Eine Stellungnahme zu den gegen Michel Aupetit erhobenen Anschuldigungen in der französischen Presse
„Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ (Joh. 8,7)
Von Dr. Juliana Bauer
Bislang krähte die deutsche Presse kaum nach Mgr Aupetit. Was interessiert sie auch ein französischer Bischof. Als Notre Dame brannte, rückte dieser einmal für einige Tage mit in den Blickpunkt. Das war’s dann wieder. Ab und an erschien in der katholischen Nachrichtenwelt ein Bericht über ihn, aber auch dort relativ spärlich und meist in Verbindung mit Notre Dame.
Nun aber – am vergangenen Freitag überschlugen sich die Infos. Die Online-Ausgaben sämtlicher Zeitungen und Magazine hatten den Pariser Oberhirten auf Hot-Line. Er hatte Papa Francesco seinen Rücktritt angeboten. Der Grund: Querelen in der Diözese und, wie kann es anders sein, eine angebliche, wenn auch frühere Beziehung des Erzbischofs zu einer Frau.
Von der Presse unbeachtet – die glaubwürdige MAIL-VERSION Aupetits
Die mutmaßliche „Intimbeziehung“ zwischen „zwei erwachsenen Menschen“, die Monseigneur jedoch zurückweist, liegt, wenn es sie denn überhaupt gab, über 9 Jahre zurück. Eine im vergangenen Jahr aufgetauchte Mail von 2012, „die“, so Aupetit, „an meine Adresse gesendet und auch meiner damaligen Sekretärin mitgeteilt wurde“ (öffentliche Erklärung Aupetit am 27.11.21 bei Radio Notre Dame, deren schriftliche Fixierung ich am 30.11. bei „Zenit“ entdeckte), die nun bei dem Magazin Le Point landete, ließ den entsprechenden Verdacht aufkommen (wobei der Inhalt nicht bekannt ist).
Doch muss man nicht weitgehen, um in der Sache den nächsten Verdacht zu schöpfen: nämlich jenen, dass Leute, die alte Kamellen auskramen, um damit einem anderen Menschen massiv zu schaden, diesen loswerden wollen. Möglichst schnell! Und koste es diesen Menschen, was es wolle. Was auch hier unzweifelhaft danach aussieht.
Und mehr noch: die ganze Sache riecht nach übelster Denunzierung. Und nach einer unvorstellbaren Bösartigkeit.
Die Berichterstattungen sprechen, ausgehend von der Behauptung von Le Point, von einer um Ecken gedrehten Mail-Version: Mgr habe eine Mail, die er jener Frau schrieb, fälschlicherweise an seine Sekretärin geschickt… …
So stellen sich hier nun folgende Fragen: Von wem stammt jene ominöse, an Michel Aupetit und wohl gleichzeitig an seine Sekretärin gesandte Mail wirklich? Warum hat die Sekretärin, die Mitwisserin dieser Mail wurde, sie, wie eine französische Zeitung zu wissen glaubt, acht Jahre lang aufbewahrt? Eine Mail mit offensichtlich brisantem, doch mutmaßlich verleumderischem Inhalt. Die sie dann im Frühjahr 2020 wohl im Pariser Ordinariat publik machte, um mit ihr Mgr Aupetit gezielt zu schaden. Zu einer Zeit, als er für die besonders vom Confinement betroffenen Bedürftigen viel beachtete Initiativen startete. In welche Kreise von Kirche und Politik gehört diese Frau? Und wer hat die Mail heuer Le Point zugespielt? Wo man offenbar genüsslich in die Kerbe haute.
Unter den vielzähligen Artikeln über Michel Aupetit vom 26. und 27. November fiel mir der eines Journalisten der katholischen Nachrichten-Agentur besonders ins Auge. Ich konnte nicht umhin, diesem umgehend darauf zu antworten. Mein Schreiben lesen Sie hier wie folgt.
Am Ersten Advent 2021
Ihr Artikel in DOMRADIO „Frankreichs Kirche in der Dauerdefensive“, 27.11.21
Sehr geehrter Herr Brüggemann,
betreffs Ihres ausführlichen Kommentars über die Kirche in Frankreich mit Schwerpunkt zu Mgr Aupetit und den aktuellen Pressemitteilungen erlaube ich mir diesbezüglich zu einigen Punkten eine Stellungnahme, die ich u.U. öffentlich machen werde.
