Fünf „Schwarzfahrer“ vor der Insel Chios ertrunken

– Unsere Grenzen werden zu Land und zur See gestürmt
– Was diese Woche und vor 200 Jahren in der Ägäis geschah

Von Albrecht Künstle *)

„Flüchtlinge ertrinken vor der Insel Chios im Meer“, berichtete der Auslandskorrespondent Gerd Höhler aus Athen diese Woche auch in unseren Zeitung. Die Unglücklichen wollten von der Türkei aus mit einem Schlauchboot auf die weniger als zehn Kilometer entfernte griechische Insel übersetzen. Es waren Schwarzfahrer, nicht nur der Hautfarbe nach, sondern auch weil für weniger Geld Fähren verkehren. Bei der Schwarzfahrt sind eine Frau und drei Kinder ertrunken, eine Person wird noch vermisst. 22 Migranten konnten gerettet werden, wurden aber nicht in die nahe Türkei zurückgeschickt, sondern wiederum nach Griechenland gebracht. Am Ende werden sie wahrscheinlich in Deutschland landen.

Hier eine Rekonstruktion des Bootsunglücks aus meiner Erfahrung als Schlauchbootfahrer. Das 12-Personen-Schlauchboot war mit 27 Migranten ohne Zweifel überladen. Das führt jedoch nicht zu einem solchen Unglück, wenn fast alle auf den beiden Schlauchkörpern sitzen bleiben. Ursache waren die ungewöhnlichen Windverhältnisse. Wie in meinem Beitrag vor drei Jahren beschrieben, bläst der Wind in den frühen Morgenstunden des Unglücks dort ablandig von Ost nach West, also auf die Insel Chios zu. Doch diese Woche herrschte ausnahmsweise die gleiche Windrichtung wie auf Lesbos von Nord nach Süd. Aktuell…

Die Wellen kamen deshalb von der Seite, und wenn diese gegen die – wegen der Überbesetzung niedrigeren – Bordwand schlagen, wird man richtig nass. Deshalb standen die auf Steuerbord Sitzenden vermutlich auf, um sich in der Bootsmitte zusammen zu kauern. So wurde der Bootsboden übermäßig belastet. Und wenn dann eine stärkere Welle von der Seite kommend den unbesetzten Schlauchkörper hochdrückt, der Bootsboden aber durch das volle Körpergewicht der Insassen belastet nicht dem Schlauchkörper folgt, reißt die verschweißte Naht zwischen beidem. Und abwärts gings mit allen, die nicht auf Backbord saßen.

Man könnte nun den untypischen Wind verantwortlich machen und diesen wie heute üblich der „Klimakatastrophe“ anlasten. Man könnte auch fragen, warum nahmen die Afrikaner nicht eine kürzere Reiseroute als über die Türkei, die nicht gerade am Weg liegt? Man könnte auch fragen, was Erdogan mit unseren Milliarden macht, wenn seine Küstenwache nicht imstande ist, die Weltenbummler von solchen Bootstouren abzuhalten? Oder, oder …

Frau Merkel hätte auch bei ihrem Abschiedsbesuch in der Türkei vorschlagen können, dass der türkische Oberschlepper jeweils mit an Bord geht und schaut, dass die Passagiere keine lebensgefährlichen Dummheiten machen. Oder sie hätte den Gastgeber fragen können, wie es mit einem Tauschhandel wäre: Du gibst Nordzypern zurück und verzichtest auf das europäische Stückchen der Türkei nördlich von Istanbul – das sich ja Deine osmanischen Vorfahren blutig unter den Nagel gerissen haben. Dann könnte Dir Griechenland vielleicht die nur 10 km vorgelagerten Inselchen Lesbos, Chios, Samos und Kos abtreten, die ihr Türken immer wieder mal erobert habt. Von so einem Kapitel der Geschichte handelte mein Artikel vor drei Jahren…

Im Oktober 2018

Schon wieder – Heimsuchung der griechischen Insel Chios

– 1822 landeten die türkischen Osmanen und richteten ein Massaker an
– Jetzt fallen Vorderasiaten erneut über Chios her und Europa schaut zu

Geschichte scheint sich tatsächlich zu wiederholen. Wie Hegel einmal sagte, zuerst als Tragödie, dann als Farce. Wobei die Medien die erste Tragödie dieser Insel ausblenden und die Geschichte sogar verzerren. Hier der erste Absatz der Süddeutschen vom 30. Juli 2018:

„Die Fähre schafft die Strecke in 20 Minuten, Touristen können mehrmals täglich vom türkischen Çeşme auf die griechische Insel Chios übersetzen, von weißen Sandstränden zu den Felsenbuchten auf der Insel. Die Nähe hat ein besonderes Verhältnis geschaffen, zu allen Zeiten. Chios war fast 350 Jahre unter osmanischer Herrschaft. Als die Deutschen auch Chios im Zweiten Weltkrieg besetzten, flohen Griechen in Fischerbooten in die Türkei. Heute verläuft die Migrationsroute in umgekehrter Richtung.“ Nicht erwähnt wird von der SZ, dass unter den Osmanen nur wenige Inselbewohner fliehen konnten, weil Tote nicht mehr fliehen können.

