DAS „DEMOKRATISCHE“ LOKUSPAPIER

(www.conservo.wordpress.com)

Von Juliana Bauer

Mangel an Toilettepapier? Führen Sie den Grünen Müll seiner eigentlichen Bestimmung zu.

Neueste Nachrichten aus deutschen Landen sprechen von massiver Verteuerung des kostbaren Toiletten-Papiers. Oh je! Kehren für die weniger betuchten Menschen nun alte Zeiten zurück? Zum Thema eine Geschichte, die aus meiner Heimatstadt Lahr stammt, der Stadt am Oberrhein, unweit von Straßburg, zwischen Rhein und Schwarzwald gelegen. Ich zeichnete sie aus Erzählungen längst verstorbener Lahrer einmal auf, zunächst in meinem Dialekt, dem Lohrer Ditsch, und übersetzte sie dann in Hochdeutsch. Mit Bezug zum Heute.

Von Dr. Juliana Bauer

‘S demokratisch‘ Lokusbabier wurd widder ä Raridät – wiä d’ganz Demokratie

G’rad hab‘ i im Internet g’lese, dass’s Lokusbabier de kommend‘ Winter diirer were soll. ‘S soll keini Engpäss genn wiä am Afang vun dere Coronakrisi, wo danno alli Lit des koschtbar Babier in ihre Wohnunge un Garage g’stapelt hänn, awwer halt vill diirer soll’s were. Ja, ihr Lit, ihr were sehn, des kommt widder ä so wiä in selle Zitte vun de Kriägs- un Nochkriägsjohre, dass d’Lit sich nit emol meh Lokusbabier meh leischte kenne.

Zue dem wertvoll Babier git’s ä scheeni G’schicht us’m Rothuus von Lohr.

Minner Vadder het lang‘ dert g’schafft. Vun sinne Kollege un Kolleginne hab i do als Kind manches verzehle heere, was alles in sellem Rothuus los g‘sinn isch. Dr Vadder het mi nämmlig als mitg‘numme zue denne ihre Geburtsdäg. Si hänn obends gärn zue ihrem Feschtdag ing‘lade, ‘s halb Rothuus isch als in selle ihre Wohnstuwwe bi‘enander g‘huckt. Dert isch ebbis babbelt wore. Awwer vor’m Verzehle isch guet g‘esse wore. Fir mich het‘s als b‘sunderi Leckerli genn, vor allem bim Deseer. Do het’s mr g’schmeckt, wenn i extra ä feins Iis g’kriägt hab‘ odder ä Schoklad-Budding.

Uf selle Geburtsdäg sin danno noch‘m Esse vieli G‘schichtli zum Beschte genn wore. Eini isch selli G‘schicht us de Nochkriägsjohre g‘sinn, ä humorvolli, awwer au eini, wo eim ‘s Nochdenke lehrt. ‘S het sich unter dr Ägid vum erschte Nochkriägs-Owwerburgemeischter ereigent. Uf‘m Rothuus hänn si hinte un vorne kei Geld g‘het un hänn furchbar spare miän. Un troffe het‘s halt vor allem wiä iwweral d‘einfache Ang‘stellte. Bi sellene isch sogar bis uf diä kleinschte Nutzartikili g‘spart wore.

So au bim Lokusbabier. Do het’s bigott au ä Zwei-Klasse-G’sellschaft genn. D’Arweiter, d‘Ang‘stellte un „d‘niedere“ Beamte hänn ‘s Lohrer-Ziddungs-Babier nutze „derfe“, diä hecher Beamteschaft awwer un dr Owwerburgemeischter hänn schun dr Luxus vun richtigem WC- (WéCé-)Babier g‘nosse. Immerhin het diä „nieder“ Mitarweiterschaft ‘s Privileg g‘het, dass sellene ihr Allerwerteschter mit de Welt- wiä mit de Lokalnochrichte versorgt wore isch.

Einer vun selle „untere“ Mitarweiter vum Lohrer Rothuus het dr Owwerburgemeischter us sinnere Kinderzit guet kennt un isch uf du-un-du mit‘m g‘sinn. Seller het sich nit nur ‘s Händle vun sinne Kollege wegge demm Ziddungsbabier ä Wiili ang‘heert, sellem isch des hart‘ Babier langsam au selwer z‘dumm wore. Do het er sich iwwerleggt, dass’r mit dem OB emol schwätze mues.

