier anmerken, dass ich die Virus-Erkrankung, die, wenn Menschen schwer davon betroffen sind, in keiner Weise leugne und herunterspiele. Dennoch rechtfertigen 500 Erkrankte, auch 600 oder 800, keine Maßnahmen, die tausenden und abertausenden Menschen ihre ganze Existenz zunichtemachen und jegliche zwischenmenschlichen Beziehungen zerstören, Kinder und junge Menschen psychisch, zum Teil schwer, krank werden lassen, alte Menschen monatelang in eine grausige Einsamkeit stoßen.

Man kann Gefahren für Menschen nicht mit der Schädigung von Menschen bekämpfen!

Wenn Politiker das nicht erkennen, dann fehlt ihnen jeglicher Verstand und jegliches menschliche Gefühl, ins besondere das MIT-GEFÜHL. Dann stellen sie eine Gefahr für andere dar. Und man sollte sie einsperren und nicht die Bürger.

Was nun Herrn Kretschmann betrifft, wollte dieser m. S. noch etwas anderes demonstrieren: nämlich dies, dass er Herr in „seinem“ Land ist. Da er immer noch nicht zu begreifen scheint, dass 1. ihm unser Ländle oder Ländli (alemann.) nicht gehört und dass 2. „Frau Königin“ noch nicht ihren „Abschlusstanz auf glühenden Kohlen“ begonnen hat.

Nun denn! Vor einiger Zeit erinnerte ich mich an den vergangenen Sommer. An den ersten Corona-Sommer in Baden-Württemberg, in dem ebenso die unterschiedlichsten, mitunter auch skurrile Verordnungen herausgegeben wurden.

Ein Bericht aus unserem Ländle, der über Zeitungen und Internet die Bürger informieren sollte, blieb mir besonders im Gedächtnis. Und da ich trotz mancher Verärgerungen über bestimmte diktatorische Befehle, die auch mal vesuvisch gefärbte Explosionen bei mir bewirken, meinen Humor nicht verliere, schrieb ich jene Geschichte aus dem badisch-schwäbischen Bundesland auf. In zweifacher Sprache: einmal in Niederalemannisch, der dem Elsäßisch verwandten Mundart der Ortenau, und einmal in Hochdeutsch.

Den Lesern und Leserinnen sei hier eine Probe zum Verkosten gegeben.  

Corona-Blüten – Eine Nachlese

Aus einer Sommer-Geschichte des ersten Corona-Jahrs im Ländle – Gedanken zur Festigung der deutsch-französischen Freundschaft und ihres Zusammenhalts

Juliana Bauer

Ein Bourdaloue gefällig?

Im Frühsommer des ersten Corona-Jahrs, also im Sommer 2020, wurde ich an eine humorvolle Pot-de-Chambre-Geschichte (also an eine Nachttopf-Geschichte) erinnert. Unter den Corona-Maßnahmen und Verordnungen, die sich unsere Damen und Herren der baden-württembergischen Landes-Regierung ausgedacht hatten, las ich folgendes: die Kinder durften nach langer Zeit endlich wieder zur Schule. Sie mussten nicht unbedingt mit den Bussen fahren, auch Privatautos waren erlaubt. Diese wurden sogar als besser erachtet, als Schulbusse. Dann folgten jedoch zahlreiche Anweisungen, was hierbei alles beachtet werden musste.

Eine Anweisung hieß: es durfte unterwegs nicht angehalten werden. Dem Fahrer und den Kindern war es nicht gestattet, auf der Fahrt zur Schule das Auto zu verlassen. Erst bei Ankunft an der Schule war das Aussteigen erlaubt. Da dachte ich plötzlich: ja, aber was passiert, wenn ein Kind Pipi machen muss? Was dann? Du lieber Gott! In einem solchen Auto hätte ich nicht sitzen wollen. Wenn ich da an meine Kinderjahre denke! Wie war ich manches Mal aufgeregt vor einer Rechenarbeit. Dann verdrückte ich mich auf dem Schulweg heimlich hinter einem Busch… Unabhängig davon, ob ich vorher zu Hause sechsmal zur Toilette gerannt war. Du, liebe Güte, sind das zurzeit Verordnungen dieser Regierenden, dachte ich, die sind ja grauenvoll.

Da fiel mir ein bestimmter Pot-de-Chambre ein. Ein ganz besonderer! Ein Exklusiv-Nachttopf. Vielleicht habt ihr schon von ihm gehört oder gelesen. Er hört auf einen noblen französischen Namen: Bourdaloue. Das ist die Idee, dachte ich da auf einmal. Das müsse man publik machen. Wenn es denn nötig würde, wäre das die Idee für die armen kleinen Mädchen. Eine Pipiflasche für die kleinen Jungen und einen schönen Bourdaloue für die Mädchen. Ein Bourdaloue ist auch kein solches Ungetüm wie ein riesiger Pot-de-Chambre, der bei den früheren Großmüttern so beliebt war. Und gut portable ist er auch, also gut geeignet zum Mitnehmen für unterwegs.