Zunächst einmal folgendes: ich kenne Mgr Aupetit nicht persönlich und kann mir daher über seine Person kein Urteil erlauben, noch viel weniger über seine Arbeit in der Erzdiözese Paris. Seit dem Brand von Notre Dame erlebe ich ihn regelmäßig im Internet, da mir seither Berichte über ihn, Interviews und Gottesdienste mit ihm über Google und Youtube permanent reingespielt werden (ähnlich wie auch über die Kirche und die Kultur Italiens – ich lebte in Rom und spreche fließend Italienisch). Dabei stieß ich auf die Predigten Mgr Aupetits, die mich begeistern und faszinieren und die ich seither häufig übersetze und in der deutschen Übersetzung publiziere. Des Weiteren erhielt ich so auch Infos über sein großes, sozial-pastorales Engagement, insbesondere für die Bedürftigen, gerade auch in den vergangenen 18 Monaten.
Wie viele Personen des öffentlichen Lebens hat Erzbischof Aupetit Freunde und Anhänger, Feinde und Gegner. Da er offenbar immer wieder Entscheidungen trifft, die vielen in der Diözese nicht gefallen, wird er auch immer wieder angefeindet; umgekehrt imponieren seine Entscheidungen und sein Engagement anderen wiederum sehr. Aus der französischen Presse wurde mir z.B. schon bekannt, dass vor allem die linkspolitisch orientierten Katholiken ihn hassen – allein schon wegen seiner ablehnenden Haltung der homosexuellen Ehe sowie der Abtreibung gegenüber. Aber auch die sich als die Bewahrer „der Heiligkeit“ verstehende Gegenseite, die sogen. Tradis und Tridentiner mögen ihn gar nicht. So wundert es nicht, dass aus diesen illustren Runden Stimmen kommen, die zum Schlag gegen diesen Mann ausholen.
Es ist eine alte und üble Methode von Gegnern, dass diese, wollen sie einen ihnen verhassten Menschen loswerden, solange graben und bohren, bis sie gegen diesen etwas ins Felde führen können, was ihm das Genick brechen kann. Auch wenn es uralte Kamellen sind, die längst Würze und Geschmack verloren haben. Bei Michel Aupetit geht es um eine Frau, die er sich gefälligst, als einem dem Zölibat versprochenen Priester, zu versagen hat… …
Diese ganze Geschichte, wie sie die Presse hier aufzieht (Ergänzung: wohl angefeuert aus bestimmten kirchlichen Kreisen), ist an Niedertracht, an Hinterhältigkeit und an Widerwärtigkeit nicht zu überbieten. Die dem Erzbischof vorgeworfene „unangemessene Beziehung“ – wenn es denn eine war, was er nach wie vor bestreitet –, liegt offenbar neun Jahre zurück. Was also soll diese Schmieren-Komödie?
Diejenigen, Herr Brüggemann, die dieser Sache entsprechendes Gewicht beimessen, sollten einmal – und ich spreche aus langer Erfahrung – die Realität der römisch-katholischen Kirche wie auch die Realitätsverweigerung der Amtskirche genauer betrachten:
Zahlreiche Priester halten den erzwungenen Zölibat nicht bis zu ihrem Lebensende durch (ich sage „zahlreiche“, nicht alle); Recherchen ergaben, dass mehr als 50% im Alter unter großer Einsamkeit leiden. Es ist eine erzwungene Lebensform, die auf der 2. Lateransynode im 12.Jh. unter Gewalt und Drohungen durchgepeitscht wurde (siehe Voraussagen des hl. Paulus in 1 Timo. 4, 1-5 1: „Der Geist aber sagt deutlich, dass in den letzten Zeiten einige vom Glauben abfallen werden… 3 Sie gebieten, nicht zu heiraten…). Den Heiligen Geist hatte man hier offensichtlich vertrieben! Diese Lebensform, deren hartes Durchpeitschen im 13.Jh. auf dem IV. Laterankonzil unter Innocenz III. in Verlängerung ging, wurde dort entgegen der Lebensrealität vieler damaliger Priester, gnadenlos zementiert. Mit einer weiteren Fest-Zementierung im Tridentinum und der verbohrten Vorstellung eines erhöhten Priestertums, eines „heiligen, reinen“ Priestertums, das es, bis auf wenige Einzelfälle, nie gab.
