- Letzte Predigt von Michel Aupetit als amtierender Erzbischof von Paris
- Firmung von Erwachsenen in St. Sulpice, Paris, am Samstag, den 27. November 2021
Schriftlesungen: Joel 3, 1-5a; Ps. 103, 1-2.24-25.35.27-30 ; Röm. 8, 22-27 ; Joh. 7, 37-39
Von Dr. Juliana Bauer
Es war seine letzte Amtshandlung als Erzbischof von Paris.
Am Samstag, den 27.November, dem Tag vor dem 1. Advent firmte Michel Aupetit in einem feierlichen Gottesdienst viele Erwachsene unterschiedlichen Alters.
Und es war seine letzte Predigt als amtierender Erzbischof, eine Predigt, mit der er die Menschen erfreute, stärkte und bereicherte.
Zu Beginn begrüßte Mgr Aupetit die Menschen, die das Gotteshaus füllten und einen Frieden ausstrahlten, herzlich. Er drückte seine große Freude darüber aus, die Firmlinge zu versammeln, damit sie die Gaben des Hl. Geistes empfangen würden. Und er dankte ihnen, dass er ihre Briefe lesen durfte, dafür, dass die Firmlinge ihm ihr Vertrauen schenkten und ihm einen Teil ihres Lebens erzählten, insbesondere jenen ihres Weges mit Gott.
Zwischen der Lesung des Evangeliums und dem Akt der Firmung begeisterte Michel Aupetit wieder mit einer biblischen und gleichermaßen poetischen Predigt, einer Predigt, die wieder Leben und Freude ausstrahlte, wenngleich auch feine zurückhaltende Momente von seiner Seite zu spüren waren. Ahnte er, dass es seine letzte Homilie als Oberhirte von Paris sein würde? Die Gläubigen im Gotteshaus wie auch ich vor meinem PC en Allemagne waren noch voller Hoffnung, dass er weiter sein Amt ausüben würde.
„Ah meine Freunde,“
mit diesen Worten beginnt Erzbischof Aupetit.
„Eine erstaunliche Aktualität hörten wir gerade im Brief des Heiligen Paulus an die Römer: ‚Die ganze Schöpfung stöhnt, sie liegt in Geburtswehen, die noch andauern‘ (Röm 8,22).
Ja, es ist wahr, wir haben die uns anvertraute Schöpfung vergessen. Wir sollten uns um sie annehmen, stattdessen zerstören wir sie zu unserem eigenen Vorteil. Weil wir den Schöpfer vergessen haben, haben wir die Schöpfung zugrunde gerichtet. Im Grunde befinden wir uns immer noch in dieser ewigen Sünde, der Ursünde, die seit Anbeginn andauert. Mann und Frau, das Ebenbild Gottes, wollten „wie Götter” sein. Es ist die ewige Versuchung des Menschen, so sein zu wollen wie Gott. Dabei verachteten wir das Geschenk, das er uns machte, und eigneten es uns an, als wären wir selbst dessen Urheber.
Dennoch hätten wir in Staunen geraten können, als wir im Psalm hörten, den wir gerade gesungen haben: ‚Welche Fülle in deinen Werken, Herr! All dies hat deine Weisheit getan; die Erde ist voll von deinen Gütern. Preise den Herrn, o meine Seele!‘ Sind wir noch fähig, in einem Wald spazieren zu gehen und einen Baum zu bewundern? Einen Baum. Welch ein Wunder! Welch ein wahres Wunder!
Die Schönheit der Natur
Wir sollten das Werk Gottes bewundern, um es noch schöner zu machen und die Geburtshelfer der Schönheit zu sein. Wenn ich einen Rosenbusch pflanze, bin ich dann fähig, den zu bewundern, der ihn geschaffen hat? Schaut euch diese wundervolle Skulptur an, die eine Rose ist. Verweist mich ihre Schönheit nicht auf die Güte Gottes? Wenn ich sie kultiviere, um sie schön zu machen und um die Blumen zu vermehren, könnte ich sie dann teilen, indem ich denen, die ich liebe, eine Rose schenke? Was machen wir mit den Gaben Gottes?
