Buchbesprechung
Von Dieter Farwick BrigGen a.D. und Publizist *)
Ein persönlicher Bericht 2020/2021 von Helmut Roewer.
Helmut Roewer ist ein bekannter Autor kritischer Bücher und zahlreicher Kommentare. Nach seiner Zeit als Panzeroffizier in der Bundeswehr startete er sein Jurastudium, das er als Dr. Jur. abschloss und seine erfolgreiche Karriere als Beamter begann und als Präsident einer Verfassungsschutzbehörde eines Bundeslandes abschloss.
Nach der Pension unternahm er wiederholt Studienreisen in die USA und verstärkte seine Arbeit als Schriftsteller. Seine Publikationen sind eine Mischung – sachlich, provokant, ironisch satirisch und – zuweilen – zynisch.
Dieses Buch ( 303 Seiten) besteht aus sechs Teilen mit 23 kurzen Kapiteln sowie einem umfangreichen Quellen und Bildernachweis sowie einem Abkürzungs-und Personenverzeichnis mit illustrativen Zeichnungen. Die gescheiterte Kanzlerkandidatin Baerbock kann vor Neid erblassen, wenn sie ihr Buch mit dem Leserservice von Helmut Roewer vergleicht.
Eine Warnung: Das Buch ist eine schwere Kost, nicht zu empfehlen für Menschen, die noch immer an die Führungskunst von Frau Merkel glauben. Armin Laschet, der vermutliche nächste Kanzler, hat versprochen, die Politik von Merkel ohne Änderungen fortzusetzen. Das ist kein Versprechen, sondern eine Absage an strategische Entscheidungen, die Deutschland aus der gegenwärtigen Misere führen könnten. Es ist Frau Merkel, die Deutschland in 16 Jahren fahrlässig an die Wand gefahren hat. Ein entscheidender Fehler mit Langzeitwirkung war ihre Entscheidung, Anfang September 2015 die Grenzkontrollen aufzugeben und nach einer Woche nicht wieder zu schließen – gegen den Rat ihrer Fachleute.
Mit dieser Entscheidung öffnete sie die Tore für eine massive, unkontrollierte, illegale Zuwanderung, deren Folgen noch heute und in absehbarer Zeit Deutschland stark belasten.
Die Corona – Pandemie 2020/ 2021
Nationale Notsituationen sind eine Chance für eine Regierung, ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Das Gegenteil ist in Deutschland in Bund und Ländern eingetreten. Viele Menschen haben ihr Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Regierungen in Bund und Ländern sowie ihrer zugeordneten Behörden verloren – z.B. in Gesundheitsämtern, Schulbehörden und Ordnungsämtern.
In der Vorbereitung dieser nationalen Katastrophe hat es schwere Versäumnisse gegeben, die in den ersten Wochen und Monaten Menschenleben gekostet und viel Chaos und Panik verursacht haben. Die Informationen der Bevölkerung erwiesen sich zum Teil als widersprüchlich und wenig hilfreich – z.B. im Tragen von Masken, in der Verfügbarkeit von Impfstoffen, den Impfstrategien oder in der Bewertung der Herdenimmunität.
Besonders die Schulen, ihr Lehrpersonal, die Schüler und die Eltern erlebten ein Hickhack der Schulformen, das besonders wegen fehlender PC in den Familien zu Bildungsverlusten führte. Es wurde geredet und diskutiert, aber wenig geschah. Selbst lange Schulschließungen und lange Schulferien brachten zu wenig Verbesserungen in der technischen Ausstattung und Digitalisierung. Der Streit um Luftfilter war ein Zeichen mangelnder Entscheidungsfähigkeit. Selbst das Angebot von Eltern, Filter privat zu beschaffen, wurde durch bürokratische Hürden verhindert.
Das Gerangel des Bundes mit den Ländern
Es hätte eine Kompetenzregelung zwischen Bund und Ländern geben können und müssen – analog der Notstandsgesetzgebung. Die Ministerpräsidentenkonferenzen sind kein Verfassungsorgan, um Entscheidungen zu treffen, die auch befolgt müssen. Das Kompetenzchaos zwischen Bund und Ländern war das größte Hindernis für effizientes Regieren. Merkel scheute den Machtkampf mit den Ländern, obwohl sie das Recht auf ihrer Seite hatte. Die Landesfürstinnen und – fürsten führten die Kanzlerin vor. Sie konterkarierten die „ Beschlüsse“ des Vortages von der Ministerpräsidentenkonferenz Einige stellten die Interessen des eigenen Landes über das Gesamtinteresse Deutschlands.
Die Regierungen schoben sog.“ Gesetze“ an den Parlamenten vorbei, die dann von Gerichten „ kassiert“ wurden, da sie als „ verfassungswidrig“ eingestuft wurden. Krisen sind die Prüfung für überzeugtes Krisenmanagement und Führungsfähigkeit der Verantwortlichen in Bund und Ländern. Die Ministerpräsidentenkonferenz ist in der Verfassung nicht als Entscheidungsinstanz vorgesehen. Die Parlamente in Bund und in den Bundesländern wurden an die Seite geschoben, was einige Landesfürsten und – innen weidlich ausgenutzt haben. Sie haben Deutschland in einen Flickerlteppich verwandelt.
Ein Teil der Defizite ist der Tatsache geschuldet, dass Bund und Länder in der Zeit vor Ausbruch der Pandemie in der personellen und materiellen Vorbereitung viele Versäumnisse zu verzeichnen hatten, die die Anfangsphase unnötig stark belastet haben. Eine Lehre muss stärker beachtet werden: Nach einer Pandemie ist in rd.10 Jahre später mit einer weiteren „Katastrophe“ zu rechnen, die zu einem nationalen Notstand führen kann. Die Regierungen in Bund und Ländern sollten im zwei-Jahre-Rhythmus Übungen durchführen, in denen Verfahren, Personal und Material kritisch überprüft werden.
Das Buch von Helmut Roewer kann eine große Hilfe sein für die Fachleute, die einen nüchternen Erfahrungsbericht schreiben müssen, oder für interessierte Bürger, die dieses Kapitel zu ihren Deutschlandarchiven nehmen wollen.
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*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.