Mr mues do jetze awwer z’erscht noch ebbis zue dem Mann erkläre:

dr Richard, so het’r g’heiße, isch ä Mann g‘sinn mit‘m Herz uf‘m rächte Fleck un einer, wo kei Blatt vor‘s Muul g‘numme het. Er het sich uf demm Rothuus manches z‘sage traut, was sich anderi nit traut hänn un er het sell au mit rächt ung‘schminkte Werter in Lohrer Ditsch g‘sait. Un niäme het‘s‘m veriiwelt, nit emol dr Owwerburgemeischter.

An‘eme scheene Morge het der guet Mann an dr Diär vum OB g‘klopft. Seller het sinner Freind us Kinderdage rinbette un het‘n g‘frogt, wo‘n dr Schueh druckt. „Dr Schueh druckt nit, Paul“, het seller danno g‘sait, „awwer ‘s Babier ribbt“. „I versteh di nit“, het dr Owwerburgemeischter do irridiärt zur Antwort genn. „Dr wursch‘s glich verstehn, Paul. Awwer vorher mues i di doch noch ebbis froge. Sag‘ emol, hänn ihr Owere do hinne, ihr Herre in dem Huus, hänn ihr eigendlig anderi Ärsch wiä mir einfachi Lit?“

Do het dr OB ä Moment ganz entgeischtert g‘luegt. „Was…, was bedittet denn diä Frog, Richard“, het er g‘meint. „Ha“, het do dr Richard mit sinnere Erklärung usg’holt, „ihr Herre hänn feins Lokusbabier fir eiri schiinbar zart besaiteti Ärsch un d’einfache städtische Mitarweiter miän sich mit altem Ziddungsbabier Schwiele an dr Allerwertescht riiwe. Iwwerlegsch dr des emol, ob des rächt isch.“ Do het‘n dr Owwerburgemeischter ä Wiili nochdenklig ang‘luegt. „Aach so, Richard. I hab‘ verstande“, het er danno g‘sait. „I hab din Anliege verstande“.

Un vum nägschte Dag an, ob ihr’s glauwe odder nit, ihr Lit, het‘s uf jedem stille Örtli im ganze Lohrer Rothuus nur noch zarts WC-Babier genn.

Ja, do kann‘mer jo jetze g’spannt sin, wiä des hitzedag widderscht geht! Waarte mr emol ab, ob’s danno an Wiihnachte riesigi G’schenkpäckli gitt, schön vrpackt in Bapier mit Sternli, Dannebaimli un Wiihnachtsmännli, und wenn’mer selli Päckli ufmacht, lache ei’m lutter Klo-Babier-Rolle entgege. Ä persönligs Wiihnachtsg’schenk ebe! Un ä koschtbari Raridät vum Wiihnachtsmann

Gesehen auf Helgoland

„Demokratisches“ Lokuspapier könnte zur Rarität werden – wie die gesamte Demokratie im Land

Gerade las ich im Internet, dass das Lokuspapier, oder vornehmer ausgedrückt, das Toilettenpapier, im kommenden Winter wesentlich teurer werden soll. Angeblich seien zwar keine Engpässe zu erwarten wie zu Beginn der Coronakrise, als die Leute das kostbare Papier in ihren Wohnungen und Garagen horteten, aber die Preise sollen eben steigen. Ja, liebe Leute, ihr werdet sehen, die Zeiten kehren zurück, wie sie während der Kriegs- und Nachkriegsjahre waren, dass sich die Leute nämlich nicht einmal mehr Lokuspapier leisten können. Zu diesem wertvollen Papier gibt es eine herrliche Geschichte aus dem Rathaus zu Lahr.

Mein Vater arbeitete dort lange Jahre. Ich kannte als Kind sämtliche Kollegen und Kolleginnen, von denen ich so manches erzählen hörte, vor allem, davon, was in jenem Rathaus alles an Menschlichem geschah. Feierten die Kollegen, insbesondere die Damen ihren Geburtstag, luden sie am Feierabend nach Hause ein. Mein Vater nahm mich häufig dorthin mit, das halbe Rathaus war meist einträchtig versammelt. Da wurde getratscht und erzählt, aber auch gut gegessen. Als Kind war ich der kleine Hahn im Korb und wurde mit besonderen Leckereien verwöhnt, vor allem beim Dessert. Am meisten liebte ich feines Eis, die Klassiker Vanille-Erdbeer-Schokolade und Schokolade-Pudding.

