Von Dr. Helmut Roewer *)
Wer hätte das gedacht? Jahrelang habe ich aus allen möglichen Ecken der Welt berichtet. Die Leute haben’s gelesen oder auch nicht. Erst als ich anfing, mich über unsinnige Schilder und Sprech-Schrullen in D lustig zu machen, habe ich die Nerven meiner zwei oder drei Leser gekitzelt. Was sie mir schrieben – einer bedankte sich für die Zusende –, will ich nun nicht für mich behalten. Alles Beleidigende habe ich beiseitegelassen. Nur vorsorglich, um dem Annalena-Problem auszuweichen, sage ich: Es ist alles nur geklaut.
Was bisher geschah: In der ersten Lektion unternahm ich einen Ausflug in die Welt des amtlich zugelassenen Stummeldeutschs: Umkleide, Tanke, Impfe, Schalte. Die zweite Lektion war dem Volksmund gewidmet, der sich, wie emsige Sprachwächter wissen, nur selten korrekt äußert: Klatsche, Klapse, Schreckse, Transe. Nun also die dritte Lektion, das ist die der Reaktionäre sozusagen. Hier sind sie.
Als ich über die Tanke berichtete, ahnte ich nicht, dass mich die Wirklichkeit an den Tankstellen bereits überholt hatte, denn an den politisch korrekten Fortbewegungs-Ergänzungsmittel-Anlagen unterscheidet man inzwischen sorgsam zwischen
Zapfe, die: da kommt der Sprit raus, und
Lade, die: da kommt der Strom raus.
Meine Aussagen zur Klatsche haben viel Zustimmung erfahren – endlich berichtet ma einer vonne Ruhr –, aber es fühlten sich andere Lokalpatrioten aufgerufen, mich auf eigene mundartliche Varianten zum Stummeldeutsch hinzuweisen, zum Beispiel diese hier:
Sssmaul: Sächsisch, bevorzugt aus dem Raum Leipzig, wird in zwei Variationen verwendet, nämlich für: Halts Maul (Gebrauch in den besseren Ständen, aus dem Mundwinkel heraus), und (fortissimo) für: Du kriegst gleich einen aufs Maul (beliebtes Argumentationsmuster in Leipzig-Connewitz).
Roster, ohne Artikel: Ebenfalls sächsisch, bevorzugt zur Mittagszeit und zwar für Bratwurst, Bratwurstessen, Bratwurststand. Apropos Bratwurst, in Weimar – das liegt in Thüringen – erkennt man den Fremden daran, dass er am Wurststand eine Thüringer ordert. Der Eingeborene schüttelt darob den Kopf, er spricht schlicht von Bratwurst.
Nun sage man nicht, unsere Staatenlenker hätten zum Stummeldeutsch nichts beigetragen. Richtig ist vielmehr das hier:
oda soo: Annex zu allem, was man selbst nicht richtig verstanden hat, zum Beispiel „Ich hab doch kein Sachbuch geschriebn oda soo“, von bösen Zungen auch als Bärbock-Deutsch verspottet. Dem Spott schließe ich mich nicht an, denn hier geht es schließlich um die Rettung der Welt. Im Übrigen gilt nach meiner Beobachtung: oda soo wird von klugen Frauen nie verwendet, sondern nur von solchen, die zum Ausdruck bringen wollen, dass es schließlich nicht ihre Schuld sei, wenn sie von dem, worüber sie grade reden, keine Ahnung haben.
Leugna, der: Annex zu Beliebigem für das Abweichen vom Chorgesang dessen, was auf der Mainstream-Agenda steht. Klima, Corona und so. Leugna ersetzt das Argument, das gottlob ebenfalls verstummelt wurde: „Da hab ich jetz keine Argu für, wirklich jetz.“ Dies als Luisa-Deutsch zu bezeichnen, geht entschieden zu weit, zumal die berühmte preußische Königin nicht so hieß, sondern Luise.
Und dann ist da noch das Presse-Stummeldeutsch, zum Beispiel der Bild, Sie wissen schon, die Zeitung, hinter der nicht einmal ein Kopf steckt. Von dort wurde ein ganz normales harmloses Verb eingestummelt, so dass es auch das Polit-Sprech erreicht hat, nämlich
kann (nur in der Gegenwartsform, in 1. oder 3. Person Singular verwendbar): a) falsche Anwendung „Annalena kann nix“, b) richtige Anwendung „die kann Kanzler“. Tja (siehe Sixt-Reklame, weiter unten).
Abschließen noch mal ein Blick zur Ruhr. Hat jetzt mit dem Hochwasser nix zu tun, das ist die Ahr, andere Rheinseite. Unbedingte Zustimmung: Hunnertpro, dat Schalke jetz ne Klatsche kricht. Was zeigt, dass sich der Bergmann nie um den Zent geschert hat. Sein Gesprächspartner stimmt zu: Da kannsse für tun.
Und was ich sonst noch geklaut habe (in diesem Fall bei Klaus Döhler):
oder das hier (bei Sixt):
© Helmut Roewer, Zeichnung Bernd Zeller, Jena, Juli 2021
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*) Dr. Helmut Roewer wurde nach dem Abitur Panzeroffizier, zuletzt Oberleutnant. Sodann Studium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaft und Geschichte. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen Rechtsanwalt und Promotion zum Dr.iur. über ein rechtsgeschichtliches Thema. Später Beamter im Sicherheitsbereich des Bundesinnenministeriums in Bonn und Berlin, zuletzt Ministerialrat. Frühjahr 1994 bis Herbst 2000 Präsident einer Verfassungsschutzbehörde. Nach der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand freiberuflicher Schriftsteller und Autor bei conservo. Er lebt und arbeitet in Weimar und Italien.
www.conservo.wordpress.com 20.07.2021