Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist *)
Die ersten Nachrichten aus Afghanistan und Berlin reichen aus, um das Versagen deutschen Politik und des deutschen Beitrages in Afghanistan als eine Schande für Deutschland zu bezeichnen.
Weitere Informationen sind unerläßlich, um zu einer abschließenden Bewertung zu kommen.
Hier eine erste Bewertung in Thesenform:
- Die Bundesregierung hat die Gefahr eines Zusammenbruchs in Afghanistan nach dem überhasteten Abzug von amerikanischen Streitkräften deutlich unterschätzt. Man nahm sich die Zeit für langwierige Prüfungen trotz der Warnungen der deutschen Botschaft in Kabul über den schnellen Zerfall der afghanischen Regierung und der afghanischen Armee, die seit Jahren kein Vertrauen erworben hat.
- Der Einsatz deutscher Streitkräfte in Afghanistan spielte in der deutschen Politik und in den Medien nur eine nachgeordnete Rolle.
- Die politische Leitung und die militärische Führung haben versagt. Sie müssen zeitnah noch vor den Wahlen am 26. September abgelöst werden. Einen „Großen Zapfenstreich haben sie nicht verdient.
- Wenn der unbedarfte Außenminister von „Überraschung“ spricht, ist das ein peinlicher Offenbarungseid. Sein Hinweis, dass andere Institutionen und Partner ebenfalls überrascht wurden, zeigt sein „diplomatisches Geschick“
- Anderen Staaten ist es gelungen, Staatsangehörige und sog. “Ortskräfte“ Tage vor den Deutschen zu evakuieren.
- Die notwendigen Notfallmaßnahmen hätte man in der deutschen Botschaft in enger Zusammenarbeit mit dem „ Nationalen Befehlshaber“ treffen müssen.
- Man hätte die Botschaft und deutsche Stäbe „verdünnen“ und deren Rücktransport vorziehen müssen.
- Den Flugplatz in Kabul hätte man militärisch absichern müssen.
- Die Bundeskanzlerin, die die Verantwortung für den Einsatz trägt, hätte eine verantwortungsbewusste Regierungserklärung abgeben müssen – auf allen Kanälen und in allen Medien- einschließlich der Übernahme ihrer Verantwortung.
Sie hätte auch eine mindestens dreitägige Pause im Wahlkampf anordnen müssen.
Dem Staatsbürger bleibt nur übrig, sich für sein Vaterland zu schämen.
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*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.