Die schönsten Geschichten wurden nach dem Essen zum Besten gegeben. Eine stammte aus den Nachkriegsjahren, eine humorvolle, die aber gleichermaßen zum Nachdenken anregt. Sie ereignete sich unter der Ägide des ersten Nachkriegs-Oberbürgermeisters, der, das muss man sagen, alles in allem ein hervorragender OB war. Im Rathaus war noch Sparen angesagt. Nur traf dieses Sparen vor allem, wie es häufig der Fall war, die Arbeiter und einfachen Angestellten, selbst bei den kleinen Nutzartikeln.

So auch beim

Toilettenpapier.

Da brach eben auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft durch. Die Arbeiter, die Angestellten und „niederen“ Beamten „durften“ das Papier der damals ortsansässigen Lahrer Zeitung nutzen, wohingegen die „höhere“ Beamtenschaft und selbstverständlich der oberste Stadtherr bereits den Luxus des richtigem

WC- (WéCé-)Papiers

genießen konnten. Immerhin aber hatte die so genannte niedere Mitarbeiterschaft das Privileg, dass deren Allerwertester mit den Welt- und den Lokalnachrichten versorgt wurde.

Einer der „unteren“ Mitarbeiter des Lahrer Rathauses kannte den Oberbürgermeister sehr gut aus Kindertagen und stand nach wie vor auf Du mit ihm. Dieser hörte sich nicht nur das andauernde Schimpfen seiner Kollegen an, ihm selbst wurde das harte, unhygienische Zeitungspapier langsam zu dumm. So überlegte er sich, mit dem OB ein Wörtchen zu reden.

Nun aber zuerst eine kurze Präsentation dieses Mannes:

Richard, so hieß er, hatte das Herz auf dem rechten Fleck und gehörte zu den Menschen, die kein Blatt vor den Mund nahmen. Er traute sich manches zu sagen, wozu andere nicht den Mut hatten und tat dies mit recht geschminkten Worten in seinem alemannischen Dialekt wie er in Lahr gesprochen wird. Und niemand verübelte es ihm, was er zu kritisieren wagte.

Eines Morgens klopfte Richard an die Tür seines Freundes aus der Kinderzeit. Der OB bat ihn herein und fragte ihn, was er auf dem Herzen habe und wo ihn der Schuh drücke. „Der Schuh drückt nicht, Paul“, sagte Richard sinnig, „sondern das Papier reibt.“ Der Oberbürgermeister schaute ihn fragend an, er verstand natürlich nichts. „Ich verstehe nicht, was du meinst“, der Oberbürgermeister war ganz irritiert. „Du wirst es gleich verstehen, Paul“, beruhigte ihn sein Kinderfreund. Ich muss dich aber vorher etwas fragen. Sag‘ mal, habt ihr Oberen hier, ihr Herren im Rathaus eigentlich andere Ärsche wie wir einfachen Leute?“

Der OB blickte Richard völlig entgeistert an. „Was…, was bedeutet denn diese Frage, Richard“, meinte er dann. „Ha“, nun holte Richard mit seiner Erklärung aus, „ihr Herren habt für eure scheinbar zart besaiteten Ärsche feines Lokuspapier zur Verfügung,

während die einfachen städtischen Mitarbeiter sich mit altem Zeitungspapier Schwielen an den Allerwertesten reiben müssen.

Du kannst dir mal überlegen, ob das richtig ist. Der Lahrer Oberbürgermeister schaute daraufhin seinen Freund nachdenklich an. „Aach so, Richard. Ich habe verstanden“, meinte er dann. „Ich habe dein Anliegen verstanden.“  

Und, liebe Leute, ob ihr es glaubt oder nicht, schon am nächsten Tag gab es auf den stillen Örtchen des gesamten Lahrer Rathauses nur noch weiches

WC-PAPIER.

Ja, nun können wir gespannt sein, wie das für uns heute weitergeht. Warten wir einmal ab, ob es an Weihnachten in den Familien riesige Geschenkpakete gibt, schön verpackt in Papier mit Sternen, Tannenbäumchen und Weihnachtsmännchen, und wenn man die Pakete aufmacht, lachen einem lauter Klo-Papier-Rollen entgegen. Das nennt man dann ein persönliches Weihnachtsgeschenk!

Die kostbare Rarität des WEIHNACHTSMANNES!

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