Das Glück der Freundschaft
Wenn ich das Glück einer wahren Freundschaft habe, bin ich dann fähig, dafür zu danken? Und Gott für dieses menschliche Herz zu danken, das er uns gegeben hat – das er euch gegeben hat, wie es in euren Briefen steht – welches uns ermöglicht, in diese Freundschaft einzutreten, in „die gleiche Seelenlänge“ einzutreten? In das, was eine Freundschaft bedeutet. Bin ich dazu fähig, den zu hören, der sich unserer Zuneigung hingibt und zu uns sagt: ‚Ich nenne euch meine Freunde.‘
Ja, es ist Jesus, der jeden von uns anspricht und sagt: ‚Mein Freund!‘ Ein Gott, der zu uns kommt, um uns seine Freundschaft anzubieten. Das ist unglaublich…“ Dann stellt Michel Aupetit sich selbst wie auch uns einige Fragen, die er in ein kurzes Zwiegespräch mit Christus überleitet. „Sind wir fähig, ihn zu hören? Den Schöpfer nicht nur in seiner Schöpfung zu bewundern und ihn anzubeten, sondern auch in seiner Hingabe an unsere Freundschaft. Der mitten in unsere Freundschaft kommt, indem er sein Leben gibt. Sind wir fähig, dieser Freundschaft zu antworten, zu antworten auf die Liebe Gottes?
Durst nach Liebe
Dafür muss man durstig sein. ‚Aber nach was dürsten, Herr?‘ ‚Durst nach Liebe! Wenn du nach Liebe dürstest, werde ich Ströme der Liebe aus deinem Herzen fließen lassen.‘ ‚Aber Herr, ich kenne mein Herz. Wie die Schöpfung stöhne ich auf. Ich weiß nicht, wie man richtig betet. Ich stammle Worte. Ich kann die Sprache Gottes nicht sprechen. Ich kann nicht so lieben wie du, Herr.‘ Aber wir hören von dieser unglaublichen Hoffnung des Heiligen Paulus: ‚Der Heilige Geist kommt unserer Schwachheit zu Hilfe‘ (Röm.8,26).
Der Heilige Geist
Diesen Heiligen Geist, liebe Freunde, unser Herr, Jesus Christus hat ihn uns verheißen. Ihr empfangt ihn heute. Woher aber weiß ich, dass der Heilige Geist diese wunderbare Berufung in mir erfüllt? Wir haben es gehört: ‚Gott erforscht die Herzen und kennt die Absichten des Geistes‘ (Röm. 8,27). Wir betrachten einander immer von außen, aber nur Gott sieht bis auf den Grund unserer Herzen. Er sagte dies schon dem Propheten Samuel… (1 Sam. 16,7). Und wir hören es wieder im Neuen Testament. Jesus zeigte uns auf, einen Baum nach seiner Frucht zu beurteilen.
Sieben Gaben des Heiligen Geistes
Ich weiß, ihr empfangt die Sieben Gaben des Hl. Geistes…die Sieben Gaben, wenn wir euch gleich die Hände auflegen. Aber es gibt Neun Früchte. Kennt ihr sie, die Neun Früchte des Heiligen Geistes? Einige von euch haben davon in ihren Briefen gesprochen. Es sind diese: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Wohlwollen, Glaube, Demut und Selbstbeherrschung. Dies sind die wirklichen Kriterien, die es euch ermöglichen, zu überprüfen, wie ihr durch die Gaben Gottes, die ihr bei der Firmung empfangt, dem Hl. Geist den Platz einräumt… Gott gibt uns alles. Die Frage ist, ob wir bereit sind, alles anzunehmen, wir sehen es an den Früchten… …und so wie wir die Gaben des Hl. Geistes empfangen, hätten wir mit großem Dank die Gaben der Schöpfung annehmen sollen.“
Seine Predigt beendet der Erzbischof mit Worten, die ein Licht auf seine ureigene Situation, seine Situation als Mensch und Christ, aber auch als Priester und Bischof werfen – Worte, die nicht in der französischen Schriftfassung festgehalten wurden. Die es jedoch unendlich wert sind, dass sie festgehalten werden.
„Liebe Freunde, heute Abend gibt uns Gott seine Kraft. Die Kraft, die wir nötig haben, denn ihr wisst, dass der Weg der Christen kein ruhiger, gemütlicher ist… er ist voller Prüfungen, wie der Herr es uns sagte…
Aber durch die Gabe des Geistes, der den Frieden des Herzens bewahrt, der auch die Liebe bewahrt, die fähig macht, über das Böse, das einer einem will, hinauszublicken.
Liebe Freunde, durch die Gabe, die ihr empfangen werdet, und wenn ich die Briefe lese, die Ihr geschrieben habt…da bin ich sicher, wird euer Herz, euer Geist …ein Gefäß der Gnade sein.
Danke!“
+ Michel Aupetit, Erzbischof von Paris.