Die Amtskirche lässt seither wertvolle Berufungen am Straßenrand liegen; sie lud damit bis heute eine Schuld auf sich, die sie noch immer nicht willens ist, erkennen zu wollen. Wer weiß, ob sie dadurch die Quittung mit diesen vielen Missbrauchsfällen bekommt.
Und bis heute verweigern Papst und Bischöfe, sich der Wirklichkeit zu stellen und ihre Geistlichen endlich und dem Evangelium gemäß das Sakrament der Ehe in enger Verbindung mit dem Priestertum leben zu lassen. Wie es über 1100 Jahre lang der Fall war. Ein Sakrament, das, wie es das Wort sagt, eine Stiftung Gottes, eine von Gott geheiligte und gesegnete Gabe ist. Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, die dann komplett frei gewählt würde, ist nicht heiliger, als eine in Liebe gelebte Ehe, in der die beiden Partner sich gemeinsam für Gottes Reich engagieren und gemeinsam „Herz an Herz mit Christus“ (Aupetit) leben, gemeinsam und nicht immer nur alleine. So kannte ich es z.B. von einem Priesterehepaar griechischer Katholiken, die ja bekanntlich mit Rom uniert sind.
Dann würde sich auch das „zölibatäre Drama“, wie es in der aktuellen Presse im Kontext Aupetit berichtet wird, erübrigen. Dann wäre der Weg des Klerus frei für Ehrlichkeit und Wahrheit, welche die Kirche so dringend nötig hat. Sie, die Journalisten, vor allem die katholischen, täten gut daran, dies zu berücksichtigen. Denn dann gäbe es auch keine „Zweifel“ mehr „an seinem Privatleben“, wie Sie schreiben und das „die Frage… aufwirft, ob er (Aupetit) das Pariser Erzbistum weiterleiten kann.“ Abgesehen davon – Sie glauben wohl nicht im Ernst, dass diese „Zweifel“ ein Hindernis für die Leitung eines Bistums darstellen. Da dürfte mancher Bischof kein Bistum leiten… …
Zum Schluss noch ein Wort zu vielzähligen Kommentaren, die Gläubige in Radio Notre Dame an Erzbischof Aupetit richteten: sie bitten ihn, das Erzbistum und sie alle nicht zu verlassen. Sie bräuchten ihn und er sei für sie, gerade im Covid-Confinement, ihre Kraft und ihr Trost gewesen, auch dank seiner wunderbaren Predigten, die ihnen viel Mut und Hoffnung gaben.
MFG
Juliana Bauer
Anmerkungen
Unter den entsprechenden Schlagwörtern findet man diverse deutsche Artikel vom 26.11.21 zu den Anschuldigungen; Artikel, die z.T. einfach voneinander abgeschrieben sind.
Das französische Nachrichtenmagazin Le Point brachte die Lawine am 22.11.21 ins Rollen. Offensichtlich in infamem Zusammenspiel mit Michel Aupetits Gegnern.
Radio Notre Dame. Zenit – Francais.
Siehe auch Erzbischof Aupetits Erklärung, die dieser am 27.11.21 Radio Notre Dame gab und die in „Zenit“ im Schrifttext veröffentlicht wurde: Zenit – Francais. France: Mgr Michel Aupetit répond/Mgr Michel Aupetit antwortet, fr.zenit.org.
Darin erfahren wir von Erzbischof Aupetit die tatsächliche Mail-Geschichte: “…un mail qui a été envoyé sur mon adresse, partagé avec ma secrétaire de l’époque.“
Zur Zölibatsentwicklung im Mittelalter siehe u.a.: Denzler, Georg: Der Zölibat der Priester zur Zeit Papst Innocenz‘ III., in: Proceeding oft the Eleventh International Congress of the Medieval Canon Law, Catania 30.07.-06.08.2000, Monumenta Juris Canonici…, Vol.12, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana 2006.
Nachträgliche Anmerkung zu den Kommentaren
Am ersten Adventssonntag quillte der Kommentarblock von Radio Notre Dame über. Ein Meer an Kommentaren von Menschen, die Erzbischof Aupetit fast ausnahmslos den Rücken stärken, ihm Mut zusprechen und ihm ihre Zuneigung und ihr Vertrauen versichern, überwältigt Leser und Leserinnen geradezu. Das Thema Frau und Beziehung interessiert dabei nicht. Die Menschen interessiert der Seelsorger, den sie in Mgr Aupetit erkennen, einen glaub- und vertrauenswürdigen Seelsorger.