Ja, aber was konkret ist denn dieser Bourdaloue für ein Nachttopf? Er ist ein sehr elegantes Gefäß. Er besteht aus einer ovalen Form, genau wie eine Saucière. Stellt euch das einmal vor: ein Nachttopf, der aussieht wie eine Saucière. Üblich war er im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert. Und ach herrjeh! Was denkt ihr, woher er seinen Namen hat? Und stellt euch einmal vor, er wurde auch in der Kirche benutzt. Eine Sache, die für ganz fromme Seelen, vor allem für die Traditionalisten, sicherlich ein Unding, ein Sakrileg darstellt, ja ein „terrible abus clérical“! Seinen Namen hat der Nachttopf nämlich von einem katholischen Geistlichen aus Paris, der sich bei Ludwig XIV., dem Sonnenkönig, als Prediger in Diensten befand.

Und jener Geistliche hieß Louis Bourdaloue. Er war dafür berühmt, feurige und lange Predigten zu halten. Predigte er in Versailles und in Paris – man sagt, auch in Notre Dame habe er mit seinen Predigten begeistert –, waren die Kirchen stets überfüllt. Unzählige Leute wollten ihn hören. Aus allen Ständen kamen sie: kleine Leute, arme Leute, reiche und noble Herrschaften. Einfach alle. Und sie wollten kein Wort von seinen Predigten verpassen, nicht ein Sterbenswörtchen.

Ja, und was denkt ihr, was geschah, wenn die Predigten von Père Bourdaloue  zu lange dauerten? Was dann? Den feinen Damen drückte nämlich irgendwann die Blase. Und eine Toilette gab es natürlich keine in der Kirche. Nun, da brachten die Damen schlicht und einfach ihren Nachttopf mit: einen schönen, ovalförmigen Pot-de-Chambre. Eben einen solchen, der einer Saucière ähnlich war! Diesen hielten sie dann kurzerhand unter ihre weiten Reifröcke. Schon bald verewigte jener Pot-de-Chambre den Namen des feurigen Predigers der römisch-katholischen Kirche auf sich und heißt seither: Bourdaloue.

Als ich in jenem denkwürdigen, ersten Corona-Sommer jene Corona-Anweisungen des Landes Baden-Württemberg las, dachte ich: „Ja. Genau einen solchen Nachttopf sollten die kleinen Mädchen mit sich führen. Ein schönes ovales Gefäß. Und handlich ist es obendrein. Die Landesregierung könnte solche französischen Pipi-Töpfe den Schulkindern ja spendieren. Damit könne sie überdies noch ein außergewöhnliches Zeichen deutsch-französischer Freundschaft setzen, ein Freundschaftszeichen extraordinaire in besonders schwerer, gemeinsam zu überstehender Zeit. Und – gleichzeitig ein altes Kulturgut wiederbeleben!

Nun in Alemannisch:

Für die Leser, die aus dem „Badner Land“ stammen (wie Baden im Badner Lied genannt wird) oder der alemannischen Mundart mächtig sind:

Coronabliäte – Ä Nochles‘

Us’ere Summerg’schicht vum erschte Coronajohr im Ländli – Un ebbis, wo dr ditsch-franzesisch Freindschaft gilt

Juliana Bauer

Ä Bourdaloue g’fällig?

Im Friähsummer vun unserm erschte Corona-Johr, also im Summer 2020, bin i an ä luschtigi Bottschamberg’schicht erinnert wore. Im Zug‘ vun selle Corona-Regle un Verordnunge, wo sich unseri Herre un Dame vun dr Regiärung im Ländli usdenkt hänn, hab‘ i folgends g’lese: d’Kinder, wo nach langer Zit widder in d’Schuel derfe hänn, kenne statt mit de Busse au mit private Autos g’fahre were. Sell wär‘ sogar noch besser als dr Schuelbus. Danno sin ä Huffe Anweisunge ufzehlt wore, uf was alles dabii ufbasst were mues.