– Homélie de Mgr Michel Aupetit – Confirmations des adultes à St Sulpice, Samedi 27 novembre 2021, Homélies – Diocèse de Paris
– Messe des confirmations d’adultes du diocèse de Paris – Saint Sulpice – 27 nov 2021, Paroisse et Eglise Saint-Sulpice – Paris
Übersetzung: Dr. Juliana Bauer
Nachwort
Nach vielerlei weiteren Anschuldigungen und Verdächtigungen meldete sich Mgr Michel Aupetit kurz nach dem dritten Adventsonntag öffentlich zu Wort. In einem Interview mit Le Parisien (14.12.21) klärte er einige Dinge auf und entlastete mehrere Personen, die im Chaos der ganzen Lage unter bösen Verdacht, gleich welcher Art, geraten waren, und nahm sie aus der Schusslinie. So vor allem seine ehemalige Sekretärin, der auch ich bei der Auflistung einiger Fragen, die versteckte Unterstellungen enthielten, Unrecht tat (Conservo 1.Dez. 2021).
Die Vermutung mancher Autoren (Conservo, 1.Dez. und 9.Dez. 2021, Bauer, Grotti: „Wie viel Schlamm, wie viel Dreck wurde auf Mgr Aupetit geworfen“), dass gegen Michel Aupetit aus Kreisen, deren Hass er aus unterschiedlichen Gründen ausgesetzt war, eine üble Schlammschlacht initiiert wurde, wird durch seine eigene Sicht bekräftigt: Er sieht sich als „Opfer einer Intrige“ und bestätigt damit seine erste Einschätzung, die er in Radio Notre Dame formulierte, dass es wohl „so viele“ seien, die „wollten, dass er geht“ (27.11.21).
Auch wenn Michel Aupetit die Entscheidung von Papst Franziskus akzeptiert, seinen, in Folge der verworrenen und rufschädigenden Umstände angebotenen Rücktritt anzunehmen, war kürzlich doch die Enttäuschung darüber in seinen Worten nicht zu überhören: „Wenn er mich gefragt hätte (d.h. seinen Rücktritt abgelehnt hätte), hätte ich den Sturm überstanden…“ Ja, er hätte den Sturm überstanden. Wenn Francesco sich hinter ihn gestellt und ihn, seinen Bruder gestärkt hätte. Wie Christus es Petrus ans Herz gelegt hatte (Luk. 22,32).
Auch eine überwältigende Mehrheit seiner Gläubigen stand hinter ihm. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen Kommentare in Radio Notre Dame, Mgr Aupetit erhielt „Hunderte und Aber-Hunderte“ von Ermutigungsbriefen aus ganz Frankreich und selbst aus dem Ausland, wie er am Schluss seiner Abschiedsmesse am 10. Dezember erzählte. Hätte Francesco seinen Bruder „gestärkt“, dann hätten viele Christen auch in diesem Jahr wieder den wunderbaren Advents-Predigten Michel Aupetits lauschen und in ihrem Herzen bewegen können, Predigten,
„die so bereichern, die Nahrung sind…, die von hoher Spiritualität sind und die aus Ihrem ganzen Herzen kommen, Monseigneur… Predigten, die trösten, die uns so viel Mut machen…“
(Kommentare von unzähligen Gläubigen in Radio Notre Dame). Dann würden sich viele französische Gläubige – und nicht nur sie – am kommenden Weihnachtsfest nicht wie „Halbweisen“ fühlen.
Ich denke an eine 90jährige Dame aus der französischen Schweiz, die erst kürzlich unter ein Gottesdienst-Video schrieb: „Ich höre Sie so gerne, Monseigneur. Sie verursachen mir viel Glück und viel Freude.“
Und ein Katholik aus Paris zeigte sich noch vor der Rücktrittsannahme durch den Papst voll lebendiger Hoffnung:
„Ich bete für Sie Monseigneur. Der Heilige Geist wird nicht zulassen, dass Ihre Stimme in St Germain oder in Notre Dame ausgelöscht wird…“
Nein, seine Stimme wird nicht verstummen. Sie wird kraftvoll wiederkehren. Wenn auch nicht in St. Germain und Notre Dame.
Doch das Wirken des Geistes Gottes ist weder orts-, noch zeitgebunden.
Wir wünschen Mgr Michel Aupetit an diesem Weihnachtsfest 2021 den Segen und die liebende Zuwendung Gottes, die er immer voller Begeisterung verkündet hat.
Juliana Bauer, am Vierten Adventssonntag 2021