Was tatsächlich schon alles auf Chios geschah: 1566 geriet die Insel unter die Herrschaft der islamistisch-imperialistischen Osmanen. Denn legendär war „die Schönheit der Frauen … und der Reichtum von Chios weckte Begehrlichkeiten“, so Wikipedia. Chios war eine wohlhabende Insel des Handels und deshalb von islamischen Herrschern länger im Fokus, die fast nichts können, aber erobern. Im Jahr 1821 schlug das osmanische Reich den Aufstand in den Donaufürstentümern nieder; auf dem griechischen Festland selbst siegten die aufständischen Einheimischen. Der Erzbischof flehte die chiotischen Inselbewohner an, nicht auf die Invasion der islamischen Streitkräfte zu reagieren, „um den Zorn der Osmanen nicht zu erregen“. Erfahrungsgemäß hilft solche Beschwichtigung gegenüber Islamisten nichts, wie sich auch in diesem Fall zeigte.

Die „Hohe Pforte“ – die damalige Islamistenzentrale in Konstantinopel – erteilt den Auftrag, 45 000 Mann zu mobilisieren. Die meisten waren Freiwillige, von der Plünderung der Reichtümer von Chios angelockt. Am 11. April 1822, kurz vor Ostern, kreuzte die Flotte von Kara-Ali mit 46 Schiffen und 7000 Kriegern vor Chios auf und landete schließlich. Zuerst wurde die Chora geplündert, den Bewohnern Ohren oder Kopf abgeschnitten und dem Sultan geschickt. Andere Inselbewohner flüchteten vor den Osmanen in die Klöster, was aber nicht half. Alleine im Kloster Nea Moni wurden 2000 Flüchtling getötete. Am Ostersonntag wurde das Kloster Agios Minas niedergebrannt, alle 3000 Flüchtlinge starben. Dann wurden in einem Dorf mit Flüchtlingen 2300 massakriert. Für die anderen Inselbewohner wurde Amnestie angekündigt, aber als sie die Verstecke verließen, ebenfalls ermordet. Sogar die Ex-Chioten in Konstantinopel wurden hingerichtet.

Zwei Monate nach dem Massaker mit 25 000 Toten wurden 45 000 Inselbewohner versklavt, Männer, Frauen und Kinder auf den Sklavenmärkten Smyrna, Konstantinopel, Ägypten und Nordafrika verkauft. Anfang 1822 hatte Chios noch ca. 110 000 Bewohner, nach dem Wüten der Islamisten nur noch 20 000. Nur 10 – 20 000 gelang die Flucht. Und was tat der Westen? Er holte zuerst sein „scharfes Schwert“ heraus und drohte dem Osmanischen Reich mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Künstler verewigten das Massaker in vielen Gemälden und ersannen wohlklingende Gedichte und Lieder. Und an Pfingsten 1825 gab es im Berliner Tiergarten ein Feuerwerk zugunsten der gebeutelten Griechen. Erst 1827 bekamen die Alliierten den Hintern hoch und vernichteten die türkisch-ägyptische Flotte in der Bucht von Navarino – ich berichtete darüber. 1912 endlich wurde Chios mit dem griechischen Mutterland vereinigt. Und heute?

Jetzt wird die Lage der Insel Chios direkt vor der türkischen Westküste erneut zum Fluch. Sie liegt nur 7-8 km vom türkischen Festland und ist so bequem zu erreichen wie die Insel Lesbos. Auf der kurzen Strecke von der Küste zur griechischen Insel Chios herrscht in den frühen Morgenstunden von 3 Uhr bis 6 oder 9 Uhr fast regelmäßig ein günstiger Ostwind, mit dem man sich ohne Motor oder nur mit Rudern nach dem griechischen Europa treiben lassen kann. Dann kann die türkische Grenzpolizei der Frau Merkel ruhigen Gewissens erzählen, wir sehen nachts um drei Uhr nix und hören nix. So kommen nach wie vor jede Woche Migranten von der Türkei nach Europa, und Griechenland hat das Nachsehen. Wenn auch nur wenige Tage, dann geht’s weiter nach Deutschland. 3500 will unser Land jetzt (Oktober 2018) abnehmen.

Was muss in den Köpfen der griechischen Inselbewohner vorgehen, deren Vorfahren von den Vorfahren der heutigen Türken erobert wurden. Und jetzt wieder eine Art Invasion von dort erleben. 18 000 Migranten müssen die paar Inselbewohner verkraften. So viele, wie vor 200 Jahren das Massaker überlebt haben. Fürchten wirklich nur die Bauern um ihre Olivenernte? Sind die Frauen nicht mehr so schön und begehrt wie damals? In den letzten Jahren kamen mehrheitlich Syrer und Iraker, aber auch Afrikaner. Und jetzt zunehmend Türken selbst. Handelt es sich wirklich um welche, die vor Erdogan fliehen. Oder werden vom Sultan Spitzel eingeschleust, wie dessen Imame in deutschen Moscheen? Oder gar IS-Terroristen, denen man aus ihren syrischen Hochburgen heraus Geleitschutz auch durch die Türkei gewährte? Und wir lassen das alles zu und errichteten auf Chios sogar einen „Hotspot“ – wahrlich ein echter „Brennpunkt“!

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*) Der Autor Albrecht Künstle, Jahrgang 1950, ist im Herzen Südbadens daheim, hat ein außergewöhnlich politisches Erwerbsleben mit permanent berufsbegleitender Fortbildung hinter sich. Im Unruhezustand schreibt er für Internetzeitungen und Nachrichtenblogs der Freien bzw. Alternativen Presse zu den ihm vertrauten Themen Migration, Religionsfragen, Islam, Kriminalität, Renten, Betriebliche Altersversorgung, Wirtschaftsthemen u.a.. Zuvor schrieb er für Fachzeitschriften und seine Regionalzeitung, fiel aber bei ihr politisch in Ungnade.

Kuenstle.A@gmx.de

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