Ei Anweisung het g’heiße: ‘s derf awwer nit ang’halte were unterwegs. Dr Fahrer un d’Kinder derfe zwische de Wohnunge und dr Schuel nit us’m Auto usstiige. Erscht, wenn si an der Schuel ankomme sin, derfe si alli us’m Auto rus. Do hab‘ i pletzlig denkt: ja, was macht jetze awwer ä Kind, wenn’s Pipi mache mues? Was passiärt danno do? Jesses, hab‘ i denkt. Do hät ich nit drinne hucke derfe, in son’eme Karre. Wenn ich an minni Kinderzit denk‘, wiä ich manschmol ufg’regt bin g’sin vor’ere Rechenärwet. Un wo i mi danno uf’m Schuelweg heimlig in ä Busch hab‘ vrdrucke miän… Do hab‘ i vorher sechsmol kenne d’heim uf dr Lokus gehn, i hab‘ änneweg unterwegs renne miän. Sin des allewiil Verordnunge vun denne Mannslit un Wibslit vun dr Regiärung, diä sin jo gruusig!

Do isch mr ä Bottschamber ing’falle. Ä ganz b’sunderer Bottschamber! Ä Exklusiv-Hafe. Vun sellem hänn’r villicht schun emol g’hert odder g‘lese. Seller hert uf ä nobler franzesischer Namme: Dr Bourdaloue (Burdaluu!). Sell isch bigott diä Idee, hab‘ i do uf eimol denkt! Diä miäst mr publik mache. Wenn’s netig wäre dät, fir diä arme Maidili wär‘ des diä Idee. Ä Pipibuttel fir d’Biäwli un ä Bourdaloue fir d’Maidili. So ä Bourdaloue isch kei so Drum wiä ä Naachtbottschamber vun de Grossmiätere. Extra guet portable, also zuem Mitnemme fir unterwegs.

Ja, was isch awwer danno dr Bourdaloue genau fir ä Hafe? ‘S isch ä ganz ä nobler. Er isch ä ovals G’fäß, wiä ä Soßiär. Stelle eich des emol vor: ä Bottschamber, wo ussieht wiä ä Soßiär. Iiblig isch’r im aachtzehte un im niinzehte Johrhundert g’sin. Un oh je! Was meine’nr, wo der sinner Namme herhet? Un danno isch’r au noch in dr Kirch‘ brucht wore? Des isch jo fir d‘ganz Fromme, fir selli Traditionalischte, b’stimmt widder ä Sakrileg, ä „terrible abus clérical“! Sinner Namme het’r nämmlig vun’eme kattolische Prediger us Paris, wo bim Sunnekenig, bi sellem Ludwig XIV. (viärzehte) im Diänscht g’sin isch.

Seller Prediger het Louis Bourdaloue g’heiße. Er isch dafir beriähmt g’sin, dass er richtig fiirigi un langi Predigte g’halte het. Wenn’r danno in Versailles un in Paris predigt het – mr sait, dass‘r au in Notre Dame predigt het –, danno sin immer ä Huffe Lit in dr Kirch‘ g’huckt. Us alle Ständ‘ sin si komme, kleini Lit, armi Lit, richi Lit, nobli Herrschafte. Einfach alli. Un nix hän si vun selle Predigte vrpasse welle, kei einzigs Wörtli.

Ja, awwer wenn selli Predigte vum Père (Pär) Bourdaloue ‘z lang wore sin? Un danno? Selli noble Madamme het’s nämmlig als g’herig druckt. Un ä Lokus het’s in de Kirche jo keiner gen. Do hän selli Madamme danno eifach ihr Hafe mitbrocht. Ä scheener ovalener Bottschamber. Ebe einer wiä ä Soßiär! Seller hän si danno eifach under ihri witte Reifreck‘ g’howe. Schun ball het seller Hafe danno dr Namme vum kattolische Père uf sich vrewigt un sitterher heißt`r Bourdaloue.

Wo i in sellem denkwirdig‘ Summer danno selli Corona-Anweisunge vum Ländli g’lese hab‘, hab‘ i denkt: „Ja. So einer sotte d’Maidili mitnemme. D’Regiärung kennt’ne jo so scheeni franzesischi Pipi-Häfe spendiäre. Danno wär‘ des au glich ä usserg‘wehnligs Zeiche fir’d ditsch-franzesisch Freindschaft, sell wär‘ danno ä Freindschaftszeiche extraordinaire (extraordinär) in b’sunders schwerer Zit, ä Zit, wo mr z’samme iwwerstehn müas. Un noch ebbis – ’s dät ä alts Kulturguet widderbelewe.

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*) Juliana Bauer schreibt auch Mundartgeschichten. Vor einigen Jahren veröffentlichte sie ein kleines Buch mit humorvollen Erzählungen: ‘S Ziringehiätli (Das Fliederhütchen), dessen zwei Auflagen in der Ortenau „wie warme Semmeln“ verkauft wurden. Oder wie es dort heißt: „Wiä warmi Weckli.“ Ein weiteres Mundartbuch ist im Entstehen. Eines mit humorvollen, aber auch nachdenklichen Geschichten.

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